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Wenn das Böse so fein hergerichtet ist, daß es für niemanden mehr als solches erkenntlich ist, sondern gepflegt und anständig daherkommt, dann erst wird es richtig gefährlich.
Ein wildfremder, aufdringlicher Typ spricht den Geschäftsmann Jerome Angust in der Wartehalle eines Flughafens an. Jerome möchte ihn abschütteln, zunächst höflich, dann immer deutlicher, doch der andere , der sich als Textor Texel vorstellt, gibt nicht auf. Er will ihm sein Leben erzählen, das Leben eines Menschen, der aufgrund seiner Häßlichkeit von Kindheit an ausgeschlossen wurde. Und Jerome Angust muß zuhören, ob…mehr

Produktbeschreibung
Wenn das Böse so fein hergerichtet ist, daß es für niemanden mehr als solches erkenntlich ist, sondern gepflegt und anständig daherkommt, dann erst wird es richtig gefährlich.
Ein wildfremder, aufdringlicher Typ spricht den Geschäftsmann Jerome Angust in der Wartehalle eines Flughafens an. Jerome möchte ihn abschütteln, zunächst höflich, dann immer deutlicher, doch der andere , der sich als Textor Texel vorstellt, gibt nicht auf. Er will ihm sein Leben erzählen, das Leben eines Menschen, der aufgrund seiner Häßlichkeit von Kindheit an ausgeschlossen wurde. Und Jerome Angust muß zuhören, ob er will oder nicht.
Tatsächlich ist die Lebensgeschichte von Textor Texel auch für Jerome interessant. Jerome hat nämlich etwas mit Textor gemeinsam: Beide haben Dreck am Stecken. Der eine - Textor - brüstet sich damit, der andere - Jerome - möchte es mit aller Gewalt vertuschen.
Autorenporträt
Amélie Nothomb, 1967 in Kobe geboren, hat ihre Kindheit und Jugend als Tochter eines belgischen Diplomaten in Japan und China verbracht. Nach Abschluß ihres Philologiestudiums hat sie beschlossen, sich ganz dem Schreiben zu widmen. Sie lebt in Brüssel. Die Autorin schreibt, seit sie siebzehn ist.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 09.08.2004

Die Liebesleiter führt zum Mord
Amélie Nothombs Roman „Die Kosmetik des Bösen”
Die Zeitlücke zwischen Abfertigung und Abflug hat schon manchen Erzähler verlockt, in ihr eine Geschichte anfangen zu lassen. Die Normalität ist mit dem Gepäck am Schalter abgegeben, der Zeitstrang spult im Warten beliebig vor und zurück. Vom Grübeln übers innere Zwiegespräch bis zur ausgefallenen Plauderei mit dem ebenfalls wartenden Sitznachbarn ist alles möglich. Literarisch geht die Sache meistens schief, denn so viel erzählerische Freiheit ist heimtückisch.
Die Bestsellerautorin Amélie Nothomb aber scheint mit ihrer schrillen Intelligenz für eine solche Herausforderung geradezu prädestiniert. „Cosmétique de l’ennemi”, wie der Roman im französischen Original noch reizvoller heißt als in der von Brigitte Grosse sonst vorzüglich besorgten deutschen Version, ist tatsächlich ein Produkt für geistige Luxusansprüche, literarisch allerdings im Duty-free-Zuschnitt geschrieben: ideal zur Überbrückung einer Wartezeit von durchschnittlicher Dauer.
Was sich in Nothombs Romanen „Quecksilber” und „Metaphysik der Röhren” noch geistreich durch die Beschreibungsprosa wand, kullert hier spitz in Dialogform daher. Neun Zehntel des Romans sind direkte Rede: unterhaltsam und geistreich auch sie. Der auf den Barcelona-Flug gebuchte Geschäftsreisende Jérôme Angust erfährt, dass sein Flug wegen technischen Problemen auf unbestimmte Zeit verschoben ist. Dieses „er” in der dritten Person, das gesprächsweise dann gleich in die Ich-Form gedrängt wird, ist aber schon gespalten. In einem Verfahren, das an den musikalischen Spaltklang Richard Wagners erinnert, klingt ein anderer aus ihm heraus: ein Herr mit kosmetischem Feingefühl, der sich mit der flachen Hand das Haar glatt streicht und sich anschickt, „Guten Tag, der Herr” zu sagen. Die diabolisch gesittete Entwicklungsdynamik dieses Konversationsromans ist da nicht mehr aufzuhalten. „Sie haben anscheinend nicht begriffen, mein Herr, dass ich keine Lust habe, mich mit Ihnen zu unterhalten”, wehrt sich der Geschäftsreisende zwar noch gegen den aufdringlich auf ihn einredenden Fremden. Warum? Weil er gerade lese. „Nein.” - „Wie bitte?” - „Sie lesen nicht. Sie glauben es vielleicht, aber Lesen ist etwas anderes”.
Der Fremde, der sich als Textor Texel vorstellt, lässt von seinem Opfer nicht mehr ab. Er will sein Leben erzählend loswerden. Die einzig legale Möglichkeit, ihn zum Schweigen zu bringen, ist, mit ihm zu sprechen. Er schildert, wie er als Kind zwanghaft Katzenfutter aß. Wie vor zwanzig Jahren auf dem Pariser Friedhof Montmartre eine Frau vergewaltigt wurde. Wie zehn Jahre später die selbe Frau ermordet wurde: die Frau Jérôme Angusts. Und Textor Texel hat dazu einiges zu sagen.
Lidschattengewächse
Außer dieser schicksalshaft geteilten Frau gibt es zwischen den beiden Herren nur Gegensätze. Der eine sucht seine Ruhe, der andere die Auseinandersetzung. Der eine strebt nach Rache, der andere nach Vergessen. Dem einen geht das Leben leicht von der Hand, dem anderen liegt es schwer auf dem Buckel. Der eine zitiert gern Spinoza, der andere bewundert die Strenge der Jansenisten. Es geht um die Befreiungs- und die Zerstörungskraft des Gewissens in einem Verbrechen, das keiner und jeder beging.
Zielsicher kreisen Rede und Antwort unter Texels kundiger Führung den blinden Fleck einer hypothetischen Schuld ein. Die Regeln sind die einer „jansenistischen Kosmetik”. Ja, die Kosmetik sei die Lehre von der universellen Ordnung, belehrt der Fremde seinen Gesprächspartner. Er möchte seinem Gegenüber nicht auf den Geist, sondern unter die Haut gehen - und steckt vielleicht schon längst da drin.
In subtilen Sprüngen und Wendungen führt die Autorin uns an diesen Verdacht heran und verdreht die detektivische Enthüllungslogik mit reizvollen Paradoxen. Zehn Jahre nach der Tat spricht der Frauenschänder sein Opfer, dem er nie mehr begegnet ist, auf der Straße abermals an und legt so viel Liebe in seinen Blick auf die Frau, „dass sie mich offenbar für liebenswürdig hielt”. Die Steigerungsformen der Verbrechenskosmetik, so darf man Amélie Nothomb verstehen, sind: Begierde, Leidenschaft, Liebe, Liebenswürdigkeit, Mord. Und so elegant wie sie im Roman dahergeplaudert wird, nehmen wir ihr diese Hierarchie auch gerne ab - bis zu dem Zeitpunkt, wo der Fremdling die höfliche Sie-Form jäh aufgibt und dem fassungslosen Jérôme Angust als „sein” innerer Feind, als sein eigenes Gewissen gegenübertritt.
„O nein, bloß keinen psychoanalytischen Ramsch!” - mag der Geschäftsmann hier gerade noch einwenden. Doch der Roman ist schon entgleist. Dass ein Dichter des 19. Jahrhunderts geschrieben hat, „Ich” sei ein anderer, in der Persönlichkeit des Geschäftsmanns Angust aber statt für einen Mister Hyde nur für einen Textor Texel Platz ist, das hätten wir so ausdrücklich lieber nicht mehr erfahren. Auch die Bluttat, deren Zeugen die wartenden Passagiere des Barcelona-Flugs werden, wäre uns dann erspart geblieben. Doch sollte unsere eigene Maschine startbereit sein, bevor wir auf jener Seite 85 angelangt sind, könnten wir nicht klagen. In diesem Fall hätten wir eine Stunde Wartezeit höchst vergnüglich verbracht.
JOSEPH HANIMANN
AMÉLIE NOTHOMB: Kosmetik des Bösen. Roman. Aus dem Französischen von Brigitte Grosse. Diogenes Verlag, Zürich, 2004. 107 Seiten, 16,90 Euro.
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.05.2004

Dr. Jekyll und Monsieur Hyde
Blut ist auch nur Rouge: Amélie Nothomb schminkt den Teufel

Das Fräuleinwunder der belgischen Literatur sieht auf Fotos wie ein zerbrechlicher Engel aus; aber es ist nur "Die Reinheit des Mörders", die aus Amélie Nothombs unschuldigem Lächeln spricht. Mit ihrer Kosmetik des Bösen schminkt sie häßliche Fratzen zu hübschen Lärvchen zurecht: Das sanfte Rouge ist Blut, der Lidschatten schwarzviolett schillernder Zynismus, und der Puder mädchenhaft-koketter Bleichheit übertüncht morbide Perversionen und diabolische Provokationen. Die Diplomatentochter, in China und Japan aufgewachsen, aber weder in Europa noch in Asien ganz zu Hause, inszeniert sich in ihren halbautobiographischen Lebensbeichten ("Mit Staunen und Zittern", "Metaphysik der Röhren","Im Namen des Lexikons") und Romanen gern als unberührbares Wunderkind, das sich weigert, erwachsen zu werden.

In Wahrheit hat sie es aber faustdick hinter den Ohren. Als Kind machte sie sich mit ihrer seltsamen Mischung aus Arroganz und Demut, Größenwahn und Hirnwut offenbar wenig Freunde; aber inzwischen folgen die Leser ihr bedenkenlos in die Wahnwelten romantisch-dekadenter Mörder und Monster. Für Nothomb ist Schreiben Krankheit und Therapie, jedenfalls eine Obsession: "Ich existiere nur, wenn ich schreibe. Alles andere finde ich ziemlich langweilig." Jedes Jahr schreibt sie so drei Romane, gespickt mit philosophischen Spekulationen und psychopathologischen Schocks, und auch wenn sie nur einen davon veröffentlicht, sind es immerhin schon siebzehn geworden; fast jeder wird ein Bestseller.

Fette Männer mit kranken Hirnen sind Nothombs bevorzugte Haßobjekte. Die männliche Bulimie ernährt sich auf Kosten der weiblichen Anorexie, das unverschämt protzende und strotzende Fleisch verschlingt jede feinere Geistesregung und zerstört jede Unschuld. Zur Sühne legen sich die ekelhaft selbstgerechten Frauen- und Kinderschänder gern selber auf die Schlachtbank, aber eine Tötung auf Verlangen befriedigt nur überzeugte Sadomasochisten. In "Die Reinheit des Mörders" erzählte ein widerlich feister, präpotenter Literaturnobelpreisträger einer Journalistin, wie er und seine Schwester ihre geschlechtslos-inzestuöse Unschuld mit radikalen Mitteln verteidigten. In "Der Professor" machte ein fetter, mürrischer Arzt seinen akademischen Nachbarn das Leben zur Hölle: Immun gegen Konversationsangebote, feine Ironie und grobe Beschimpfungen, belästigte er den Professor so lange mit ungebetenen Besuchen, bis sein Gastgeber alle humanistischen Werte und höflichen Umgangsformen vergaß.

Zivilisation ist bei Nothomb nur ein dünner Firnis, immer in Gefahr, unter dem heißen Atem zu- und aufdringlicher Mitmenschen zu schmelzen und Abgründe freizulegen. Das geil wuchernde und wogende Fleisch, bar jeder intellektuellen Zucht und kulturellen Sublimation, strafft den zarten Geist nämlich zur Notwehr. Es kann der Bravste nicht in Frieden leben, wenn sein Nachbar ihm mit fetten Speisen, Körpergerüchen und Lebensbeichten auf den Leib rückt: So werden jungfräulich reine Kindfrauen und gebildete, kultivierte Bürger zu reißenden Bestien.

Auch in Nothombs neuem Roman reizt ein Quälgeist seinen Sitznachbarn mit ungebetenen Geständnissen bis aufs Blut. Der Fremde - er nennt sich, verdächtig genug, Textor Texel - drängt auf dem Flughafen dem Geschäftsmann Jérôme seine Lebensgeschichte nebst Kommentar auf: wie er als ungeliebtes, einsames Kind Katzenfutter aß, um sich an Gott und den Menschen zu rächen; wie er als Schüler einen begabteren, beliebteren Klassenkameraden mit einem Fluch tötete; warum er an die jansenistische Prädestinationslehre glaubt und Sex mit dem Einverständnis des andern für ihn an "Würze" verliert. Auf einem Pariser Friedhof will Textor eine Frau ohne Skrupel und Schuldgefühle vergewaltigt haben. Als er sie nach langem Suchen wiedertraf, ermunterte er sie, "Gerechtigkeit aus erster Hand" an ihm zu üben; aber Isabelle verweigerte ihm nicht nur diesen Liebesdienst, sondern auch die Nennung ihres Namens, und so muß das tollwütige Rumpelstilzchen seine erste und einzige Geliebte wohl oder übel töten.

Bis hierhin ist die "Kosmetik des Bösen" eine gelungene Schönheitsoperation. Mit wahnsinniger Logik und schwarzem Humor entwickelt der verliebte Unhold seine krause Weltsicht und bietet sich seinem Opfer zur Rache an: ein Identitätsphilosoph, der an seinen Widersprüchen gemütlich zerbricht, ein egoistischer Mörder, der am Selbstmord auf Verlangen scheitert. Dann aber setzt Nothomb ihre Geschichte aufs Gleis einer psychoanalytischen Fallstudie, und das nimmt ihr viel von ihrer beunruhigenden Vieldeutigkeit. Textor, erfahren wir nach allerlei gewissenlosen Aphorismen und altklugen Sentenzen ("Die Verdrängung ist die Mülltonne des 20. Jahrhunderts"), ist nur der "innere Feind" Jérômes, der verdrängte Monsieur Hyde in Dr. Jekyll; was jener gewalttätig phantasiert, hat dieser längst in die blutige Tat umgesetzt. Der aufgenötigte Dialog erweist sich als Monolog eines Schizophrenen, der Fremde als Fleisch vom Fleische des eigenen inneren Schweinehundes, Textors Abschlachtung als Jérômes bizarre Selbstjustiz.

"Kosmetik des Bösen" gehört nicht zu Nothombs besten Romanen. Man kennt ihre Leib-Motive inzwischen hinreichend, und die Auflösung des philosophischen Thrillers in freudianische Küchenpsychologie ist doch etwas enttäuschend. Immerhin, das Parfum des Bösen ist auch diesmal mehr als nur eine kosmetische Duftmarke. Mit grimmigen Pointen und überraschenden Volten steuert Nothomb auf den Rollentausch zwischen Opfer und Täter, höflichem Zuhörer und aufdringlichem Erzähler zu. Beide sind anfällig für die Rhetorik des Bösen, und es ist nur eine Frage von Zufall oder Schicksal, ob man dem Versucher Stimme oder Ohr leiht. Neugierig, kaltblütig und lustmörderisch vergnügt reißt sich Nothomb die Maske kindlicher Unschuld vom kosmetisch gepflegten Gesicht, und so viel Mut zur Häßlichkeit und Bosheit macht uns den Quälgeist dann doch wieder sympathisch. Sie würde uns, um Kleist zu variieren, nicht als Engel erscheinen, wenn sie nicht eine so raffinierte Teufelin wäre.

MARTIN HALTER

Amélie Nothomb: "Kosmetik des Bösen". Roman. Aus dem Französischen übersetzt von Brigitte Große. Diogenes Verlag, Zürich 2004. 107 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Halter ist dem "Fräuleinwunder der belgischen Literatur" verfallen, jedenfalls hört es sich so an, wenn er von der verführerisch-schönen Bösartigkeit der Amélie Nothomb schwärmt: "Das sanfte Rouge ist Blut, der Lidschatten schwarzviolett schillernder Zynismus, und der Puder mädchenhaft-koketter Bleichheit übertüncht morbide Perversionen und diabolische Provokationen." Eine Getriebene sei sie, die jährlich drei Romane schreibe, philosophische Thriller, die sich wie wild verkaufen und in denen zumeist ein aufdringlicher, fetter Widerling den "dünnen Firnis" der Zivilisation zerreibt, der irgendwelche unbescholtenen Bürger von ihren eigenen Abgründen trennt. Der Rezensent macht keinen Hehl daraus, Mitglied in Mademoiselles Fangemeinde zu sein, dennoch ist er von ihrer neuesten Bosheit nicht restlos begeistert. Zuerst sei alles noch wunderbar vieldeutig: Ein Fremder drängt einem Geschäftsmann auf dem Flughafen seine abartige Lebensgeschichte auf ("wie er als ungeliebtes, einsames Kind Katzenfutter aß, um sich an Gott und den Menschen zu rächen ..."), in der es um Vergewaltigung und Mord geht. Dann aber, bedauert Halter, macht der Roman aus dem Quälgeist einen Schizophrenen, und die schöne böse Geschichte gehe den Bach der Küchenpsychologie runter. Dennoch: Auch hier gibt es genügend "grimmige Pointen", um die Faszination des Rezensenten für die "raffinierte Teufelin" Nothomb anzuregen.

© Perlentaucher Medien GmbH
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»Amélie Nothomb ist Kult: Ihre Romane haben Millionenauflagen. In ihren Romanen geht es morbide und makaber zu, jedenfalls nicht moralisch und schon gar nicht brav.« Martin Ebel / Tages-Anzeiger Tages-Anzeiger