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Ein deutscher Offizier nimmt während der Besatzung in Frankreich bei einem alten Mann und seiner jungen Nichte Quartier. Während der Deutsche allabendlich seine große Verehrung für die französische Kultur kundtut und über die deutsch-französische Zukunft monologisiert, schweigen seine Quartiersgeber - wie das Meer. Bei einem kurzen Besuch in Paris wird dem Offizier der Zynismus der Politik Hitlers offenbar, und völlig desillusioniert beschließt er, sich an die Ostront zu melden.

Produktbeschreibung
Ein deutscher Offizier nimmt während der Besatzung in Frankreich bei einem alten Mann und seiner jungen Nichte Quartier. Während der Deutsche allabendlich seine große Verehrung für die französische Kultur kundtut und über die deutsch-französische Zukunft monologisiert, schweigen seine Quartiersgeber - wie das Meer. Bei einem kurzen Besuch in Paris wird dem Offizier der Zynismus der Politik Hitlers offenbar, und völlig desillusioniert beschließt er, sich an die Ostront zu melden.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 12.07.2000

Ferner, fremder, dumpfer
Und noch leiser: "Das Schweigen des Meeres" von Vercors

Sechzig Jahre nach der Niederschrift des Buchs, vierzig Jahre nach den Anfängen deutsch-französischer Aussöhnung schweigt Vercors' Meer anders: ferner, fremder, dumpfer. Der Pfeife rauchende Erzähler qualmt heute auch Reminiszenzen von Vichy ins Zimmer. Seine strickende Nichte wird als Mutter mit ihren Kindern wohl eines Tages die Bundesrepublik oder die DDR besucht und als Großmutter dann von der Wiedervereinigung Deutschlands gehört haben.

Der deutsche Besatzungsoffizier von Ebrennac, der das Kriegsende an der Ostfront wahrscheinlich nicht mehr erlebte, hat mit seinen langen Monologen abends vor dem Kamin den zwei oder drei Generationen nach ihm das intellektuelle Schema der deutsch-französischen Verständigung geliefert. Die Denkbilder von der stolzen Schönen aus dem Märchen, die sich durch das ungelenke, im Grunde aber nicht ungute deutsche Tier schließlich einnehmen lässt, oder von der ans Inhumane grenzenden Genialität eines Johann Sebastian Bach, die als Komplement das welsche Menschenmaß braucht, haben sich im europäischen Pragmatismus allmählich verflüchtigt. Sie als kulturelles Projekt vor dem Hintergrund des schon absehbaren Resultats her wieder zu lesen ist immer noch reizvoll.

Die seriöse Arbeit von Karin Krieger vermag den vorangegangenen Übersetzungen nichts wesentlich Neues hinzuzufügen. Die den Offizier befremdende, faszinierende "musique inhumaine" von Bach klingt als "nichtmenschliche Musik" so brachial wie eh und je. Das Deutsche ist nun einmal unfähig, die zwischen Negation und Absenz diskret schillernde Bedeutung der französischen Vorsilbe "in-" adäquat wiederzugeben. Doch kann die Übersetzung das sich durch die ganze Erzählung ziehende, sie in einer Art innerer Echolosigkeit aufzehrende Motiv des Schweigens mehr oder weniger glücklich auf seine diversen Register verteilen. Das Schweigen, in dessen Tiefe schon am ersten Abend das "S'il vous plaît" des eintretenden Offiziers klanglos "fällt", das sich dann wie "Morgennebel" ausbreitet und zugleich "bleierne Last" wird, ergibt die dumpfe Grundresonanz, über der wie Obertöne die Ahnung vom Besiegen und Brechen dieses Schweigens über alle Vokalfarben des "bricht", "brach", "gebrochen" mitschwingt.

Mit der Ferne dieses zum Zeitzeugnis gewordenen Klangs mag es zusammenhängen, dass Ludwig Harig in seinem Begleitessay das Buch auf die Distanz seiner eigenen Biografie setzt. Er hatte die Erzählung von Jean Bruller alias Vercors zweiundzwanzigjährig als Deutschassistent in Lyon erstmals gelesen und war schon damals befremdet von der Wirkung dieser "deutschen Schicksalswörter", die von "Gott", "Natur" bis hin zum "Menschenmaß" im Mund des Offiziers alles verhärten. Harig kommt aber nicht umhin, mit dem immerfort Austern schlürfenden Monsieur Botrand, der ihn auf Vercors' Buch brachte, in der Erinnerung selbst solche Denkschemata aufzubauen. Der moralischen Muffköpfigkeit der Grübler stellt er da etwa die lebenszugewandte Sachbezogenheit des "mittelmeerischen Denkens" gegenüber. Denn Monsieur Botrand hatte dem jungen Deutschassistenten nicht nur Vercors, sondern auch Montaigne in die Hand gelegt. Von dessen spielerischer Gedankenführung des nie Stabilisierbaren angeregt, sucht Harig die Figur des Werner von Ebrennac aus dem verkrusteten Schema des "guten" gegen die "bösen" Deutschen zu befreien und auf Montaignes Schaukel zu heben: ein schwieriges Unterfangen, das von dem heute wieder beliebten Gedenktourismus der gefühlsschweren Betroffenheit und suggestiven Sprachlosigkeit nicht gerade befördert wird. Ein Grund mehr also, einschlägige literarische Texte wie diesen wieder zu lesen.

JOSEPH HANIMANN

Vercors: "Das Schweigen des Meeres". Aus dem Französischen übersetzt von Karin Krieger. Mit einem Essay von Ludwig Harig und einem Nachwort von Yves Beigbeder. Diogenes Verlag, Zürich 1999. 137 S., geb., 26,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Für Joseph Hanimann scheint der Reiz dieses Buchs, das bereits vor sechzig Jahren geschrieben wurde, gerade darin zu liegen, dass man aus den heutigen Perspektive das deutsch-französische Verhältnis selbstverständlich völlig anders betrachtet als es damals der Fall gewesen ist. So interessiert ihn vor allem die Selbstdarstellung eines deutschen Offiziers, der sich für die Musik Johann Sebastian Bachs begeistert, geradezu so, als ob dies ein Ausgleich für das "ungute deutsche Tier" darstellen könnte. Die Übersetzung Karin Kriegers lobt Hanimann zwar als "seriös", jedoch habe sie der früheren "nichts wesentliche Neues hinzuzufügen". Hanimann geht darüber hinaus auch auf Ludwig Harigs Begleitessay ein, an dem er kritisiert, dass der Autor dort leider selbst deutsch-französische Klischees eher bestärkt als auflöst. Harigs Versuch, den deutschen Offizier in Vercors Geschichte "aus dem verkrusteten Schema des `guten` gegen die `bösen` Deutschen zu befreien", hält der Rezensent offensichtlich für nicht geglückt.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Eine Geschichte von menschlicher Größe, von Verrat und Melancholie." (Berliner Zeitung) "Vercors inszeniert ein Kammerspiel voll innerer Dramatik, glänzend in der Nuance und der oft komplexen Bedeutung, die auf jeden Blick, jede Geste gelegt wird. Er erzielt ungeheure Spannung aus dem Zwiespalt der Figuren, aus dem Wunsch des Lesers nach Annäherung - und der Unmöglichkeit, die man nachvollzieht. Ein literarisches Juwel, das bis heute nichts von seiner Wirkung verloren hat." (Lesart) "Diese Erzählung um die Figur eines sympathisch gezeichneten Deutschen ist erstaunlicherweise zu einem der wichtigsten literarischen Zeugnisse der Resistance geworden. Der Verlag hat die Neuauflage nun um einen Essay von Ludwig Harig, um ein gründliches biographisches Nachwort von Yves Beigbeder zu Vercors und um eine Zeittafel ergänzt. Sie liefern wertvolle zeitgeschichtliche Ergänzungen zur Erzählung selber wie zu ihrer Rezeption. Für den jungen Deutschen Ludwig Harig, der nach dem Krieg ein Jahr lang in Lyon Deutschunterricht gab und als Deutscher auf große Reserve stieß, wurde die Lektüre zum Schlüsselerlebnis." (Tages-Anzeiger)