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»Die Wahrheit liegt im Verschwinden« ein verwirrender Satz, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und manches Rätsel aufgibt. So wie das Leben der Corinna Mühlbauer, der Freundin des renommierten Berliner Statikers Kippenberger. Immer wieder entzieht sie sich auf eigenartige Weise ihren Mitmenschen. Die Irritation, die sie verursacht, ist so stark wie die Anziehung, die sie ausübt. Was für eine Form des Lebens führt sie, welches besondere Glück ist ihr beschieden?

Produktbeschreibung
»Die Wahrheit liegt im Verschwinden« ein verwirrender Satz, der sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht und manches Rätsel aufgibt. So wie das Leben der Corinna Mühlbauer, der Freundin des renommierten Berliner Statikers Kippenberger. Immer wieder entzieht sie sich auf eigenartige Weise ihren Mitmenschen. Die Irritation, die sie verursacht, ist so stark wie die Anziehung, die sie ausübt. Was für eine Form des Lebens führt sie, welches besondere Glück ist ihr beschieden?
Autorenporträt
Hartmut Lange, geboren 1937 in Berlin-Spandau, studierte an der Filmhochschule Babelsberg Dramaturgie. Für seine Dramen, Essays und Prosa wurde er vielfach mit Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm der Novellenband 'Der Lichthof' (2020). Er lebt als freier Schriftsteller in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.11.1999

Die Wahrheit liegt im Verschwinden
Hartmut Lange sucht das Glück Von Martin Ebel

Hartmut Langes Prosa scheut den Lärm, die Aufgeregtheit und alle aufdringlichen Effekte. Wiederholungen scheut sie nicht. Im Gegenteil: aus den über die Erzählung verstreuten, unauffällig und hartnäckig wiederkehrenden Elementen setzt sich über der Handlungs- eine zweite Erzählebene zusammen, die zwar nicht das verrät, was die erste verschweigt, die aber eine starke Suggestion ausübt.

Viele Wiederholungen ergeben sich ganz vordergründig aus der Topographie. "Eine andere Form des Glücks" spielt in Berlin, nicht in der Stadt des Baubooms, der Kräne und der Presslufthämmer, sondern in einem Villenviertel am Rande des Grunewalds. Die handelnden Personen gehen dort immer wieder spazieren, die Grieg- und die Spohrstraße entlang, durch das Hundekehlefenn und um den Grunewaldsee herum. Das Merkwürdige dabei: Wenn sie eine Runde gemacht und wieder am Ausgangspunkt angekommen sind, steht der Mond seitenverkehrt am Himmel.

Merkwürdig: das ist eines der Wiederholungswörter, aus denen die leise Wortmusik dieser Erzählung komponiert ist. "Ungereimtheiten" ist ein anderes. Ihr Charakteristikum ist aber nicht begrifflich, sondern atmosphärisch fassbar. Antworten werden nicht gegeben, Fragen erst gar nicht gestellt. Auf einem Urlaubsfilm ist niemand zu erkennen, nur ein roter Streifen, als wäre Licht in die Kamera gefallen. Eine historische Fotografie dagegen verheißt hinter einer "Schattenlinie" mehr, als der Betrachter zu sehen imstande ist. Was das ist, kann er nur vermuten: "eine andere Form des Glücks".

Vorerst lernt dieser Betrachter, ein "fast berühmter" Zahnarzt namens Dahlhaus, eine andere Form der Existenz kennen, ein Zwischenreich jenseits jeder Gewissheit. Wenn er belesener und gebildeter wäre, als er offenbar ist, würde er sich in ein Bild von Magritte, einen Film des frühen Buñuel, oder eine Kafka-Erzählung versetzt fühlen. So hat nur der Leser diese Assoziationen, und das soll er ja dann wohl auch. Hartmut Lange irritiert ihn nämlich in gleicher Weise wie seinen Helden. Der Leser erlebt nicht nur weniger, er erfährt auch (noch) weniger als dieser, weil Lange ihn immer aus dem Zentrum des Geschehens wegrückt an den Rand, auf eine Beobachterposition, meist auch mit schlechter Sicht.

Wenn gesagt wird, worum es in dieser Erzählung geht, dürfte klar sein, dass es darauf am allerwenigsten ankommt. Nur so viel: Der Architekt Kippenberger will seine Freundin Corinna heiraten, doch sie entzieht sich ihm erst, verlässt ihn dann. Kippenberger verschwindet, allem Anschein nach mit neuem Lebensmut. Fortan ist es, als ob seine anfängliche Verstörung auf seinen Freund Dahlhaus überspringt, der bei der geplatzten Hochzeit als Trauzeuge vorgesehen war und nun von Corinna rätselhafte Signale empfängt.

"Die Wahrheit liegt im Verschwinden", hatte Kippenberger in sein Tagebuch notiert. Das liegt auf dem Müll, aus dem Dahlhaus, entsetzt über solche Pietätlosigkeit gegenüber dem eigenen Unglück, es hervorholt. Dem Zahnarzt, das deutet der Autor allzu deutlich an, fehlt etwas im Leben. Kippenbergers Satz vom Verschwinden trägt er mit sich wie eine Aufforderung. Gleich den alten Fotografien scheint dieser Satz mehr zu enthalten, als er sagt: ein Versehen.

Bei dem Versuch, den Satz eingelöst zu bekommen, holt sich Dahlhaus eine blutige Nase. Er nimmt das alte Leben an der Seite seiner nüchternen Frau wieder auf; wie Kippenberger, der im Neuberliner Aktivismus aufgeht. So gehört das letzte Wort der Erzählung den Baggern und Presslufthämmern, die am Rand des Grunewalds ihr Erneuerungswerk verrichten. Aber den Mond, der einmal falsch herum am Himmel stand, erreichen sie nicht.

Hartmut Lange: "Eine andere Form des Glücks". Diogenes Verlag, Zürich 1999. 129 S., geb., 32,90 DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Martin Ebel lobt die „leise Wortmusik dieser Erzählung“ über einen „fast berühmten“ Zahnarzt und einen Architekten, der von seiner Freundin verlassen wird und dadurch paradoxerweise neuen Lebensmut schöpft. Ebel gefällt es, wie der Architekt sein Glück im Verschwinden sucht und wie sich der Zahnarzt, beim Versuch es ihm gleich zu tun, eine blutige Nase holt. Am Ende, so scheint es, dringt dann doch der Baulärm des neuen Berlin in Langes leise Prosa.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Leise, aber selbstbewusst markiert Hartmut Lange mit "Eine andere Form des Glücks" einmal mehr einen noblen Spezialplatz in unserer Gegenwartsliteratur. Hartmut Lange ist ein denkwürdiger schlanker Text geglückt: lakonisch-dicht, komisch, ironisch." (Nürnberger Nachrichten)
"Eine Liebesgeschichte der besonderen Art, die sich um das zentrale Gefühl dreht, das Augenblicke großen Glücks stets zurücklassen, jene Empfindung, als wäre es nie gewesen." (Süddeutsche Zeitung)
»Der Meister unter den phantastischen Rationalisten.« Edelgard Abenstein / Deutschlandradio Kultur Deutschlandradio Kultur