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Künstler bestimmen die Qualität einer Gesellschaft. Dafür benötigen sie das Interesse einer möglichst breiten Öffentlichkeit ein komplexer Vorgang gegenseitiger Durchdringung, der oft viel Zeit braucht. Unsere Gesellschaft will sich Kunst aber nur noch leisten, wenn unmittelbar Erfolg sichtbar wird. Das Kulturkarussell dreht sich also immer schneller: Verlage, Galeristen, Kulturinstitute jeglicher Ausrichtung und nicht zuletzt die Medien werden zu ihren eigenen Antreibern. Eine Gesellschaft sägt an dem Ast, der sie trägt.Da kommt die Frage: Was hat Erfolg eigentlich mit Kunst zu tun? einer…mehr

Produktbeschreibung
Künstler bestimmen die Qualität einer Gesellschaft. Dafür benötigen sie das Interesse einer möglichst breiten Öffentlichkeit ein komplexer Vorgang gegenseitiger Durchdringung, der oft viel Zeit braucht. Unsere Gesellschaft will sich Kunst aber nur noch leisten, wenn unmittelbar Erfolg sichtbar wird. Das Kulturkarussell dreht sich also immer schneller: Verlage, Galeristen, Kulturinstitute jeglicher Ausrichtung und nicht zuletzt die Medien werden zu ihren eigenen Antreibern. Eine Gesellschaft sägt an dem Ast, der sie trägt.Da kommt die Frage: Was hat Erfolg eigentlich mit Kunst zu tun? einer Vollbremsung gleich. Imke Elliesen-Kliefoth hat siebzehn hochkarätige Gespräche mit Künstlern, Musikern, Schriftstellern und anderen wichtigen Persönlichkeiten des künstlerischen Lebens geführt und uns so das Vergnügen verschafft, das Thema Erfolg aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten. Die Gesprächspartner: Diedrich Diederichsen, Kritiker Jenny Erpenbeck, Schriftstellerin Adriana Hölszky, Komponistin Reinhard Jirgl, Schriftsteller Markus Lüpertz, Maler Jonathan Meese , Maler/Performance Albert Oehlen, Maler Isolde Ohlbaum, Fotografin Ulrich Peltzer, Schriftsteller Pipilotti Rist, Künstlerin Dieter Schnebel, Komponist Irène Schweizer, Pianistin Thomas Wagner, Kunstkritiker/Autor Peter Weber, Schriftsteller Christina Weiss, Kulturpolitikerin/Publizistin Michael Wertmüller, Komponist/Musiker Amelie von Wulffen, Malerin
Autorenporträt
Imke Elliesen-Kliefoth, geboren 1971 in Hamburg, Studium der Germanistik, Philosophie und Linguistik in Hamburg und Berlin. Journalistin, Veranstalterin einer Konzert-Reihe im Free-Jazz-Bereich und freie Mitarbeiterin der Akademie der Künste Berlin. Imke Elliesen-Kliefoth lebt in Berlin und hat drei Kinder.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.10.2009

Glück ist etwas Existentielles, Erfolg nicht
Was macht die Kunst? Imke Elliesen-Kliefoth hat mit Schriftstellern, Malern und Musikern inspirierende Gespräche über das Gelingen geführt

Den Paragone gibt es nicht mehr. Was einst als edler Wettstreit der Künste die Gemüter erregte, ist zu einem Gemetzel mit ungleichen Waffen geworden: Wenn ein Schriftsteller sagt, er hat Erfolg, heißt das in der Regel, dass er vom Schreiben gerade so leben kann. Ein erfolgreicher Maler hingegen ist ein gemachter Mann, wenn nicht gleich ein Millionär. Für einen Komponisten zeitgenössischer E-Musik ist es schon ein Erfolg, wenn sein Werk überhaupt irgendwo aufgeführt oder gar im Rundfunk gesendet wird.

Ein hochinteressanter Interviewband bietet nun Gelegenheit, sich detailliert und tiefgründig mit den Fragen nach dem Verhältnis von Erfolg und künstlerischem Gelingen, von äußerer Anerkennung und innerer Notwendigkeit auseinanderzusetzen. Die Berliner Publizistin Imke Elliesen-Kliefoth hat mit siebzehn führenden Protagonisten aus Literatur, Musik, Bildender Kunst und Kritik Gespräche geführt, in denen die spezifischen Bedingungen gegenwärtiger Kunstproduktion und -rezeption - und vor allem die gravierenden Unterschiede zwischen den Sparten - anschaulich werden. Eine große Leistung der Interviewerin, da dies eine annähernd gleiche Vertrautheit mit den Mechanismen der Musikszene sowie des Buch- und Kunstmarkts voraussetzt.

Allein in den vier Schriftstellergesprächen - mit Jenny Erpenbeck, Reinhard Jirgl, Ulrich Peltzer und Peter Weber - entsteht ein sehr präzises (und ernüchterndes) Bild des Literaturbetriebs. Grandios, wie etwa Jirgl in hypergenauer, philosophischer Diktion die Lage beschreibt: "Die Tatsache, nicht durch eigenverdientes Geld, sondern allein durch Subventionen finanziell überstehen zu können, stimmt mich von dieser Seite her nicht betrüblich, ist doch allgemein bekannt, dass jeder, der nicht die Lizenz zum Gelddrucken besitzt, seine Arbeitskraft in fremde Dienste stellen muss." Kühl und illusionslos seziert er die "Hybris der Personengestaltung" in der Öffentlichkeit und liefert zugleich eine Theorie künstlerischen Gelingens - ähnlich wie Peltzer, der eine Romanpoetik in nuce entwickelt und das Verhältnis von Kritik und Buchmarkt beleuchtet. Kritikerlob und Preise hätten nur insofern eine Bedeutung, als man sie "für seine narzisstische Libido braucht". Ansonsten gelte: "Literarischer Erfolg ist, wenn man von einem Buch 100 000 Stück verkauft."

Dieser Band ist eine Fundgrube. Die Komponistin Adriana Hölszky beschreibt ihren kompromisslosen Weg in die erste Reihe ("Glück ist etwas Existentielles, und Erfolg ist nicht existentiell"), Dieter Schnebel liest der Musikkritik die Leviten, der Avantgarde-Schlagzeuger Michael Wertmüller nennt Literatur von Jirgl, Gaddis und Sorokin als Inspirationsquellen. Pipilotti Rist, eine der renommiertesten Videokünstlerinnen, und die bildende Künstlerin Amelie von Wulffen reflektieren über die Geschlechterdifferenz beim Erfolg mit dem provokativen Fazit, dass einer Frau "malerische Genialität nicht zugetraut" werde und die deutsche Malerei "einfach komplett männlich" sei.

Der Maler Albert Oehlen erkundet die Übergänge zwischen Underground und Mainstream im Vergleich mit Pop: "Es hat etwas mit Jugend zu tun, mit Identifikation, in bestimmten Plattenläden Mini-Label-Platten zu kaufen oder sich in Dreckskellern unter schlechtesten Bedingungen eine unbekannte Dilettantenkombo anzuhören. Aber es hat wenig damit zu tun, beurteilen zu können, wie gut die Musik ist, die da gespielt wird. Das findet man mit Schrecken 15 Jahre später heraus." Die Erkenntniskraft des Bandes ergibt sich nicht zuletzt durch die enge Vernetzung. Immer wieder zitiert Elliesen-Kliefoth Aussagen anderer Interviewpartner. In abschließenden Gesprächen mit Diedrich Diederichsen und Thomas Wagner, lange Jahre Kunstkritiker dieser Zeitung, wird vieles noch einmal auf den Begriff gebracht.

Am Ende hat die intensive Begleitung so vieler Künstlerschicksale einen paradoxen Effekt: So deprimierend und anstößig die äußeren Bedingungen auch sein mögen, es bleibt die ansteckende Gewissheit, dass der Kern der Kunst unkorrumpierbar ist. Kunst, so sagt es Ulrich Peltzer einmal stellvertretend für fast alle, sei ohne existentielles Risiko nicht zu haben. Daran können sich auch die Hörer, Leser oder Betrachter ein Beispiel nehmen.

RICHARD KÄMMERLINGS

Imke Elliesen-Kliefoth: "Bergauf beschleunigen". Gespräche über Gelingen und Erfolg. Ammann Verlag, Zürich 2009. 496 S., br., 22,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Am Ende bleibt dem Rezensenten aller deprimierenden Äußerungen in diesem Buch zum Trotz doch die wunderbare Gewissheit, dass Kunst im Kern nicht korrumpierbar ist. Zuvor hat sich Richard Kämmerlings von der Autorin, der Publizistin Imke Elliesen-Kliefoth, und ihren InterviewpartnerInnen aus Literatur, Musik, Bildender Kunst und Kritik so einiges über desaströse  Schaffensbedingungen, das Verhältnis von Erfolg und Gelingen oder bestehende Geschlechterdifferenzen auf dem Kunstmarkt auseinandersetzen lassen. Mit Gewinn. Die bemerkenswerte Vertrautheit der Autorin mit den jeweiligen Betriebsmechanismen hält der Rezensent dabei für eine Bedingung des Gelingens eines solchen Gesprächsbandes. Nicht minder ausschlaggebend für den hohen Erkenntniswert der Lektüre ist laut Kämmerlings die enge Vernetzung der verschiedenen Gespräche untereinander.

© Perlentaucher Medien GmbH