Marktplatzangebote
2 Angebote ab € 40,00 €
  • Gebundenes Buch

"The Third Man was not just a movie to us!" "Der Dritte Mann war für uns mehr als bloß ein Film!": mit diesen Worten charakterisiert Hugh Appling, damals junger Diplomat an der US-Botschaft in Wien, zurückblickend die Atmosphäre, die in den späten vierziger Jahren in Österreich geherrscht hat gekennzeichnet vom beginnenden Kalten Krieg, den Aktionen der sich bildenden Blöcke in Ost und West und dem davon beeinflussten Verhalten der Österreicher. Die Wahl eines Standbildes aus diesem berühmten Film mit Orson Welles als Cover für dieses Buch war daher alles andere als zufällig, möchte vielmehr…mehr

Produktbeschreibung
"The Third Man was not just a movie to us!" "Der Dritte Mann war für uns mehr als bloß ein Film!": mit diesen Worten charakterisiert Hugh Appling, damals junger Diplomat an der US-Botschaft in Wien, zurückblickend die Atmosphäre, die in den späten vierziger Jahren in Österreich geherrscht hat gekennzeichnet vom beginnenden Kalten Krieg, den Aktionen der sich bildenden Blöcke in Ost und West und dem davon beeinflussten Verhalten der Österreicher. Die Wahl eines Standbildes aus diesem berühmten Film mit Orson Welles als Cover für dieses Buch war daher alles andere als zufällig, möchte vielmehr stimmungsmäßig einleiten in die neun Beiträge des Bandes, die die vielfältigen auswärtigen Einflüsse auf die Entwicklungen im Österreich der Zeit nach 1945 beschreiben.

Die Themen reichen von Aktivitäten ausländischer Partisanen in Österreich über die Tätigkeit alliierter Geheimdienste, die amerikanischen Planungen für die Luftversorgung Wiens im Falle einer Blockade à la Berlin und französische Sperrvorbereitungen in Tirol und Vorarlberg bis hin zur Krise um die US-Flüge über Österreich 1958. Ein historiographischer Überblick über den Kalten Krieg und die österreichische Zeitgeschichtsforschung aus der Feder von Univ.-Prof. Günter Bischof (New Orleans) vervollständigt diese Arbeiten.

Mit Beiträgen von: Günter Bischof, Siegfried Beer, Walter Blasi, James Jay Carafano, Edda Engelke, Rudolf Jerábek, Arnold Kopeczek, Bruno W. Koppensteiner und Erwin Schmidl.
Autorenporträt
Schmidl, Erwin A.
Erwin A. Schmidl, geb. 1956 in Wien, Studium der Geschichte, Völkerkunde und Kunstgeschichte an der Universität Wien
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 28.02.2001

Unwiderstehliche Kraft spüren
Österreich im Kalten Krieg 1945 bis 1958

Erwin A. Schmidl (Herausgeber): Österreich im frühen Kalten Krieg 1945-1958. Spione, Partisanen, Kriegspläne. Böhlau Verlag, Wien 2000. 275 Seiten, 69,80 Mark.

"Die Vier im Jeep" - ein Filmtitel als Synonym für die Situation in Österreich nach 1945: die Vertreter der vier Besatzungsmächte einträchtig auf Kontrollfahrt in Wien. Und dazu Mozartkugeln, Lipizzaner, Walzermusik und Salzburger Festspiele. Österreich als die Insel der Glückseligen, deren Bewohner nichts mit dem "Anschluß" 1938 und den Ereignissen bis 1945 (überall wurde Widerstand geleistet - oder doch nicht?) zu tun hatten. Ihnen ging es nach 1945 nur um den Staatsvertrag; sie dümpelten abseits der Weltgeschichte in ihrer Alpenrepublik im friedlichen Brackwasser dahin. Der Kalte Krieg fand woanders statt: bei den Deutschen - und mit denen hatte man ja sowieso noch nie etwas zu tun gehabt.

Dieses Klischee wurde nach 1945 in der Alpenrepublik über Jahrzehnte fast wie eine Staatsdoktrin gehandelt (nicht ohne Zutun auch der österreichischen Zeithistoriker). Es hat aber mit der Realität leider wenig bis gar nichts zu tun. Deutschland war zwar für alle sichtbar eines der Hauptkampffelder des Kalten Krieges, aber Österreich war immer mit dabei. Für viele war das nicht erkennbar, weil dem Land die bittere, sichtbare Konsequenz, nämlich die Teilung, erspart blieb - nicht zuletzt auch deshalb, weil die Österreicher dies nicht zuließen!

War Österreich so wichtig? Diese Frage haben damals die Vereinigten Staaten beantwortet: Österreich erhielt 950 Millionen Dollar Marshallplan-Hilfe. Das war nach Norwegen der höchste Pro-Kopf-Anteil aller Empfängerländer. Zum Vergleich: Die drei Westzonen beziehungsweise die Bundesrepublik Deutschland mit der zehnfachen Einwohnerzahl erhielt nur rund 1,5 Milliarden Dollar. Über den Marshallplan und Österreich weiß man etwas, über vieles im Zusammenhang mit dem Kalten Krieg wenig bis gar nichts. Das hat zum einen zu tun mit der jahrelangen Selbstbeschränkung der Zeithistoriker, zum anderen mit dem schwierigen Aktenzugang.

Das ändert sich allmählich. Ein erstes Ergebnis ist der vorliegende Sammelband. Erstmals erfährt man etwas über alliierte Pläne zur Luftversorgung Wiens im Falle einer sowjetischen Blockade 1948 bis 1953. Die Situation war ungleich schwieriger als in Berlin: In Wien verfügten die Westmächte über keine Flugplätze im Stadtgebiet. Es gab auch keine geeigneten Landeplätze für Lastensegler oder Abwurfzonen oder Landemöglichkeiten für Flugboote (die Sowjets kontrollierten die Donau). Also baute man einen Flugplatz und legte Vorräte an. Zum Glück brauchte man beides nicht. Anfang 1955 waren von den Vorräten noch 1800 Tonnen Pferdefleisch in Dosen übrig, die als Hundefutter verkauft wurden - "ein unrühmliches Ende für die grandiosen Pläne, einer sowjetischen Bedrohung Wiens zu begegnen", wie Schmidl schreibt.

Oder der französische Hochkommissar und Oberbefehlshaber Emile Béthouart: Noch 1949 - nach vier Jahren Besatzung - charakterisierte er die Österreicher: "Sie sind eine verweichlichte, weibische Rasse, drauf und dran, daß ihnen Gewalt angetan wird. Das letzte Mal waren es die Deutschen. Nächstes Mal sind es vielleicht die Russen. Sie sind nicht nur verweichlicht, sondern in vielerlei Hinsicht orientalisch in ihrer Schicksalsergebenheit und Bereitschaft zu akzeptieren, was sie als unwiderstehliche Kraft spüren."

Derselbe Béthouart entwickelte etwa zur gleichen Zeit Pläne zum Aufbau einer "Alpenfestung": Mit dem Ausbau eines weitläufigen Systems von Sperren in Form von Sprengvorbereitungen in Brücken, Tunnels und an sperrgünstigen Straßenengstellen in Tirol und Vorarlberg sollte Frankreich offensichtlich gerettet und ein sowjetischer Vorstoß abgeblockt werden - offensichtlich mit jenen Österreichern, die nicht verweichlicht waren und die insgeheim militärisch aufgerüstet werden sollten. Das führten in erster Linie die Amerikaner durch mit der "B-Gendarmerie", die dann 1955 zur Keimzelle des Bundesheeres wurde. Arnold Kopeczek berichtet, wie und wo die CIA in Zusammenarbeit mit dem klar antikommunistisch ausgerichteten österreichischen Sicherheitsapparat geheime Waffenlager anlegte. Von der Existenz dieser Lager erfuhr die österreichische Öffentlichkeit erst 1996. Die Aufregung hielt sich in Grenzen.

Heutzutage ist bekannt, daß mehr als 200 000 osteuropäische Juden auf ihrem Weg nach Palästina nach 1945 durch Österreich geschleust wurden - gegen den massiven Widerstand der Briten. Rudolf Jerábek bringt Beispiele von Attentaten gegen die Briten und berichtet von Aktivitäten ukrainischer und jugoslawischer Partisanen in Österreich. Ein historiographischer Überblick über die Ära des Kalten Krieges in Österreich und ein Beitrag über die Libanon-Krise 1958 und die amerikanischen Überflüge ergänzen diesen lesens- und empfehlenswerten Sammelband.

ROLF STEININGER

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Wie wir aus der Rezension von Rolf Steininger erfahren, beschäftigen sich allmählich auch österreichische Zeithistoriker mit der Rolle ihres Landes während des Kalten Krieges. Ein wichtiger Beitrag hierzu sei dieser "lesens- und empfehlenswerte Sammelband", so der Rezensent. Interessiert referiert er unter anderem Aufsätze über Pläne der Alliierten zur Versorgung Wiens aus der Luft und die Aktivitäten der CIA, die zur Verteidigung gegen den Kommunismus geheime Waffenlager in Österreich anlegte. Alles in allem ein sehr gut besprochener Sammelband, der anscheinend die Wissbegier im Rezensenten geweckt und ihn vor allem auch keineswegs enttäuscht hat.

© Perlentaucher Medien GmbH