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"Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst" - stimmt das? Der Golfkrieg der Briten und Amerikaner hat uns mit einer Fülle von Informationen und von Bildern überfalen, oft genug in Echtzeit. Aber welchen Bildern können wir trauen? Gerhard Kromschröder war Reporter im bombardierten Bagdad im Golfkrieg 1991. Den jetzigen Krieg erlebte er wie wir alle als Fernsehzuschauer und Zeitungsleser - und er fand sich dabei plötzlich auf dem Schlachtfeld der Medien wieder. Atemlos beobachtet er in seinem Kriegstagebuch die Schlacht der Bilder und der Lügen.

Produktbeschreibung
"Im Krieg stirbt die Wahrheit zuerst" - stimmt das? Der Golfkrieg der Briten und Amerikaner hat uns mit einer Fülle von Informationen und von Bildern überfalen, oft genug in Echtzeit. Aber welchen Bildern können wir trauen?
Gerhard Kromschröder war Reporter im bombardierten Bagdad im Golfkrieg 1991. Den jetzigen Krieg erlebte er wie wir alle als Fernsehzuschauer und Zeitungsleser - und er fand sich dabei plötzlich auf dem Schlachtfeld der Medien wieder. Atemlos beobachtet er in seinem Kriegstagebuch die Schlacht der Bilder und der Lügen.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.08.2003

Ganz nah dran
Natürlich könnte man es sich leicht machen und lächerlich finden, dass da einer zu Hause vor dem Fernsehschirm sitzt, über die Gefahren des Krieges nachdenkt und dann Tagebuch darüber schreibt, wie dieser für die Medien inszenierte Krieg auf ihn wirkt. Aber so leicht geht das nicht, denn Gerhard Kromschröder ist ein renommierter Fotograf, der selbst schon häufig in Kriegsgebieten und damit unter Lebensgefahr gearbeitet hat, und der weiß, wovon er spricht.
Kromschröder hat sich also täglich die Bilder aus dem Irak angesehen, hat sich an seine eigene Zeit im Irak-Krieg 1991 erinnert, alte Fotos aus jener Zeit hervorgekramt und damit auch die Erinnerung an den Schrecken zugelassen. Er denkt über den schwierigen Job der Kriegsreporter nach und erklärt, wie leicht man instrumentalisiert wird, ohne es zu merken. Und er erzählt davon, wie sehr die wackeligen, distanzierten Satellitenbilder darauf ausgerichtet sind, das Leid der Menschen zu überdecken.
Kromschröders Band „Bilder aus Bagdad. Mein Tagebuch”, (Europa-Verlag, Hamburg 2003. 160 Seiten, 19,90 Euro) ist keine große Literatur, aber der Foto-Reporter hat eine erfrischend uneitle Art, Erfahrung, Erleben und Einsichten weiterzugeben. (Foto: Kromschröder)
ck
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

In einer Sammelbesprechung von verschiedenen Golfkriegs-Berichten deutscher Fernsehjournalisten meint Rezensentin Alexandra Senfft, dass Gerhard Kromschröder in seinem "Bilder aus Bagdad" den "Bildersturm erträglicher" macht, indem er den schrecklichen Fernsehbildern des Krieges das Alltagsleben Hamburgs zur Seite stellt. Sie bescheinigt den Informationen über die Einkaufsgewohnheiten des Autors oder seinen Vorlieben bei der Balkonbepflanzung durchaus "Unterhaltungswert". Dabei wird der Autor von den moralischen Implikationen des Journalistenberufs umgetrieben, indem er sich fragt, ob sich die Kriegsberichterstatter nicht zum verlängerten Arm des Militärs machen, stellt die Rezensentin fest.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 15.09.2003

Wie man sich bettet, so lügt man
Deutsche Kriegsreporter wollen den Büchermarkt erobern: Gegen "embedded journalists"

Christoph Maria Fröhder: Ein Bild vom Krieg. Meine Tage in Bagdad. Hoffmann und Campe, Hamburg 2003. 176 Seiten, 14,90 [Euro].

Gerhard Kromschröder: Bilder aus Bagdad. Mein Tagebuch. Europa Verlag, Hamburg 2003. 160 Seiten, 19,90 [Euro].

Stephan Kloss: Mein Bagdad-Tagebuch. Als Kriegsreporter im Brennpunkt Irak. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2003. 175 Seiten, 12 [Euro].

Antonia Rados: Live aus Bagdad. Das Tagebuch einer Kriegsreporterin. Heyne Verlag, München 2003. 255 Seiten, 12 [Euro].

Nach dem zweiten Golfkrieg von 1991 forderte Klaus Bresser als Konsequenz aus der Kriegsberichterstattung die "Wiederentdeckung der Langsamkeit". Die Korrespondenten hätten ihre Meldungen selten überprüfen oder gar reflektieren können: "Für den Fernsehjournalismus tut sich eine Wahrheitsfalle auf, deren wir uns bewußt sein müssen." Sein Kollege Ulrich Kienzle war nicht minder alarmiert: "Noch nie haben so viele Fernsehjournalisten so lange so wenig zu sagen gehabt." Das war eine nüchterne Betrachtung der Wirklichkeit, genützt hat sie jedoch nichts: Im Jahr 2003 gab es während des dritten Golfkriegs noch mehr TV-Journalisten, die noch länger noch weniger zu sagen hatten.

1991 hatte CNN-Star Peter Arnett das Monopol über die aktuelle Berichterstattung aus Bagdad. Diesmal aber waren alle internationalen Sender präsent: Die Iraker hatten dazugelernt - je mehr Öffentlichkeit, desto besser. Präsident Bush hingegen wollte die "CNN-Situation" von damals verhindern. Es entstand die neue Spezies der embedded journalists, auf seiten der alliierten Truppen eingebettete Reporter, die einer ebenso scharfen Zensur unterlagen wie ihre Kollegen in der irakischen Hauptstadt. In rasendem Tempo überfluteten die Kriegsbilder die TV-Kanäle, Tag und Nacht flimmernde Einstellungen von der Front, Aufsager vor Bombardierungshintergrund, Kommentierungen bis zur Erschöpfung. Und von Reflexion keine Spur? Kaum war der Krieg zu Ende, schlugen die Bagdad-Tagebücher deutscher Kriegsreporter auf den Büchermarkt auf: Endlich waren auch hierzulande Kriegsreporter zu feiern. Arnett wurde unterdessen von seinem Sender gefeuert: Er hatte die amerikanischen Kriegspläne für gescheitert erklärt - gegenüber dem irakischen Staatsfernsehen. So ändern sich die Zeiten.

Der freie Korrespondent Christoph Maria Fröhder und der ehemalige Nahost-Korrespondent Gerhard Kromschröder haben diese Veränderungen zum Hauptthema ihrer Bücher gemacht. Fröhder schildert den oft profanen Kriegsalltag eines Reporters eindrücklich und mit guten Kenntnissen des Iraks. Er erklärt, wie schwierig es ist, sich bei Zensur und unter ständiger Beobachtung eines irakischen "Aufpassers" der Wahrheit zu nähern, stets im Spannungsfeld zwischen den Kriegsparteien: "Die Briten und Amerikaner brauchten Bilder von einem sauberen Krieg, der keine Zivilisten trifft. Sie benötigten aktuelle Belege, daß Saddam Hussein teuflisch war und die Iraker deshalb die Befreiung herbeisehnten. Das Regime in Bagdad brauchte Berichte, die genau das Gegenteil belegten: Der Krieg mußte schmutzig sein, die Verluste unter der Zivilbevölkerung möglichst hoch."

Fröhder beklagt, daß Kriegsreporter nur noch selten tatsächlich am Ort recherchieren; daß der Moderatorentypus zu obsiegen scheint, der das Pressezentrum kaum verläßt und von einem Krieg berichtet, über dessen Ereignisse er per Fax aus der Heimatredaktion erfährt. Sich selbst sieht Fröhder nicht als Kriegs-, sondern als Krisenreporter, weil er sich die Konflikte nach politischen Gesichtspunkten und nicht nach dem Abenteuerwert aussuche. Der "Einzelkämpfer" berichtet auch vom Konkurrenzkampf unter den Kollegen und überlegt, ob das Fernsehen für kritische oder gar investigative Berichterstattung noch das richtige Medium sei: "Ich habe diese Frage nie wirklich beantwortet, vielleicht aus Sorge, den Boden unter den Füßen zu verlieren."

Kromschröder, während des zweiten Golfkriegs Korrespondent in Bagdad, erlebt den dritten vor dem Bildschirm in seiner Hamburger Wohnung. Sein Tagebuch aus der Sicht des Fernsehzuschauers ist ein Bildband mit Fotos von beiden Kriegen. Der Autor stellt den Hamburger Alltag dem des Krieges gegenüber. Es hat Unterhaltungswert zu erfahren, welche Markenprodukte Kromschröder beim Einkauf bevorzugt, wann er Frühjahrsblümchen auf seinem Balkon zu pflanzen beabsichtigt und welche Anti-Kriegs-Demo die Hansestadt gerade belebt. Das macht den Bildersturm erträglicher, dem der frühere Kriegsreporter sich geradezu suchtartig vor dem Fernseher aussetzt und den er für den Leser kommentiert: "Hollywood goes Bagdad." Als Journalist der alten Schule beklagt auch er den medialen "Kultur- und Werteverfall", die Absurditäten. Er staunt, daß die eingebetteten Reporter sich einer tödlichen Gefahr aussetzen, obwohl sie in der Heimredaktion journalistisch sehr viel mehr ausrichten könnten. "Der Moralist sagt jetzt knallhart: Die Presse, die vierte Gewalt, verkommt unter einer solchen staatlichen Kontrolle zur fünften Kolonne des Militärs. Oder: Jetzt können wir uns verabschieden von den hohen journalistischen Tugenden: Unabhängigkeit, Unbestechlichkeit, Objektivität. Und der Kalauer sagt: Wie man sich bettet, so lügt man."

Fragen journalistischer Ethik beschäftigen den jüngeren Stephan Kloss weniger. Bevor Fröhder ihn in Bagdad ablöste, berichtete er für die ARD und den MDR und erntete Hohn wegen vermeintlicher Unprofessionalität. In seinem Buch, das er als Online-Tagebuch für den MDR schrieb, macht er jedenfalls eine weitaus bessere Figur als vor der Kamera. Kloss' Berichte unterscheiden sich von denen seiner Kollegen, indem er politisch eindeutiger Stellung bezieht und gar so weit geht, die Bush-Administration der Kriegsverbrechen zu bezichtigen. Er erinnert daran, daß die Alliierten den Irak auch zwischen 1991 und 2003 regelmäßig bombardierten und die illegal errichtete Flugverbotszone kontrollierten. Kloss bekennt sich zu seinen Gefühlen und Ängsten. Vor allem die verletzten Kinder in den irakischen Krankenhäusern machten ihm zu schaffen, und nachdem zwei seiner Kollegen im Hotel von einem amerikanischen Panzer erschossen worden waren, "weinte er bitterlich". Reporter sollten politisch und emotional "neutral" bleiben, und so könnte man Kloss abermals als unprofessionell bezeichnen. Man kann ihm aber zugestehen, daß seine Aufzeichnungen menschlich ansprechen und bei der jüngeren Lesergeneration gut ankommen dürften.

Gefühle zeigt Antonia Rados dagegen selten. Gerade als Frau kann man sich das in diesem harten Geschäft vermutlich nicht leisten. 77 Tage verbrachte die mutige Klagenfurterin für einen Privatsender in Bagdad und wurde für ihre journalistischen Leistungen mit dem Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis ausgezeichnet. Ihr Buch verdient allerdings keine Auszeichnung: Rados selbst stellte an anderer Stelle klar, daß es nicht "das ultimative Buch über den Irak" sei. Über das Land am Tigris erfährt der Leser nämlich wenig; Rados greift zwar einige Themen auf, enttäuscht dann aber durch blitzschnelle Schnitte zum nächsten Ereignis. Im Zentrum ihrer Berichte stehen die Begebenheiten im Hotel, in dem sich die meisten Journalisten während des Krieges niedergelassen hatten, und ihr unerträglicher Aufpasser vom irakischen Geheimdienst, der ihr auf Schritt und Tritt folgte. Auch sie wagt kritische Anmerkungen zur Vorgehensweise der amerikanischen Armee und zeigt ihre Verachtung für Saddam Husseins Regime. Dennoch ist ihre Haltung eigentümlich vage. Ihre Alltagserlebnisse sind spannend zu lesen, ihre politischen Informationen aber bleiben oberflächlich. Sie sagt, sie fühle sich miserabel, wenn sie von Hotelangestellten nach den neuesten Nachrichten gefragt wird: "Ich weiß nicht so richtig, was antworten, denn außer Gerüchten habe ich nicht viel zu bieten, aber davon jede Menge."

ALEXANDRA SENFFT

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