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  • Broschiertes Buch

Produktdetails
  • Verlag: Europa Verlag
  • Seitenzahl: 190
  • Abmessung: 220mm
  • Gewicht: 387g
  • ISBN-13: 9783203751047
  • ISBN-10: 3203751046
  • Artikelnr.: 10304515
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.12.2002

Trauerarbeit
Jens Jensen forscht in der
Geschichte des Seglers „Pamir”
Vielleicht muss ein solches Buch mit den leuchtenden Augen jener Jungen beginnen, die am Elbufer den Schiffen hinterherblicken und sich nicht satt hören können an so seltsamen Namen wie Iquique, Taltal oder Antofagasta. Vielleicht muss es von der Eckkneipe erzählen, die mit Buddelschiffen und Bildern aufgewühlter Meere vollgestopft ist und an deren Tischen die Väter über falsch geschlagene Bolzen oder die genaue Stärke der Segel streiten. Und vielleicht muss es ab und an gar zu Sätzen wie diesen greifen, die albern sind, auch wenn sie von Joseph Conrad stammen mögen: „Es ist etwas Besonderes an der Liebe von Männern zu ihren Schiffen. Denn sie ist frei vom Stolz des Besitzens.”
Ein Hurrikan brachte das deutsche Segelschulschiff Pamir am 21. September 1957 zum Kentern, als es gerade auf der Rückreise von Buenos Aires war. Die Mannschaft hatte die ersten Böen gar nicht Ernst genommen, immerhin war die Pamir einst für die Umrundung von Kap Horn gebaut worden. Doch der Sturm lief dem Segler nach mehreren Richtungswechseln förmlich hinterher und traf ihn auf dem Weg zu den Azoren mit voller Wucht. Innerhalb weniger Minuten legte sich das Schiff auf die Seite, und nur die Luft in den hohlen Masten verhinderte, dass es sofort sank. Als es schließlich durchkenterte, riss es viele der Männer mit in die Tiefe.
Wie eine Schockwelle breitete sich die Nachricht vom Untergang der Pamir aus. Die Informationen waren widersprüchlich, Presse und Rundfunk sprachen von der größten Rettungsaktion nach dem Kriege, und noch Monate später kursierten die wildesten Gerüchte über den Tod von 80 Seeleuten. Die große Ära der Pamir war freilich schon lange vorbei – seit den glorreichen Jahren, als die Pamir Salpeter von Chile nach Deutschland transportierte und den Dampfschiffen trotzte, als ihre Kapitäne noch Legenden schrieben und sich Wettrennen zwischen den Kontinenten lieferten.
Der Hamburger Autor Jens Jensen hat viel Material zur Geschichte der Pamir zusammengetragen, er muss in Archiven geforscht und Augenzeugen der Katastrophe befragt haben. Den blanken Fakten jedoch scheint er nicht so recht zu trauen. Denn er erfindet uns einen Abenteurer als Erzähler, der die Entwicklung der Pamir vom Setzen der ersten Nieten an verfolgt haben, selber zur See gefahren und schließlich im Indischen Ozean verschollen sein soll. Das Manuskript – offenbar ein Resultat konsequenter Trauerarbeit – entstammt seinem Nachlass. Warum der Mann ebenfalls Jens Jensen heißen muss, bleibt ungeklärt. Jedenfalls changiert der Text durch diese Volte etwas unentschlossen zwischen Sachbuch und fiktivem Erlebnisbericht, zugleich aber kann der Autor Jensen ungestört jenes Quäntchen Nostalgie einschmuggeln, das dem Schicksal der Pamir erst die nötige Atmosphäre verleiht.
Als Generationen- und Zeitporträt hat er die Geschichte angelegt, und die einzelnen Kapitel gruppieren sich meist entlang der wichtigsten Reisen des 1905 in Hamburg fertig gestellten Windjammers. Vom Leben der Kapitäne und Matrosen erzählt uns Jensen, von den Unwägbarkeiten während des Ersten Weltkriegs, als U-Boote auf allen Meeren gezielt Segelschiffe versenkten, und vom Weizentransport der Pamir zwischen Australien und Europa. Nebenbei zeigt er uns berühmte Werften und Reedereien, beschreibt Unfälle oder die harte Arbeit während eines Sturms. Seine Sprache bleibt meist bei den Dingen, skizziert die Wellen und das Peitschen des Regens, so manches Mal allerdings treibt ihn die nostalgische Ader seines Erzählers zu Gemeinplätzen wie diesem: „Seeleute sind ein abergläubischer Menschenschlag”.
Doch die heimelige Schreibart passt so gut zum Anachronismus der Segelschiffe, dass man sie dem Buch gar nicht ankreiden, sondern einfach nur weiterlesen will.
NICO BLEUTGE
JENS JENSEN: Das Schicksal der Pamir. Biografie eines Windjammers. Europa Verlag, Hamburg 2002. 191 Seiten, 16,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Zwischen Sachbuch und fiktivem Erlebnisbericht, so Nico Bleutge, changiert Jens Jensens Schicksalsbericht der Pamir, eines stolzen deutschen Windjammers, der 1957 auf spektakuläre Weise während der Rückreise von Argentinien kenterte und viele Besatzungsmitglieder in den Tod riss. Der Hamburger Autor, dem, wie Bleutge bemerkt, eine jungenhafte Begeisterung für Schiffe deutlich anzumerken ist, hat gründlich in Archiven recherchiert, Zeitzeugen befragt und darüber hinaus, wundert sich Bleutge, einen Abenteurer als Erzähler erfunden, der ebenfalls zur See gefahren und alles aufgeschrieben haben soll, bevor er auf einer seiner Reise für immer verschwand. Dieser Erzähler trägt - Zufall ausgeschlossen - den Namen des Autors, eine Bleutge nicht ganz einleuchtende Konstruktion. Doch davon abgesehen bleibe Jensen dicht an der Geschichte des Schiffes, kapitelweise würden die großen Reisen des Schiffes abgehandelt, so dass nebenbei ein Generationen- und Zeitporträt entstanden ist, das vom Leben der Matrosen und ihrer Kapitäne, von den Unwägbarkeiten des Meeres wie der politischen Verhältnisse berichtet. Ab und an geht dem Erzähler, stellt Bleutge nachsichtig fest, die nostalgische Ader durch, doch habe dies seinen Leseeifer nicht gebremst.

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