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In diesem Band wird das Sammelwerk "Wien und die Wiener", das erstmals 1844 in Buchform erschien, in seiner vollständigen Form als Faksimile-Ausgabe präsentiert. Sie enthält damit nicht nur die von Stifter verfassten insgesamt zwölf Beiträge, sondern auch alle anderen Aufsätze, sowie darüber hinaus jenen umfänglichen Bildteil, der der Erstausgabe zur Illustration beigegeben wurde. Herausgeber des ausführlichen Kommentars in Band 9,2 ist Johann Lachinger (Linz).

Produktbeschreibung
In diesem Band wird das Sammelwerk "Wien und die Wiener", das erstmals 1844 in Buchform erschien, in seiner vollständigen Form als Faksimile-Ausgabe präsentiert. Sie enthält damit nicht nur die von Stifter verfassten insgesamt zwölf Beiträge, sondern auch alle anderen Aufsätze, sowie darüber hinaus jenen umfänglichen Bildteil, der der Erstausgabe zur Illustration beigegeben wurde. Herausgeber des ausführlichen Kommentars in Band 9,2 ist Johann Lachinger (Linz).
Autorenporträt
Adalbert Stifter, geb. 1805 in Oberplan/Böhmerwald), war der Sohn eines Leinewebers und Flachshändlers. Nach der Gymnasiumszeit im Benediktinerstift Kremsmünster studierte er ab 1826 die Rechte in Wien, ohne aber eine Schlußprüfung zu absolvieren. In den 1830er Jahren bewarb er sich mehrmals erfolglos um Anstellungen als Lehrer und verdiente dann seinen Lebensunterhalt als Privatlehrer. Nachdem ihm 1840 die Veröffentlichung der Erzählungen 'Der Condor' und 'Feldblumen' erste Erfolge gebracht hatte, lebte er bis 1850 als freier Schriftsteller. Nach den Märzunruhen von 1848 in Wien zog sich Stifter nach Linz zurück, wurde zum Schulrat ernannt, 1853 von der "Kommission zur Erforschung und Erhaltung der Kunst und historischen Denkmale" zum Konservator für Oberösterreich bestellt.
1865 trat Stifter, wohl seit 1863 unheilbar erkrankt, durch lästige Verwaltungsarbeit und finanzielle Bedrängnis verbittert, in den Ruhestand. Nach einem Selbstmordversuch starb er 1868 in Linz.

Wolfgang Frühwald, geboren 1935, ist Professor emeritus für Neuere Deutsche Literaturgeschichte an der LMU München. Von 1999 bis 2007 war er als erster Geisteswissenschaftler Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.10.2007

Die Weltgeschichte der Mücken
Von Strawanzern und Katakomben: Adalbert Stifters Beiträge zum urbanen Feuilleton – „Wien und die Wiener, Bilder aus dem Leben”
Weit ist der Weg vom „Witiko” nach „Wien”: von der „Erzählung in drei Bänden”, Stifters letztem Buch vor seinem Tod, zu seinem ersten, den „Bildern aus dem Leben”, die zuerst in 15 Einzelheften zwischen 1841 und 1844 veröffentlicht wurden. Es ist der Weg vom Mittelalter in die Neuzeit, von den Wäldern in die Urbanität, und schließlich: vom Erzählen zum Schildern, zu einer Sammlung von Genre- oder Sittenbildern aus dem populären Zeitungs- und Zeitschriftenwesen des 19. Jahrhunderts.
Nun liegt sie im Rahmen der großen kritischen Stifter-Gesamtausgabe erstmals als Reprint wieder vor, jene Sammlung von Milieuschilderungen unter dem Titel „Wien und die Wiener”, mit deren Herausgabe der Budapester Verleger Gustav Heckenast fast übereilt seinen Autor Adalbert Stifter betraute. Feuilletonistische Städteporträts waren en vogue. Und editorisch profitabel. Immerhin sorgte Heckenast nebst der Lieferung in Fortsetzungen für drei unterschiedlich ausgestattete Buchausgaben, die – alle im selben Jahr 1844 – als Standardausgabe mit 30 Stahlstichen, als Vorzugsausgabe mit 26 handkolorierten Bildern und zugleich auch in einer wohlfeilen Ausgabe mit lediglich einem einzigen Frontispiz herausgekommen waren.
Letzteres schien noch ganz dem didaktischen Impetus zeitgenössischer Bilderbögen verpflichtet: Zu einer Garbe versammelt waren da die Vignetten, die ein Stubenmädchen und einen Schneider, zwei Strawanzer und einen Werkelmann (einen Straßenmusikanten), ein Haderlumpweib, einen Bierhausgast, eine Wäscherin und einen Streichmacher, eine Köchin mit ihrem Liebhaber, einen Beinelstierer (oder Knochensammler) und zuletzt einen Schusterlehrjungen präsentieren. Moderner war dagegen die Illustration, die mit den Fortsetzungslieferungen einherkam: Sie zeigt einen Daguerreographen, dessen Gerät durch ein portalähnliches Fenster auf die Silhouette der Stadt Wien gerichtet war.
Authentische Fotografie oder mustergültige Schilderung? Diese Ambivalenz kennzeichnet den konzeptuellen Streuungsbereich von „Wien und die Wiener”. Mal wird dem Volk aufs Maul geschaut, wird wort- und aussprachegetreu die Sprache der Bettler, der Fiaker und die Nomenklatur ihrer Accessoires wiedergegeben, nicht selten unter Zuhilfenahme von Fußnoten, die dem Unkundigen die Fachterminologie des Lottospielers oder einen „verdepschten Pinsch” als eingedrückten Hut erläutern – „da heißt’s nöd viel hoppadaschi sein”. Mal aber auch wird grob typisiert.
Im Lärm des Alltags
Die wechselnde Stilhöhe des Bandes ist der Vielzahl der Autoren geschuldet. Sylvester Wagner etwa, ein heutzutage unbekannter Autor, hat sich immer wieder an die Basis der Wiener Gesellschaft begeben, unter die Holzhacker, die Kellner und die Knödelköchinnen, unter die Hausmeister und an die Verlustierungsstätten „vor der Linie”, als bestünde die Stadt nur aus den niederen Ständen des Dienstleistungs- und Verköstigungsgewerbes. Das industrielle Proletariat, das zur selben Zeit von einer kritischen Ökonomie entdeckt wurde, bleibt in „Wien und die Wiener” ausgeblendet.
Adalbert Stifter jedenfalls hat sich den Konflikten gesellschaftlicher Schichtung, die seinerzeit die Comédie Humaine von Balzac weit analytischer umfasste, gleichsam von der soziographischen in die topographische Vertikale entzogen. Berühmt ist seine Eingangsschilderung, „Aussicht und Betrachtungen von der Spitze des St. Stephansthurmes”, in der er weniger die Makrostruktur der Stadt als vielmehr deren Funktion als Schauplatz anekdotischer Partikel überschaut. Bekannt aber auch ist deren Widerpart, sein „Gang durch die Katakomben”, der ihn zu allfälligem Trübsinn über die Nichtigkeit jenes irdischen Daseins veranlasst, das allein der Lärm städtischen Alltags repräsentiert: „Ober uns rasselte wieder das Geräusche eines rollenden Wagens auf dem Pflaster des Stephansplatzes, und es däuchte mir so leichtsinnig oder so wichtig, wie etwa die Weltgeschichte der Mücken.”
Erfüllt haben mochte das Schreiben und Herausgeben feuilletonistischer Arbeiten den Schriftsteller wenig. Denn kaum war „Wien und die Wiener” als Buch erschienen, hatte Stifter seinem Verleger bereits im Juli 1844 das Verfassen eines historischen Romans angekündigt: „damit ich mit ernsteren und größeren Sachen auftrete”. In die Druckerei ging der erste Band des „Witiko” bekanntlich zwei Jahrzehnte später.
HENDRIK FEINDT
ADALBERT STIFTER: Wien und die Wiener, in Bildern aus dem Leben. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Band 9.1. Herausgegeben von Johann Lachinger. Verlag W. Kohlhammer, Stuttgart 2006. 500 Seiten, 250 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Adalbert Stifter scheint der Rezensent eher wegen seiner großen Erzählungen zu schätzen. Den Blick aufs Maul des Volkes jedenfalls findet Hendrik Feindt bei Balzac gelungener, "analytischer", als in diesem wieder aufgelegten und einst von Stifter herausgegebenen Sammelband aus der Hochzeit der feuilletonistischen Milieuschilderungen. Feindt folgt dem stilistischen Auf und Ab der Texte, der "wort- und aussprachegetreuen", mit Fußnoten versehenen Wiedergabe sowie der groben Typisierung und stellt fest: Die "Ambivalenz" zwischen Authentizität und Mustergültigkeit prägt den Band.

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