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Das geniale Jugendwerk "Die Bestimmung des Menschen", das der Aufklärungstheologe Johann Joachim Spalding 1748 erstmals vorlegte und bis 1794 in insgesamt 11 autorisierten Auflagen ausgehen ließ, gab einer "Basisidee der deutschen Aufklärung" (N. Hinske) literarischen Ausdruck und trug zur Karriere der philosophischen Anthropologie im 18. Jahrhundert maßgeblich bei. Diese popularphilosophische, auf rationale Evidenz zielende und darum offenbarungstheologisch voraussetzungslose Schrift sollte in der Form eines inneren Dialogs den Prozeß existentieller Selbstverständigung exemplarisch…mehr

Produktbeschreibung
Das geniale Jugendwerk "Die Bestimmung des Menschen", das der Aufklärungstheologe Johann Joachim Spalding 1748 erstmals vorlegte und bis 1794 in insgesamt 11 autorisierten Auflagen ausgehen ließ, gab einer "Basisidee der deutschen Aufklärung" (N. Hinske) literarischen Ausdruck und trug zur Karriere der philosophischen Anthropologie im 18. Jahrhundert maßgeblich bei. Diese popularphilosophische, auf rationale Evidenz zielende und darum offenbarungstheologisch voraussetzungslose Schrift sollte in der Form eines inneren Dialogs den Prozeß existentieller Selbstverständigung exemplarisch skizzieren. In der religiösen Vertiefung des Moralitätsgedankens erscheinen Gott und Unsterblichkeit für Spalding, darin auf seinen späteren Briefpartner I. Kant vorausweisend, als regulative Ideen: Erst der Begriff des "ganzen Lebens" gibt zu erkennen, dass der Mensch in "diesem Leben" dazu bestimmt ist, "rechtschaffen und in der Rechtschaffenheit glückselig zu seyn". Die vorliegende Edition bietet erstmals eine integrative Wiedergabe aller Textstufen sowie vorab den fortlaufenden Text der Erstausgabe. Der Band ist durch eine bündige Einleitung, eingehende Erläuterungen und ausführliche Register erschlossen. Mit ihm wird der theologischen, philosophischen und literaturwissenschaftlichen Aufklärungsforschung ein zentraler Leittext editorisch präzise und leserfreundlich zur Verfügung gestellt.
Autorenporträt
(1714-1804) Religionsphilosoph, Hauptvertreter der deutschen Aufklärungstheologie, Oberkonsistorialrat.

Geboren 1974; M.A.; Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und Abteilungsleiterin der Münsteraner Arbeitsstelle "Bibliothek der Neologie".

ist studentische Mitarbeiterin der Spalding-Edition an der Universität Münster.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.04.2007

Vater Spalding
Ein Jahrhundertbuch der Aufklärung in neuer Edition
Es war ein Bestseller. Der anonymen ersten Auflage von 1748 des schmalen Heftes folgten bis 1794 weitere zehn Auflagen, dazu kamen Übersetzungen ins Französische (eine davon durch die preußische Königin), Russische, Schwedische, Niederländische oder Tschechische, dazu etliche Raubdrucke: 29 Auflagen lassen sich jetzt nachweisen. Um was handelt es sich? Um eine bescheiden auftretende, tatsächlich äußerst anspruchsvolle Selbstvergewisserung aufklärerischer Humanität, vernünftig, empfindsam, fromm; deutsche Popularphilosophie, überraschend elegant geschrieben. Überdies nicht ein für allemal geschrieben, sondern mehrmals umgearbeitet, erweitert und mit Zusätzen angereichert, so dass am Ende doch ein ganz ansehnliches Buch stand, dessen Titel ein Leitmotto der Zeit wurde und etwa in Johann Gottlieb Fichtes gleichnamigem Büchlein von 1800 fortdauerte.
Das hier anzuzeigende Jahrhundertbuch hat die literarische Form eines inneren Monologs, eine Erkundungsreise der Seele in ihren eigenen, von keinem anderem vorgeschriebenen oder vorgedeuteten, will sagen „natürlichen” Empfindungen. Die sich entwickelnde Selbstwahrnehmung beantwortet auf neue Weise die alte Frage, „warum ich da bin, und was ich vernünftigerweise seyn soll”.
Der Weg der Vernunft beginnt bei den sinnlichen Vergnügen, die bejaht werden, aber doch nicht das Ganze sein können, so dass sie überschritten werden zu den Vergnügen des Geistes; diese wiederum in gewisser Weise defizitären Regungen werden überschritten zum moralischen Trieb, der sich seinerseits erweitert zum Gedanken der Unendlichkeit und zur Gewissheit der Vorsehung Gottes: „Tugend” und „Religion” begründen schließlich das vernünftige Postulat, „dass ich für ein anderes Leben gemacht bin”. Schon vor Immanuel Kant sind hier, angesichts der Disharmonie der Welt einerseits und der Perfektibilität des Menschlichen andererseits, „Gott, Freiheit, Unsterblichkeit” so etwas wie regulative Ideen der unabweislichen affektiven und moralischen Selbstverständigung und Selbstübereinstimmung.
Wer ist der Verfasser dieses Buchs, das seine Zeit so überzeugend in Gedanken fasste? Ein Pfarrer, derzeit Sekretär in der schwedischen Botschaft in Berlin, bald daselbst Pfarrer und Oberkonsistorialrat: Johann Joachim Spalding, führende Gestalt der spezifisch deutschen, eben „frommen” Aufklärung, ein „Neologe”, wie die aufklärerische Theologie auch kritisiert wurde. Sein Büchlein ist allerdings keines, das auf Offenbarung rekurrieren würde, auch wenn Spalding von seiner Konsonanz mit dem christlichen Glauben völlig überzeugt ist; es handelt sich um Religionsphilosophie (dieser Begriff wird eben jetzt geprägt).
In diese Denkformation geht der ästhetisch-anthropologische Optimismus eines Shaftesbury ein (Spalding hat ihn übersetzt), aber auch Leibniz’ Glaube an die unendliche Fortentwicklung sittlicher Individualität in dem von der Theodizee gesteckten Orientierungsrahmen. Allerdings enthält sich Spalding metaphysischer Konstruktionen, folgt eher der eklektischen Theorieform und beheimatet sich in der neuen Empfindsamkeit, wie sie der Freundschaftskult eines J. W. L. Gleim repräsentierte.
Befreundet war Spalding mit sehr vielen Vertretern der literarisch-popularphilosophischen Aufklärung, eine Zeitlang eng auch, wenn auch nicht so schwärmerisch wie dieser, mit J.C. Lavater. Solche Beziehungen waren geistig produktiv, zum Beispiel im Streit zwischen Thomas Abbt und Moses Mendelssohn über Spaldings Schrift und vor allem in des letzteren „Phaidon oder über die Unsterblichkeit der Seele” (1767). Interessant ist aber auch der Widerspruch, den Spalding sogleich von Johann Melchior Goeze – jenem Orthodoxen, mit dem später Lessing zu kämpfen hatte – erfuhr, denn Spalding zeigt in einem „Anhang” sehr klar, wie er aufklärerische Vernunft und Offenbarungsglauben zu korrelieren gedenkt. Die Zustimmung, die Spalding jedoch meistens erfuhr, wurde am Ende seines Lebens sogar durch die neue, durchaus auch aufklärungskritische Generation dokumentiert, durch Fichte, durch Schleiermacher, der nicht wenige Aspekte seines Begriffs von Frömmigkeit dem verehrten „Vater Spalding” verdankte.
Die kritische Edition der „Bestimmung des Menschen”, eines work in progress, stellt eine besondere Herausforderung dar, die von Albrecht Beutel und seinen Mitarbeitern vorzüglich bewältigt worden ist. Sie drucken die erste Auflage ab, emendiert natürlich, und danach eine Synopse der (ebenfalls kritisch annotierten) ersten bis sechsten Auflage auf der linken, der siebten bis elften Auflage auf der rechten Seite. Diese Gliederung, die viel (leeres) Papier kostet, aber doch am besten der Lesbarkeit dient, hat gute Gründe in dem seit 1763 deutlich erweiterten Text, der Namensnennung des Autors und dem Verlagswechsel. Der erwähnte „Anhang” und die diese in der letzten Auflage ersetzenden, autobiographischen „Schlussgedanken” folgen sowie dann die kurzen, ursprünglich separat publizierten „Zusätze” mit den Titeln „Von dem vernünftigen Werthe der Andacht”, „Das glückliche Alter”, „Die menschlichen Erwartungen”, „Die Entschlossenheit” – schöne Dokumente der von Reinhart Koselleck beschriebenen „Sattelzeit” der Neuzeit zur Moderne.
Mit diesem Band ist die kritische Ausgabe Spaldings fast zum Abschluss gekommen, bei stetiger Verbesserung der editorischen Qualität und der Register. Neben kleineren Schriften kann man jetzt bequem in Antiqua lesen die „Gedanken über den Werth der Gefühle in dem Christenthum” (1761), „Ueber die Nutzbarkeit des Predigtamtes und seine Beförderung” (1772), „Vertraute Briefe, die Religion betreffend” (1784), „Religion, eine Angelegenheit des Menschen” (1797) – Aufklärung, als Epoche zumindest. WALTER SPARN
JOHANN JOACHIM SPALDING: Die Bestimmung des Menschen, hrsg. v. Albrecht Beutel, Daniela Kirschkowski, Dennis Prause. Mohr Siebeck, Tübingen 2006. 348 Seiten, 109 Euro.
Johann Joachim Spalding Foto: bpk/Nationalgalerie1714 - 1804]
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Sehr erfreut zeigt sich Walter Sparn, dass dieser Klassiker deutscher Aufklärungsphilosophie jetzt wieder greifbar ist - und noch dazu in einer mustergültig edierten Ausgabe. Diese nämlich macht in mehreren Spalten und Teilen die Entwicklung des 1748 erstmals erschienenen, dann aber in insgesamt zehn Neuauflagen bis 1794 immer wieder überarbeiteten Bandes lesbar. Der Autor, Johann Joachim Spalding, war Pfarrer, dann Oberkonsistorialrat in Berlin - und Sparn erkennt in ihm den typisch deutschen, so vernünftigen wie frommen Aufklärer, der von der Orthodoxie kritisiert und von allen gelesen wurde. Mit Lavater war er befreundet, und noch von Fichte und Schleiermacher sehr respektiert. Der Band ist Teil einer kritischen Ausgabe der Werke Spaldings, deren Qualität sich, wie der Rezensent lobt, ständig gesteigert hat.

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