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Diktatur und Krieg verbinden die historische Erinnerung in Russland und Deutschland und trennen sie zugleich. 29 deutsche und russische Autoren erschließen zentrale Brennpunkte der russischen und deutschen Erinnerungskultur und ihrer traumatischen Dimensionen. Behandelt werden - aus je zweifacher Perspektive - "klassische" Erinnerungsorte wie etwa Stalingrad, ferner spezifische "Gruppengedächtnisse", Probleme historischer Orte und Aspekte der filmischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des deutsch-sowjetischen Kriegs. Der Band ist das Ergebnis einer insgesamt viertägigen Konferenz, die in…mehr

Produktbeschreibung
Diktatur und Krieg verbinden die historische Erinnerung in Russland und Deutschland und trennen sie zugleich. 29 deutsche und russische Autoren erschließen zentrale Brennpunkte der russischen und deutschen Erinnerungskultur und ihrer traumatischen Dimensionen. Behandelt werden - aus je zweifacher Perspektive - "klassische" Erinnerungsorte wie etwa Stalingrad, ferner spezifische "Gruppengedächtnisse", Probleme historischer Orte und Aspekte der filmischen Auseinandersetzung mit der Geschichte des deutsch-sowjetischen Kriegs. Der Band ist das Ergebnis einer insgesamt viertägigen Konferenz, die in der Akademie der Wissenschaften in Moskau und im Institut für Zeitgeschichte in München stattgefunden hat.
Autorenporträt
A. Wirsching u. J. Zarusky, Institut für Zeitgeschichte München-Berlin; A. Tschubarjan u.V. Ischtschenko, Akadem.d.Wissensch., Moskau.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Anna Kaminsky ist dankbar über diesen vom Münchener Institut für Zeitgeschichte und dem Moskauer Institut für Allgemeine Geschichte herausgegebenen Sammelband. Was die Herausgeber Andreas Wirsching, Jürgen Zarusky, Alexander Tschubarjan und Viktor Ischtschenko in insgesamt 29 Beiträgen darbieten, ermöglicht der Rezensentin eine Vorstellung davon, wie unterschiedlich die Erinnerung an Krieg und Diktatur in Deutschland und Russland sich gestaltet. Das angestrebte breite Spektrum der Erinnerung, die damit zusammenhängenden Mythen und Tabus werden laut Kaminsky in fünf möglichst aus russischer wie aus deutscher Sicht betrachteten Themenbereichen angegangen. Unter anderem in den Artikeln über Erinnerungsorte, den Besatzungsalltag und über verfolgte Nationalitäten wird für die Rezensentin deutlich, dass es noch immer sowohl den unkritischen Umgang mit den Quellen gibt, als auch das heroische Pathos. Bedauerlich findet sie, dass die Vorgeschichte des Deutsch-Sowjetischen Krieges im Band nicht vorkommt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.02.2016

Der Onkel Joe wäre wohl froh . . .
Deutsche und russische Erinnerung an Krieg und Diktatur

Zum 70. Jahrestag des Kriegsendes 1945 veröffentlichten das Münchener Institut für Zeitgeschichte und das Moskauer Institut für Allgemeine Geschichte der Russischen Akademie der Wissenschaften einen Band, der sich mit der Erinnerung an Krieg und Diktatur in Deutschland und Russland befasst. Die Mehrzahl der 29 Beiträge befasst sich mit dem "Großen Vaterländischen Krieg", in dem die Sowjetunion die größten Opfer bei der Niederschlagung des Nationalsozialismus brachte. Bis heute gilt die Erinnerung daran als das wichtigste "Fundament des historischen Bewusstseins und der nationalen Identität" für das heutige Russland. Die Beiträge sollen ein möglichst breites Spektrum von Aspekten der komplexen "Erinnerungsproblematik" in den Blick nehmen. Der Schwerpunkt liegt auf der Beschäftigung mit Mythen und Tabus. So wie in Deutschland erst spät die Verbrechen der Wehrmacht thematisiert wurden, war es in der Sowjetunion erst ab den 1960er Jahren möglich, die "subjektiv erlebte und öffentlich dargestellte Erinnerung an den Krieg" einander anzunähern.

Der Band gliedert sich in fünf Themenbereiche. Im ersten Kapitel geht es um deutsch-russische Erinnerungen und die jeweilige Wahrnehmung von Diktatur und Krieg. Im zweiten Kapitel werden Erinnerungsorte wie die Schlacht um Moskau, Stalingrad, die Blockade Leningrads oder Königsberg/Kaliningrad sowie die Erinnerungen an den Alltag in den besetzten Gebieten aus deutscher und russischer Sicht behandelt. Der dritte Abschnitt ist verfolgten Nationalitäten (Volksdeutsche, Kaukasus-Völker) sowie jenen Bevölkerungsgruppen gewidmet, die in der Sowjetunion tabuisiert waren, weil sie nicht in die Darstellung vom heroischen Kampf passten wie beispielsweise die im Holocaust ermordeten Juden.

Eine Folge dieser Tabuisierung war, dass 1996 beispielsweise 91 Prozent der befragten Russen nicht wussten, was der Holocaust ist. Zu den verdrängten Opfern gehörten aber auch Zivilisten, die Kriegsinvaliden oder die "Repatriierten", die als Gefangene und Zwangsarbeiter in die Hände der Deutschen geraten waren und deswegen als Verräter galten. Nach ihrer Rückkehr in die Sowjetunion wurden sie für den begangenen "Verrat" meist in den GULag verschleppt. Ein weiterer Abschnitt befasst sich mit der Bewahrung der "Erinnerungen des Schreckens" an Gedenkorten wie Butovo, im Deutsch-Russischen Museum Berlin-Karlshorst oder im Film. Am Beispiel der Fernsehserie "Schtrafbat" wird erläutert, wie diese Serie im Jahr 2004 einem breiten russischen Publikum erstmals eine differenzierte Sicht auf die während des Krieges eingerichteten Strafbataillone als Abbild der sowjetischen Gesellschaft bot. Der letzte Abschnitt widmet sich sowjetischen Speziallagern und Erinnerungen an den Besatzungsalltag durch in der DDR stationierte sowjetische Militärangehörige.

Der Ansatz, jeweils einen Beitrag aus deutscher und russischer Sicht zu bieten, ist interessant. Leider wird dies nicht bei allen Themen durchgehalten. So war es offenbar nicht möglich, einen Autor zu finden, der die russische Sicht auf die Speziallager dargestellt hätte. Unterschiede finden sich auch in formalen Dingen. So sind einige der russischen Artikel noch im heroischen Pathos verfasst, das für Darstellungen aus der Sowjetzeit charakteristisch war. Auch beim Umgang mit den benutzten Quellen zeigen sich Unterschiede. Im Beitrag zu den aus dem Kaukasus deportierten Völkern wird beispielsweise auf NKWD-Akten Bezug genommen, die Berichte über "negative soziale Erscheinungen" enthalten, mit denen die Deportationen als gerechtfertigt dargestellt werden sollten. Da sich solche Berichte auch in den Akten anderer Organe finden, schlussfolgert der Autor, dass diese Berichte zutreffend sein müssen, da "eine derart raffinierte und groß angelegte Falsifikation nicht vorstellbar" sei. Angesichts von abstrusen Tatvorwürfen, die in den Akten des NKWD millionenfach dokumentiert sind und die als Begründung für Hunderttausende Todesurteile dienten, verwundert ein solch unkritischer Umgang mit den Quellen.

Im Vorwort wird auf die "auf vielfache Weise verflochtenen Diktaturen Stalins und Hitlers" verwiesen, die das thematische Grundgerüst des Bandes bilden. Interessant ist, welche Themen dabei ausgespart werden. Der "Hitler-Stalin-Pakt" beispielsweise, der diese Verflechtung auf besondere Weise deutlich macht, wird nicht erwähnt. Damit wird auch die Vorgeschichte des "Deutsch-Sowjetischen Kriegs" ausgespart, in der die Sowjetunion ihrerseits ab 1939 Kriegsmacht war und als Aggressor in Polen, in die drei baltischen Staaten und in Finnland einmarschierte. Diese Leerstelle setzt sich in den Beiträgen fort.

Im Artikel über das Verhalten der Bevölkerung in den besetzten Gebieten wird auf die Kollaborationsbereitschaft der lokalen Bevölkerung mit den deutschen Besatzern eingegangen. Es wird jedoch nicht klar benannt, dass die Menschen auch außerhalb der von der Sowjetunion nach dem Hitler-Stalin-Pakt besetzten Gebiete durchaus noch den Terror durch NKWD und sowjetische Behörden in Erinnerung hatten und vor diesem Hintergrund die Deutschen teilweise als Befreier begrüßten. Nur allzu bald musste die lokale Bevölkerung erfahren, dass die deutschen Besatzer in ihnen vor allem ein Reservoir an zu versklavenden "slawischen Untermenschen" sahen. Bedauerlich ist, dass dieses wichtige Thema nicht aufgegriffen wurde.

ANNA KAMINSKY

Andreas Wirsching/Jürgen Zarusky/Alexander Tschubarjan/Viktor Ischtschenko (Herausgeber): Erinnerung an Diktatur und Krieg. Brennpunkte des kulturellen Gedächtnisses zwischen Russland und Deutschland seit 1945. Verlag De Gruyter Oldenburg, München 2015. 390 S., 54,95 [Euro].

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