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Warum entscheiden oft Sekunden darüber, dass wir manche Menschen unwiderstehlich finden und andere nicht riechen können? Warum erinnert uns der Duft eines bestimmten Parfums an eine verflossene Liebe? Und warum haben wir für manche Dinge buchstäblich den richtigen Riecher, eine Art "sechsten Sinn"? Jüngsten Forschungen zufolge besitzen wir seit Urzeiten das sogenannte Jacobson- oder vomeronasale Organ, das für diese instinktive Wahrnehmung, das unbewusste Riechen von luftgetragenen Botenstoffen, den Pheromonen, zuständig ist. Lyall Watson geht dieser revolutionären Entdeckung nach und…mehr

Produktbeschreibung
Warum entscheiden oft Sekunden darüber, dass wir manche Menschen unwiderstehlich finden und andere nicht riechen können? Warum erinnert uns der Duft eines bestimmten Parfums an eine verflossene Liebe? Und warum haben wir für manche Dinge buchstäblich den richtigen Riecher, eine Art "sechsten Sinn"? Jüngsten Forschungen zufolge besitzen wir seit Urzeiten das sogenannte Jacobson- oder vomeronasale Organ, das für diese instinktive Wahrnehmung, das unbewusste Riechen von luftgetragenen Botenstoffen, den Pheromonen, zuständig ist. Lyall Watson geht dieser revolutionären Entdeckung nach und untersucht die Rolle, die diese Lockstoffe in unserem Leben, im Tierreich und in der Botanik spielen. Sie entscheiden maßgeblich über Sympathie und Antipathie, u.a. über die Wahl unseres Lebenspartners, sie dienen Pflanzen zur Kommunikation und regeln nicht nur das Liebesleben im Tierreich. Anhand zahlreicher faszinierender Beispiele führt uns Watson einen entscheidenden Teil unserer Wahrnehmung vor Auge n, dessen Bedeutung wir bisher mehr als unterschätzt haben und der doch alle Bereiche unseres Lebens wesentlich bestimmt.
Autorenporträt
Lyall Watson, geboren 1939 in Südafrika, promovierte an der Universität von London in Biologie. Er war u. a. Direktor des Zoos von Johannesburg, Filmautor bei der BBC und Leiter zahlreicher Expeditionen.

Lyall Watson unterhält einen Wohnsitz in Irland, lebt jedoch die meiste Zeit auf seinem Schiff, das ihm als Labor und Bibliothek dient.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.03.2001

Speichel, Schuppen, Schleim
„Der Duft der Verführung” – Lyall Watson berichtet von der Macht des Riechens und erzählt uns vom Jacobsonschen Organ
Ganz wild wird Hannibal Lecters Zellennachbar durch den Geruch von Clarice Starling: „Ich kann deine Möse riechen. ” Wie ferngesteuert verwandelt er sich in pure sexuelle Erregung. „Er hat eine feine Nase”, bestätigt Lecter, der seinerseits mühelos die Parfum-Marke der FBI-Agentin erkennt. Eindrücklicher kann man kaum zeigen, welch ambivalentes Ansehen Riechen und Geruch heute haben. Zwischen den manipulativen Natur-Ausdünstungen und den verführerischen Kulturdüften besteht allerdings ein offensichtlicher Zusammenhang: beide reizen mögliche Geschlechtspartner.
Man kann sagen, dass die körpereigenen Lockstoffe im Zuge der Zivilisation zunehmend negativ bewertet und durch körperfremde ersetzt wurden. Seit Adolf Butenandt 1959 einen Stoff isolierte, den ein Mottenmännchen in geringster Konzentration und aus großer Entfernung wahrnimmt, hört die Spekulation über die Pheromone (Hormone, mit Fernwirkung) nicht mehr auf. Inzwischen gibt es sogar Parfums mit menschlichen Pheromonen auf dem Markt, die sich gut verkaufen. Eine 100%-Verliebens-Garantie geben die Hersteller allerdings nicht.
Um ein größeres Verständnis für die komplexe Entstehungsgeschichte und Wirkungsweise der Botenstoffe außerhalb des Körpers zu gewinnen, sollte man zu Lyall Watsons Buch Der Duft der Verführung greifen. Als Begrüßungsgeschenk erhält der Leser erst einmal ein zweites Riechsystem – das Jacobsonsche Organ. Es befindet sich in der Nase, wurde schon vor zweihundert Jahren entdeckt, dann aber wieder bis 1991 vergessen: „Sein wahrnehmbares Äußeres besteht aus nichts als einem winzigen Tüpfel auf jeder Seite der Nasenscheidewand, beim Menschen jeweils eineinhalb Zentimeter oberhalb des Nasenlochs. ” Auf diesen Tüpfeln baut Watson auf, in ihnen lauert für ihn eine Riech-Revolution. Er identifiziert sie als Organe unseres oft beschworenen sechsten Sinns, der durch die Höherbewertung von Ohren und Augen zurückgedrängt worden ist.
Natürlich weiß Watson, dass er sich mit seinen Thesen auf schwankendem Boden bewegt und Widerspruch erwecken wird. Faktenprall, anschaulich und (zuweilen arg) launig führt der Biologe und „Leiter zahlreicher Expeditionen” immer der Nase nach durch die Evolutionsgeschichte des Riechens: von Schleimaalen über Amphibien, Reptilien und Vögeln bis zu den Säugetieren, die mit gewissem Recht auch Stink-Tiere heißen könnten, denn „sie sind wahre Geruchsfabriken”. Urin, Kot, Speichel, Tränen, Genitalschleim, Schweiß, Hautschuppen – schon Menge und Intensität provoziert die Frage: Wozu das alles? Da man in diesem Geruchs-Cocktail Mengen von Pheromonen findet, auf die das Jacobsonsche Organ besonders empfindlich reagiert, indem es Reize direkt ans limbische, also nichtbewusste Hirnareal sendet, folgt zwangsläufig eine weitere Frage: Werden wir von unterschwelligen Geruchsbotschaften manipuliert? Die These ist alt, doch erst in den letzten Jahrzehnten forschte man intensiv nach dieser chemischen Kommunikation.
Watson berichtet von fernwirkenden Warn- und Heilstoffen bei Pflanzen wie Tabak und Baumwolle, bei Tieren, wie Hamstern oder Mäusen, vom Pheromon-Einfluss auf Geschlechtsreife, Schwangerschaftsbeendigung, Synchronisation des Zyklus und soziale Bindung. Weil aber auch artübergreifende chemische Kommunikation und sogar solche zwischen Tieren und Pflanzen beobachtet wurde, geht Watson von einem world wide web des Geruchs aus, zu dem auch wir Zugang haben. Tatsächlich können Mütter Kleidung ihrer Kinder erriechen, Partner die ihres Partners, und die pheromonelle Wirkung auf den Zyklus wurde mehrfach nachgewiesen.
Watson geht es nicht nur um eine Ehrenrettung der Nase, es geht ihm um die unbewusste Emotions-Steuerung durch unsereren „olfaktorischen Autopilot”, eben das Jacobsonsche Organ. Er berichtet vom unfehlbar Angst auslösenden Geruch der afrikanischen Mähnenratte (leider nur en passant), von unverkennbaren Ausdünstungen der Schizophrenie (schlecht belegt, sehr angreifbar), von sexueller Stimulation durch Achsel-Aroma, von unserem „Wundersinn”, der uns längst Vergangenes über immer noch vorhandenen Geruch zeige. Spätestens jetzt wechseln ehrliche Faszination und Ärger beim Leser, denn der Enthusiasmus treibt Watson dazu, die Evolution teleologisch zu interpretieren, die beiden Geruchssysteme, Philosophie, individuelle Erfahrungen und Kriegspropaganda zu vermischen und sich auf das Jacobsonsche Organ allein zu konzentrieren. Relativierungen (Laborsituation vieler Experimente, soziale Überformung des Riechens), die er auch erwähnt, gehen dabei fast unter. Überhaupt geht manches unter, weil im Verlag wohl zu wenig Lavendel und Minze vorhanden war, welche Lektoren-Leistungen verbessern sollen. Die übersahen nicht nur Satzfehler oder Fehler des Autors (z. B. heißen Strumpfbandnattern nicht wegen Männer-Sockenhaltern so), sondern auch der Übersetzerin (die Kommensale nicht übersetzt, dafür Warmblütler statt Warmblüter, Säuger statt Sauger). Das hat Watson nicht verdient, denn die schwerfällige Wissenschaft braucht kenntnisreichen Enthusiasten mit Talent zur Popularisierung. Noch immer wird z. B. bei Nasenoperationen das Jacobsonsche Organ oft achtlos zerstört, obwohl es synästhetisch an unserer Erinnerung beteiligt ist und wahrscheinlich sogar an unserem Fantasie-Sinn, den – Hl. Proust bitt für uns! – nichts so sehr stimuliert wie Geruch.
ROLF-BERNHARD ESSIG
LYALL WATSON: Der Duft der Verführung. Das unbewusste Riechen und die Macht der Lockstoffe. Deutsch von Yvonne Badal. Verlag S. Fischer, Frankfurt 2001. 284 Seiten, 38 Mark.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.03.2001

Die Nase weiß Dinge, von denen wir nur träumen
Ich rieche, also bin ich: Lyall Watsons Buch "Der Duft der Verführung" enthält zuviel Parfum

Das Buch weckt Erwartungen: "Warum wir manche Menschen nicht riechen können und andere unwiderstehlich finden", verkündet es auf der zweiten Umschlagseite. Leider sind wir nach der Lektüre, dies vorab, nicht viel schlauer als vorher. Wir entnehmen Lyall Watsons Werk, daß unser Riecher etwas mit dem Jacobsonschen Organ zu tun haben könnte. Eine Neuigkeit ist das nicht. Besagtes Organ, nach seinem Entdecker benannt, sitzt in zwei winzigen Öffnungen zu beiden Seiten der Nasenscheidewand und wird deshalb auch Vomeronasalorgan (vomer, lat. = Pflugscharbein) genannt. Es empfängt die Botschaft der Pheromone, bestimmter Lockstoffe, die im Tierreich Kommunikation und Verhalten steuern: Nahrungsaufnahme und Flucht, vor allem aber die Fortpflanzung. Der moschusartige Atem eines Ebers etwa versetzt "eine Sau im Östrus augenblicklich in eine Duldungsstarre". Das Beispiel gefiel dem Verhaltensforscher Watson offenbar so gut, daß er es neunzehn Seiten später gleich noch einmal anführt.

Unter Umgehung des Großhirns wird das Signal der Pheromone direkt ins limbische System geleitet, jenen entwicklungsgeschichtlich frühen Teil des Gehirns, der etwa Atmung, Kreislauf und sexuelles Verhalten steuert. Eine Art sechster Sinn also, knapp zweihundert Jahre bekannt, aber lange als zoologische Kuriosität vernachlässigt, bis er Anfang der achtziger Jahre auch beim Menschen nachgewiesen wurde. "Beeinflußt dieser sechste Sinn auch unser Verhalten?" lautet seither die spannende Frage. Und vor allem: Wie geschieht das?

Die Forschung begab sich in den Feldversuch und beglückte die Öffentlichkeit, allen voran Nachrichtenmagazine und Wissenschaftspublizisten, mit einschlägigen Befunden. Das erogene Bukett des Mensch riecht, soweit dies ermittelt werden konnte, leicht nach ranzigen Butter- und Fettsäuren, nach dem fischelnden Dunst des Trimethylamin im Vaginalsekret sowie dem moschusartigen Androstenol und dem urinigen Androstenon aus Männerschweiß. Zu den erstaunlichen Befunden gehört ferner, daß eine Duftkonzentration weit unterhalb der Riechschwelle ausreicht, um das Jacobsonsche Organ zu aktivieren. Man stimulierte ahnungslose Frauen in Telefonzellen und Wartezimmern mit männlichen Hormonen, lockte Babys mit mütterlichen Duftstoffen, testete das Werturteil von Männern und Frauen unter Einfluß von Lockstoffen des jeweils anderen Geschlechts.

Männer, so lautet etwa die Erkenntnis eines solchen Schnüffelversuchs, beurteilen - derart angeregt - das Bild einer Frau deutlich freundlicher als ohne Einfluß weiblicher Lockstoffe. Stimuliert mit Androstenol (Moschus), verhalten sich Frauen gegenüber Männerbildnissen ganz ähnlich. Androstenon (Urin) hingegen stößt sie eher ab - mit Ausnahme der Tage um ihren Eisprung herum. Dies veranlaßte zu mancherlei evolutionsbiologischen Gedankenspielen.

Im übrigen lautet das hinreichend häufig publizierte Fazit dieser und ähnlicher Versuche, daß das Jacobsonsche Organ offenkundig auch bei uns Menschen funktioniert. Und weiter? Nichts weiter. Der Strom der Erkenntnisse scheint zu versiegen. So oft Watson "jüngste Forschungen" bemüht, nach genauem Hinsehen sind sie so jung nicht mehr. Das macht nichts, denn die Anwendung ist schon weit gediehen, wie ein Blick ins "world wide web" zeigt. Wer zum Stichwort "Pheromone" nach deutschen Links sucht, bekommt weit über tausend Treffer angezeigt, "die besten zuerst". Sie führen auf Websites für Parfums mit entsprechenden Ingredienzien: "Einmal kräftig schnuppern und schon liegt Sex in der Luft." Gleich der dritte Treffer weist als Web-Adresse einen einschlägigen Shop aus: "Wenn Du nach Lockstoffen und Pheromone suchst, bist Du hier richtig!"

Mag die Forschung noch rätseln, in der Praxis werden Sie längst geholfen. Das weiß auch Watson, natürlich. Lockt er uns eingangs noch mit ungeahnten vomeronasalen Möglichkeiten, so speist er uns am Ende ab mit einem dürren Surrogat: Parfum. Es sind Produkte einer Firma, deren Begründer zu den Nestoren der Pheromon-Forschung gehört. "Der Handel", schreibt Watson, "blüht und gedeiht." Und bot vermutlich auch einen Hintergrund für die vom Autor so sehr bedauerte aktuelle Abstinenz der Kollegen. Schlecht sortiert und redundant, wie das Werkchen ist, gibt es fast keinen Grund, es nicht sofort aus der Hand zu legen. Was hindert uns? Am Anfang eine knappe und amüsante Entwicklungsgeschichte des Geruchssinns ("Wir denken, weil wir riechen konnten"). Zwischendrin eine kleine Kulturgeschichte des Parfums, stellenweise leider albern. Unterschwellig vielleicht auch die Hoffnung auf eine olfaktorische Offenbarung, wie sie der Autor unentwegt verspricht.

Und was haben wir am Ende gelernt? Daß unser Verhalten von Reizen beeinflußt wird, die uns nicht ins Bewußtsein dringen. Das sagte schon Freud. "Die Nase weiß Dinge, von denen wir keine Ahnung haben", faßt Watson dozierend zusammen, bevor er uns zielstrebig in den Parfumladen entführt. Nun denn. Wer einen Selbstversuch plant, mag über die Websites gehen, die der Autor in der Bibliographie anzugeben nicht vergaß.

REGINE HALENTZ

Lyall Watson: "Der Duft der Verführung". Das unbewußte Riechen und die Macht der Lockstoffe. Aus dem Englischen von Yvonne Badal. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2001. 283 S., geb., 38,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Etwas konfus bespricht Rolf-Bernhard Essig das Buch des Biologen Lyall Watson, das "faktenprall, anschaulich und launig" durch die Evolutionsgeschichte des Riechens führe. Allerdings ist, was Essig rezensiert, nichts wirklich Neues. Weder dass körpereigene Lockstoffe im Zuge der Zivilisation durch körperfremde ersetzt worden sind, noch dass der Mensch von unterschwelligen Geruchsbotschaften manipuliert wird, lässt auf besondere Einsichten hoffen. Verdächtig stimmt auch, dass Essig den Autor als "kenntnisreichen Enthusiasten mit Talent zur Popularisierung" bezeichnet. Der Autor beschreibe ein "world wide web" des Riechens, das auch dem Leser zugänglich sei. Wenn Lyall aber die Geruchssysteme mit Philosophie, eigenen Erfahrungen und Kriegspropaganda vermischt, wird die Lektüre zum Ärgernis, so Essig. Auch würden Satzfehler, fehlerhafte Erklärungen des Autors und Fehler in der Übersetzung die Lektüre nicht einfacher machen.

© Perlentaucher Medien GmbH