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Die Leute in diesen Erzählungen glauben alle an etwas anderes: Die Großmutter an Pfifferlinge, ein Kind an Schokoriegel, Mütter an die große Liebe und die heile Familie, Väter an die Freiheit, eine Lehrerin an die Gerechtigkeit und die Studenten zunächst an "Nein-Danke" und später an die große Geldvermehrung. Solange man an sie glaubt, scheint sie ja auch zu funktionieren. Oder etwa doch nicht? Ein neues Buch von Birgit Vanderbeke, von der Annemarie Stoltenberg in "Die Welt" schrieb, sie habe "einen messerscharfen Verstand, den sie benutzt, komplizierte Dinge einfach und raffiniert zugleich zu…mehr

Produktbeschreibung
Die Leute in diesen Erzählungen glauben alle an etwas anderes: Die Großmutter an Pfifferlinge, ein Kind an Schokoriegel, Mütter an die große Liebe und die heile Familie, Väter an die Freiheit, eine Lehrerin an die Gerechtigkeit und die Studenten zunächst an "Nein-Danke" und später an die große Geldvermehrung. Solange man an sie glaubt, scheint sie ja auch zu funktionieren. Oder etwa doch nicht?
Ein neues Buch von Birgit Vanderbeke, von der Annemarie Stoltenberg in "Die Welt" schrieb, sie habe "einen messerscharfen Verstand, den sie benutzt, komplizierte Dinge einfach und raffiniert zugleich zu erzählen."
Ob es die große Liebe gibt, ist eine berechtigte Frage, und woran man glaubt, eine andere. Das neue Buch von Birgit Vanderbeke stellt den Leser vor die Entscheidung. Er muß sich am Ende fragen, woran er selbst eigentlich glaubt: ans Geld oder ans Leben.
Autorenporträt
Birgit Vanderbeke, geboren 1956 in Dahme/Mark, lebt im Süden Frankreichs. Sie wurde 1990 für die Erzählung "Das Muschelessen" mit dem Ingeborg-Bachmann-Preis ausgezeichnet. 1997 erhielt sie den Kranichsteiner Literaturpreis und 1999 den Solothurner Literaturpreis für ihr erzählerisches Gesamtwerk, 2002 wurde ihr der Hans-Fallada-Preis verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 27.08.2003

Wege in die Wiesengesellschaft
Ru-Ru-Rucola: Birgit Vanderbeke macht ihren Erinnerungssalat an

Manchmal hilft es sicher, so zu tun, als wüßte man von nichts. "Aha, heute krieje mer de Dampfmaschin. Also wat is en Dampfmaschin? Da stelle mer uns janz dumm." So erklärte seinerzeit Professor Bömmel, wir erinnern uns, den Primanern der unverwüstlichen "Feuerzangenbowle" von Heinrich Spoerl die Grundlagen der Physik: "En Dampfmaschin, dat is ene jroße schwarze Raum, der hat hinten und vorne e Loch." Da merkten wir doch gleich, daß hier ein pädagogisches Prinzip waltet: Der naive Blick kann komplizierte Dinge auf geniale Art vereinfachen und für jedermann einsichtig machen. Auch große Literatur - man denke an Blake, Eichendorff oder Hesse - kann davon leben, daß sie mit diesem Blick die Verstellungen der Welt durchschaut. Vielleicht wird auch Birgit Vanderbekes neue Erzählung von künftigen Generationen einmal so gelesen werden. Vielleicht aber wird man in ihr eher "Die Feuerzangenbowle" einer bundesdeutschen Biederkeit erkennen: Rückblick auf eine ausgediente Jugendzeit, in die wir uns, ganz wie Hans Pfeiffer, spaßeshalber mal zurückversetzen.

Statt im wilhelminischen Gymnasium landen wir bei Vanderbeke in der gymnasialen Oberstufe mit kapitalismuskritischem Deutschunterricht sowie, wenig später, in der revolutionär gestimmten Uni mit basisdemokratischer Vollversammlung. Statt Alkoholika sind härtere Drogen im Spiel, und statt herzhafter Lausbüberei ist hier die Stimmung meistens trübe. Aber das pädagogische Prinzip ist unverkennbar. Gleich im ersten Absatz der Erzählung lesen wir: "Entweder man glaubt es oder man glaubt es nicht. Wenn alle daran glauben, heißt es, es funktioniert." Was genau mit "es" gemeint sein soll, ist eigentlich egal, denn der genannte Glaube betrifft generell unser Wohlstandsdenken, das Glück der schnellen Autos beispielsweise, die Geldvermehrung durch Aktienkauf, die Pasta mit Rucola und Pinienkernen oder ganz allgemein den Konsum, der ja auch nur funktioniert, weil "alle daran glauben". Die Erzählerin jedoch durchschaut dies alles - Rucola "ist tatsächlich nichts anderes als Rauke" - und will nun auch uns lehren, die Welt unverstellt zu sehen. Und dazu stellt sie sich einfach ganz dumm.

Eine junge Frau erzählt ihren Werdegang, der von einer beengten Kindheit im Wirtschaftswunderland in die Jugend der ökologisch-apokalyptischen Krisenjahre führt und über die nur scheinbar freiere Studienzeit schließlich im unverhofften Leben mit einem alten Klassenkameraden endet, der Hänschen heißt und einst allein in die weite Welt hineinging. Ihr schönstes Glück finden die beiden allerdings jetzt darin, daß es ihnen gelingt, die Welt mit ihrem schnöden Geld- und Geltungsdrang, mit Kabelfernsehen und Werbepausen einfach auszusperren. Hans kann prima handwerkern, die Erzählerin lernt nähen, im Wald finden sich Pilze, und überhaupt sieht man sich bei jedem Waldspaziergang immer ganz genau um, "weil es ja sein könnte, daß auf der Wiese Dinge wuchsen, die man kochen oder essen oder ohne Kochen in den Salat tun kann" - keine Rucola, versteht sich. So proben sie die Robinsonade in der Mansardenwohnung und lassen sich auch von dem Vorwurf nicht beirren, ewig selbstgestrickt zu sein.

Doch nun kommt das Pädagogische. Dies alles nämlich wird uns so berichtet, als kämen wir selbst von einer fernen Insel und wüßten nicht genau, wovon die Rede ist. Der Vater zahlt mit "kleiner Plastikkarte", der Freund spielt in der Band "etwas, das sie Schwermetall nannten", der Bruder trägt "Hemd mit Tierchen", der Sohn will partout Schokoladenriegel "mit weißem Schaum". Ob sie Markenartikel meint oder den Beginn der Kohl-Ära, ob Ozonloch, Aids-Tod oder Tschernobyl - stets findet die Erzählerin gesuchte Worte, die das Gemeinte auf Indianerart umschreiben. Dinge beim gewohnten Namen zu nennen gilt offenbar als erster Schritt, ihnen in falschem Glauben zu verfallen.

Ohnehin zeigt sich dem geschult naiven Blick, daß alles irgendwie gleich aussieht. In so erstaunlicher Zeitraffung verläuft ihr Leben, daß sie als Kind die Währungsreform, als Teenager die Ölkrise und als junge Mutter den Crash der New Economy erlebt. Aber was macht das schon? Neues Geld, neue Musik, neue Politik, neue Regierung, neue Mode, neuer Markt - ist doch alles nur ein großes schwarzes Loch, und wer das dumm findet, hat nichts verstanden.

Wie schon in früheren Erzählungen von Birgit Vanderbeke seit ihrem Debüt "Das Muschelessen" (1990) finden sich auch diesmal wirklich starke und durch knappe Überzeichnung um so wirksamere Momente in ihren erbarmungslosen Porträts aus dem kleinbürgerlichen Familienalltag, in welchem sich vor allem eine aufgeblasene Vaterfigur jämmerlich in Szene setzt. Aber solche scharfen und gelungenen Schnappschüsse werden hier mit einer Bordüre aus Binsenweisheiten umhäkelt, deren schlichte Machart dadurch auch nicht schöner wird, daß alle Raffinesse grundsätzlich unter Modeverdacht steht. Natürlich sind Konsumterror und Markenwahn in hohem Maß entrüstenswert, aber wer auf derart absehbare, ja modische Art das wahre Leben dagegen verteidigen zu müssen meint, macht sich selbst rucolaverdächtig. Wir dachten immer schon, "Geld oder Leben" sei eine mörderische Alternative, der man nur unter Zwang Folge leistet. Wenn uns Vanderbeke hier die Pistole auf die Brust setzt, tun wir daher besser nicht so, als wüßten wir von nichts. Wir fügen uns freiwillig, das Buch kostet ja nur sechzehn Euro neunzig.

TOBIAS DÖRING

Birgit Vanderbeke: "Geld oder Leben". S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2003. 140 S., geb., 16,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Birgit Vanderbeke hat einen messerscharfen Verstand, den sie dazu benutzt, komplizierte Dinge einfach und raffiniert zugleich zu erzählen."
Annemarie Stoltenberg, Die Welt

"Was Birgit Vanderbeke ganz nebenbei sozusagen dazuschreibt, wenn sie von den Zumutungen des Lebens redet, ist auch eine Geschichte der Bundesrepublik Deutschland."
Richard Wagner

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

" Rezensent Oliver Fink zweifelt keineswegs am Talent Jan Böttchers, doch so recht will sich ihm die Logik seines neuen Buchs nicht erschließen. Im Mittelpunkt der Geschichte steht ein Jugendlicher, der in der Vergangenheit seines Großvaters herumschnüffelt, der - obwohl Kommunistenhasser - vor der Wende von West nach Ost zog. Dieser Jugendliche bewegt sich in einem "hübschen familiären Milieu", das aus lauter Sparkassen-Angestellten besteht. Alle sind mehr oder weniger unglücklich oder verrückt, und der Jugendliche überfällt schließlich seine eigene Mutter hinter dem Bankschalter. Dass Böttchers Roman sehr dicht ist, stört den Kritiker nicht. Er mag auch die "überraschenden Einfälle" und den "überzeugenden Sound" des Autors, der auch frühere Werke schon zu guten Büchern machte. Der "innere Zusammenhalt" fehle jedoch, meint der Kritiker. Böttcher habe einen Mix aus Familien-, Liebes-, Entwicklungsroman und Roadmovie geschrieben. Eine "feine Mischung", so der Rezensent, ist dabei leider nicht herausgekommen.

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