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Sam Shepard, Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur legt 18 Short Stories voller Absurdität, Leid und bitterer Komik vor, die in einem einzigen Augenblick das Gesetz eines ganzen Lebens umreißen. Shepards Meisterschaft beruht auf seiner ungewöhnlichen Begabung, Kargheit und Poesie zu intensivstem Ausdruck zu verschmelzen.

Produktbeschreibung
Sam Shepard, Schauspieler, Drehbuchautor und Regisseur legt 18 Short Stories voller Absurdität, Leid und bitterer Komik vor, die in einem einzigen Augenblick das Gesetz eines ganzen Lebens umreißen. Shepards Meisterschaft beruht auf seiner ungewöhnlichen Begabung, Kargheit und Poesie zu intensivstem Ausdruck zu verschmelzen.
Autorenporträt
Sam Shepard, 1943 geboren, Pulitzerpreisträger, Schauspieler und Regisseur, amerikanischer Theaterautor und Drehbuchschreiber. In seinem letzten Stück interviewte er Bob Dylan.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Verblüffend vertraut kamen Karl-Markus Gauß die Orte vor, von denen Sam Shepards Geschichten erzählen - und zwar aus dem Kino. Die unter dem "Großen Himmel" versammelten Erzählungen spielen in der amerikanischen Provinz mit ihren aus unzähligen Panoramaeinstellungen bekannten Highways, Parkplätzen, Fast-Food-Restaurants und Einkaufszentren, beschreibt Gauß. Unverkennbar knüpfe ihr Verfasser an die Mythen an, die das Kino von der amerikanischen Wirklichkeit produziert hat, aber gleichzeitig lege Shepard ihre "Brüchigkeit", den "abgeblätterten Glanz" und ihre "düstere Seite" offen. Seine einsamen, "gebrochenen" Charaktere seien stets gezwungen, unangenehme Entscheidungen zu treffen und wenig erfolgversprechende Unternehmungen anzugehen - indem sie aber nicht resignieren, bewahren sie sich "so etwas wie Würde", meint der Rezensent. Am Ende lässt Gauß durchblicken, dass er mit Shepards Stil gelegentlich Schwierigkeiten hat - etwa mit dessen "etwas zwanghafter Poesie" oder seinen "unterkühlten Formulierungen".

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.05.2005

Gäule sind wie Menschen
Sam Shepard zwingt seine Helden zur Freiheit
Schnurgerade schneidet der Highway durch das endlose Land; weit vor der Stadt liegt die Einkaufsmall mit ihrem riesigen Parkplatz; irgendwo im Zwischenreich steht die Filiale einer Restaurant-Kette, unansehnlich und doch ein Hort für viele Versprengte, die nichts anderes mit sich, ihrer Einsamkeit und Unruhe zu tun wissen, als ein paar Hundert Kilometer den Highway in die Wüste hinein zu fahren, stundenlang im Einkaufszentrum herumzuschlendern - oder sich in die anonyme Gemeinschaft eines Fast-Food-Restaurants zu flüchten. Man glaubt, diese Orte, an denen Sam Shepards Erzählungen spielen, nein: von denen sie handeln, alle schon gesehen zu haben. Und man hat sie auch alle schon gesehen. Im Kino.
Sam Shepard, der über viele Talente verfügt, hat nicht nur Theaterstücke und Prosabände veröffentlicht, sondern auch Drehbücher zu wunderbaren Filmen verfasst und es als Schauspieler auf eine Oscar-Nominierung gebracht. Der amerikanische Film ist unübersehbar jene Deutung der amerikanischen Wirklichkeit, auf die er sich als Erzähler bezieht. Die Mythen, wie sie sich in der Filmgeschichte verfestigten, möchte er keineswegs denunzieren; aber naiv nur einfach an sie anzuschließen, ist ihm auch nicht mehr möglich.
So schreibt er Erzählungen, die alle im Banne des Mythos stehen und diesem gerade dadurch ihren Tribut entrichten, dass sie seine Brüchigkeit zeigen, die Risse, den abgeblätterten Glanz, die düstere Seite. Das hat nichts mit bemühter Dekonstruktion zu tun, sondern ist der durchaus konservative Versuch, immerhin den beschädigten Mythos als Instanz zu beschwören, die auch weiterhin ihre Wirkungsmächtigkeit hat.
Da ist der Pferdeflüsterer, ein Mann, der widerspenstige Tiere gehorsam macht, indem er sie sich halb mit roher Gewalt, halb mit intuitiver Einfühlung vornimmt. Diesen Mann holt Shepard wie aus uralten Zeiten in seine in der Gegenwart spielende Erzählung „Der Praktiker” herauf. Gleich dem einsamen Helden im Western kommt der Pferdeflüsterer aus dem Irgendwo und verschwindet, nachdem er der Kreatur den eigenen Willen aufgezwungen hat, wieder in den Horizont, allerdings nicht zu Pferde, sondern mit einem reparaturbedürftigen Chevy-Halbtonner.
Während er seine schwierige Arbeit erledigt, erklärt er simpel, worin sie für ihn besteht: Ein „Gaul ist auch nicht anders wie die Menschen. Muss seine Grenzen kennen. Wenn die erst mal klar sind, ist gut mit ihm auskommen”. Zurück bleiben ein verklemmter Farmer, der das Pferd, vermutlich weil er der Natur und sich selber entfremdet ist, nicht zur Räson bringen konnte, und ein Jugendlicher, der im Pferdeflüsterer den besseren Vater und Lebens-Lehrer erkennt. Die Erzählung endet wie jeder gute Western mit einem lakonischen Satz, in dem der Jugendliche, erzählerisch dafür nicht recht vorbereitet, zur plötzlichen Einsicht findet: „Ich wusste auf einmal, wo ich herkam und wie weit ich fortgehen würde.”
Darin unterscheidet er sich von einem anderen jungen Ich-Erzähler, den Shepard in eine jener Gaststätten an der Landstraße schickt, wie sie uns aus unzähligen Roadmovies bekannt sind. Während er auf seine „10er Portion Chickenwings” wartet, fällt dem jungen Mann auf, dass hinter dem Verkaufstresen ein Schild hängt, auf dem steht: „Leben ist das, was passiert, während du irgendwelche Pläne machst.”
Der Satz reißt ihn aus der Lethargie des Allerweltslokals, und er bemüht sich herauszufinden, wer dieses Schild verfertigt und was er mit dem Sinnspruch gemeint hat. Das ist gar nicht so leicht, denn die Angestellten scheinen sich weder für ihre Arbeitsstätte noch für ihr eigenes Leben zu interessieren und das Schild bisher gar nicht bemerkt zu haben. Als die Sache langwierig besprochen wurde und doch längst nicht geklärt ist, endet die Erzählung mit wortkargem Pathos: „Ich habe keine Ahnung, wo ich bin, welcher Ort. Es spielt keine Rolle. Ich habe keine Ahnung, welcher Ort als nächster kommt. Ich habe keine Pläne.”
Was die Fahne beißt
Das sind einfache, aber starke Sprüche. Auf sie lässt Shepard die meisten seiner Short-Stories zulaufen. Deren Helden sind gebrochene Charaktere, denen irgendeine unangenehme, doch unausweichliche Entscheidung zugemutet wird oder die sich eines Tages aufraffen und ausbrechen. Was sie tun, hat wenig Aussicht auf Erfolg, aber indem sie es trotzdem wagen, gewinnen sie scheiternd so etwas wie Würde. Die Kulisse ihrer Lebensdramen ist die Natur, die weite Landschaft, die Grenzenlosigkeit der amerikanischen Provinz. Ihre persönliche Stärke beziehen sie daraus, dass sie selbst in jenen Mythen leben, von denen das Kino lebt. Ausgerechnet auf dem fast leeren, sinnlos ins Niemandsland gesetzten Parkplatz eines Supermarktes überkommt einen der typischen Protagonisten Shepards das „unerwartet großartige Gefühl der Freiheit und Vereinzelung”. Aber diese aufblitzenden Epiphanien, von denen fast in jeder Erzählung eine gefeiert wird, wirken mehr erzwungen als wirklich geschaut oder erlebt.
Shepard hat einen prekären Hang zur unterkühlten Formulierung, was bisweilen kuriose Ergebnisse zeitigt, etwa wenn „eine riesige amerikanische Fahne im Wind knatterte und fauchte, als wollte sie sich selber in den Arsch beißen”; häufiger noch stört die etwas zwanghafte Poesie, als würde der Autor seine Texte nur der zwei, drei Sätze wegen geschrieben haben, in denen er seine eigene Weltanschauung oder die seiner Helden aphoristisch verknappt. Shepards Vorliebe für den lapidar schönen Satz ändert nichts daran, dass der schönste nicht von ihm, sondern Peter Handke stammt und dem Buch als Motto vorangestellt ist: „Wie früher von einem Seligen gesagt wurde: ,Er durfte den Himmel sehen’, so würde ich mir sehr wünschen, immer die Erde sehen zu dürfen.” Diese Erde, bei Shepard schaut sie zuweilen verdächtig nach Papier und Zelluloid aus.
KARL-MARKUS GAUSS
SAM SHEPARD: Der große Himmel. Short Stories. Aus dem Amerikanischen von Uda Strätling. S.Fischer-Verlag, Frankfurt/Main 2004, 159 Seiten, 17,90 Euro.
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