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Als Leben zu kurz, als Roman zu schön, um wahr zu sein: Das Beste, was bislang über Hoppe geschrieben wurde!
'Hoppe' ist keine Autobiographie, sondern Hoppes Traumbiographie, in der Hoppe von einer anderen Hoppe erzählt: von einer kanadischen Kindheit auf dünnem Eis, von einer australischen Jugend kurz vor der Wüste, von Reisen über das Meer und von einer Flucht nach Amerika. Hoppes Lebens- und Reisebericht wird zum tragikomischen Künstlerroman, mit dem sie uns durch die Welt und von dort aus wieder zurück in die deutsche Provinz führt, wo ihre Wunschfamilie immer noch auf sie wartet. Eine…mehr

Produktbeschreibung
Als Leben zu kurz, als Roman zu schön, um wahr zu sein: Das Beste, was bislang über Hoppe geschrieben wurde!

'Hoppe' ist keine Autobiographie, sondern Hoppes Traumbiographie, in der Hoppe von einer anderen Hoppe erzählt: von einer kanadischen Kindheit auf dünnem Eis, von einer australischen Jugend kurz vor der Wüste, von Reisen über das Meer und von einer Flucht nach Amerika. Hoppes Lebens- und Reisebericht wird zum tragikomischen Künstlerroman, mit dem sie uns durch die Welt und von dort aus wieder zurück in die deutsche Provinz führt, wo ihre Wunschfamilie immer noch auf sie wartet.
Eine Geschichte über vergebliche Wünsche, gescheiterte Hochzeiten und halbierte Karrieren. Und über das unbestreitbare Glück, ein Kind des Rattenfängers aus Hameln zu sein.

»Die schönste und intelligenteste Prosa Deutschlands schreibt Felicitas Hoppe.« Denis Scheck, ARD Druckfrisch
Autorenporträt
Felicitas Hoppe, geb. 1960 in Hameln, lebt als Schriftstellerin in Berlin. 1996 erschien ihr Debüt »Picknick der Friseure«, 1999 - nach einer Weltreise auf einem Frachtschiff - folgte der Roman »Pigafetta«. Anschließend erschienen »Paradiese, Übersee«, »Verbrecher und Versager«, »Johanna«, »Iwein Löwenritter«, »Sieben Schätze«, »Der beste Platz der Welt«, »Abenteuer - was ist das?« und »Grünes Ei mit Speck«, eine Übersetzung von Texten des amerikanischen Kinderbuchklassikers Dr. Seuss. Es folgten die Romane »Hoppe«, »Prawda. Eine amerikanische Reise«, »Die Nibelungen. Ein deutscher Stummfilm« sowie der Essay »Gedankenspiele über die Sehnsucht«. Für ihr Werk wurde Felicitas Hoppe mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u. a. mit dem aspekte-Literaturpreis, dem Bremer Literaturpreis, dem Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim, dem Rattenfänger-Literaturpreis, dem Georg-Büchner-Preis, dem Erich Kästner Preis für Literatur, dem Großen Preis des Deutschen Literaturfonds sowie dem Berliner Literaturpreis. Außerdem Poetikdozenturen und Gastprofessuren in Wiesbaden, Mainz, Augsburg, Göttingen, am Dartmouth College in Hanover, New Hampshire, an der Georgetown University, Washington D.C., in Hamburg, Heidelberg und Köln.Literaturpreise:u.a.:Foglio-Preis für junge Literatur (1995)Aspekte-Literaturpreis (1996)Ernst-Willner-Preis im Bachmann-Literaturwettbewerb (1996)Rauriser Literaturpreis (1997)Laurenz-Haus-Stiftung Basel (1998)Niedersächsischer Förderpreis für Literatur (1999)Spycher: Literaturpreis Leuk, Nicolas Born-Preis, Heimito von Doderer-Literaturpreis (alle 2004)Brüder Grimm-Preis der Stadt Hanau (2005)Bremer Literaturpreis (2007)Roswitha-Preis der Stadt Bad Gandersheim (2007)Rattenfänger-Literaturpreis (2010)Preisträgerin des Comburg-Stipendiums (2010)Villa Aurora (2012)Georg-Büchner-Preis (2012)Werner-Bergengruen-Preis (2015)Erich Kästner Preis für Literatur (2015)Ehrendoktorwürde der Leuphana Universität Lüneburg (2016)Großer Preis des Deutschen Literaturfonds (2020)Kasseler Literaturpreis für grotesken Humor (2021) Berliner Literaturpreis (2024)
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Steffen Martus ist ganz hingerissen von diesem, wie er schwärmt, charmanten und witzigen, dabei aber auch ernsthaften und klugen Buch von Felicitas Hoppe, in dem die Autorin ihre fiktive Autobiografie vorlegt. Sie schreibt sich hier nämlich ein Leben auf den Leib, das sie nach Kanada und Australien führt, und als Hockeyspielerin, Musikerin, Dirigentin und Schriftstellerin hervortreten lässt, erfahren wir. Auch (fiktive) literaturwissenschaftliche und -kritische Stimmen lässt die Erzählerin zu Wort kommen und treibt damit ein faszinierendes Spiel mit den Sphären von Wirklichkeit und Fiktion, Realität und Poesie, was man getrost als "Transzendentalpoesie" im Sinne der Romantiker auffassen sollte, wie der begeisterte Rezensent meint. Und so wird das Buch zu einem "poetischen und poetologischen Manifest", nebenbei zur großartigen Parodie einer Autobiografie, das dem Rezensenten nicht zuletzt viel Spaß bei der Lektüre beschert hat, wie man aus dieser enthusiastischen Kritik herauslesen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.03.2012

Mein Zwilling Wayne

Diesmal muss man auch unter den Zeilen lesen: Felicitas Hoppe hat sich in ihrem neuen Roman, "Hoppe", in den kanadischen Eishockey hineingeschrieben. Ein klarer Fall von Privatforschung

Der Ruhmeshalle des Eishockeys steht ein Umbau bevor. In der zentralen Rotunde des Superiglus im Herzen von Calgary, da, wo die dreimal überlebensgroße Schneestatue von Wayne Gretzky steht, muss eine neue Nische aus dem Eis geschnitzt werden. Es ist schon recht voll in der Umgebung von Wayne dem Großen, den die National Hockey League zum größten Spieler aller Zeiten ausgerufen hat. Ein Held kommt selten allein. Nur im Märchen liest man vom einsamen Ritter. Wenn man genau hinliest, ist auch der Märchenheld nicht allein - die Wasserträger, Zeugwarte und Eisbrecher, ohne die er seine Abenteuer nicht bestehen könnte, haben sich nur getarnt, als sprechender Baum, goldenes Moos und Türhüter in Gestalt eines Ungeheuers.

Im wirklichen Leben ist Heroismus ein Mannschaftssport. Und man kann nicht früh genug mit dem Training beginnen. Deshalb scharen sich um das Standbild des großen Wayne die Denkmäler der Familienmitglieder. Da ist der Vater, Walter Gretzky, der beste Trainer, den Wayne je hatte. Da sind die Geschwister, die ewigen Mitspieler. Und natürlich die Mutter, Phyllis - ihr Attribut des Glimmstengels, eines kunstvoll isolierten Leuchtdiodenstifts, ruft bei Führungen immer wieder "A"- und "O"-Rufe hervor. Und hier wird nun bald auch ein aus dem Eis geschlagenes Ebenbild der deutschen Schriftstellerin Felicitas Hoppe ein pittoreskes Motiv für Postkarten und Handyfotos abgeben.

Hoppe hat soeben ein autobiographisches Buch publiziert, das den Titel "Hoppe" trägt. Mindestens der erste Teil, "Die kanadischen Jahre", könnte ebenso gut "Gretzky" heißen. Wenn man ganz genau hinliest, findet man auch in den anderen Abschnitten, die Hoppes Wander- und Wunderjahre in Australien, Las Vegas und Oregon behandeln, überall den Fußabdruck (Schuhgröße 45), den Schattenwurf und einen ausgespuckten Kaugummi des göttlichen Wayne. Durch die Hoppe-Biographie schimmert auf jeder Seite, selbst auf den leeren, die Gretzky-Biographie hindurch. Hoppes "Hoppe" erweist sich mithin als Palimpsest, wie wir Kritiker zu sagen lieben, denen es nicht genügt, zwischen den Zeilen zu lesen. Nein, wir lesen auch unter den Zeilen!

Das Bild vom Palimpsest ist hier allerdings, wie fast immer im literaturkritischen Gebrauch, falsch. Der Mönch, der Petrons "Satyricon" vom Pergament schabt, um Platz für einen Traktat des heiligen Salamander über die Enthaltsamkeit zu gewinnen, möchte ja gerade nicht, dass ein Subtext stehenbleibt. Es gilt der Kanon von Papa Ratzefummel: Tabula rasa, causa finita! Hoppe dagegen hat Gretzkys Lebensgeschichte eigenhändig ausbuchstabiert, in der Schönschrift des ersten Fans. Alle Nachahmungseffekte und Doppelbelichtungen sind das Werk der Autorin, weswegen für dieses Werk der Autorin ihre Signatur als Titel genügt.

Literaturtheoretische Spiegelfechtereien sind kein Sport nach dem Geschmack der Abonnenten des Gretzky-Fanletters und der Loseblattsammlung des Kritischen Lexikons der Eishockeygeschichte. Ihren Brüdern und Schwestern im Geiste der Gretzky-Verehrung legt Hoppe ein Kapitel in den Schoß, das in aller bisherigen Waynographik fehlt. Auch die Autoren des deutschsprachigen Gretzky-Schrifttums sind schimmerlos, Kurt Scheel ("Der andere Wayne: Coolster Schütze des Westens") ebenso wie Hans Ulrich Gumbrecht ("So sehen Sieger aus: Präsenz vor dem Tor"). Wikipedia (abgerufen am 10. März 2012): nichts.

Beziehungsweise noch nichts. Denn jetzt liegt "Hoppe" in den Buchhandlungen, und heute muss ein solches Buch ja nicht mehr im Flugzeug nach Toronto gebracht werden, damit es den Horizont der Gretzky-Gemeinde erweitern kann. Hoppe dagegen legt Wert auf die Feststellung (wie wir in der Zeitung schreiben, wenn jemand eine Mitteilung in eigener Sache in die Welt setzen möchte, die ganz und gar unwahrscheinlich klingt), dass sie als junges Mädchen mit dem Schiff nach Kanada gereist ist und nicht etwa im Kopf. Denn den Bericht von einer Atlantiküberquerung durch pure Geistesstärke hätten die geborenen Kritiker unter uns schon auf dem Schulhof mit einem abgebrühten Spruch pariert: Kann jeder sagen!

Was Hoppe über die Jahre zu sagen hat, die sie als Ziehkind der Familie Gretzky in Brantford, Ontario, verbrachte, kann nur sie sagen. Nicht einmal Wayne könnte da mitreden, der als späterer Star schon in seiner Jugend sowieso nicht alles merkte, was um ihn herum vorging. Und der wachsame Walter Gretzky war natürlich nicht dabei, als seine Frau Felicitas zum Rauchen verführte. Wenn sich Felicitas aber jahrelang als "Zwilling" des Wunderknaben Wayne fühlen durfte, wenn sie, wie Waynes Schwester Kim berichtet, immer die Erste beim Training war und die Letzte, die ging, wenn Wayne höchstselbst ihr wegen ihrer Schnelligkeit den Ehrennamen Fly verlieh, der die Inschrift ihrer Statue in der Ruhmeshalle zieren wird - warum ist sie dann als Schriftstellerin berühmt geworden und nicht als Goalie? Dass noch kein Verein der National Hockey League einen Profivertrag mit einer Frau abgeschlossen hat, wird nur Gedankenspielverderbern als Erklärung genügen.

Wenn man liest, was Bamie Boots über Hoppe zu Protokoll gibt, der Trainer, in dessen Obhut Walter Gretzky sie gab, dann zeichnet sich das Profil eines unbezahlbaren Maskottchens ab, eines märchenhaften Glücksbringers. "Ehrlich gesagt habe ich nie eine Spielerin gesehen, die sich mehr über Siege freute, keine, die gieriger auf Triumphe aus war, immer darauf aus, ihren privaten Jubel unter die Leute zu bringen. Klein und großmannssüchtig zugleich. Wenn sie gewann, war sie wirklich unschlagbar. Und wenn sie nicht gewann, war sie es auch. Ein Trick, den ich nie ganz begriffen habe. Wir verloren ja damals andauernd, aber wenn Felicitas neben mir saß, und damals war sie nicht älter als zehn, hatte ich trotzdem das Gefühl, wir hätten jetzt irgendwas gewonnen. Keine Ahnung, was."

Kündigte sich in der Neigung und Fähigkeit zum Hochjubeln von Niederlagen am Ende vielleicht doch schon die Dichterin an? Dann wäre Karl Hoppe, die Zwielichtgestalt im Personal des Buches, als Entdeckervater zu rühmen. Als "Entführervater" und "Erfindervater" firmiert er im Bericht der Tochter schon. Er soll dafür verantwortlich sein, dass Hoppe die Kindheit in Hameln, von der auf allen bisherigen Klappentexten die Rede war, nicht verleben durfte, sondern sich ausdenken musste, inklusive ihrer vier Geschwister. Hoppe trägt schwer am väterlichen Erbe. Karl Hoppe schneiderte ihr den Rucksack, den sie bei keinem Training und keinem Spiel ablegte und später bei der Aufnahmeprüfung der Dirigierklasse des Konservatoriums von Adelaide auch nicht - darum hob die "Fliege" nicht ab in die große Karriere.

Was hätten unsportlichere Töchter aus dieser Geschichte gemacht! Hoppe könnte mit der Vaterstory jetzt neben Walter Kohl bei "Beckmann" sitzen, hätte sich dem Ministerium von Kristina Schröder als Patin einer Aktion für Tochterrechte andienen können oder dem Frauen-Medien-Turm in Köln als Beobachtungsgegenstand eines kostenintensiven Langzeitforschungsprojekts zum Überleben im Patriarchat. Aber Hoppe ist nun einmal, wie es Kim Gretzky mit dem Talent ihrer Familie für den Aphorismus formuliert hat, "ins Fallen verliebt", und nicht wie Siegfried Unseld, der Übervater der älteren neuen deutschen Literatur, ins Gelingen.

Dem Rucksackmacher Karl Hoppe gebührt also der Dank der deutschen Lesenation - in der Marbacher Ausstellung zum Thema Vaterschaften, die bestimmt schon längst in Vorbereitung ist, müssen seine Schnittmusterbögen gezeigt werden. Und ist er, geht uns Türhütern der Unseld-Kultur durch den Kopf, nicht ohnehin einer von uns? So fragen wir in einer Stimmung, die gemischt ist aus Unbehagen und Behagen oder, wie es an mehreren Stellen von "Hoppe" heißt, aus Faszination und Schrecken.

Das Buch kommt als schlichter Bericht nach Art des Reiseberichts des Marco Polo daher. Brantford, Adelaide und Las Vegas waren Terra incognita der Hoppeforschung; die Tatsachen sprechen für sich und rufen nicht nach Ausdeutung. Doch wenn man übergenau hinliest, treten allegorische Spurenelemente hervor. Der Erfindervater ist im Brotberuf Patentprüfer. Deshalb zieht es ihn nach Kanada; er bekommt eine Stelle bei der Telefonfirma, die ihre Gründung auf Alexander Graham Bell zurückführt. Seinem eigenen Erfindungstrieb bleibt die Freizeit vorbehalten. Wenn ihm nichts einfällt, bedient er sich bei seinen Kollegen und sogar bei seiner Tochter, der Erfinderin des leuchtenden Pucks und des leuchtenden Taktstocks.

Karl Hoppe ist ein Doppelgänger des Kritikers, der die Begutachtung literarischer Erfindungen zum Beruf macht und sich insgeheim berufen glaubt, mit den Dichtern in Konkurrenz zu treten. Felicitas Hoppe hat sich gelegentlich kritisch über zwei komplementäre Tendenzen der heutigen Literaturproduktion geäußert: Schriftsteller bauen auf Recherche und versprechen Sachhaltigkeit, Wissenschaftler und Kritiker wollen erzählen. Die semifiktionale Biographie, den gängigsten Typ des Erfolgsbuchs, gibt es sowohl in der literarischen als auch in der gelehrten Variante.

"Hoppe" ist montiert aus Reminiszenzen, Zeugnissen und Manuskriptfragmenten aus der riesengroßen Schublade des unveröffentlichten Hoppewerks. Darunter ist ein "Buch K" mit Aufzeichnungen über den Vater. Man kann "Hoppe" als Buch F klassifizieren, verfasst im Stil von K: Hoppes Leben wird in literaturkritischer Manier dargestellt, das heißt übergenau und nachlässig, im Duktus jener Privatforschung, die immer noch ins Buch strebt, sich aber notfalls mit dem Netz begnügt. Im Text firmiert der Autor mit den Initialen fh. Die Kleinschreibung zeigt an: klein und großmannssüchtig zugleich. Hoppe selbst ist es also, die hier im väterlichen Stil schreibt. Sie hat sich für den Diebstahl des Leuchtpucks revanchiert.

Für Kritiker und alle anderen Amateure hält Hoppe den Trost parat, dass auch das Nacherzählen ein Erzählen ist. "Chase that!", soll Wayne gerufen haben, wenn er Felicitas den Puck zuschob. Auch als Leser kann man das blitzschnelle Reagieren lernen - das Hinlesen. Wer Hoppe liest, wird fabulieren.

PATRICK BAHNERS

Felicitas Hoppe: "Hoppe". S. Fischer, 336 Seiten, 19,99 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 13.03.2012

Taktstock und Lippenstift
Wer aufs Neue aus ist, hat schon verloren: In ihrem neuen Roman „Hoppe“
erschreibt sich Felicitas Hoppe ein Lebensmärchen  Von Helmut Böttiger
Felicitas Hoppe kann unmöglich in Hameln geboren worden sein, denn die Rattenfängerstadt entspricht viel zu sehr ihrem ästhetischen Programm. Was sie mit ihren Lesern treibt, ist kein Spiel. Es gleicht dem, was der seit den Brüdern Grimm berüchtigte Rattenfänger mit den Kindern der Stadt Hameln anstellt: Die Autorin scheint lockende Töne von sich zu geben und erzählt wundersame und fabelhafte, wie aus der Zeit gefallene Geschichten, man folgt ihr erst mal bereitwillig, und plötzlich befindet man sich an einem Abgrund.
Worin dieser Abgrund genauer besteht, darüber streiten sich allerdings die Experten. Ist es die existenzielle Ausweglosigkeit? Das Hereinfallen auf alte Tricks? Oder ist es einfach nur ein literarischer Leerlauf? Der Kulturwissenschaftler Kai Rost jedenfalls konstatiert enttäuscht: „Das Unterwegssein in Hoppes Privatkosmos mag unterhaltsam sein, auf Dauer hinterlässt es aber, im günstigsten Fall, nicht mehr als Ratlosigkeit.“
Damit sind wir mitten im Problem. Denn diesen Kulturwissenschaftler Kai Rost hat Felicitas Hoppe vorsichtshalber gleich selbst erfunden.
Er spielt in ihrem neuen Roman, der ihrem Programm gemäß einfach „Hoppe“ heißt, die Rolle einer zitierfähigen Autorität. Neben ihm wird ab und zu auch noch der Kritiker Reimar Strat aufgerufen, auch er mit einem einsilbigen Namen, wie um einen Prellbock gegen die allzu ausufernden Sätze der Autorin aufzurichten: Hoppe „sei nicht im Geringsten in der Lage zu psychologischer Figurenzeichnung und komme an keiner Stelle über den Holzschnitt hinaus“. Damit nimmt Felicitas Hoppe ihren potentiellen Kritikern natürlich kokett den Wind aus den Segeln.
„Hoppe“ ist die konsequente Zuspitzung ihres bisherigen Werks, und man würde es sofort als das „Sahnehäubchen“ bezeichnen, wenn es nicht ihr bisher bei weitem umfangreichstes Buch wäre, eine massive Käse-Sahnetorte also mit diversen Extraportionen Schlag. Sie hat ja immer Märchenfiguren erfunden, und man merkte jedes Mal, dass „Pinocchio“ ihr Lieblingsbuch ist: eine Holzpuppe, die zahllose Abenteuer durchläuft und dabei so viele Lügengeschichten erzählt, dass ihr eine lange Nase wächst.
Hoppe war im Mittelalter und unter Rittern, ein andermal mit Seemannsgarn auf hoher See, ständig erfand sie etwas Neues und kreuzte alle Länder und Meere und Epochen, nur um der leidigen Gegenwart nicht direkt ins Auge sehen zu müssen. Irgendwann muss ihr dann mal einer ins Ohr geflüstert haben, sie solle jetzt endlich „was Richtiges“ schreiben, und tatsächlich: jetzt spricht sie zum ersten Mal hemmungslos über sich selbst. „Hoppe“ ist eine Art Autobiographie.
Doch die Autorin, spürbar im Galopp, peitscht ihre Logik nur in neue Dimensionen, und um die Seriosität dieses Unterfangens zu gewährleisten, befleißigt sie sich gelegentlich sogar eines wissenschaftlichen Duktus. Etliche Passagen markieren tatsächlich einen Überblick über Leben und Werk. Aus bisherigen Büchern der Schriftstellerin wird teilweise korrekt zitiert, es gibt Ansätze zu ernsthaften Analysen und einfühlsamen Interpretationen. Allzu lange durchgehalten wird das aber nicht. Viel interessanter ist das Leben, das hier ausgebreitet wird.
In groben Zügen gestaltet es sich so: Als Vierjährige wandert Hoppe mit ihrem Vater nach Kanada aus, wo sie sich in den gleichaltrigen Wayne Gretzky verliebt. Dass dieser zum besten Eishockeyspieler aller Zeiten heranwächst, braucht gar nicht näher ausgeführt zu werden: Schon als Kind ist sein Genie nicht zu verkennen, und die kleine Hoppe ist mittendrin in seiner Gang, legt die Maske an und schwingt selbst entschlossen den Schläger.
Flugs geht es am anderen Ende der Welt weiter: Mit 14 zieht sie nach Australien, studiert Komposition und möchte Dirigentin werden. Im Laufe der achtziger Jahre hält sie sich dann ausschließlich in den USA auf, wo wir sie als Deutschlehrerin an der Universität von Oregon antreffen. Dort endet die erzählbare Lebensgeschichte, aber ihre spätere Karriere als Schriftstellerin wird, durch zahlreiche wissende Kommentare der Autorin des Buchs, reflektiert und mit dieser frühen biographischen Entwicklung organisch verwoben.
Felicitas Hoppe schreibt ihrer Kunstfigur Hoppe also eine ideale Abenteuerbiographie zu, ihr Lebensmärchen, und dreht damit allen eine lange Nase, die etwas Persönliches von der Autorin erfahren wollen – Familie, Herkunft, Studium und Liebesdramen sind ein einziges Gewebe aus Lektüre und Phantasterei. Das Buch ist Traumgespinst und locker auftrumpfende Selbstauskunft in einem, und damit liefert es eine zuverlässige Poetik der Autorin. So konstatiert die Erzählstimme, die sich manchmal mit dem Kürzel „fh“ selbst kommentiert, dass Hoppe „eine so unbekümmerte wie produktive Ausbeuterin und Plagiatorin des literarischen Fundus“ sei und zitiert sie mit Sätzen wie: „Wer auf das Neue aus ist, hat schon verloren und kommt bestenfalls bei der Zeitung unter.“ Es sei offenkundig, dass die Schriftstellerin „nicht aufschreibt, was sie erlebt, sondern lediglich erlebt, was längst geschrieben steht“.
Zugleich ist „Hoppe“ aber selbst ein Hoppetext, der mit seinem Personal vehement jongliert, Kanada, Australien und Hameln zu einem Schlaraffenland der Phantasie zusammenmixt und eine intertextuelle Landschaft baut, die für Studenten der Literaturwissenschaft zeitintensive Arbeit an der Lust verspricht.
In allen Fragen von Leben und Werk bezieht Hoppe damit eindeutig Position. Ihr Text ist ein unendlich scheinendes Verweisungssystem. In ständig neuen Wendungen kommt die Rattenfängermetaphorik zum Tragen, greift die Pinocchio-Welt in die Selbstfindung der „Hoppe“-Figur ein, und unverwechselbare Strichmännchen wie der stotternde polnische Matrose auf der zehnwöchigen Überfahrt von Kanada nach Australien oder der blinde Cricketspieler, in den sie sich verliebt, tauchen in etlichen Verpuppungen wieder auf.
„Hoppe“ selbst tänzelt wie eine Hans-im-Glück-Figur durch diese biographische Choreographie, sie trägt immer denselben Rucksack auf den Rücken, der sie als ewigen Wanderer durch die Unwägbarkeiten des Lebens ausweist, und drin sind auf jeden Fall „Taktstock, Schläger, Lippenstift“ – die Identitäten als Eishockeyspielerin (mit Wayne Gretzky), Musikantin (sie erlernt in der australischen Diaspora die verführerische Hamelner Melodientechnik) und Frau. Man kann die Identitäten aber sofort wieder durcheinanderwirbeln.
Natürlich ist das alles selbstreferenziell. Den entsprechenden Narzissmus stellt Hoppe unübersehbar aus und streichelt ihn auch noch zärtlich. Aber Figuren, die einen geneigten Leser zur Identifikation einladen würden und nach einem nachvollziehbaren psychologischen Muster funktionieren, kämen ihr nie in den Sinn – sie sind ihr viel zu langweilig. Der Künstler zeichnet sich für sie dadurch aus – die Wissenschaftlerin „fh“ zitiert hier die titelgebende Schriftstellerin „Hoppe“ – dass er „Charaktere entschieden zu Typen bündelt, also sichtbar macht, worum es wirklich geht. Denn wozu ein Charakter, wenn man stattdessen ein Typ sein kann?“
Wenn konkrete Zeitbezüge fehlen, droht bei so etwas schnell die Gefahr des Hamsterrads, aber die Autorin hat das im Blick und hält immer ein paar Käfige zusätzlich parat. Unentwegt entfacht sie Wortwitze und überrumpelnd komische Situationen. So hoppelt hier ein Text gezielt planlos durch eine fabelhafte Literaturgeschichte, quer durch Steppen, Wälder und Felder, freut sich an „hinterwäldlerischen Aphorismen“ (das wirft ihr der Kritiker Strat vor), nennt als ersten Titel der Siebenjährigen „Häsi, das Hasenkind“ und spricht mehrere Sprachen. Das ist tatsächlich wörtlich zu verstehen; in „Hoppe“ wird eigentlich nur Englisch oder Französisch oder auch etliches andere gesprochen, auf Deutsch hingegen wird geschrieben. „Denn in Wahrheit“, so lässt Hoppe Hoppe sagen, „ist Deutsch bloß ein literarischer Trick, ein Extra für Schwärmer, für Verliebte, Verlorene, Romantiker, für die letzten Bewohner eines Zwischenraums, den es bald nicht mehr geben wird“. Dieses Buch ist rundum positiv. Das ist natürlich eine Provokation.
Felicitas Hoppe
Hoppe
Roman. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2012. 330 Seiten, 19,99 Euro.
Mit Lock-Tönen an den Abgrund: Felicitas Hoppe Foto: Anita Schiffer-Fuchs
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'Hoppe' ist ein übermütiges, ein maßlos fabulierendes, ein sehr humorvolles und ein sehr ernstes Buch. Steffen Martus Frankfurter Rundschau 20120503