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Clarisse verabscheut ihr perfektes Leben. Eine behütete Kindheit am Genfer See, ein Kunststudium in Paris. Nicht auszuhalten. Immer seltener kehrt sie in ihre Wohnung in der Rue de Mezieres zurück. Sie streunt durch den kalten, regnerischen Frühling, verwahrlost nach und nach und wird krank. Ihre Mutter ist vor Sorge wie gelähmt und nicht in der Lage, zu handeln. Dabei wäre es so einfach, ihre Tochter zurückzuholen. Ein zurückhaltender und intensiver Roman über Eltern und Kinder, nie ausgesprochene und erdrückende Liebe und darüber, dass es manchmal ganz schnell zu spät sein kann.

Produktbeschreibung
Clarisse verabscheut ihr perfektes Leben. Eine behütete Kindheit am Genfer See, ein Kunststudium in Paris. Nicht auszuhalten. Immer seltener kehrt sie in ihre Wohnung in der Rue de Mezieres zurück. Sie streunt durch den kalten, regnerischen Frühling, verwahrlost nach und nach und wird krank. Ihre Mutter ist vor Sorge wie gelähmt und nicht in der Lage, zu handeln. Dabei wäre es so einfach, ihre Tochter zurückzuholen.
Ein zurückhaltender und intensiver Roman über Eltern und Kinder, nie ausgesprochene und erdrückende Liebe und darüber, dass es manchmal ganz schnell zu spät sein kann.
Autorenporträt
Catherine Guillebaud lebt in Paris und ist Verlegerin. Sie ist weg ist ihr zweiter Roman, der in Frankreich mit dem »Grand Prix des Lectrices« ausgezeichnet wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 03.07.2006

Die Stille der Tresore
Catherine Guillebauds Kurzroman „Sie ist weg”
Tradition und Kontostand dieser Genfer Familie lassen nichts zu wünschen übrig, vieles andere aber liegt im Argen. Der Vater, Monsieur Forner, ein reicher und emotional genügsamer Banker, steht noch immer unter dem Einfluss seiner calvinistischen Mutter und liebt ansonsten die Stille der Tresore. Seine Frau Edwige, ehemals lebhaft, inzwischen auf exzentrische Weise asketisch, hat sich eine Bürgerhölle mit gletscherblauen Wänden eingerichtet und wird für ihre perfekte Gefühlsunterdrückung von der südländischen Hausangestellten rechtschaffen verachtet. Die beiden Söhne sind vor der Mutterkälte längst nach Amerika geflüchtet, bleibt also nur noch Nesthäkchen Clarisse, um das Familiengewicht erst auf die zarten Schultern zu nehmen und es dann von sich zu werfen - oder es zumindest zu versuchen.
Das Drama der Familie ist das Schweigen, dementsprechend still fällt Clarisses Protest auch aus. Sie verschwindet nach Paris, erst zum Studium, dann, um auf den Straßen langsam zu verwahrlosen und den aseptischen Düften ihres Zuhauses den Gestank ihres ungewaschenen Körpers entgegen zu setzen. Statt, wie ihre Mutter, Unsummen für edle Stoffe zu zahlen, gibt Clarisse nur noch für‘s Nötigste Geld aus. Bescheidenheit als Rache - die Befreiung hält sich verständlicherweise in Grenzen.
Das hat sie so gewollt
Die Stärke von „Sie ist weg”, nach „Zwei Liebende” der zweite auf Deutsch erschienene Roman der Französin Catherine Guillebaud, ist die eisige Art, in der die Autorin eine Kommunikation des Indirekten entfaltet. Man spricht nicht miteinander, aber da das Verhalten auf den anderen bezogen bleibt, verstärken sich die Abhängigkeiten auf unheimliche Weise. Aus wechselnden Perspektiven wird vom Verschwinden der Tochter und den Konsequenzen für die Familie berichtet. Die wenigen Male, die Clarisse sich zu Hause meldet, telefoniert sie mit dem Prokuristen ihres Vaters, also mit dem, der dem Geld am nächsten ist. Erst bittet sie um eine Überweisung, später atmet sie nur noch schweigend in den Hörer. Was hat das zu bedeuten? Braucht sie Hilfe oder will sie nur in Ruhe gelassen werden? Man wartet erst mal ab und macht weiter wie bisher.
Doch die über Jahrzehnte eingeschliffenen Alltagsrituale spenden keinen Trost, sondern zeigen ihre diabolische Seite. Je länger die Eltern verharren und den Impuls unterdrücken, ihre Tochter zu suchen, desto monströser und übermächtiger starren die Dinge ihrer luxuriösen Welt zurück. Bis Monsieur und Madame Forner schließlich nur noch wie Gespenster durch die goldenen Hülle ihres veräußerlichten Lebens huschen, die sie - so der unterschwellige Vorwurf ihrer Tochter - natürlich immer schon waren.
Über die Mutter heißt es: „Und obschon sie ein Haus richtig und standesgemäß ausstatten kann, mangelt es ihr dabei an Gespür. Diese sonderbare Alchemie, die eine Frau zur Herrin ihres Hauses macht, hat sie nie begriffen. Selbst die Küche ähnelt einem Labor. Das hat sie so gewollt. Funktionell und futuristisch.” Mit nüchterner, fast sadistischer Eleganz fangen die Sätze die Leblosigkeit dieses futuristischen Hauses ein. Man liest sie mit der gleichen Schmerzlust, mit der man Hochglanzkataloge erlesener Innenausstatter betrachtet.
Simple Konsequenz
Die Schwäche dieses literarischen Arrangements besteht in seiner simplen Konsequenz. Als die Mutter sich endlich zur Sorge bekennt und nach Paris aufbricht, ist es zu spät. Die von Anfang an leicht penetrante See- und Grabmetaphorik ließ für Clarisse sowieso kein anderes Ende zu. Dabei hätte man zu gern noch eine Begegnung von Mutter und Tochter erlebt, nicht unbedingt wegen des Happyends, sondern um zu sehen, wie Guillebaud die schwierige Hürde vom Schweigen zum Reden oder zumindest zum Stottern nimmt. Das wäre zwar ein weniger elegantes, dafür literarisch anspruchsvolleres Ende gewesen. ANDREAS SCHÄFER
CATHERINE GUILLEBAUD: Sie ist weg. Roman. Aus dem Französischen von Anne Braun. S.Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2006. 126 Seiten, 16 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Als grandios und kompromisslos empfiehlt Martin Krumbholz den schmalen Roman mit dem sprechenden Titel, der bereits 2003 in Frankreich erschienen ist. Ein junges Mädchen aus der Genfer Haute-Volee geht zum Studium nach Paris, taucht dort unter, entzieht sich schließlich nicht nur komplett dem Einfluss ihrer Eltern, sondern auch der Gesellschaft, und wird zur Bettlerin. Ob es sich bei der Flucht und dem Fall von Clarisse um eine gegen die Eltern gerichtete Strafmaßnahme handle, lasse die Autorin offen. Erklärungen gebe sie keine ab, sondern entblöße stattdessen in parallel geführten Erzählsträngen schonungslos die Gefühlskälte und Liebesunfähigkeit der Eltern in einer perfekt eingerichteten großbürgerlichen Welt. Vor dieser Kulisse bleibe das Verschwinden eines Menschen seltsam grundlos und werde im Vokabular der höheren Kreise bestenfalls zum Schicksalsschlag, graust sich der Rezensent.

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