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El Salvador 1944, der Zweite Weltkrieg wetterleuchtet in der Ferne: Der Journalist Pericles sitzt wegen seiner kritischen Artikel im Kerker, seine Frau Haydée besucht ihn täglich und versorgt ihn mit Informationen und Nahrung. Doch die Situation spitzt sich zu. Es kommt zu einem Putsch, der die Familie auseinander reißt: Während Pericles nicht freikommt, organisiert Haydée unter dem Deckmantel von Familienfesten den Widerstand der Frauen. Ihr jüngster Sohn geht in den Untergrund und der ältere außer Landes - in einer Kutte getarnt kämpft er sich mit Verve und Witz durch die Mangroven.…mehr

Produktbeschreibung
El Salvador 1944, der Zweite Weltkrieg wetterleuchtet in der Ferne: Der Journalist Pericles sitzt wegen seiner kritischen Artikel im Kerker, seine Frau Haydée besucht ihn täglich und versorgt ihn mit Informationen und Nahrung. Doch die Situation spitzt sich zu. Es kommt zu einem Putsch, der die Familie auseinander reißt: Während Pericles nicht freikommt, organisiert Haydée unter dem Deckmantel von Familienfesten den Widerstand der Frauen. Ihr jüngster Sohn geht in den Untergrund und der ältere außer Landes - in einer Kutte getarnt kämpft er sich mit Verve und Witz durch die Mangroven. Castellanos Moya ist ein Familienroman gelungen über Menschen, die in der Not zu ihrer Größe finden. Es gelingt ihnen, dem Diktator die Maske vom Gesicht zu reißen. Denn Literatur kennt keine Ausgangssperre.
Autorenporträt
Castellanos Moya, Horacio
Horacio Castellanos Moya, 1957 in Honduras geboren, lebte und studierte in El Salvador und Kanada, arbeitete zehn Jahre als Journalist in Costa Rica und Mexiko. Von 1981 bis 1984 engagierte er sich im salvadorianischen Bürgerkrieg auf Seiten der Guerilla. Für sein Werk erhielt er u.a. den renommierten Premio de Narrativa Manuel Rojas (2014). Auf die Veröffentlichung von 'El asco. Thomas Bernhard in San Salvador' (1997) folgten Morddrohungen; seither lebte er in Mexiko, Europa (u.a. in Frankfurt am Main im Rahmen des Programms 'Städte der Zuflucht') und derzeit in den USA. Bei S. FISCHER erschienen bislang auf Deutsch seine Romane 'Der schwarze Palast' (2010) und 'Der Traum von Rückkehr' (2015).

Gerhold, Stefanie
Stefanie Gerhold, geboren 1967 in München, wurde mehrfach ausgezeichnet für ihre Literaturübersetzungen aus dem Spanischen, darunter Werke von Max Aub, Eduardo Mendoza und Elsa Osorio. Sie lebt in Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 04.07.2011

Pat und Patachon auf der Flucht vor dem nationalsozialistischen Hexer

Dieser Geschichtsunterricht in Romanform ist keine gelungene Lektion über Mittelamerika: Horacio Castellanos Moya und sein Epos über die Diktaturen San Salvadors.

Auf der Landkarten des europäischen Allgemeinwissens gibt es wenige Punkte, die ähnlich unbeleuchtet sind wie die Geschichte Zentralamerikas. Nicht allein, weil der blutige Weg des Isthmus in die Gegenwart angesichts der geographischen und politischen Kleinheit seiner Staaten oft als übersehbar gilt. Der blinde Fleck ist gleichzeitig auch ein erzählerischer: Während der mexikanische Bürgerkrieg den Roman und besonders das Kino bis hin nach Hollywood erobert hat und die Greuel der Militärdiktatur angeblich rund ein Drittel des bei der vergangenen Buchmesse vorgestellten Argentinien-Literaturprogramms dominierten, fehlt es bislang an einem weltbekannten Werk, das Zentralamerikas Bürgerkriege, Gewaltherrschaften und verlorene Illusionen ins kollektive Bewusstsein gebracht hätte.

An dieser Aufgabe versucht sich nun Horacio Castellanos Moya. Rein biografisch scheint er dafür prädestiniert, denn der 1957 Geborene hat die leidvollen Facetten dieser Brückenregion zwischen Nord und Süd selbst miterlebt: Der Sohn eines in der linken Bewegung aktiven Radiojournalisten aus El Salvador und einer Mutter aus dem rechtskonservativen honduranischen Bürgertum trat zunächst als Journalist und Unterstützer der salvadoranischen Guerrilla in des Vaters Fußstapfen. Von den revolutionären Idealen enttäuscht, wandelte er sich zum Renegaten und musste nach der Publikation seines sarkastischen, von Thomas Bernhard inspirierten Buchs "Der Ekel" aufgrund von Morddrohungen ins Exil fliehen.

In seinem Roman "Der schwarze Palast" - das spanische Original trägt den plakativeren Titel "Tyrannisches Gedächtnis" - geht Castellanos Moya allerdings in eine Zeit vor seiner Geburt zurück: in die letzten Tage der Diktatur von Maximiliano Hernández Martínez, der El Salvador zwischen 1931 und 1944 mit eiserner Faust regierte. Der Autokrat und sein titelgebender Herrschersitz bilden das finstere und zugleich doch abwesende Zentrum der Handlung. Aufgrund seiner kuriosen ideologischen Mischung aus Nähe zum Nationalsozialismus und theosophischem Okkultismus von den Figuren des Romans nur namenlos als "Der Nazihexer" apostrophiert, dominiert der Tyrann das Leben seiner Untertanen bis in die privatesten Rückzugswinkel.

Am schmerzlichsten erlebt das Haydée, deren fiktives Tagebuch einen der beiden Haupterzählstränge bildet. Sie ist die Frau des Radiojournalisten Pericles, der sich gleich dem Vater des Autors dem Diktator widersetzt, stammt selbst aber aus einer apolitischen Oberschicht, wo besonders Frauen sich um die berühmten drei weiblichen "K's" zu kümmern haben. Das tut Haydée auch nach Kräften. Doch für seine harsche Kritik sitzt Pericles ohne Gerichtsurteil im Gefängnis, und "um die Einsamkeit besser zu ertragen", macht sich die Gattin auf dem geduldigen Papier Luft. Ihre Notizen verwandeln sich über drei Monate hinweg in die Chronik einer politischen Bewusstseinsnahme. Nachdem auch ihr Sohn verfolgt und bedroht wird, entschließt sie sich zur verdeckten Rebellion und wird bei häuslichen Teesalons zu einer Strippenzieherin des Widerstands - bis der Diktator nach einem erfolgreichen Generalstreik tatsächlich die Segel streicht.

Zwischen die Tagebuchnotizen schaltet sich ein zweiter Strang, vorrangig in Dialogform vorgetragen von einem sehr zurückgenommenen, im Präsens schreibenden, dabei aber trotzdem traditionell auktorialen Erzähler. Hauptfigur und Hansdampf ist hier Haydées Sohn Clemen. Durch seinen Freund, den in amerikanischen Camps geschulten Offizier Jimmy, ist er in eine Verschwörung hochrangiger Heeresangehöriger gestolpert. Als Pfarrer und Messner verkleidet, sich wie ein elisabethanisches Rüpelpaar konsequent danebenbenehmend, suchen die beiden Freunde außer Landes zu kommen und geraten dabei durch Clemens Wankelmütigkeit in turbulente Verstrickungen.

Der elegisch-besorgte Tonfall der Tagebücher und die auf Spannung und Komik ausgelegte Burleske der Fluchtgeschichte - aus diesen beiden konträren Elementen sucht Castellanos Moya eine Chronik eines historischen Kontexts zu stricken, der für ihn offenkundig den Keim der späteren politischen Misere seines Landes bildet. Diese Botschaft wird dann auch im Schlussteil des Romans sehr explizit gemacht, wenn in den siebziger Jahren der alte Pericles, nach einem Leben der politischen Verfolgungen inzwischen verwitwet und krebskrank, Rückblick auf sein Leben nimmt und damit den Vorwand liefert, auch ein halbes Jahrhundert der politischen Peripetien Revue passieren zu lassen. Eine recht holzschnittartige Erzählstrategie, deren Absichten zu offensichtlich sind.

Die blaustrümpfig-katholische Betulichkeit von Haydéss Stil wirkt, obgleich von Stefanie Gerhold mit Eleganz übersetzt, ebenso forciert wie die erzwungene Komik der Fluchtgeschichte. Auch der schematische Wechsel zwischen den beiden Erzählsträngen ist vorhersehbar und ermüdend. Denn in keinem Moment bietet der Autor die Gelegenheit des Durchatmens, des kontemplativen Blicks auf eine verborgene Ebene jenseits der bloßen narrativen Handlung. Das Resultat ist Geschichtsunterricht in Erzählform. Zwar strengt sich Castellanos Moya im Nachwort an, die "historische Wahrheit" von sich zu weisen und klarzustellen, dass er "in diesem Fall die Geschichte in den Dienst des Romans gestellt habe". Dass jede Form der Geschichtsschreibung immer zu einem gewissen Grad Fiktion bleiben muss und genau darin ein spannendes Subversionspotential für den historischen Roman liegt, scheint er gar nicht erst in Betracht zu ziehen.

Der Historiker enthüllt in Rankescher Nachfolge die Wahrheit, "wie sie eigentlich gewesen", der Literat schmückt sie in blumiger Freiheit aus: eine künstlerische ziemlich abgestandene Opposition. Das wünschenswerte große Historienepos Mittelamerikas ist dabei leider nicht entstanden.

FLORIAN BORCHMEYER

Horacio Castellanos Moya: "Der schwarze Palast". Roman.

Aus dem Spanischen von Stefanie Gerhold. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2010. 336 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Albrecht Buschmann ist sehr angetan von diesem historischen Roman des hierzulande noch zu entdeckenden salvadorianischen Autors Horacio Castellanos Moya, der hiermit sein Projekt einer "fragmentarischen Chronik Zentralamerikas" fortschreibe. "Der schwarze Palast" erzählt von einer kurzen Phase der Hoffnung, vom im Frühjahr 1944 in El Salvador, als sich das Land von seinem Diktator Maximiliano Hernandez Martinez, "der Hexer" genannt, befreite (dass diese Freiheit nicht lange währen sollte, macht der zweite Teil des Romans dann sehr klar). Buschmann gefällt vor allem Castellanos Moyas Entscheidung, die Geschichte nicht aus der Perspektive der beteiligten Intellektuellen oder Offiziere zu erzählen, sondern aus der Sicht einer zunächst unpolitischen Frau aus der Oberschicht, die sich nach und nach in den zivilen Widerstand begibt. Buschmann hebt Castellanos Moyas Talent, Figuren "authentisch zu modellieren", hervor und lobt den "Rhythmus", mit dem der Autor die verschiedenen Handlungsstränge aufeinander abstimme. Für Buschmann ist Castellanos Moya von nun an "in einem Atemzug" mit Roberto Bolano zu nennen.

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