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Böttiger war eine der bedeutsamsten Persönlichkeiten im literarischen Leben des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, nicht nur ein unbequemer Mitbürger in Goethes Weimar, sondern auch einer der beliebtesten und international einflußreichsten deutschen Journalisten jener Epoche. Die Edition einer Reihe von Korrespondenzen Böttigers macht verschiedene Facetten seiner Persönlichkeit sichtbar. In der ersten, jetzt vorliegenden Korrespondenz tritt uns Böttiger als Freund und Lehrer des jungen französischen Emigranten Auguste Duvau und als Vermittler im deutsch-französischen…mehr

Produktbeschreibung
Böttiger war eine der bedeutsamsten Persönlichkeiten im literarischen Leben des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, nicht nur ein unbequemer Mitbürger in Goethes Weimar, sondern auch einer der beliebtesten und international einflußreichsten deutschen Journalisten jener Epoche. Die Edition einer Reihe von Korrespondenzen Böttigers macht verschiedene Facetten seiner Persönlichkeit sichtbar. In der ersten, jetzt vorliegenden Korrespondenz tritt uns Böttiger als Freund und Lehrer des jungen französischen Emigranten Auguste Duvau und als Vermittler im deutsch-französischen Kulturaustausch entgegen. Als Duvau Ende 1801 Weimar verläßt und über Italien nach Paris reist, werden seine Briefe an Böttiger zum Spiegel der gewaltsamen Umgestaltung Europas durch Napoleon. Später in Leipzig veröffentlicht Duvau ein Buch in deutscher Sprache über seinen Frankreichaufenthalt. Der Briefwechsel mit Böttiger wird zum Medium brisanter politischer Diskussionen: Über die umstrittene Madame de Staël, über den Hochverratsprozeß gegen Moreau, über Schlabrendorfs Polemik gegen Napoleon.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 21.09.2005

Wo gibt es einen briefeschreibenden Arm-Automaten?
Klassizistisch zugeknöpft, aber voller Neugier in Weimar: Auguste Duvau im Briefwechsel mit Karl August Böttiger
Im Jahr 1795 kam ein junger, bildungseifriger Franzose, der Chevalier Auguste Duvau, nach Weimar und lernte dort Goethe, Wieland, Herder und Knebel kennen. Dies allerdings nur ziemlich oberflächlich. Eine wirkliche Freundschaft verband ihn bald mit Karl August Böttiger, der ihm „Zutritt bey den deutschen Gelehrten” verschaffte, wie Duvau in einem ersten Brief an Böttiger schreibt. Böttiger, einflussreicher Kritiker und Experte auf dem damals noch jungen Gebiet der Archäologie, stand am Beginn seiner Karriere, als sich Duvau in Weimar niederließ. 1796 erschien das erste Heft seiner Kommentare zu Tischbeins „Griechischen Vasengemälden”, und er übernahm von seinem Freund Wieland die Herausgeberschaft des Neuen Teutschen Merkur. Doch auch Duvaus Schicksal ist nicht uninteressant, und aus seinem Briefwechsel mit Böttiger, der bis ins Jahr 1828 anhält und bis zum Schluss derjenige eines Schülers mit seinem Lehrer ist, ergibt sich ein Bild der deutsch-französischen Beziehungen zu einer Zeit, als die deutsche Dichtung ihren ersten Höhepunkt erreichte.
In Weimar wurde der 1771 in Tours geborene Duvau freundlich aufgenommen, was für einen französischen Emigranten nicht selbstverständlich war. Die Emigranten galten als arrogant, da es kaum einer von ihnen für nötig hielt, die deutsche Sprache zu erlernen. So warnte Duvaus Bekannter Jean Joseph Mounier ihn davor, sich mit deutscher Literatur zu beschäftigen, da er sonst Gefahr laufe, seinen Geschmack zu verderben und sogar das Französische zu verlernen. Duvaus Bildungseifer gefiel angesichts solcher Vorurteile der Weimarer Gesellschaft umso besser. Fast alle seine Briefe an seine Weimarer Freunde sind auf Deutsch geschrieben. Bald übersetzte Duvau Wielands „Göttergespräche”, doch die Zusammenarbeit fand ein Ende, nachdem Wieland Duvaus Übersetzung kurz vor der Drucklegung nochmals durchgesehen hatte und kompromittierende Veränderungen vorgenommen hatte. So hatte er etwa das Wörtchen „femelle” als liebevolle Bezeichnung für ein weibliches Wesen eingefügt, was damals in Frankreich allenfalls noch für ein weibliches Tier zulässig war. Duvau regte sich auf, Wieland war beleidigt und ließ Duvau allein.
Umso wichtiger wurde Böttiger für Duvau, der ihn mit Aufträgen verschiedenster Art versorgte. Später arbeitete Duvau als Lehrer an einem Erziehungsinstitut in Belvedere, das besagter Mounier mit Zustimmung Karl Augusts von Weimar gegründet hatte. Im Schreiben wie im Unterrichten blieb er peinlichst darauf bedacht, die ästhetischen Maßstäbe des französischen Klassizismus nicht zu verletzen. Das gilt für Duvaus Weimarer Jahre, aber auch für die Zeit ab April 1803, als Duvau in Leipzig lebte, Böttiger in Weimar und Dresden.
Der klassizistisch zugeknöpfte Duvau wirkt wie verwandelt, als er im Oktober 1801 eine Reise durch Deutschland antritt. Böttiger hatte ihm am 20. September einen sehr netten Abschiedsbrief geschrieben: „Was wäre dieß träge Pflanzenleben, diese Welt voll an- und abstoßender Kräfte, mein geliebter Freund, ohne die Ueberzeugung, daß etwas in uns und auser ist, was keine Trennung fernt? Sie gehn, aber Ihr Geist bleibt in tausend Berührungen dem Meinigen nahe. Unwandelbar und unauflöslich Ihr treuer Böttiger”. Lebendig schildert Duvau den Ärger, den man damals hatte, wenn man nicht im Besitz von allelei Pässen war; es kommt zu einer Festnahme Duvaus, Schießereien und schlechten Frankfurter Theateraufführungen. In Wien ist die Zensur streng: „In den Hörsälen ist gewöhnlich einer von der Polizey unter den Zuhörern. Dies sind Thatsachen!” Das ist alles sehr anschaulich und gibt einen fabelhaften Einblick in die Zeit.
Die Briefe Duvaus sind zahlreicher überliefert als die Böttigers, und Böttiger bekam mehr Post von Duvau als umgekehrt. Manchmal stellt sich der Eindruck ein, die Briefschreiberei wird Böttiger zu viel. Er antwortet „Mit gefühltester Hochachtung”, aber schreibt dann auch: „Wissen Sie, auf welchem Markt Briefschreibende Arm-Automate zu verkaufen sind?”
Über Madame de Stael, die auf Besuch in Leipzig war, berichtet Duvau weit weniger gerne als von seiner früheren Reise, ja geradezu widerwillig. Madame de Stael - Böttiger nennt sie immer wieder die „unvergleichliche Frau” - war den Weimarern als Französin auch deshalb sehr genehm, weil sie die Französische Revolution schlecht hieß. Duvau sah das anders und schrieb ein Buch mit dem Titel „Wie fand ich mein Vaterland wieder im Jahre 1802?”, in dem er das französische Volk bei den Deutschen rehabilitieren wollte, nachdem das Terrorregime dessen Image im Ausland schwer beschädigt hatte.
Vor allem aber echauffiert sich Duvau über de Stael, weil sie, die des Deutschen mächtig ist, an deutschen Tischen beharrlich Französisch spricht und die Überlegenheit der französischen Kultur mit jeder Geste zum Ausdruck bringt. Duvau war offenbar konsequent in diesen Dingen und verkrachte sich mit ihr, zumal ihr äußeres Gebaren gar nicht den eigenen Kulturanssprüchen gerecht wurde: „Bey Tische sprach sie viel u laut, wie der u die hießen; stützte sich oft mit dem Ellenbogen auf den Tisch, u krazte sich bey dieser Stellung, wohl auch mitunter mit dem Messer, im Kopfe u. s. w.” Das ist, fürwahr, abscheulich, und scheint Duvau auch die Lektüre ihrer Bücher vergällt zu haben. Über „Delphine” schreibt er: „Wie können Weiber, solche die so viel auf Weiblichkeit zu halten scheinen, wie wir in Weimar doch welche haben, wie können sie über ein solches Buch so enthusiastisch sein!!!”
Es mutet fast skurril an, wenn am Rande solcher Klagen die versteinerten Namen der Weimarer Klassik auftauchen, etwa wenn Böttiger aus Weimar den gemütlichen Satz schreibt: „Göthe u. Schiller denken auf Bewillkommnungsstücke für unsre künftige Erbprinzessin u. sitzen zu Hause.” Duvau schenkte dem nicht zu viel Beachtung, er hielt ohnehin Wieland für den Größten in Weimar und wollte eine ganze Literaturgeschichte um ihn herum schreiben - der Plan bleib unausgeführt. Durch seine Verbindung zu Böttiger hat Duvau das literarische Deutschland um 1800 jedenfalls besser kennen gelernt als die meisten französischen Kommentatoren unmittelbar nach ihm. Er wäre besser als viele von ihnen in der Lage gewesen, seinen Landsleuten die deutsche Literatur nahe zu bringen. Doch zur Zeit der emphatischen und auch aufgeregten Rezeption der deutschen Literatur in den Jahren und Jahrzehnten nach de Staels „De l’Allemagne” (1813), besonders zwischen 1815 und 1835, fehlte Duvaus Stimme. Der Cevalier beschäftigte sich inzwischen mit Botanik. Eine Pflanze, Duvaua, heißt heute nach ihm.
KAI WIEGANDT
KARL AUGUST BÖTTIGER: Briefwechsel mit Auguste Duvau. Mit einem Anhang der Briefe Auguste Duvaus an Karl Ludwig von Knebel. Herausgegeben und kommentiert von Klaus Gerlach und René Sternke. Akademie Verlag, Berlin 2004. 414 Seiten, 49,80 Euro.
Karl August Böttiger, auch genannt: die Klatschbase von Weimar.
Foto: dpa
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Auguste Duvau, schreibt Kai Wiegandt nach der Lektüre von dessen Briefwechsel mit Karl August Böttiger, wäre der Richtige gewesen, um den Franzosen die deutsche Literatur ans Herz zu legen. Als junger, bildungshungriger Mann kam Duvau 1795 nach Weimar und lernte die deutsche Literaturszene dort und auf seinen Reisen durchs Land nicht nur gut kennen, sondern auch schätzen. So sehr, dass er sich beispielsweise über den Kultur-Snobismus der Madame de Stael aufregte, die in Weimar beharrlich französisch sprach, obwohl sie des Deutschen mächtig war. All das und noch viel mehr aus über nationale Befindlichkeiten ist in den Briefen zwischen Duvau an seinen Mentor Böttiger nachzulesen, die nach Ansicht Wiegandts ein formidables "Bild der deutsch-französischen Beziehungen zu einer Zeit, als die deutsche Dichtung ihren ersten Höhepunkt erreichte", abgeben.

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"Was zeichnet nun Auguste Duvau aus, das die Herausgabe gerade dieses Briefwechsels in einer so geschmackvollen und gut kommentierten und edierten Ausgabe rechtfertigt? (...) Der vorliegende Briefwechsel, in dem Duvau mehr als Böttiger zu Wort kommt, zeichnet ein lebhaftes Bild der Epoche, in der Europa von Napoleon Bonaparte politisch umgekrempelt wurde." Dr. Helmut Böttiger in: Ibykus 1/2005 Aus Duvaus "Briefwechsel mit Böttiger, der bis ins Jahr 1828 anhält und bis zum Schluss derjenige eines Schülers mit seinem Lehrer ist, ergibt sich ein Bild der deutsch-französischen Beziehungen zu einer Zeit, als die deutsche Dichtung ihren ersten Höhepunkt erreichte." Kai Wiegandt in: Süddeutsche Zeitung vom 21.09.2005