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Die Geschichte der Naturwissenschaften gewinnt ihre Konturen bis heute maßgeblich aus den Werken der großen Neuerer. Dabei geraten andere Akteure oft in Vergessenheit. So ist auch der Züricher Arzt und Polyhistor Johann Jakob Scheuchzer (1672-1773) erst in den letzten Jahren ins Blickfeld der internationalen Forschung getreten. Dabei war Scheuchzer ein äußerst aktiver Bürger der europäischen 'république des lettres'. Er war Mitglied mehrerer Akademien und korrespondierte mit Gelehrten wie Isaac Newton, Hans Sloane, Gottfried Wilhelm Leibniz und Bernard de Fontenelle. Sein internationales…mehr

Produktbeschreibung
Die Geschichte der Naturwissenschaften gewinnt ihre Konturen bis heute maßgeblich aus den Werken der großen Neuerer. Dabei geraten andere Akteure oft in Vergessenheit. So ist auch der Züricher Arzt und Polyhistor Johann Jakob Scheuchzer (1672-1773) erst in den letzten Jahren ins Blickfeld der internationalen Forschung getreten. Dabei war Scheuchzer ein äußerst aktiver Bürger der europäischen 'république des lettres'. Er war Mitglied mehrerer Akademien und korrespondierte mit Gelehrten wie Isaac Newton, Hans Sloane, Gottfried Wilhelm Leibniz und Bernard de Fontenelle. Sein internationales Renomme gründete vor allem auf zahlreichen Publikationen über die Alpen, gesteins- und fossilienkundlichen Abhandlungen und auf dem Ruf seiner Sammlungen. Anhand publizierter Grafiken sowie einer Reihe bislang unveröffentlichter Bild- und Textquellen geht das Buch erstmals konsequent der Rolle des Bildes als Medium und Darstellungsform in Scheuchzers Oeuvre nach. Entstehung und Funktion der Bilder führen dabei ins Zentrum gerade jener wissenschaftsgeschichtlichen und ästhetischen Probleme, die seinem Werk, nicht erst für den heutigen Betrachter, scheinbar anachronistische Züge verliehen. So versuchte Scheuchzer in den über 750 Kupferstichen seine Physia Sacra (1731-1735) die internen Spannungen seiner Physikotheologie aufzuheben. Pole dieser Spannungen waren einerseits ein mechanistisches Naturverständnis cartesianischer Prägung und andererseits die Absicht, die Natur als an den Menschen adressierte göttliche Offenbarung zu propagieren. In phantastisch anmutenden Bildmontagen wurde die biblische Geschichte mit der Natur- und Humangeschichte zu einer offenkundig künstlichen Synthese gebracht. Gerade in ihren virtuosen Qualitäten stellen diese Bildtafeln ein ebenso einzigartiges wie historisch spätes Projekt dar, die Übereinstimmung zeitgenössischen Naturwissens mit der Heiligen Schrift visuell herzustellen.

In einer Reihe von Collagen aus Scheuchzers Nachlass hingegen sind die Bildarrangements eine Darstellungsform, in der die Einheit von Naturgeschichte und Heilsgeschichte unterlaufen wird. Fossilien und antike Ruinen bilden hier eine visuelle Spur erinnerbarer Geschichte. In Wahlverwandtschaft zur Archäologie wird dabei eine historisierende Perspektive auf die Geschichte der Erde entwickelt. Sowohl die in ihrer Semantik gegenläufigen Tendenzen als auch die bildnerischen Verfahren der Collage und Montage lassen sich mit Blick auf die Geschichte der Kunst als durchaus modern verstehen.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Robert Felfe gibt dem Mediziner und Polyhistor Johann Jakob Scheuchzer, der in der Forschung bisher als optimistischer Wegbereiter der Aufklärung galt, seine "dunkle Seite" zurück, würdigt Florian Welle das Buch des Kunsthistorikers. Felfe analysiere die Kupferstiche, die Scheuchzers in den Jahren 1731 bis 1735 verlegte Bibel illustrieren, verfolge ihre Traditionslinien und schlüsselt so seine "eklektische Bildpraxis" auf, berichtet der Rezensent. Dabei komme das "vielschichtige Bild" eines Mannes zum Vorschein, der sein physikotheologisches Programm, das aus der - naturwissenschaftlich zu belegenden - Vollkommenheit der Schöpfung auf die Existenz Gottes schließt, keineswegs so "optimistisch" und fern jeden Zweifels verfolgte, wie es seine Bibelkommentare nahe legen, meint Welle. Die Klarheit und Deutlichkeit dieser Kommentare, schließt der Rezensent, geben ihnen vor dem Hintergrund von Felfes Analysen eher den "Charakter von Beschwörungsformeln".

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