109,95 €
inkl. MwSt.
Versandkostenfrei*
Versandfertig in 1-2 Wochen
payback
0 °P sammeln
  • Gebundenes Buch

Keine ausführliche Beschreibung für "Der Magus" verfügbar.

Produktbeschreibung
Keine ausführliche Beschreibung für "Der Magus" verfügbar.
Autorenporträt
Moshe Idel, geboren 1947 in Rumänien, lebt seit 1963 in Israel. Er lehrt an der Hebräischen Universität Jerusalem und ist derzeit international der führende Forscher zur jüdischen Mystik. Seine Arbeiten wurden vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Israel-Preis (1999).
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.04.2002

Kritisiert denn niemand mehr die Zauberer?
Was ein Magier ist, wissen wir nicht, aber wir finden ihn irgendwie chic: Wohin kommen wir bloß mit so viel beflissener Vernunftkritik? – Ein Sammelband über Ursprung und Geschichte des Magus
Jeder Deutsche kennt mindestens einen Magier – den Doktor Faustus, diesen Erdgeistbeschwörer, Teufelspaktierer und Papiergelderfinder. Jeder Christenmensch kennt mindestens drei Magier, nämlich jene drei Herren, die im Morgenlande einen Stern erblickten und aufgrund ihrer astrologischen Kenntnisse sich merkwürdige Geschenke besorgten, auf den Weg machten und in Jerusalem nach dem neugeborenen König der Juden fragten. Später hießen sie die „drei Könige”, aber die Bibel nennt sie die drei „Magier”.
Was tut ein Magier? Er baut Brücken und er beschwört Gespenster, er berechnet die Entfernung des Mondes und stellt Pharmaka her, Zaubermittel, um Kranke zu heilen und Liebeszauber auszuüben. Er weiß die Zukunft vorauszusagen. Wer einen Krieg oder einen Neubau plant, tut gut daran, sich bei ihm nach dem rechten Zeitpunkt zu erkundigen. Die Treffsicherheit seiner Vorhersagen ist größer als die sämtlicher deutscher Politologen.
Deren „Ostforschung”, mit vielen Millionen D-Mark unterstützt, hat das Wichtigste, den Fall der Mauer, nicht vorhergesagt. Magier sind nicht unzuverlässiger als Börsenanalysten; allerdings ist ihr Berufsbild schwerer zu umschreiben. Denn wenn ein Magier nachdenkt, ob und warum vielleicht nicht er fliegen oder eine entfernte Person von einer Krankheit heilen kann, ohne sie zu sehen, ist er dann ein Magier oder ein Wissenschaftstheoretiker?
Alle Beiträge in dem neuen Sammelband über den Magus reiben sich irgendwann einmal an dem Problem, wie sie den Magier definieren sollen. Sie lassen die Frage bald fallen. Denn wenn ein Magier, was vorgekommen ist, ein neues Steuersystem entwirft, wenn er über die Ausrüstung der englischen Flotte nachdenkt oder das Schlagwort vom „British Empire” erfindet – werden wir ihn dann noch „Magier” nennen?
Mit Skepsis
Schwierig ist die Abgrenzung von Magie und Religion. Wenn ein Bischof sich im vollen Ornat auf eine Burgmauer stellt, was ebenfalls vorgekommen ist, und von dort mit Gesang, Glockengeläut und Kerzenschein den Feind exkommuniziert und ihn damit in die Flucht schlägt – war er dann Bischof oder Magier? Eine Flurprozession in einem bayerischen Dorf, die um das Gedeihen der Feldfrüchte fleht – ist das eine religiöse oder eine magische Handlung? Auf Definitionsspiele sollen wir uns gar nicht einlassen, raten die versammelten Magie-Spezialisten. Sie studieren statt dessen die Rolleder Magier in den verschiedenen Kulturen.
Sie war immer umstritten. Man begegnete auch in Antike und Mittelalter den Magiern mit einer Mischung von Vertrauen und Skepsis. Sie wurden im Altertum bald hilfeflehend befragt und bald auch wieder blutig verfolgt. Die christliche Kirche hat bis etwa 1200 die Magie nicht etwa nur bekämpft, sondern vor allem integriert. Der schöne Beitrag von Valerie I.J. Flint zeigt: Ein Bischof des frühen Mittelalters war der erfolgreiche Konkurrent des Magiers, indem er dessen Aufgabe übernahm. Er korrigierte Mängel des
Rechtssystems und der meist hilflosen Medizin; er erfüllte Erwartungen der Regierenden; er löste Probleme der Bauern und der einfachen Frauen. Erst als das Bischofsamt anders definiert wurde, trat ein Vakuum ein, in das Ersatzlösungen einströmten. Um den anders gearteten frühneuzeitlichen Typus des Magus zu verstehen, muss man diese Vorgeschichte kennen.
Zwei Magier der frühen Neuzeit erhalten in diesem Band ein liebevolles Portrait: Doktor Faust aus Heidelberg und der Engländer John Dee (1527 bis 1608). Anthony Grafton leitet den Band ein mit der Erklärung, die bisherige Forschung habe den Magus der Renaissance vernachlässigt oder ihn einseitig auf Theorien und Texte hin untersucht, statt seine soziale Rolle und seinen konkreten Handlungen zu studieren.
Diese Behauptung ist schlicht falsch; die Namen von Lynn Thorndike, D. P. Walker und Francis Yates beweisen das Gegenteil. Grafton ignoriert kraftvoll die Studien von Eugenio Garin und seiner Schule zum Thema; aus Garins Lehrstuhlnachfolgerin in Florenz Paola Zambelli, die ihre Lebensarbeit der Magie und Astrologie gewidmet hat, macht er durch Buchstbabenmagie einen Mann namens Paolo. Und in Bologna gibt es auch noch den Hexenforscher Carlo Ginzburg.
Der sonst so kenntnisreiche Grafton schreibt diesmal etwas zu plakativ und mit rascher Hand. Aber was er im Anschluss an P.M. Palmer und R.P. More, auch an Frank Baron über den Dr. Faust erzählt, ist zwar nicht neu, aber unterhaltsam und instruktiv. Das Portrait von John Dee, das Klaus Reichert zeichnet, fällt wesentlich konkreter aus; er hält ausdrücklich fest, es sei seit Frances Yates „viel Kärrnerarbeit” über Magier der Renaissance geleistet worden. Sein John Dee lehrte Mathematik und tauschte mit dem Kartographen Gerard Mercator Meinungen aus; er besaß die ersten Globen auf englischem Boden. Er hatte sich zeitlebens gegen den Vorwurf der Zauberei zu verteidigen; er tat dies mit dem Argument, wer die Natur manipulieren wolle, müsse ihre Gesetze kennen. Damit zeigt sich der Zusammenhang von Naturphilosophie und Praxis. „Magie” war oft nichts anderes als der Protest gegen die aristotelisierende Naturbetrachtung der Universitätsgelehrten, die sich um technische Anwendungen nicht kümmerten.
Sie wies den Weg von der Spekulation zum Laboratorium; ohne derartige Magie wäre die neuzeitliche Naturwissenschaft nie entstanden. Der Sammelband
richtet sich insgesamt gegen das Vorurteil, die moderne Rationalität verdanke sich der ortlosen Selbstbesinnung der Vernunft, als sei sie das abstrakte Gegenteil von Astrologie und Apokalyptik, von Magie und Zauberei. Magische Vorstellungen, Alchemie und Astrologie waren auch nicht etwa ursprünglich volkstümliche Vorstellungen oder archaische Reste; sie gingen Hand in Hand mit der hohen Kultur und mit der vorwärts drängenden
Wissenschaft. Sie wurden integriert in die verschiedenen Philosophien und Theologien, aber auch in die Praxis der mittelmeerischen Religionen. Vier von den neun Beiträgen zeigen dies auf instruktive Weise für das antike, das mittelalterliche und das neuzeitliche Judentum. Die Magie war griechische, arabische, jüdische und christliche Wissenschaft, bevor sie zur Folklore und zum Widerpart der Aufklärung wurde. Diese These ist nicht völlig neu. Eher ist sie modisch. Aber sie wird in diesem gelehrten Buch auf neuen Feldern erprobt und gescheit vorgeführt.
Ohne Orient
Insofern verdient der Band jede Aufmerksamkeit. Aber er hat auch auffällige
Grenzen. Da gibt es Mitarbeiter, die offenbar nicht wissen, wie man Platon zitiert. Da kommen Zitate in folgender Form vor: Platon, Gesetze, Band 2, S. 470. Das wäre doch, als zitierte jemand: Moses, Genesis, Seite 19. Bei einem anderen Mitarbeiter bin ich mir nicht sicher, ob er die lateinischen Zitate korrekt übersetzt, die er bringt. All das kann man hinnehmen, aber ein wahrhaftiger Skandal ist es, dass in diesem Band, der die Rolle der Magie in den verschiedenen Kulturen zu untersuchen beansprucht, die arabische Welt ausgeklammert bleibt. Es gibt keinen orientalistischen Beitrag. Niemand wird vermuten, hier trieben angesehene Gelehrte die Fortsetzung des Palästinenserkonflikts mit akademischen Mitteln. Bis zum Beweis des Gegenteils nimmt jeder Wohlmeinende an, es sei rationaler, in diesem Fall an einen Zufall oder an – Magie zu glauben.
Man legt das Buch ohnehin nachdenklich aus der Hand. Es hinterlässt dem Leser aufregende Fragen. Wie unrein ist der Ursprung der reinen Vernunft? Wie oft muss man uns das noch sagen, und verteidigt denn niemand mehr die strenge, die
kantisch-prüfende Vernunft? Kritisiert denn niemand mehr die Zauberer? Außerdem: Wo liegt denn nun die Grenze zwischen Magie und Religion?
Joseph Ratzinger macht sich alle Mühe, die Wende vom Logos zum Mythos, von der Wissenschaft zur Magie als Wasser auf die Mühlen seiner Institution zu leiten und sie gleichzeitig als die Erbin der griechischen Aufklärung zu präsentieren. Wohin kommen wir bei so viel beflissener Vernunftkritik? Und zuletzt: Übernimmt für uns, in der verwissenschaftlichten Welt, wie Klaus Reichert auf Novalis gestützt, nahe legt, vielleicht die Poesie die Funktion der alten Magie?
KURT FLASCH
ANTHONY GRAFTON, MOSHE IDEL (Hrsg.): Der Magus. Seine Ursprünge und seine Geschichte in verschiedenen Kulturen. Akademie Verlag, Berlin 2001. 263 Seiten, 39,80 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Ein grundsätzliches Problem lässt dieser Band, ohne dass es besonders stört, wie Kurt Flasch meint, am Ende ungelöst: die Frage nach der Definition des Magiers. Gar nicht einfach, zum Beispiel, die "Abgrenzung von Magie und Religion". Stattdessen konzentriert man sich auf die Beschreibung der "Rolle der Magier" in den unterschiedlichsten Kulturen. "Umstritten", so Flasch, waren sie immer, mal bewundert, mal verfolgt. "Liebevoll" findet er die Porträts zweier Magier der Neuzeit, "unterhaltsam" das des Doktor Faust (von Anthony Grafton) und besser, weil "konkreter" das des John Dee (von Klaus Reichert). Ignorant jedoch ist, wie Flasch mit Namen belegt, die Behauptung des Herausgebers Anthony Grafton, die Renaissanceforschung habe bisher die "soziale Rolle" der Magiers vernachlässigt. Noch ignoranter scheint ihm die Ausklammerung der arabischen Welt. Mit der Stoßrichtung des Bandes ist der Rezensent, auch wenn er sie nicht unbedingt originell findet, dann wieder ganz einverstanden: Magie sei keineswegs, wie es das Vorurteil will, der Antipode, sondern eher der Vorläufer von Aufklärung. Die Rezension endet in einer erneuten Volte mit einer Reihe von keineswegs rhetorischen, vernunftkritik-kritischen Fragen, die der Band anregt und zum Weiterdenken offenlässt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.03.2024

Wunderwaffen waren natürlich im Angebot

Gefährliche Zauberer sind immer die anderen: Anthony Grafton macht auf höchst anregende Weise mit den magischen

Künsten im Zeitalter der Renaissance bekannt.

Zugang zum verborgenen Wissen der Antike, Erledigung lästiger Widersacher, zuverlässige Zukunftsprognosen, Rezepte für unwiderstehlichen Sex-Appeal und Mittel gegen das Altern. Das alles, zeigt Anthony Grafton in seinem großen neuen Buch, hatten sie im Angebot, die Magier der Renaissance, außerdem Roboter, smarte Militärtechnik und Verschlüsselungstechnologie. Sie schrieben darüber erfolgreiche Bücher, und stark in Drittmittelbeschaffung bei privaten Sponsoren waren sie auch.

Perfekte Akademiker also. Doktor Faustus, den Grafton in den Untertitel setzt, trägt seinen akademischen Titel nicht zufällig. Denn die Geschichte der magischen Künste in Europa war von Beginn an mit den Universitäten untrennbar verbunden. Berühmte Professoren wie Albertus Magnus und Roger Bacon hatten schon im dreizehnten Jahrhundert detailliert beschrieben, wie man mithilfe neu übersetzter arabischer und hebräischer Quellen die Planetenbahnen exakt berechnen und so mächtige Glücksbringer und Maschinen bauen könne. Sie stellten lange Listen höchst gefährlicher Bücher zusammen, die sie selbst aber sehr gut kannten.

Die Feinde der Christen, warnte Roger Bacon den Papst, setzten bereits magische Waffen ein; umso dringender sei es, sie systematisch zu erforschen. Er selbst arbeite an einer Strahlenwaffe, die aus großer Entfernung jedes Ziel in Flammen aufgehen lassen könne, brauche aber dafür zusätzliche Mittel. Solche Wunderwaffen sollte die Rekonstruktion des antiken Wissens zur Verfügung stellen - wir würden heute vermutlich Zukunftstechnologie dazu sagen.

Die Renaissance, in die Grafton seine Leser entführt, hat mit den üblichen leicht verkitschten Stereotypen angeblich selbstbestimmter Künstler und ästhetischer Selbstbespiegelung zwischen Petrarca und Vasari nichts zu tun. Dafür umso mehr mit gelehrten Ich-AGs, die um Sponsoren und Forschungsförderung konkurrierten. Humanisten wie Pico della Mirandola und Marsilio Ficino versprachen Magie als perfektionierte antike Naturphilosophie, angereichert mit jüdischem Wissen. Als gute Verkäufer boten sie ihrem Mäzen Lorenzo de' Medici auch Lösungen für sehr persönliche Probleme: Neben Geheimrezepten des antiken Superweisen Hermes Trismegistos und Bauanleitungen für Talismane enthielt Marsilio Ficinos "De Vita" auch jede Menge Anti-Aging-Rezepte, unter anderem hergestellt aus Milch von der Brust einer tugendhaften jungen Frau und Blut, abgezapft aus den Armen junger Männer.

Der schaurige Effekt war Absicht: Denn alle diese Spezialisten für geheimes Wissen warnten gleichzeitig unermüdlich vor ihren eigenen bösen Doppelgängern, deren dämonische Kräfte sie in den düstersten Farben schilderten. Wie moderne Anbieter von Virenschutzprogrammen oder Geheimdienste mussten sie die unsichtbare Bedrohung, vor der sie Schutz versprachen, erst einmal selbst plausibel machen. Das hatten sie mit ihren Kollegen in den kirchlichen Institutionen gemeinsam. Viele der Praktiken der Exorzisten und Inquisitoren spiegelten direkt die schwarze Magie, die sie bekämpfen sollten. Im Verfahren gegen angebliche jüdische Kindermörder in Trient 1475 wurde eine verstockte jüdische Verdächtige mit dem Urin eines unschuldigen Christenkindes übergossen: Daraufhin, so der offizielle Bericht, habe sie ohne Folter alle Verbrechen gestanden, deren man sie beschuldigt habe.

Die komplexe Entstehung der Erzählung vom Teufelspakt mit ihrem Fokus auf angebliche dämonische Verstrickungen von Frauen ab der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts durch gelehrte Theologen ist mittlerweile gut erforscht. Grafton erweitert sie um ihre Gegenstücke in der Welt der Humanisten bei Hof. Ihre Versprechen, durch exakte Rekonstruktion der alten Texte die Weisen der Antike wieder zum Leben zu erwecken, sahen den einschlägigen Angeboten der Magier zum Verwechseln ähnlich.

Denn Zauber - und das ist die zentrale Botschaft dieses glänzend geschriebenen Buchs - war im fünfzehnten und sechzehnten Jahrhundert Bücherzauber. Ein unermüdlicher Publizist und Büchersammler wie Johannes Trithemius, immerhin Abt eines Benediktinerklosters, verband Magiekompetenz mit ehrgeiziger Selbstvermarktung, wenn er seinem wichtigsten Mäzen, Kaiser Maximilian, versicherte, die angeblichen Wunder seiner Konkurrenten und der Hexen seien nur Bluff. Er selbst dagegen könne mit seiner "Polygraphia" jedem binnen einer Stunde beibringen, Latein zu sprechen, zu lesen und zu schreiben.

Und das stimmte auch, wie Grafton zeigt: Tatsächlich war das Buch eine Anleitung zum Verschlüsseln von Texten, die dann wie korrekte lateinische Texte aussahen und keinen Verdacht erweckten. Trithemius polemisierte gegen zeitgenössische Branchenkollegen wie Dr. Faustus, die ihren Auftraggebern versprächen, für sie in die Antike oder nach Ägypten zu fliegen, verborgene Schätze zu finden und ihre Feinde zu vernichten, während er selbst angeblich uralte germanische Chroniken ebenso fingierte wie fürstliche Empfehlungsschreiben. Seine Verurteilung fiel umso schärfer aus, vermutet Grafton, weil er Faustus als bedrohlichen Konkurrenten sah, dessen Behauptungen wie smarte Parodien seiner eigenen wirkten.

In einer Welt, in der sich Herrscher wie die Sforza in Mailand oder Maximilian I. für Astrologie und Talismane begeisterten (der Kaiser trug sogar einen Ring mit magischen Eigenschaften, den er kokett "der Teufel" nannte), war Magie gleichzeitig anrüchig und vielversprechend, riskant und unentbehrlich, ein Versprechen auf die Fusion des geheimen Wissens der Alten mit empirischer "Scientia Experimentalis" und aktueller Technologie. In den drei Bänden "Über geheime Philosophie" von Trithemius' Schüler Agrippa von Nettesheim wurden mobile Automaten, Linsen und machtvolle Spiegel als smarte Produkte von Naturphilosophie und Mathematik beschrieben, menschengemacht und eben nicht teuflischen Ursprungs. Agrippa war quer durch Europa als Diplomat in geheimer Mission ebenso tätig wie als Theologe, Krankenhausdirektor und Stadtarzt. Jurist war er auch: 1519 bewirkte er in Metz den Freispruch für eine der Hexerei angeklagte Frau.

Anthony Grafton, zuletzt Professor in Princeton, hat sein ganzes Gelehrtenleben der Erforschung der Humanisten gewidmet. Seine Bücher zur Geschichte der Fußnote, zu Leon Battista Alberti und Girolamo Cardano haben ganze Forschungsfelder neu eröffnet. Die Geschichte des Zauberns, so zeigt er nun, ist eben nicht nur die der Hexen und ihrer besessenen Verfolger, sondern sie ist eng verbunden mit Buchdruck, Naturwissenschaften und Maschinenbau - gelehrte Ingenieurs-Utopie. Technische Konstruktionen sollten zum Leben erweckt und mit quasi überirdischen Fähigkeiten ausgestattet werden. Der Gekreuzigte im Augustinerkonvent in Burgos, schrieb ein Augenzeuge am Ende des fünfzehnten Jahrhunderts, sei aus unbekanntem Material gemacht, das sich wie menschliche Haut anfühle. Er könne Arme, Beine und den Kopf bewegen und vergieße Blut, wenn seine Seite angestochen werde. Und er bewirke Wunderheilungen: Er war heiliges verehrungswürdiges Bild und menschengemachter Roboter zugleich.

Vormoderne Leichtgläubigkeit? Auch im 21. Jahrhundert, lehrt ein schneller Gang ins Museum, können Kunstwerke aus der Renaissance problemlos mehrere Dinge auf einmal sein. Sie werden verehrt und bewundert als menschengemachte Produkte ästhetischer Raffinesse, als Verkörperungen höchster Gelehrsamkeit, und sind gleichzeitig extrem teure Waren, die Höchstpreise auf dem Markt erzielen. Den Zauberern und ihren Kunden von damals wäre das vertraut vorgekommen. Magier, so lässt sich bei Grafton lernen, können eben alles. Nur eben nicht auf Dauer; irgendwann kommt der Karriereknick. VALENTIN GROEBNER

Anthony Grafton: "Magus". The Art of Magic from Faustus to Agrippa.

Harvard University Press, London 2023.

304 S., Abb., geb., 36,95 Euro.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr