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Die expressive Dimension politischen Handelns ist in der Geschichte der Macht verschieden ausgestaltet worden, aber symbolfreies Herrschaftshandeln ist schlechterdings nicht vorstellbar. Der Staat Preußen gilt als nüchternes Gebilde. Die Zeitgenossen und auch die meisten Historiker interessieren sich vor allem für die Rationalität der inneren und die Aggressivität der äußeren Politik. So sind die Geschichte der Verwaltung, die Entwicklung der Bürokratie, der Aufbau des Heeres und der Prozess der Rechtsreform gut dokumentiert. Vom Thema "Ästhetik und Herrschaft" im preußischen Absolutismus…mehr

Produktbeschreibung
Die expressive Dimension politischen Handelns ist in der Geschichte der Macht verschieden ausgestaltet worden, aber symbolfreies Herrschaftshandeln ist schlechterdings nicht vorstellbar. Der Staat Preußen gilt als nüchternes Gebilde. Die Zeitgenossen und auch die meisten Historiker interessieren sich vor allem für die Rationalität der inneren und die Aggressivität der äußeren Politik. So sind die Geschichte der Verwaltung, die Entwicklung der Bürokratie, der Aufbau des Heeres und der Prozess der Rechtsreform gut dokumentiert. Vom Thema "Ästhetik und Herrschaft" im preußischen Absolutismus lässt sich das nicht behaupten. Dem Autor gelingt in diesem Buch zum ersten Mal überhaupt die systematische Darstellung der herrschaftsästhetischen Seite des preußischen Absolutismus.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 06.08.2001

Erst der Normverstoß bestätigt die Ethik
Bruno Preisendörfer schreibt eine Spur zu zeitgenössisch über die preußische Herrschaftsästhetik

Daß Macht der Inszenierung bedarf, weiß man spätestens, seit die Israeliten die Mauern Jerichos mit Posaunen zum Einsturz brachten. Die alten Juden meinten es freilich ehrlich und fühlten sich im Recht. Seit Niccolò Machiavelli ist umstritten, ob ein Politiker es ehrlich meinen muß oder ob es nicht genügt, ja besser ist, wenn er nur den Anschein der Tugendhaftigkeit erweckt. Diese Frage ist heute, da Ethik und Politik immer enger verflochten werden, aktueller denn je. Genaugenommen schließt sie allerdings die Möglichkeit aus, sich lediglich ethisch zu geben, weil sie den Vertrauensvorschuß zersetzt, ohne den man nicht erfolgreich heucheln kann. Kein Wunder, daß Machiavelli unter den wirklichen Politikern wenig Freunde hatte. Den berühmtesten Anti-Machiavell hat Friedrich der Große geschrieben, allerdings noch als Kronprinz, bevor ihn seine Rechtsbrüche unsterblich machten. Und Konrad Adenauer hat entwaffnend Politik definiert als "die Kunst, das auf ethischer Grundlage als richtig Erkannte zu verwirklichen".

Das Problem liegt indessen weniger im Verhältnis zwischen Politik und Recht und mehr in der Macht selbst. Macht kann nur mit der Androhung physischer Gewalt auf Dauer gestellt werden. Alles andere, etwa Belohnungen, wäre zu teuer und nicht nachhaltig genug. Die physische Gewalt darf jedoch nur angedroht und grundsätzlich nicht eingesetzt werden. Jeder Einsatz verringert die Macht. Ein Kapitän, der einen meuternden Matrosen einsperrt, hat eben einen Mann weniger in seiner Mannschaft. Ausweg aus dem Dilemma zwischen der Notwendigkeit und der Nichteinsetzbarkeit physischer Gewalt ist die Symbolisierung der Bereitschaft, physische Gewalt einzusetzen, durch Militär und Polizei. Das ist spezifisch politische Öffentlichkeitsarbeit und geht weit über die Selbstdarstellungsnotwendigkeiten hinaus, denen alle Systeme unterliegen.

Bruno Preisendörfer nennt die Symbolisierung der Gewaltbereitschaft "Herrschaftsästhetik". Er will sie für das Preußen des achtzehnten Jahrhunderts darstellen, besonders an der Politik Friedrichs II., den er nicht "den Großen" nennen möchte. Seine Ergebnisse sind nicht sensationell. Die traditionellen Unterwerfungssymbole, etwa die Huldigung, seien bereits zu leeren Formen erstarrt gewesen. Friedrich habe nicht mehr an sie geglaubt, sie aber noch benutzt. Zum Beispiel habe er das Rädern für unmenschlich, seine abschreckende Wirkung aber für möglich gehalten. Deshalb habe er 1749 angeordnet, zum Tod durch das Rad Verurteilte unauffällig zu töten, bevor sie auf das Rad gespannt wurden. "Im Fest wurden Repräsentationsgewohnheiten weitergeschleppt, die von den alten europäischen Mächten übernommen worden waren." Nur im Krieg habe Friedrich ganz auf Disziplin und Gewalt gesetzt "und jede ästhetische Camouflage verschmäht". Letzteres paßt freilich nicht ganz zur eigenen Darstellung des Verfassers. Die Inszenierungen Friedrichs im Krieg hat natürlich auch er nicht übersehen, die betont einfache Uniform etwa, die an die Revolutionshabite Mao Tse-tungs oder Fidel Castros erinnert. Aber Preisendörfer interpretiert die Uniform so, wie Friedrich sie vermutlich gemeint hat. Und darin steckt ein Problem.

Das Problem beginnt bei der Argumentationsweise. Preisendörfer läßt vor allem Zeitgenossen, im wesentlichen Beteiligte, sprechen, auch den König selbst, aber so dicht, daß der Text an einigen Stellen in eine Collage abzugleiten droht. Das hat zwar den Vorteil, daß man viele Einzelheiten erfährt, meist schreckliche, manchmal auch amüsante. Besonders eindrucksvoll und lehrreich der Umgang mit den Bildnissen des Königs. Dadurch liest sich das Werk nicht nur gut, es wäre auch eine Fundgrube für Absolutismus-Forscher, wenn Preisendörfer nicht etwas reichlich aus zweiter Hand zitierte. Die vielen wörtlichen Zitate haben aber den Nachteil, daß keine soziale Struktur sichtbar wird. Die Ergebnisse, die der Verfasser am Schluß bündelt, wirken deshalb weniger abgeleitet als aufgeklebt.

Der Band enthält durchaus treffende Beobachtungen, aber die Erklärungen wirken leer, weil sie immer einen "Akteur" im Auge haben. Preußische Geschichte als ein Spezialfall der deutschen und europäischen Entwicklung wird nicht erörtert. Ein Beispiel: Daß Preußen eine rechtsstaatliche Bürokratie wurde, weil seine verstreuten und heterogenen Gebiete nur durch Recht zusammenzuhalten waren, ist eine weithin akzeptierte Hypothese. Bei Preisendörfer liest man: "Die Selbstbehauptung der Dynastie und des von ihr und für sie geschaffenen Staates nach außen erzwang die Beschleunigung machtpolitischer Zentralisierungsprozesse im Innern."

Das Hauptproblem liegt jedoch in der Sache selbst. Preisendörfer will politische Inszenierungen, also Darstellungen, darstellen. Schein ist schwerer zu beschreiben als Wirklichkeit. Wirklichkeit kann man leicht zum Schein erklären, aber nicht Schein zur Wirklichkeit, weil der Unterschied zur Wirklichkeit zum Wesen des Scheins gehört. Wer "Schein" sagt, sagt immer zugleich "Wirklichkeit" und müßte eigentlich erklären, was das ist. In der Ideologie-Debatte hat man dies noch getan. Aber die endete mit der Frage nach den gesellschaftlichen Funktionen von Ideologie. "Ideologie" kommt bei Preisendörfer daher mit Recht nicht vor. Seine "Herrschaftsästhetik" hat gesellschaftlichen Sinn. Sie dient der Machtschöpfung und -erhaltung. Das entbindet indessen nicht von der Notwendigkeit, den Gegenbegriff "Realität" zu erklären.

Preisendörfer macht sich die Sache zu einfach. Er übernimmt die Unterscheidung der Zeitgenossen. Deshalb kann er nicht darauf kommen, daß Friedrichs des Großen Anti-Machiavell ebenso eine politische Inszenierung sein könnte wie Adenauers Politikdefinition. Für beide Politiker war Ethik unbezweifelte Realität, die durch Normverstöße nicht widerlegt, sondern bestätigt wird. Diese eindimensionale Welt der Politik muß der Historiker oder Soziologe mit unterscheidungskräftigen Begriffen aufbrechen und insofern besser verstehen als die Zeitgenossen. Die Arbeit Preisendörfers ist in diesem Sinne zu "zeitgenössisch", aber als Sittenbild aus dem achtzehnten Jahrhundert durchaus beeindruckend.

GERD ROELLECKE.

Bruno Preisendörfer: "Staatsbildung als Königskunst". Ästhetik und Herrschaft im preußischen Absolutismus. Akademie Verlag, Berlin 2000. 432 S., geb., 148,- DM.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.01.2001

Blockheads und Bürokraten
Eine ethnologische Quellensammlung aus dem Theater des preußischen Absolutismus
Wie stellt ein Staat, der nicht einmal selbst auf seine sakrale Würde vertraut, seine Herrschaft vor den Augen des Volkes dar? Durch öffentlichen Strafvollzug. Die Richtplätze waren in oder vor der Stadt, mit Lust und Grauen sammelte sich die Menge. Da die Balkone nicht reichten, hob man die Ziegel von den Dächern, um besser zu sehen. Aufgeklärte Pädagogen nötigten die Knaben selbst gegen deren Willen zuzuschauen, denn man rechnete auf die erzieherische Wirkung. Die Hinrichtung folgte einem festgelegten Zeremoniell, bei dem sich die Obrigkeit repräsentativ darstellte.
Das war im Prinzip in der Reichsstadt Bopfingen nicht anders als in den Ländern der Kurfürsten von Brandenburg, die sich seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts „König in Preußen” nennen durften. Die Ruhmsucht trieb den jungen Friedrich II. dazu, dem Namen, den er ererbt hatte, die Sache hinzuzuerwerben. Das ging nur mit Gewalt. Mit den Schlesischen Kriegen schrieb er den Kommentar zu seinem Antimachiavel”, und da man ihm die Beute nicht gönnte, provozierte er seinerseits den Krieg, den man den Siebenjährigen nannte und aus dem er nach unendlichen Verlusten nur durch Zufall und mit fremdem Geld mit halbwegs heiler Haut und ungeschmälertem Gebiet heimkehrte.
Die preußische Monarchie ist nicht nur größer und besser dokumentiert als die Reichsstadt Bopfingen, an ihrer Spitze stand lange ein Mann, der vielleicht gerade deshalb, weil er nie eine Krone aufsetzte, das Bild des Herrschers stärker prägte als jeder andere Monarch seit Ludwig XIV. Er führte seine Kriege selbst und regierte, über eine militärisch organisierte Bürokratie hinweg, in viele Einzelheiten seines weit gestreuten Landes hinein wie ein Gutsbesitzer. Und dabei verwandte er täglich mehr Zeit aufs Flötenspiel als aufs Regieren.
Gerade weil er keinen Hof hielt – er verabscheute Berlin und das Schloss, und kein Priester und keine Frau durften je Sans-Souci betreten – und sich als Vater seiner Soldaten im schlichten Militärmantel gab, nährte er den Mythos. Nicht wer ihn kannte – Goethe hatte „seine Lumpe über ihn raisonieren hören” –, sondern angereiste Literaten und Phantasten brachen bei seinem Anblick gerührt in Tränen aus und schilderten das in schlechten Versen.
Bruno Preisendörfer geht in seinem Buch als Ethnologe vor. Er hat sich in der Forschungsliteratur zu Staat, Recht und Verwaltung, Text und Bild, Krieg und Theater kundig gemacht und teilt sein Wissen in einem ausführlichen bibliografischen Essay freigebig dem dankbaren Leser zitatengespickt mit. In der Darstellung lässt er die Quellen der Epoche zu Wort kommen, dabei nicht nur Fachleute wie Justi oder Sonnenfels, sondern auch empfindende Menschen wie Karl Philipp Moritz. Bei der Erläuterung der Quellen kommt der erfahrene Publizist, der für ein heutiges allgemeines Publikum schreibt, dem Wissenschaftler, der sich an Fachkollegen wendet, oft amüsant in die Quere. Und das tut manchmal gut.
Preußen ist von den verschiedenen Zweigen der historischen Schule so gut bearbeitet wie kaum ein anderes Land. Und vielleicht gerade deshalb eines der unbekanntesten. Sonst würden nicht vermeintlich ausgewiesene Preußenhistoriker auf partikulare Quellen hereinfallen und durch die Hintertür den lächerlichsten Personenkult hereintragen, dem sie formell abgeschworen haben. Sonst würde sich auch nicht bei dem derzeit anlaufenden Gedenkjahr, das seine selbst von Friedrich II. verachtete Titelerschleichung als Vorwand nimmt, jede Erinnerung in einer geschichtslosen Umwelt zur kulturellen Leistung stilisieren.
Nach dem 18.  Jahrhundert und der auch in diesem Buch öfter angespielten Französischen Revolution wird der Feldmarschall Gneisenau daran erinnert, dass die Sicherheit der Throne auf Poesie gegründet ist. Das legitimiert die Analyse der symbolischen Handlungen, der rührseligen Theaterstücke und der schlechten Bilder, die der Repräsentation dienten. Wissenschaft fordert den Vergleich und die methodische Einführung der Begriffe. Die Engländer liebten ihren König, obwohl er Hannoveraner und ein Holzkopf war („Our King is a blockhead”, sagt der kleine Sohn der Londoner Zimmerwirtin zu Karl Philipp Moritz) und vielleicht weil er einem mächtigen Ministerium gegenüber machtlos war. In Preußen begann die Macht der Minister erst nach dem Tod Friedrichs II.
Der Soldatenkönig pinselte dilettantisch Selbstbildnisse, die damals keiner zu sehen bekam, Friedrich II. weigerte sich, den Malern zu sitzen. Trotzdem verdiente Chodowiecki gut an Kupferstichen mit dem Bildnis des Königs. Rührstücke über den König entstanden, obwohl er deutsch kaum las und nicht orthografisch zu schreiben verstand. Ein kinderloser Landesvater in einer französischen Kulturenklave in einem Land, das er selbst als barbarisch empfand („wo das Volk noch so roh und wild ist”) und wo er mit wachsender Entfernung umso abgöttischer verehrt wurde, gibt dem Historiker wie dem Ethnologen Rätsel auf. Auch der methodologisch öfter herangezogene Clifford Geertz gestand, dass er wohl Massenmorde in Indonesien und soziales Unrecht in Marokko zu verarbeiten verstand, aber nicht unsolidarische Kollegen im Institut in Princeton.
Preußen ist ein schwer erklärbarer Antitypus, so viele Eigenschaften dieses Land sonst mit anderen teilt. Sein Begründer besaß keine der (Sekundär-)Tugenden, die auf dieser Erde mehr oder weniger verbreitet sind, aber in einer unerhört dreisten Usurpation ausgerechnet nach dem ausgerotteten heidnischen Volk der Preußen benannt wurde. Friedrich II. hatte das Glück, friedlich zu sterben, ehe seine Armee ausgerechnet durch Feigheit und Disziplinmangel seiner Offiziere 1806 Napoleon unterlag. Die Niederlage des künstlichen Staatsgebildes Preußen lockte nichtpreußische Visionäre an, ein Reformwerk dort zu versuchen, wo am wenigsten Traditionen zu überwinden waren. Trotzdem sollten sich die nicht bezwungenen bürokratischen und feudalen Strukturen, die zunächst den Aufstieg zu befördern schienen, als zerstörerisch erweisen.
Bruno Preisendörfer hat ein nachdenkenswertes Buch zum Preußenjahr geschrieben, das als ein Lesebuch zur symbolischen Repräsentation im 18.  Jahrhundert auch darüber hinaus seinen Wert behält. Die ästhetische Deutung dieser Formen bleibt, wie Kant sagen würde, eine „unendliche Aufgabe”. Bei all der bornierten Selbstgefälligkeit und historischen Legendenbildung dieses „Preußenjahres” gibt sie einen klaren und nüchtern kommentierenden Blick in die Quellen des uns so ferngerückten 18. Jahrhunderts.
HORST GÜNTHER
BRUNO PREISENDÖRFER: Staatsbildung als Königskunst. Ästhetik und Herrschaft im preußischen Absolutismus. Akademie Verlag, Berlin 2000. 432 Seiten, 148 Mark.
Tage, Tage, Jahre . . . was vom königlichen Schloss zu Berlin blieb. Eine Ansicht, entnommen dem Band von G. Peschken im Deutschen Kunstverlag.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Zufrieden war Kritiker "uha" mit dieser als Buch erschienenen Dissertation, in der "beredt" das Handlungrepertoire der Herrschenden "gesichtet" würde. Der Rezensent läßt uns wissen, dass es hauptsächlich um Repräsentationsformen des Absolutismus geht. Doch schreibt er ansonsten eher wie ein Gutachter und nicht wie ein Kritiker, dazu noch knapp und nicht sehr informativ - weswegen die Kritikerzufriedenheit nicht unbedingt ansteckend wirkt.

© Perlentaucher Medien GmbH