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Christie Malry ist ein einfacher junger Mann, der sich vorgenommen hat, reich zu werden. Er beginnt in einer Bank zu arbeiten, um sich zumindest in der Nähe des Geldes zu wissen. Schnell aber merkt er, dass der Umgang mit Geld allein noch nicht reich macht. Immerhin lernt er die doppelte Buchführung, bei der jede finanzielle Transaktion eine Doppelwirkung hat: Minderung auf einem Konto bewirkt Mehrung auf einem anderen. Christie Malry erkennt den Nutzen dieses Prinzips und wendet es auf die in seinem Leben empfangenen Belästigungen an, die angemessene Entschädigungen erfordern. Ganz…mehr

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Produktbeschreibung
Christie Malry ist ein einfacher junger Mann, der sich vorgenommen hat, reich zu werden. Er beginnt in einer Bank zu arbeiten, um sich zumindest in der Nähe des Geldes zu wissen. Schnell aber merkt er, dass der Umgang mit Geld allein noch nicht reich macht. Immerhin lernt er die doppelte Buchführung, bei der jede finanzielle Transaktion eine Doppelwirkung hat: Minderung auf einem Konto bewirkt Mehrung auf einem anderen. Christie Malry erkennt den Nutzen dieses Prinzips und wendet es auf die in seinem Leben empfangenen Belästigungen an, die angemessene Entschädigungen erfordern. Ganz gewissenhaft geht er dabei nach eigenen Maßstäben vor - frei nach dem Motto "Debit sie, Kredit ich" verschont Christie Malry keinen, der ihm seiner Meinung nach Unrecht tut: Wirtschaftlich ist seine doppelte Buchführung ein voller Erfolg, in der Beziehung mit seiner Freundin - Romantik par excellence, und schließlich in seiner Abrechnung mit der Gesellschaft - eine Katastrophe.

B.S. Johnson istzugleich ein Klassiker und Exzentriker der modernen englischen Literatur: böse und brillant, anarchisch und witzig. Keine Frage, dass er mit Martin Semmelrogge seine ideale deutsche Stimme gefunden hat.
Autorenporträt
Johnson, Bryan Stanley
B.S. Johnson wurde 1933 in London geboren. Er war Dozent für Englische Literatur am Kings College und Literaturredakteur. B.S. Johnson veröffentlichte fünf Romane, zwei Erzählbände sowie Lyrik. Er hat sich vehement gegen die erdrückende Erzähltradition im Stil Charles Dickens aufgelehnt und neue Formen für den Roman gefunden. Darüber hinaus arbeitete er für Film und Fernsehen als Autor und Regisseur. Er nahm sich 1973 in London das Leben. Martin Semmelrogge, geboren 1955 in München, ist seit jeher Schauspieler. 1981 brachte ihm seine Rolle als Wachoffizier im oscargekrönten Film Das Boot den ersten großen Kinoerfolg. Danach folgten Streifen wie Schindlers Liste, Bang, Boom, Bang und Manila. In zahlreichen Fernsehproduktionen (u.a. Tatort, Straßen von Berlin, Polizeiruf 110) spielt Semmelrogge mit Vorliebe zwielichtige Charaktere und Rabauken mit frecher Schnauze.
Trackliste
CD 1
1Kapitel I00:18:10
2Kapitel II00:04:13
3Kapitel III00:08:53
4Kapitel IV00:04:27
5Kapitel V00:08:36
6Die Erste Abrechnung00:02:09
7Kapitel VI00:02:47
8Kapitel VII00:07:34
CD 2
1Kapitel VIII00:34:19
2Kapitel IX00:07:40
3Die Zweite Abrechnung00:01:24
4Kapitel X00:04:08
5Kapitel XI00:29:59
6Kapitel XII00:00:50
CD 3
1Kapitel XIII00:03:42
2Die Dritte Abrechnung00:02:24
3Kapitel XIV00:02:51
4Kapitel XV00:02:28
5Kapitel XVI00:03:36
6Kapitel XVII00:05:15
7Kapitel XVIII00:10:06
8Die Vierte Abrechnung00:01:39
9Kapitel XIX00:06:17
10Kapitel XX00:00:24
11Kapitel XXI00:03:02
12Kapitel XXII00:05:12
13Kapitel XXIII00:08:24
14Kapitel XXIV00:01:23
15Schlussabrechnung00:01:20
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.03.2002

Die Verminderung des Solls durch das Ungeziefer
Erlebnisse eines Buchhalters mit tödlichem Ausgang: B. S. Johnsons vergnügliche Abrechnung mit dem Leben
Es gibt für die Literatur keine Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. Warum also nicht einen Helden erfinden, der über die Bösartigkeiten, die ihm die Welt zufügt, und die Enttäuschungen, die ihm das Leben bereitet, Buch führt? Christie Malry arbeitet in der Rechnungsabteilung einer Firma, die Süßwaren und Kuchen herstellt. Abends lernt er in einem Fernkurs Buchhaltung. Sein frisch erworbenes Wissen wendet er allerdings nicht in der Firma an: Er führt ein Gewinn- und Verlustkonto, auf dessen Sollseite er die Belästigungen seines Lebens durch die Umwelt, auf dessen Habenseite er die Entschädigungen für diese Belästigungen verbucht. Das ist eine tolle Idee! Zum Beispiel werden den Widerlichkeiten des Vorgesetzten die Freundlichkeiten der Arbeitskollegin gegenübergestellt. Christie Malry beschreibt sein Seelenleben, soweit dies mit Hilfe von Zahlen möglich ist. Er bewertet Belästigungen und Entschädigungen. Wie widerlich ist der Vorgesetzte? Wie freundlich ist die Arbeitskollegin?
Die Arbeitskollegin ist niemals freundlich genug, der Vorgesetzte ist einfach zu widerlich. Auf Christies seelischem Gewinn- und Verlustkonto ergibt sich immer ein Sollsaldo (von einem Sollsaldo spricht man dann, wenn durch ihn der Ausgleich zwischen der größeren Sollseite und der kleineren Habenseite eines Kontos herbeigeführt wird. No joke: Der Sollsaldo selbst steht immer im Haben.) Die Summe der Widrigkeiten des Lebens ist für Christie immer größer als die Summe von dessen Annehmlichkeiten.
Cockney gegen Oxbridge
Der Sollsaldo an sich bietet schon Anlass zur Depression. Um so schlimmer, dass er ständig größer wird. Christie ist strebsam, also versucht er, den Sollsaldo auszugleichen. Als Christies Mutter stirbt, ärgert er sich, dass sein Vorgesetzter teilnahmslos und ohne Mitgefühl mit ihrem Tod umgeht. Er beschließt, sich dafür zu rächen. Zu seinen Aufgaben gehört es, morgens die Post zu öffnen und sie zu sortieren. An diesem Tag ist ein wütender Brief eines Restaurantbesitzers dabei, der in den Kuchen aus Christies Firma Ungeziefer gefunden hat. Christie beseitigt den Brief samt Umschlag. Weil die Süßwarenfirma nicht auf den Beschwerdebrief des Restaurantbesitzers reagiert, wird dieser noch wütender. Christie ergötzt sich an dem eskalierenden Streit zwischen der Firma und ihrem Kunden, der Sollsaldo auf seinem seelischen Gewinn- und Verlustkonto wird kleiner.
Es gibt für ein literarisches Leben keine Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung. B.S. Johnson wurde 1933 in London als Sohn eines Lagerarbeiters und einer Barmaid geboren. Nach einer Handelsschulausbildung studierte er neben seinem Beruf als Büroangestellter Englisch. Als Dozent für englische Literatur am King’s College und Redakteur mehrerer literarischer Zeitschriften veröffentlichte er neben „Christie Malrys doppelte Buchführung” vier weitere Romane, zwei Erzählbände sowie Lyrik. Er schrieb zwei Theaterstücke und arbeitete für Radio, Fernsehen und Film. 1973 beging er in London Selbstmord. Christie Malrys Erfinder war, was die Engländer umstandslos einen literary bruiser nennen. Er hatte ein rundes Gesicht und eine Biertrinkerfigur, er sprach starken Dialekt. Seine tätlichen Auseinandersetzungen in Pubs und mit Vermietern waren kein Stoff für das Feuilleton, sondern für die yellow press. Deren Lesern war er so vertraut wie sonst nur noch Brendan Behan.
Er erzählte gerne, wie er einen Lektor heimsuchte, der einen seiner Romane abgelehnt hatte. Der Lektor, Produkt einer der großen englischen Universitäten, wollte ihm höflich erklären, warum sein Buch nicht angenommen worden war. „Ich lehnte mich über den Schreibtisch und packte den kleinen Schwulen an der Kehle und zog ihn über den Schreibtisch, und ich sagte, was zum Teufel versteht eine kleine Fotze wie du von Literatur, und ich stieß ihn zurück in seinen Stuhl und ging”. Cockney gegen Oxbridge, dazu lachte er aus vollem Halse.
Die Kritiker schrieben, Johnson schreibe „experimentell”. Es wird nicht besser, wenn die Überlebenden und Nachgeborenen daraus „innovativ” machen. Christies Mutter besteht vor ihrem Tod darauf, dass sie nur für diesen Roman auf den Tag genau achtzehn Jahre und fünf Monate seine Mutter gewesen ist. Christie wechselt in eine andere Abteilung, weil dort ein Arbeitskollege für den Rest des Romans indisponiert ist. Als Christie sich über das Essen beschwert, das ihm seine Freundin auftischt, weist sie ihn zurecht: wenn es noch vor ein paar Zeilen geheißen habe, sie seien absolut glücklich, dann könne er sich doch jetzt nicht über die eintönige Ernährung beschweren. Christies Erfinder spricht mit dem Leser über seine Hauptfigur, er diskutiert mit seiner Hauptfigur über den Roman. „Warum soll man seine Freizeit einen ganzen Monat lang mit der Lektüre eines tausendseitigen Romans verbringen, wenn man im Theater oder Kino an einem einzigen Abend eine vergleichbare ästhetische Erfahrung machen kann?” Der Autor und sein Held sind sich einig, der Roman müsse kurz sein, der Held verlangt vom Autor, der Roman solle außerdem noch komisch und brutal sein.
Trinkwasser vergiften
Der Autor gehorcht dem Protagonisten. Christie begnügt sich nicht damit, den Beschwerdebrief verschwinden zu lassen, Büromaterial zu entwenden oder einen Stromausfall herbeizuführen, der eine große Charge Schokoladenproduktion ungenießbar machen soll. Auch die Räumung eines Theaters nach Christies falschem Bombenalarm kann den Sollsaldo auf seinem seelischen Gewinn- und Verlustkonto nicht ausgleichen. Christie sprengt ein Gebäude in die Luft, in dem eine Steuerbehörde residiert. Das gibt sieben Tote. Er vergiftet ein Trinkwasserreservoir, das gibt 20000 Tote.
B.S. Johnsons erklärte Idole waren Joyce und Beckett. Wer nach dem „Ulysses” einen konventionellen Roman schreibt, imitiere nur die Existenz eines Schriftstellers, so als ob jemand ein Versdrama in Shakespeare-Englisch verfasste. In einem von B.S. Johnsons Filmen predigt ein Lehrer seiner bestürzten Schulklasse, dass der Mensch mit dem Augenblick seiner Geburt zu verfallen und zu sterben beginne. Alles, was er sich erhoffen könne, sei ein unbeholfener Tod, wie derjenige einer Heuschrecke, die von einer Eidechse gefressen werde. Man müsse weitermachen. B.S. Johnson hat nicht weitergemacht. Er wurde tot in seinem Bad gefunden, mit aufgeschnittenen Pulsadern.
Wird Christie Malry Big Ben sprengen (Christie und sein Autor denken nicht über London hinaus, und die Twin Towers in New York standen zur Zeit des Erscheinens des Romans noch nicht), oder schlagen die Welt und das Leben zurück, und der Sollsaldo auf Christies Konto wächst ins Unendliche? Ein kurzes, vergnügliches Buch.
ERNST-WILHELM HÄNDLER
B.S. JOHNSON: Christie Malrys doppelte Buchführung. Roman. Aus dem Englischen von Michael Walter. Argon Verlag, Berlin 2002. 224 Seiten, 18 Euro.
Ordentliche Buchführung, gutes Gerät: Das Handwerkszeug eines Buchhalters. Fotos: Erich Comeriner (oben), Georg Trump/Manfred Heiting Collection
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

In den Augen des Rezensenten Martin Z. Schröder ist diese Hörspieladaption ein doppelter Gewinn. Zum einen, weil dieser "großartige", ursprünglich aus Großbritannien stammende Roman in Buchform hierzulande kaum noch greifbar sei. Zum anderen, weil der Sprecher Martin Semmelrogge seine Aufgabe nach Dafürhalten des Rezensenten wohltuend ernst nimmt und sich offensichtlich in den Text gut und mit der gebotenen Sorgfalt eingefunden hat: Semmelrogge beherrsche die Technik der "beiläufigen" Ironie, die so natürlich daherkommt, als wäre sie überhaupt nicht beabsichtigt. Für Schröder eine angenehme Abwechslung zu den angestrengt komischen Vorlesern, die er wohl schon einmal zu oft hören musste. Zudem besitze Semmelrogges Stimme eine beachtliche stilistische Spannbreite: "Diese Vielfalt zumal des gekonnten Ausdrucks ist leider ebenso selten anzutreffen."

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