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»Über-die-Ebene-fließendes-Wasser«, ein Indianermädchen, dessenFamilie zusammen mit ihrem gesamten Stamm getötet wurde,schlägt sich alleine und ziellos durch die Prärie. Hier trifft sie aufeine Siedlerfamilie, die sich auf den beschwerlichen Weg in denWesten gemacht hat, um dort ihr Glück zu suchen. Bald schließensich weitere Abenteurer dem Treck an, und ein praller Westernmit wilden Schießereien vor spektakulären Landschaften undvoller extremer Charaktere nimmt seinen unerbittlichen Lauf.Céline Minard hat mit diesem Überraschungserfolg eine neue Artdes Western erfunden: weiblich, humorvoll,…mehr

Produktbeschreibung
»Über-die-Ebene-fließendes-Wasser«, ein Indianermädchen, dessenFamilie zusammen mit ihrem gesamten Stamm getötet wurde,schlägt sich alleine und ziellos durch die Prärie. Hier trifft sie aufeine Siedlerfamilie, die sich auf den beschwerlichen Weg in denWesten gemacht hat, um dort ihr Glück zu suchen. Bald schließensich weitere Abenteurer dem Treck an, und ein praller Westernmit wilden Schießereien vor spektakulären Landschaften undvoller extremer Charaktere nimmt seinen unerbittlichen Lauf.Céline Minard hat mit diesem Überraschungserfolg eine neue Artdes Western erfunden: weiblich, humorvoll, leichtfüßig undfunkelnd literarisch. Eine große Autorin, die wie nebenbei auchdas männlichste aller Genres, das des wilden Westerns,souverän beherrscht.
Autorenporträt
Céline Minard, 1969 in Rouen geboren, lebt als freie Schriftstellerin in Paris. Ihre Bücher wurden mit wichtigen Preisen ausgezeichnet, unter anderem dem Franz-Hessel-Preis für So Long Luise (20011) und mit dem Prix Virilo (2013) und dem Prix du Livre Inter (2014) für faillir être flingué.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.10.2014

So
long,
Chérie
Nachladen und
drauflos galoppieren:
Céline Minard erneuert
so witzig wie rasant
das Genre des Westerns
VON JOSEPH HANIMANN
Pferdegetrappel, weite Landschaften, schwingende Saloontüren und Gewehrschüsse mit aufsteigenden Rauchwölkchen sind als Romankulisse etwas veraltet. Für die Französin Céline Minard ist das jedoch kein Problem. Sie spitzt die Klischees zu, raut die abgegriffenen Bilder mit Anspielung und Nebensinn auf, koloriert das Ganze grell nach wie Schwarz-Weiß-Fotos, die durch die Hände von Marcel Duchamp oder Andy Warhol gegangen sind. Das ergibt dann Passagen wie diese: „Alle fünf Sekunden sprangen die Türen des Saloons im Rhythmus der Schüsse auf. Holzsplitter flogen auf die Straße. Einige Schützen zielten so, dass die Kugeln gegen die Wand prallten und dann voller Wucht in die Bar zurücksausten“. Die Barkeeperin Sally sieht auf ihrem Hocker, mit der schmalen Pfeife im Mund rauchend zu, wie die Männer vor den am Tresen aufgereihten und bei jeder Salve nachgefüllten Gläsern darauf warten, Position einzunehmen und sechs Schuss auf die Saloontür zu feuern. Wer auch nur einen daneben setzt, scheidet aus, wobei die Schwierigkeit damit beginnt, beim Nachladen nach all den geleerten Gläsern die Kugeln in die Kammern zu bekommen.
  Die erotischen, literarischen, filmgeschichtlichen Anspielungen und die verfremdenden Sinnverdrehungen blitzen durchs ganze Buch: Männerposen platzen wie Seifenblasen, Wildwestromantik gerinnt zum Artefakt, Abenteuer kippen ins Märchen, und Helden stehen in Unterhose da. Nichts aber wäre so falsch, wie diesen Roman als Genre-Parodie zu lesen. Alles wird, wenn auch augenzwinkernd, ernst genommen. Die voreiligen Spötter und Mitlacher gehen leer aus. Der Mythos einer Zivilisation aus dem Niemandsland wird einfach neu erzählt. Und dass es eine Frau ist, die sich dieses doch sehr besonderen Genres bemächtigt, ist gar nicht das Entscheidende dabei. Faszinierend ist vor allem die Brillanz, mit der die Autorin alle Register des Westerns mit schrägen Nebentönen versieht.
  Die 1969 geborene Französin hat in ihren bisher acht Büchern auch schon mit anderen Genres und literarischen Formen gespielt. Unterhaltungsliteratur, Krimi, Geschichtspanorama und philosophischer Traktat unterscheiden sich ihrer Ansicht nach nur in der Ausdrucksform, sind aber miteinander kompatibel. Den Roman „Olimpia“, eine Huldigung an die Schwägerin von Papst Innozenz X., schrieb die Autorin als Stipendiatin der Villa Medici in Rom. Mit „So long, Louise“ legte sie 2011 ein komplex verspiegeltes Schriftstellerporträt vor. Der vorliegende Roman, der im Original den nicht übersetzbaren, aus lauter Verben bestehenden Titel „Faillir être flingué“ trägt, erhielt mehrere Preise, darunter den deutsch-französischen Franz-Hessel-Preis und den Zuhörerpreis des französischen Staatsrundfunks France-Inter.
  In den Weiten des amerikanischen Far West sind zahlreiche Gestalten unterwegs, ohne dass sofort klar wird, warum und wohin. Auf dem von Jeff und Brad gelenkten Ochsenkarren liegt die todkranke Großmutter unter der Stoffplane und heult unter den Stößen des mühsamen Vorankommens, während der kleine Josh in seine Zukunft vorausreitet und ein aus der Prärie aufgelesenes Mädchen ungewisser Herkunft wie eine Luftspiegelung bald da, bald wieder weg ist. Unter einem Salbeibusch hält der Vagabund Zebulon Mittagsschlaf und lässt eine aus dem Nichts aufgetauchte Reiterhorde gleichgültig vorbeidonnern. Unweit davon treibt sich die alte Indianerin Über-die-Ebene-fließendes-Wasser herum, die keine Angehörigen mehr hat und als Heilkünstlerin durch die Gegend zieht. Gerade hat sie den ausgeraubten Abenteurer Gifford vor dem Verdursten gerettet. Der Gold- und Glückssucher Elie Coulter wiederum hat ein ganz anderes Problem. Er wird vom Trapper Bird Boisverd verfolgt, dem er auf tollkühne Weise das Pferd gestohlen hat und der ihm nun Rache schwört. Wieder von anderswo her kommt Arcadia Craig, eine launige Kontrabassspielerin.
  All diese Einsamen und Ruhelosen ziehen in Einzelkapiteln zunächst ziemlich wortlos aneinander vorbei, als ertrüge diese Halbwüste aus Geröll, Felswänden, Büschen und gelegentlichen Flussläufen keine direkte Rede, sondern nur atmosphärische Beschreibung. Im Fortgang des Romans durch eine seltsam flimmernde Zeitschwebe kommen die Figuren auf ihrem Weg nach Westen allmählich aber dennoch zusammen an einem Ort, der bald zu einer Siedlung wird. Offene Konfliktsituationen und gemeinsame Handlungsstrategien erfordern plötzlich ganz neue Verhaltensweisen. Rachelust beugt sich dem Gesetz, aus Diebstahl wird Handel, die Flucht ins Ungewisse endet in Sesshaftigkeit. Hier herrsche „das herrliche, unbeugsame Gesetz, das es dem Unternehmen ermöglicht, zu entstehen, zu gedeihen, zu florieren und den Gipfel des gesellschaftlichen Erfolgs zu erklimmen“, schwärmt der Gouverneur am Schluss vor der versammelten Gemeinde voll Stolz.
  Zu Unrecht, denn ein unwiderstehlicher Hang führt auch wieder zurück in die Wälder von Kentucky und in den Unterschlupf der wilden Salbeibüsche. So bricht einer der Helden den gerade erst begründeten Pakt der Rechtsordnung, der fortan von den Vätern auf die Söhne übergehen soll, und taucht zurück ins verlockende Vorbewusstsein unserer Zivilisation. Céline Minard durchstreift dessen Bilderwelt mit Witz und großem Beschreibungstalent. Und Nathalie Mälzer fand für den hintersinnig rasanten Roman genau den richtigen deutschen Ton.
Für die 1969 geborene
Französin sind prinzipiell alle
Genres miteinander kompatibel
Blauhaie haben große Augen, die perfekt an die Lichtverhältnisse in der Tiefsee, ihrem Jagdrevier, angepasst sind.
Fotos (15): Jean-Marie Ghislain / Elisabeth Sandmann Verlag
          
   
Céline Minard:
Mit heiler Haut. Roman.
Aus dem Französischen
von Nathalie Mälzer.
Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2014.
301 Seiten, 22,90 Euro.
E-Book 17,99 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Hymnisch bespricht Rezensent Joseph Hanimann Celine Minards Roman "Mit heiler Haut", den Nathalie Mälzer zudem brillant ins Deutsche übersetzt habe. Minard gelingt in ihrem Buch etwas Wundervolles, schwärmt der Kritiker: Sie spielt virtuos mit Elementen eines Westerns, versieht sie mit Nebentönen, jedoch ganz ohne das Genre zu parodieren. Und so begleitet ein faszinierter Hanimann die hier auftretenden einsamen und ruhelosen Figuren, die alte Indianerin und Heilkünstlerin "Über-die-Erde-fließendes-Wasser" etwa, den Gold- und Glückssucher Elie Coulter oder die Kontrabassistin Arcadia Craig, die zunächst verlassen durch die Prärie streifen, um schließlich in einer Siedlung aufeinander zu treffen. Der Rezensent staunt über an Marcel Duchamp oder Andy Warhol erinnernde Bilder, Märchenhaftes und zahlreiche erotische, literarische und filmgeschichtliche Anspielungen und kann dieses außergewöhnliche Buch nur wärmstens empfehlen.

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