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Vor 200 Jahren war das Leben in England auch nicht leicht! Die Präsenz von Pädagogen war schon damals ein wenig unbehaglich, verheiratete Paare konnten einem Junggesellen gehörig auf die Nerven gehen, und fromme Tischgebete vor üppigen Gelagen hatten auch um 1800 etwas Frivoles. Charles Lamb konnte von alldem ein Lied singen, und zwar ein ausgesprochen witziges, warmherziges und tiefgründiges. Die Essays dieses so freundlichen wie klugen Autors sind der Beweis, dass selbst ein Schweinebraten große Literatur werden kann - sie zählen auch heute noch zum Besten, was diese Gattung in der…mehr

Produktbeschreibung
Vor 200 Jahren war das Leben in England auch nicht leicht! Die Präsenz von Pädagogen war schon damals ein wenig unbehaglich, verheiratete Paare konnten einem Junggesellen gehörig auf die Nerven gehen, und fromme Tischgebete vor üppigen Gelagen hatten auch um 1800 etwas Frivoles. Charles Lamb konnte von alldem ein Lied singen, und zwar ein ausgesprochen witziges, warmherziges und tiefgründiges. Die Essays dieses so freundlichen wie klugen Autors sind der Beweis, dass selbst ein Schweinebraten große Literatur werden kann - sie zählen auch heute noch zum Besten, was diese Gattung in der englischen Sprache hervorgebracht hat. Und als bräuchten wir noch einen Beweis von der Größe seiner Kunst, hat Joachim Kalka diese herrlichen Texte, die nun erstmals auf Deutsch erscheinen, hingebungsvoll übersetzt.
Autorenporträt
Charles Lamb, geboren 1775 in London, Essayist und Dichter, starb 1834 in Edmonton (heute London). Auf Deutsch erschienen seine ursprünglich für Kinder verfassten Nacherzählungen "Die Abenteuer des Odysseus" (Insel, 2005) und "Erzählungen nach Shakespeare" (Ueberreuter, 2007).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.03.2014

Ein Duft, der keinem gleicht

Später Import: Der menschenfreundliche englische Romantiker Charles Lamb ist als Essayist zu entdecken. Mit Aromen von der Schweinekruste.

Von Hannes Hintermeier

Niemals werden sie den Ärmelkanal überwinden." - Die vorliegende Ausgabe soll helfen, den von Julien Green geprägten Verhexungstatbestand, der über so manchem englischen Dichter schwebt, zu bannen. Und wie macht man das üblicherweise? Man behauptet, der Dichter sei modern und ginge uns etwas an, worauf man erst jetzt so recht gekommen sei. Kann das gelingen - im Falle von Charles Lamb (1775 bis 1834), einem Vertreter der frühen Romantik, einem Dichter und Essayisten, dessen erste wichtige Schaffensphase in die späten neunziger Jahre des achtzehnten Jahrhunderts fällt?

Lamb ist natürlich überhaupt nicht modern, so wie wir das Wort verstehen, und die Lektüre seiner Texte setzt das Abtauchen in eine Sprache voraus, deren Duktus uns fremd ist. Das liegt nicht an der liebevollen Übersetzung, die Joachim Kalka Lamb angedeihen lässt: Die deutschen Romantiker stellen uns kaum vor geringere Probleme, die Distanz zu überwinden.

Aus der englischen Literaturgeschichte ist Lamb nie verschwunden, hinter den Heroen seiner Zeit - allen voran Wordsworth und Coleridge, mit denen er befreundet war - taucht er immer wieder auf als Verfasser der unter dem Pseudonym Elia publizierten Essays. Die zusammen mit seiner Schwester verfassten "Tales from Shakespeare" (1807) sind ein Klassiker des Kinderbuchs, bis heute immer wieder aufgelegt. Charles Lambs äußerliches Leben verlief - mit zwei Ausnahmen - unspektakulär. Dreiunddreißig Jahre diente er der Ostindien-Kompanie als Sekretär und Buchhalter, eine an Pessoa erinnernde Büroexistenz, deren tatsächlicher Einfluss auf die Literatur nicht erkennbar war.

1796 geschieht zweierlei: Im Frühjahr verbringt Lamb sechs Wochen in einem Irrenhaus in Hoxton. Die Nachwelt hat nur deshalb Kunde davon, weil sein Freund Coleridge Lambs Briefe sorgsam verwahrte. Am 22. September ersticht seine zehn Jahre ältere Schwester Mary in einem Anfall blindwütiger Raserei ihre Mutter, verletzt den Vater. Ihr Bruder setzt seine Existenz dafür ein, um sie vor einer dauerhaften Unterbringung in der Psychiatrie zu bewahren; er nimmt sie zu sich, lebt sein restliches Leben als Junggeselle mit ihr. Als Versorger kann er den Bürojob nicht kündigen, seiner Bestimmung zum Dichter nicht folgen. Er beschließt, keine Gedichte mehr zu schreiben, verbrennt seine im Dialog mit Coleridge verfassten "Eitelkeiten". Der ist über diesen Schritt entsetzt.

Der vorliegende Band versammelt elf Essays, die Elia als radikal subjektiven, humorvollen Beobachter des Alltags vorführen. Die an den Anfang gestellte autobiographische Skizze endet so: "Er starb . . . 18 . . ., von vielen betrauert. (An irgendjemanden: Bitte die Daten einsetzen.)" Distanz und Ironie, Abschweifung und eine sanfte Eleganz kennzeichnen diese Prosa, auch wenn sie wie im Rückblick auf die Schulzeit im Christ's Hospital mit Drill- und Foltererinnerungen besetzt ist.

Kein Gegenstand ist zu klein, keine Empfindung zu groß, um sich nicht Gedanken über sie zu machen: Lamb reflektiert über nächtliche Gespenster ("Die Armseligkeit meiner Träume kränkt mich"), den Typus des armen Verwandten, erzählt von seinem ersten Theaterbesuch im Alter von sechs Jahren (im Theatre Royal an der Drury Lane wurde die Oper "Artaxerxes" gegeben), sinnt nach über die Lebensalter und ihre geistige Prägekraft ("Doch wir sind mit sechzig und sechzehn weniger verschieden als mit sechzehn und sechs"). Als Junggeselle verwahrt er sich gegen den Meinungsterror, der von verheirateten Paaren ausgeht; als gläubiger Christ hadert er mit der Praxis des Tischgebets: "Man fühlt mit einem Mal die Ungerechtigkeit, die darin liegt, dass man dankt - wofür? Dafür, dass man selbst zu viel hat, während so viele verhungern. So lobt man Gott auf die falsche Art." Zeitlos gültig ist seine Charakterstudie eines Mannes, der an seiner "Selbstangefülltheit" erstickt: "Seine Konversation ist ein einziger Monolog (. . .) Er hat alle Pronomina abgeschafft mit Ausnahme derer der ersten Person."

Die den Buchtitel spendierende "Abhandlung über den Schweinebraten" führt zurück in eine imaginäre chinesische Vergangenheit. Lamb erzählt die Geschichte des Schweinehirten Ho-Ti und seines Sohne Bo-Bo, der in Abwesenheit des Vaters einen Brand der armseligen Strohhütte nicht verhindern kann - neun Ferkel finden den Flammentod. Als sich der Rauch verzogen hat, steigt ihm ein Geruch in die Nase, "der keinem glich, den er je zuvor erlebt hatte". Es ist der Geruch von gegrilltem Schweinefleisch, und als er die Schweinbratenkruste probiert, ist es um ihm geschehen, dann um den Vater, dann um den Richter, der sie verurteilen sollte. Bei jedem Ferkelwurf brennen jetzt überall die Häuser und die Hütten. Bis einer den Bratspieß erfindet. Lamb zieht daraus den Schluss: "Wenn es einen Vorwand für ein (besonders heutzutage) so gefährliches Experiment wie das Anzünden von Häusern gibt, der sich kulinarisch rechtfertigen ließe, dann wären dieser Vorwand und diese Ausflucht im Schweinebraten zu finden."

Der bewusste Verzicht auf Fußnoten wirkt nicht glücklich, an vielen Stellen wären sie doch hilfreich gewesen. Obendrein bringt Norbert Millers enthusiastisches, mit seitenlangen Zitaten und Ausrufezeichen gespicktes siebzigseitiges Nachwort den Band beinahe aus dem Gleichgewicht. So stehen am Ende neunundachtzig Seiten Lamb fünfundsiebzig Seiten Kalka und Miller gegenüber. Und Charles Lamb schafft es zwar, den Ärmelkanal zu überwinden, aber leider nur als Häppchen.

Charles Lamb: "Eine Abhandlung über Schweinebraten". Essays.

Eingeleitet und übersetzt von Joachim Kalka. Mit einem Nachwort von Norbert Miller. Berenberg Verlag, Berlin 2014. 176 S., geb., 20,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2014

Gnadenlose
Verfeinerung
Tiefgründig, witzig, persönlich:
Essays von Charles Lamb
„Unter der mittleren Körpergröße; Gesichtszüge ein wenig jüdisch, ohne judäischen Zug in seiner religiösen Neigung; stottert fürchterlich und neigt deshalb dazu, sich in Unterhaltungen eher in einem wunderlichen Aphorismus oder einem dürftigen Scherz zu entladen als in gesetzten, erbaulichen Reden.“
  So beschreibt der englische Romantiker Charles Lamb in seiner „Autobiographischen Skizze“ aus dem Jahr 1827 sich selbst. Es gebe Prosatexte und Gedichte von ihm, fährt Lamb fort, „gesammelt in zwei schmalen Oktavbändchen und pompös als seine Werke bezeichnet, obwohl es tatsächlich seine Erholungen waren. Seine wahren Werke mögen in den Aktenregalen in der Leadenhill Street aufgefunden werden, wo sie etwa hundert Folianten füllen.“
  In dieser Leadenhill Street in der Londoner City stand einst das Haus der East India Company, einer zentralen Instanz des britischen Kolonialismus. Dreißig Jahre arbeitete Charles Lamb als Lohnschreiber in seinem Büro im East India House, an dessen Stelle heute die Lloyd’s-Versicherung ihren Hauptsitz hat. Doch anders als Lamb selbst, der stets mit seinen eigenen Schwächen teils kokettierte, teils ernsthaft haderte, wird sein Publikum nicht seine Buchhalter-Einträge in die Geschäftsbücher als sein eigentliches Œuvre ansehen, sondern ebenjene literarischen „Erholungen“.
  Charles Lamb schrieb Gedichte, von denen es ein paar in den Kanon der englischen Lyrik geschafft haben, darunter ein Gedicht auf einen gestorbenen Säugling. Er schrieb wunderbare Briefe, etwa an Schulkameraden und Romantikerkollegen wie S. T. Coleridge. Sein größter Bestseller waren die „Tales from Shakespeare“, eine Prosa-Nacherzählung der Dramen Shakespeares im Märchenton für Jugendliche; Lamb verfasste diesen erfolgreichen Hausschatz zusammen mit seiner Schwester Mary, die 1796 in einem Anfall von Umnachtung die gemeinsame Mutter mit einem Messer erstochen hatte. Charles, der unverheiratet blieb, kümmerte sich fortan ums psychische und leibliche Wohlergehen seiner Schwester; er geriet allerdings auch selbst eine Zeitlang in eine Lebens- und Schaffenskrise, von der unter anderem Coleridges Gedicht „An einen Freund, der seine Absicht erklärt hatte, keine Gedichte mehr zu schreiben“ zeugt.
  Oh je – klingt das vielleicht alles viel zu düster? Dann sollte man schnellstens zu seinen Essays greifen, die zuerst im London Magazine unter dem Namen „Elia“ erschienen und 1823/26 in Buchform herauskamen („Essays of Elia“ und „Last Essays of Elia“). Diese Essays handeln mal von den Vorzügen des Spanferkels, mal von der Heuchelei beim Tischgebet, mal von der Angst vor Hexen. Lambs kleine Prosastücke sind tiefgründig und witzig, sie sind leicht, aber nicht läppisch, sie haben einen persönlichen, aber unaffektierten Ton.
  Es geht in diesen Texten, die viele nachfolgende Autoren beeindruckt haben, um Gesellschaftliches und Seelisches, Literarisches und Alltägliches, um Charakter und Erscheinung der Zeitgenossen, um das Leben in London, „auf den Straßen dieser neugierigen und grinsenden Metropole“. Aus Lambs Begabung zur Beobachtung ergeben sich da einerseits sehr präzise Klagen – über verheiratete Paare („die Ostentation ehelichen Glücks . . . ist eine reine, ungesühnte, uneingeschränkte Beleidigung“), über den heiklen Umgang mit ärmeren Verwandten, über die Misshandlung der Frauen oder über Glanz und Elend, Gelehrsamkeit und Grausamkeit der englischen Internatsschule. Andererseits richtet sich derselbe scharfe Blick ins Innere; für einen Romantiker, der doch eigentlich auf seine Nachtgestalten besonders stolz zu sein hätte, ist es beispielsweise eine ziemlich entwaffnende Feststellung, wenn er schreibt: „Ich schäme mich fast, dem guten Ruf meiner Phantasie zu schaden und zu gestehen, wie zahm und prosaisch meine Träume geworden sind.“
  Jetzt ist in einer der schönen Berenberg-Ausgaben eine Auswahl der Essays von Charles Lamb erschienen, die der unermüdliche Joachim Kalka getroffen und übersetzt hat. Wie eine frühere Auswahl, die Walter Föhl 1965 in der Reihe Winkler Weltliteratur herausgegeben hatte, trägt sie die „Abhandlung über Schweinebraten“ im Titel. Dass da bloß keiner denkt, es handele sich um ein Produkt der jüngsten britischen Gastro-Welle! Lamb hat zwar auch zu den kulinarischen Gewohnheiten seiner Zeit einiges zu sagen, aber keineswegs nur dazu. Beigefügt ist dem Buch eine Studie von Norbert Miller über den bewegenden Briefwechsel mit Coleridge.
  Die Lektüre dieser Prosa ist wärmstens zu empfehlen: Sie erzählt von der gleichzeitigen Verfeinerung und Gnadenlosigkeit der englischen Gesellschaft; und sie ist darüber hinaus – bei aller Beiläufigkeit – immer wieder hellsichtig, überraschend, gegenwärtig.
JOHAN SCHLOEMANN
Er war Sekretär der
Ostindien-Kompanie und ein
hellsichtiger Romantiker
Charles Lamb:
Eine Abhandlung über Schweinebraten. Essays. Ausgewählt, übersetzt
und mit einem Vorwort
von Joachim Kalka.
Mit einer Studie von Norbert Miller. Berenberg Verlag, Berlin 2014.
176 Seiten, 20 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Werner von Koppenfels zeigt sich erfreut über diesen Band mit Essays von Charles Lamb. Die von Joachim Kalka ausgewählten und übersetzten Texte sind für ihn echte "Leckerbissen", die er mit großem Genuss goutiert hat. Er schätzt Lamb, dessen Texte unter dem Namen Elia seit 1820 erschienen waren, als wichtigen englischen Essayisten. Die Texte scheinen ihm "kunstvoll verschnörkelt", ironisch, witzig und von dunklem Humor. Bedauerlich findet er allerdings die Beschränkung auf zehn Essays, hätte er sich doch auch Lambs Essays über altes Porzellan, über die Vertreibung der Bettler aus London, den Preis der Schornsteinfeger, u.a. gewünscht.

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