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»Laurens Straub ist ein Heiliger des Neuen Deutschen Films. Als Zeuge und Mitstreiter hat er die Anfänge von Herzog, Wenders, Fassinder und vielen anderen begleitet.« (Andreas Kilb, Die Zeit)
Laurens Straub (1944-2007) war der umtriebige Organisator des Filmverlags der Autoren, er brachte die Filme von Fassbinder und Wenders, von Herzog und Achternbusch ins Kino. Unorthodox und innovativ, ein Vordenker ohne (typisch deutschen) ideologischen Ballast, ein Marketing-Genie mit unkonventionellen Ideen und Witz, der das Publikum für sein Kino gewinnen wollte, ohne dem Zeitgeist hinterher zu…mehr

Produktbeschreibung
»Laurens Straub ist ein Heiliger des Neuen Deutschen Films. Als Zeuge und Mitstreiter hat er die Anfänge von Herzog, Wenders, Fassinder und vielen anderen begleitet.« (Andreas Kilb, Die Zeit)

Laurens Straub (1944-2007) war der umtriebige Organisator des Filmverlags der Autoren, er brachte die Filme von Fassbinder und Wenders, von Herzog und Achternbusch ins Kino. Unorthodox und innovativ, ein Vordenker ohne (typisch deutschen) ideologischen Ballast, ein Marketing-Genie mit unkonventionellen Ideen und Witz, der das Publikum für sein Kino gewinnen wollte, ohne dem Zeitgeist hinterher zu hecheln.

Der Band versammelt verschollene Artikel und Aufsätze, meist aus der sog. »grauen Literatur« (Programmheften, Underground-Blättern, Katalogen) sowie Texte aus dem Nachlass, den Notizbüchern und andere Aufzeichnungen. "Laurens Straub ist ein Heiliger des Neuen Deutschen Films. Als Zeuge und Mitstreiter hat er die Anfänge von Herzog, Wenders, Fassinder und vielen anderen begleitet." (Andreas Kilb, Die Zeit)
Laurens Straub (1944-2007) war der umtriebige Organisator des Filmverlags der Autoren, er brachte die Filme von Fassbinder und Wenders, von Herzog und Achternbusch ins Kino. Unorthodox und innovativ, ein Vordenker ohne (typisch deutschen) ideologischen Ballast, ein Marketing-Genie mit unkonventionellen Ideen und Witz, der das Publikum für sein Kino gewinnen wollte, ohne dem Zeitgeist hinterher zu hecheln.
Der Band versammelt verschollene Artikel und Aufsätze, meist aus der sog. "grauen Literatur" (Programmheften, Underground-Blättern, Katalogen) sowie Texte aus dem Nachlass, den Notizbüchern und andere Aufzeichnungen.
Autorenporträt
Michael Töteberg, geboren 1951, ist Leiter der Rowohlt Agentur für Medienrechte und freier Autor; Herausgeber der Schriften von Wim Wenders und Edgar Reitz; verschiedene Veröffentlichungen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 05.02.2011

Die Frau im roten Kleid

Eine Stimme aus der Zeit, als die Zeit der Einzelgänger zu Ende ging: Die Schriften des verstorbenen Filmproduzenten Laurens Straub sind ein Roman über Aufstieg und Fall des Neuen Deutschen Films

Von Dominik Graf

Der Kalvarienberg der deutschen Filmgeschichte wächst. Den Opfern des Schlachtfelds Deutsches Kino wird zwar alljährlich beim Filmpreis der sentimentale Hollywood-geklaute Foto-Urnen-Tribut mit der pflichtgemäßen Branchenrührung gezollt. Aber die großen Toten des deutschen Films (es gibt auch viele kleine) haben Besseres verdient. Hier erscheint nun einer von ihnen wie quicklebendig nochmal vor uns, mit einer postumen Kriegserklärung an das Mittelmaß unserer neudeutschen Filmerei. Fröhlich, kopfstark, voller Leidenschaft, witzig, aber auch angebracht bitter und einmal sogar vollends wütend-kraftvoll und unsäglich traurig.

Man hatte das Erscheinen des Straub-Buchs erwartet, aber sozusagen nicht so. Nicht so einen überschäumenden Aufprall von Wortblitzen. Ich hab's allein schon wegen des Traumbilds vom jungen Laurens Straub auf dem Cover gekauft, das Foto desjenigen Straub, der Baader und Fassbinder und das "Bungalow" in der Türkenstraße kannte. Man macht das Buch auf: Lauter wundervolle Sätze starren einen an. "Deutschland ist nicht Amerika geworden. Tja. Was mach ich hier bloß." Fragen ohne Fragezeichen. Straub haut in seinen rasanten Formulierungen den Nagel hochprozentig auf den Kopf. Über Bruno Ganz: "Bruno ist das geborene Remake, das niemand außer Ganz nachmachen kann." Seine Kurzbeschreibung von Russ Meyers wahnsinnigem Kriegsberichtserstatterbild aus Köln in den letzten Kriegstagen (das Myer einem Freund zuschrieb) -wie ein Telegramm von Hemingway: "Sterbender brennender Soldat im Führerhaus des Panzers wirft Arme wie im Gebet hoch in die Luft, hinter ihm der zerstörte Kölner Dom." Über Peter Patzak: "Er sät den Sturm, um im Auge des Orkans ruhig zu werden." Bei dem Text über Jochen Kuhns Filme schlägt Straub zarteste Robert-Walser-hafte Harfentöne an. Und der Text über Roland Klick von 1993 ist, heute gelesen, derart gut und leidenschaftlich, dass einem die Tränen kommen.

1981 ist der chronologische Dreh- und Angelpunkt. 1981 erscheint hier im Nachhinein als Jahr der Entscheidung im westdeutschen Film. "Der wahre Kern des Spiegelgefechts, das stattfand", wartet auf den Leser ab Seite 107. Seinen Zeitgenossen in der deutschen Filmindustrie schleudert Straub entgegen: "Wir haben das Publikum nicht verloren. Ihr wolltet ein anderes. Es sollte ein neues Publikum werden, ein viel größeres. Das Publikum, das wir dann hatten, war versaut von Genesis." (Die Popgruppe als Hitfabrik - nach Gabriels Abgang und Collins' Übernahme.) "Die Zeit der Einzelgänger war zu Ende." Struktur musste her ab den Achtzigern im westdeutschen Film, Größe und viel mehr Geld.

Straubs Buch funktioniert wie der Guide durch jene Zeiten, wie ein Roman über den deutschen Film. Es ist eine Chronologie des Niedergangs nach dem großen Enthusiasmus der Autoren. Aber immer zeigen sich zwischendurch Hoffnungsschimmer. Große Erfolge: "Taxi zum Klo"-Premiere im "Castro"- Kino in San Francisco, die Zuschauer bilden eine Schlange vier Häuserblocks lang. Halb vergessene Verstorbene: Alf Brustellin und sein idiotischer Unfalltod im nächtlichen Taxi gegenüber dem Geschwister Scholl-Brunnen auf der Ludwigstraße. Es liest sich alles so mühelos, so schnell, so als hätte Laurens Straub all die Jahre heimlich an einem Tagebuch geschrieben. Ist Quatsch, denn die Artikel waren ja großteils schon öffentlich, aber vielleicht zu weit verstreut, um die Gedankengröße des Schreibers erfahren zu können. Michael Töteberg erwähnt in seinem spannenden und hochengagierten Vorwort den gemeinsamen Auftritt von Straub und Eichinger in "Heimat 1". Ausgerechnet diese beiden, die für Edgar Reitz die Kapitalisten spielten, die den Hunsrück heimsuchen wollen, sitzen da zusammen in einer Karosse. Ausgerechnet - denkt man sich gerade jetzt nochmal! Unfassbar.

Ein Artikel als filmpolitische Streitschrift - beängstigend aktuell: "Ein U-Boot kommt selten allein." Schon wieder 1981. Straub zitiert Orson Welles von 1941: "Everybody wants to make movies and my stupid brother too." Er zitiert dies, weil die FFA 1981 bereits die Filmvielfalt in der Bundesrepublik stark multipliziert und damit "einen Overkill an Förderung produziert, der wiederum einen vielfältigen Verlust bei den Verleihern akkumuliert". Wir produzierten also auch damals schon viel zu viele Filme und tun dies 2010 immer noch und erst recht. Heute tun wir's, weil die Idiotie der überall hektisch gegründeten Filmschulen der Neunziger nach guter Funktionärssitte unbeirrt noch zu ihrem bitteren Ende getrieben werden muss. Dieses Ende wird sein die grotesk geballte Filmregisseurskompetenz auf dem Arbeitsamt. "40 von 48 Spielfilmen spielen nicht einmal die Veröffentlichungskosten wieder ein." 1981! Und weiter: "Mit dem Abspielen von Filmen ist kaum noch was für Produzenten zu gewinnen, also sind die Produzenten dazu übergegangen, ihren Profit in der Herstellung zu suchen: Die Herstellungspreise werden künstlich (in der Kalkulation) überhöht und dann praktisch unterschritten." Für ähnliche unbequeme Wahrheiten, Vermutungen und Unterstellungen kassierte damals Eckhart Schmidt beim nächtlichen Schwabing-Spaziergang die Ohrfeige eines herausragenden Autorenfilm-Regisseurs. Und: "Zunehmend ist es so, dass die guten Filme gut sind, aber wenig Spaß machen." Da zeichnet sich deutlich eine große Niederlage ab. Aber auf die Niederlagen im deutschen Film hat Straub den allereigenwilligsten Blick: "She knows that there is no success like failure and that failure is no success at all."

Straub übersetzt failure einmal als Misserfolg und einmal als Versagen. Und deutet damit nicht nur Dylan richtig ("Love minus zero/no limit"), sondern stellt auch gleich eine grandiose Verlierer-Mythologie auf, die deutsch ist und deutsch bleiben soll - und die unserem Kino ja stets viel besser stand als die Gewinnerideologie der Groß-Event-Producer. "Ich sehe lieber täglich die Ruinen der Gewalt", schreibt er und "findet es angenehm", dass im damaligen deutschen Film die "Verlierer, Aussteiger, Verweigerer davon zeugen, dass Deutsche Deutschland nicht lieben", oder besser: "ihrem Land nicht trauen". Was er schreibt ist der lebende Widerspruch zum bestehenden System: "In dieser Lage hilft nur eine Bombe, die sollte aber aus Zelluloid sein." Agitpropsprache, eilig auf der Feuerstelle der Filmpolitik erhitzt. Die Bombe kam dann nie mehr, das deutsche Filmsystem aus TV und Wirtschaftsförderung hatte längst alle umarmt. Es gab irgendwann kein unabhängiges Kino mehr und die herbeigeförderte Industriestruktur wurde mehr und mehr zum Schlachtfeld. Beleidigtheiten, Größenwahn, grausig verirrte ebenso wie grausig zielstrebige Pseudokünstler, im Grunde jeder gegen jeden, Animositäten, tiefe Verletzungen. Man muss das Kino schon sehr lieben, wenn man sich mit seinen Sehnsüchten und Hoffnungen ausgerechnet in diese Branche verstricken will. Andererseits, was bleibt einem als deutschem Regisseur, Produzent, Schauspieler und so weiter anderes übrig, wenn man nicht zu emigrieren willens ist? Zumindest weiß man, worauf man sich hier einlässt: auf Neid, Missgunst, Hickhack um die Fördertöpfe, jetzt sogar politischen Missbrauch der Filmpremieren und Filmpreise. Egal.

Je älter Straub wird, umso weiter geht es in seinem Herzen zurück: "In der Gleichgültigkeit gibt es keinen Mangel." Themenpark Baader-Fassbinder-Romy Schneider! ("Herbstmythen" in Paris 1994) "München wird allmählich ein Vorort von Los Angeles." Und er konstruiert wie nebenbei den großen mythischen Augenblick, den es nicht gab (oder vielleicht doch?): Am Vorabend der Frankfurter Kaufhaus-Brandstiftung spielt Fassbinders Actiontheater in der Fraunhoferstraße ein Stück, "das in einer Wasserwerferarie endet, das Publikum wird nassgespritzt - und da lungern Baader und Söhnlein herum und sagen: ,Übrigens, wir hauen ab, nach Frankfurt, da machen wir was, morgen, also dann, tschüss.'" Geburt der RAF aus dem Theater und aus dem Kino. (Baader schaute sich vorher zwanzigmal den "Wild One" mit Brando an.) Baader und Fassbinder: Lederjacken unter sich.

Und dann schließlich der gewaltige Text - wahrlich ein Text! Der Showdown: über Roland Klick. Eine Stakkato-Hymne an das Einzelgängertum im deutschen Kino! "Erste Begegnung 1969. Auf der Terrasse beim Spanier am Ku'damm. Neben dir eine Frau im roten Kleid, dir ergeben. Damals dachte ich, so müsste ich sein. Desperado und Erfolgsmensch. Die Aura sagt: Hier stimmt alles, wir werden siegen. Das Kino!" Kommerziell denken war damals Avantgarde, der Regisseur kann ein Bandido sein, der dem Volk zurückgibt, was es dringend braucht, leidenschaftliche Genre-Unterhaltung. Der Regisseur dreht und kämpft im (vermeintlichen) Einklang mit dem Publikum. "Deadlock", "Supermarkt", ,"Lieb Vaterland". Klick schien unaufhaltsam. Dann das Drama: "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", wieder 1981, in West-Berlin. Klick gegen Eichinger. Sie dachten, sie seien ein Team, gemeinsam unschlagbar, "er trägt eine Lederjacke so wie du, inzwischen hat er deine alte Freundin" - die mit dem roten Kleid. Und dann zeigt sich, sie sind in Wahrheit Gegner, denn der Konflikt heißt damals bereits: "Authentizität gegen Simulation". Vier Wochen vor Drehbeginn wirft Eichinger Klick raus. "Roland ist maßlos, sagt er." Uli Edel übernimmt und macht zweifellos einen tadellosen Film. Eichinger, der imposante Sieger. Trotzdem - bei Straub liest man noch eine andere Wahrheit als die offizielle: Die Freibeuter sind nun zu Großgrundbesitzern geworden, so wie die Hausbesetzer in Kreuzberg später Hausbesitzer waren. Straub beschreibt auf atemberaubende Art die Tragödie des Post-Autoren-Kinos: Eichinger kauft die Besten ein, und sie machen bei ihm oft nicht ihre tollsten Filme. Aber diese Filme sind eben die ganz großen Publikumserfolge. Eine Katastrophe für das Kino, so wie es Straub und andere wollten. Nur Klick war nicht zu kaufen, also musste er weg, blieb auf dem Weg zurück. Wirklich zurück, nicht doch eher vorneweg? Nicht doch viel eher ein Held, ein glorreicher "Verlierer", der in unserer Filmgeschichtsschreibung am Ende noch alle Sieger in die Tasche stecken wird?

Die Rückbank der Limousine in den Hunsrück ist jetzt leer, und die ganze vertrackte Dialektik der BRD-Film-Achtziger wurde noch nie derart auf den Punkt gebracht wie in diesem Buch. Dazwischen stellt Straub sich Klick bei seiner eigenen Retro 1993 in Saarbrücken im "besten Hotelzimmer der Stadt" vor: "Du gehst herum und sprichst mit den Toten. Die Frau im roten Kleid ist nun auch tot. Wondratschek hat ihr sein Arschloch-Gedicht hinterher gejagt, Eichinger die Traueranzeige geschaltet. Hier beginnt ein Roman. Schluss." Es ist dieselbe Frau im roten Kleid, die in Dietls "Rossini" vorkommt, von Gudrun Landgrebe gespielt, und die dort am Ende märchenhaft blutrot und schneeweiß in der Badewanne liegt. "Das Bild, das übrig bleibt, ist Aura. Wir erreichten mit 26 ein mythisches Jetzt, den Punkt, der angrenzt an die Ewigkeit. Und tranken noch ein Bier mit Keith Richard. Oh, Mann, Keith."

Laurens Straub: "Mein Kino. So soll es sein".

Herausgegeben von Michael Töteberg. Belleville Verlag, München 2010, br., 146 S., 14 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Vielleicht nicht sonderlich stringent, aber unbedingt fulminant ist Dominik Grafs Besprechung der postum gesammelten Texte des für den Neuen Deutschen Film so wichtigen, 2007 verstorbenen Filmverlag-der-Autoren-Organisators Laurens Straub. Restlos begeistert ist Graf davon und, wie er selbst zugibt, überrascht. Es sei ja nicht so, dass die Texte nicht zuvor verstreut veröffentlicht worden wären, aber erst in der Gesamtschau werde ihre sprachliche Qualität, ihre Pointiertheit, ihr polemischer Furor so richtig deutlich. Und lehrreich sei das Ganze auch. Wie sehr die Probleme von gleichzeitiger Überförderung und Durchschnittlichkeit, die Straub hier für die achtziger Jahre beschreibt, denen von heute doch gleichen! seufzt Graf. Als tollstes Stück im tollen Band preist er dann Straubs Text zu Roland Klick, der nach Streit mit Bernd Eichinger als Regisseur von "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo" abserviert wurde. Summa summarum: Hier ist die "Tragödie des Post-Autorenkinos" nachzulesen, und zwar auf "atemberaubende Weise".

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