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Cetarti versinkt im Nichts. Ohne Arbeit und Plan verbringt er seine Tage kiffend vor dem Fernseher und schaut mit Vorliebe Tierfilme über kannibalische Riesenkraken und militärhistorische Dokumentationen im Discovery Channel. Der Anruf eines Unbekannten reißt ihn jäh aus seiner Lethargie. Seine Mutter und sein Bruder seien erschossen worden, er solle sich um die Leichen kümmern. Eher unwillig und mit genügend Dope in der Tasche macht er sich in das abgelegene Provinzdorf im Chaco auf. Lapachito ist ein finsterer Ort, wo die Häuser immer tiefer im Schlamm versinken und eine grelle,…mehr

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Produktbeschreibung
Cetarti versinkt im Nichts. Ohne Arbeit und Plan verbringt er seine Tage kiffend vor dem Fernseher und schaut mit Vorliebe Tierfilme über kannibalische Riesenkraken und militärhistorische Dokumentationen im Discovery Channel. Der Anruf eines Unbekannten reißt ihn jäh aus seiner Lethargie. Seine Mutter und sein Bruder seien erschossen worden, er solle sich um die Leichen kümmern. Eher unwillig und mit genügend Dope in der Tasche macht er sich in das abgelegene Provinzdorf im Chaco auf. Lapachito ist ein finsterer Ort, wo die Häuser immer tiefer im Schlamm versinken und eine grelle, furchterregende Sonne die Menschen in den Wahnsinn treibt. Für Cetarti - und den Leser - beginnt ein halluzinogener Horrortrip in eine surreale Welt, in der es von giftigen Insekten wimmelt und die Menschen sich wie Raubtiere verhalten. Entführungen, Erpressungen und Erniedrigungen sind hier so selbstverständlich wie das Basteln an Modellen von Langstreckenbombern, Fastfood und Kabelfernsehen. Carlos Busqued zeichnet in diesem erstaunlichen Debüt mit einer direkten, harten und melodiösen Sprache das Bild eines zivilisatorischen Untergangs, in dem die Grenze zwischen albtraumhafter Realität und realistischen Albträumen zunehmend verschwimmt. Ein flammend radikaler Roman, voller Verweise auf die jüngste Geschichte Argentiniens, auf Folter, Verbrechen, Schuld und Hass, auf die Tiefenwirkungen der Diktatur. Mit der sezierenden Unerbittlichkeit eines Zoologen blickt Carlos Busqued in das Antlitz des Kraken, der nicht nur Argentinien in seinen Fängen hält.
Autorenporträt
Busqued, Carlos§Carlos Busqued wurde 1970 in der nordargentinischen Provinz Chaco geboren und lebt heute in Buenos Aires. Er produziert die Radioprogramme "Vidas Ejemplares" (Vorbildliche Leben), "El Otoño en Pekín" (Herbst in Peking) und "Prisonero del Planeta Infierno" (Häftling des Höllenplaneten) und schreibt für das Magazin "EL Ojo Con Dientes" (Das Auge mit Zähnen). "Unter dieser furchterregenden Sonne" ist sein erster Roman.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.09.2010

Der Axolotl ist wieder da
Aufstand der Tiere: Das Romandebüt „Unter dieser furchterregenden Sonne“ des Argentiniers Carlos Busqued
Der Axolotl ist wieder da. Offenbar ein wirklich faszinierender Bursche. Im Jahr eins nach Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ spielt der merkwürdige Schwanzlurch nun in „Unter dieser furchterregenden Sonne“, dem erstaunlichen Romandebüt des Argentiniers Carlos Busqued, eine entscheidende Nebenrolle. Allerdings hat ein argentinischer Axolotl andere Vorfahren als ein deutscher. Dem südamerikanischen wurde nämlich bereits vor mehr als fünfzig Jahren ein literarisches Denkmal gesetzt, und jeder neue Literatur-Axolotl ist deshalb eine Referenz an jenen Vorgänger. In der 1956 erschienenen Erzählung „Axolotl“ von Julio Cortázar, Argentiniens zweitem Schriftsteller-Gott neben Jorge Luís Borges, vertieft sich der Ich-Erzähler so lange in die halb mysteriöse Erscheinung des Lurchs, bis er selbst einer wird. Zuvor beschreibt er allerdings dessen Ausstrahlung und auch dessen „geheimen Willen“: Der Axolotl wolle, durch seine Unbeweglichkeit und Indifferenz, Raum und Zeit abschaffen.  
Eine solche, sagen wir, Implosion der Schöpfung rollt wie ein fernes Donnergrollen am weiteren Horizont dieses Romans heran , auch wenn der Autor Carlos Busqued – er wurde 1970 in der nordargentinischen Provinz Chaco geboren und lebt in Buenos Aires – selbst eine so voluminöse Wendung kaum in den Mund nehmen würde, so wenig wie seine Figuren. Denn was man zunächst schwarz auf weiß in „Unter dieser furchterregenden Sonne“ zu lesen bekommt, kann ganz einfach als kleine schmutzige Geschichte aus der argentinischen Provinz mit entsprechendem Personal durchgehen.
Cetarti zum Beispiel. Dem Enddreißiger, wohnhaft in Córdoba, wurde vor sechs Monaten wegen „demotivierenden Verhaltens“ gekündigt, seitdem sitzt er vor dem Fernseher und kifft. Duarte, ein vermeintlicher Testamentsvollstrecker aus dem weit entfernten Dorf Lapachito, ruft an. Cetartis Mutter und Bruder sind erschossen worden, der Hinterbliebene muss die Leichen identifizieren. Cetarti fährt aufs Dorf, bringt alles lethargisch bis angewidert hinter sich und kommt nebenbei mit Duarte – der das bessere Dope raucht – überein, sich aus gegebenem Anlass eine Lebensversicherung zu erschleichen. Duartes kriminelle Energie reicht allerdings noch weiter.
Mit einem gewissen Danielito, ähnlich alt und bekifft wie Cetarti, entführt er gelegentlich unbescholtene Mitmenschen, um von den Angehörigen Lösegeld zu erpressen. Cetarti erfährt davon nichts. Er kehrt zurück nach Córdoba, reißt sich die vollgemüllte Wohnung seines Bruders mitsamt Axolotl unter den Nagel und lebt weiter von den Beständen. Dann schluckt Danielitos Mutter Rattengift. Und Duarte bittet Cetarti um einen Gefallen.
So weit ein grober Umriss, der aber im Grunde fast gar nichts verrät. Denn Busqueds Buch bezieht seine dunkle Kraft weniger aus den Schilderungen selbst als aus dem, was er sorgsam aus ihnen herausgebürstet hat. Da sterben die Mutter und der Bruder; es sind Blutspuren geblieben, es gibt aufgebahrte Körper, zwei Urnen mit Asche, eine verlassene Wohnung. Aber es gibt keine Trauer, keinen Schmerz, keine Erinnerung. Es gibt Entführungen mit Entführten. Aber es gibt weder Anklage noch Reue. Es gibt einen kriminellen Sohn und eine Mutter, die sich das Leben nimmt. Aber es gibt keine Wut und kein Schuldgefühl. Und es gibt – wo kämen wir sonst hin? – erst recht keinen Erzähler, der sich kommentierend zu Wort meldete.
Die Handlung schnurrt oft in einer geradezu sorglos wirkenden Amoralität ab. Dabei wird bald klar, dass Busqued weder auf schwarzen Humor aus ist noch auf ein soziales Drama oder gar Außenseiter-Romantik. Eher scheint er beobachten zu wollen, wann / wem / wo es weh tut, wenn Figuren, denen als einzige emotionale Reserve ein sporadischer Ekel geblieben ist, weiter so durchs Leben schleichen, als seien sie noch voll satisfaktionsfähige Menschen. Aber mit solchen Mutmaßungen tritt man der von Busqued sorgfältig entseelten Roman-Oberfläche wahrscheinlich schon wieder viel zu nahe.
Immerhin ist dieses knochentrockene Buch dann doch sehr spezifisch gewürzt. Nicht nur droht Lapachito langsam im eigenen Schlamm zu versinken und Cetartis Behausung wird beständig von Schlachthof-Geruch überweht. Vor allem drängen, scheinbar von allen Seiten her, Tiere ins Bild, wie kreatürliche Vorboten einer nahenden Apokalypse. Im Fernsehen wird von gefräßigen Riesenkraken und Killer-Elefanten berichtet. Auf den Straßen lauern mandarinengroße Giftkäfer, die Mäuse verspeisen und auch vor menschlichen Gliedmaßen nicht zurückschrecken. Danielitos Mutter wird von den eigenen Hunden angefallen. Ein Zeburind knallt unversehens gegen Cetartis Haustür. Und eine Kuh steht plötzlich mitten auf der Straße und erwartet offenbar seelenruhig den Frontalzusammenstoß.
Die Tiere, so scheint es, verlieren langsam den Respekt vor einem Menschen, der seine Überlegenheit nicht mehr ordentlich zu gebrauchen weiß; womöglich wird der Homo Sapiens, wenn er erst nach Strich und Faden heruntergekommen ist, einst erneut im Dschungel seinen Mann stehen müssen.
Der Axolotl in Cetartis Aquarium verzieht übrigens, wie es nun einmal seine Art ist, zu all dem keine Miene. Wozu auch? Seine Indifferenz wirkt ansteckend. Sein geheimer Wille geschieht. Die Apokalypse wird Schluss machen mit Raum und Zeit. Vorher allerdings – denn wir befinden uns ja immer noch in einem dreckigen kleinen Roman – wird Cetarti das Tierchen schlicht verhungern lassen. Da hört sich‘s dann auf mit der Referenz an das literarische Vorbild. Bei Julio Cortázar fand ein tief empfundener Austausch zwischen Tier und Mensch statt. Derartige Feinfühligkeiten sind – nur konsequent – bei Carlos Busqued nicht mehr drin.
MERTEN WORTHMANN
CARLOS BUSQUED: Unter dieser furchterregenden Sonne. Aus dem Spanischen übersetzt von Dagmar Ploetz. Verlag Antje Kunstmann, München 2010. 190 Seiten, 17,90 Euro.
Es gibt hier keinen Erzähler,
der sich kommentierend zu Wort
meldet – und das ist gut so
Der Axolotl im Aquarium einer der Hauptfiguren des Romandebüts von Carlos Busqued verzieht, wie es nun einmal seine Art ist, keine Miene zu den katastrophalen, gelegentlich tödlichen Ereignissen, die um ihn herum geschehen. Er weiß: Seine Indifferenz wirkt ansteckend. Sein geheimer Wille geschieht. Die Apokalypse wird Raum und Zeit vernichten. Wahrscheinlich hat der Axolotl die Erzählung „Axolotl“ von Julio Cortázar gelesen.  
Foto: NPL/Arco Images
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 21.01.2011

Kunst am Abgrund

Kiffen, Tier- und Technikfilme, das ist das Leben von Cetarti. Ein Nihilist, dem es an Begabung und auch sonst allem fehlt. Nicht leicht, einem solchen Menschen irgendetwas Interessantes abzugewinnen. So fragt man sich, warum der argentinische Autor Carlos Busqued, Jahrgang 1970, sich in seinem Debütroman so einen Protagonisten angetan hat. Vielleicht hätte es etwas gebracht, ihn psychologisch auszuloten, aber auf psychologische und sonstige Analyse setzt Busqued nicht - er versucht es mit einem Mittel, das schlechte lateinamerikanische Autoren in letzter Zeit im Wortsinn ad nauseam bemühen: der drastischen Schilderung deprimierender Umstände. Pornofilme müssen darum her, dazu sterbende Tiere, von erstickenden Fischen über zertretene Kakerlaken bis zu angefahrenen Rindern. Dazu auch eine Stadt mit überforderter Kanalisation, so dass der ganze Dreck nach oben spült. Das kann man symbolisch deuten, ebenso auch die Riesenkraken aus der Tiefe. Beide legen das Wort "abgründig" nah. Dergleichen gebraucht man gern, wenn man über die Zeit der argentinischen Militärdiktatur parliert. Denn um die geht es, um Machenschaften aus einer düsteren Zeit, die sich fortsetzen bis in die Gegenwart. Man könnte also einiges hineinlesen. Man kann es aber auch lassen - und kommt damit der Wahrheit vermutlich näher. Und die lautet, dass Busqued nicht viel eingefallen ist in diesem Roman. Es gibt, das hat gerade dieses Jahr gezeigt, sehr viel bessere argentinische Autoren. Sie haben gezeigt, was Busqued noch lernen muss: dass eine düstere historische Zeit allein nicht genügt, um gute Literatur entstehen zu lassen. Man muss auch noch Kunst hinzufügen. Die aber sucht man in diesem Roman vergebens. (Carlos Busqued: "Unter dieser furchterregenden Sonne". Aus dem Argentinischen von Dagmar Ploetz. Antje Kunstmann Verlag, München 2010. 190 S,. geb., 17,90 [Euro].) nipp

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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Fasziniert zeigt sich Andreas Fanizadeh von diesem so "unglaublich spannenden" wie düsteren Roman des Argentiniers Carlos Busqued, den er als sensibel und mehrdeutigen Autor schätzt. Busqueds erzählt darin aus der Parallelwelt lohnarbeitsferner Existenzen, sein lakonisch-subtiler Stil mische argentinische Erzähltradition und popkulturelle Ästhetik, schreibt der Kritiker und fühlt sich gelegentlich an die surrealen Einsprengsel in Filmen der Coen-Brothers oder Quentin Tarantinos erinnert. Es geht in diesem Thriller um das lethargische und ereignislose Außenseiterleben eines Vorstadtbewohners, lesen wir, der eines Tages durch den gewaltsamen Tod seines Onkels aufgescheucht wird. So kommt der Plot in Gang, der sich, wie uns der Kritiker versichert, mit grotesker Beiläufigkeit bald in gewaltsame Regionen aufschwingt, eine Welt aus Drogen, Hardcore-Pornos und Todeskämpfen. Insgesamt sei dieser Roman ein komplexer, kultureller Hybrid, und mithin eine Antithese zu allen Sarrazins und anderen Vereinfachern dieser Welt.

© Perlentaucher Medien GmbH