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Bereits zu Lebzeiten genoss Ryszard Kapuscinski (1932-2007) den Ruf eines "Jahrhundertreporters", und auch sechs Jahre nach seinem Tod gilt er immer noch als der meistgelesene Autor Polens. Seine Bücher - darunter Schah-in-Schah über die Revolution im Iran, Fußballkrieg über El Salvador und Honduras und Imperium über den Untergang der Sowjetunion - wurden in über 20 Sprachen übersetzt. Begegnungen mit Che Guevara oder dem kongolesischen Rebellen Patrice Lumumba ebneten seinen Ruhm, aber viele dieser Begebenheiten hatte er, wie Artur Domoslawski in seiner vieldiskutierten Biographie…mehr

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Produktbeschreibung
Bereits zu Lebzeiten genoss Ryszard Kapuscinski (1932-2007) den Ruf eines "Jahrhundertreporters", und auch sechs Jahre nach seinem Tod gilt er immer noch als der meistgelesene Autor Polens. Seine Bücher - darunter Schah-in-Schah über die Revolution im Iran, Fußballkrieg über El Salvador und Honduras und Imperium über den Untergang der Sowjetunion - wurden in über 20 Sprachen übersetzt. Begegnungen mit Che Guevara oder dem kongolesischen Rebellen Patrice Lumumba ebneten seinen Ruhm, aber viele dieser Begebenheiten hatte er, wie Artur Domoslawski in seiner vieldiskutierten Biographie eindrucksvoll nachweist, frei erfunden. Aber nicht nur die Arbeitsweise dieses Wegbereiters der modernen Reportage verdeutlicht Domoslawski in seinem Buch, er zeigt auch, dass Kapuscinski nicht nur ein genialer Autor, sondern auch ein genialer Selbstvermarkter war. In Polen hat das Buch mit seinen zahlreichen kritischen Anmerkungen eine große Debatte über Kapuscinski ausgelöst, aber ebenso hat es dazu beigetragen, ihn und sein Werk wieder zu neuem Leben zu erwecken. Der einstige Schüler und Freund Kapuscinski hat ein kluges, sehr persönliches und lehrreiches Buch über den "besten Reporter der Welt" geschrieben, das uns die ganze Bandbreite seines Könnens vor Augen führt.
Autorenporträt
Artur Domoslawski, Jahrgang 1967, ist Journalist der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza in Warschau. Vor der aufsehenerregenden Biographie über die Reporterlegende Ryszard Kapuscinski veröffentlichte er bereits mehrere, zum Teil preisgekrönte Bücher. Mit Ryszard Kapuscinski erscheint erstmals eines seiner Bücher auf Deutsch.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Gerhard Gnauck gibt Entwarnung: Bei Artur Domoslawskis Buch über die polnische Reporterlegende Ryszard Kapuscinski handelt es sich weder um einen Denkmalsturz noch um einen "postumen Vatermord", sondern um eine kritischer Biografie, die im Allgemeinen recht nachvollziehbar und gut argumentiert einige Dinge klarstellt: Etwa dass Kapuscinski nie mit Che Guevara oder Patrice Lumumba zusammengekommen ist, wie seine Verlage auf den Klappentexten posaunten, dass er die Wirklichkeit nicht unbedingt verfälschte, aber doch "literarisch wahrer" zeichnete, dass er mit dem polnischen Geheimdienst zusammengearbeitet hat. Manchmal erscheint der Drang zur Aufklärung etwas zwanghaft, das räumt Gnauch ein, aber nicht fehlgeleitet.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 07.06.2014

Wie viel darf ein Reporter erfinden?

Ryszard Kapuscinski war ein Mythos unter den Berichterstattern aus den Krisengebieten der Welt: Nun liegt eine Biographie vor, die mit einigen Legenden um seine Person gründlich aufräumt.

Wo immer seit den späten fünfziger Jahren ein Bürgerkrieg oder eine Revolution stattfand, war der 2007 verstorbene polnische Starreporter Ryszard Kapuscinski zur Stelle. Oft fuhr er in die Krisengebiete, wenn die alten Machtzentren dort zwar noch bestanden, sein aufmerksames Auge aber bereits die ersten Anzeichen der Erosion registrierte. Die ersten Reisen, nach Asien und in den Mittleren Osten, machte er 1956/57, und seitdem gab es für ihn nur eine Faszination: die Dritte Welt. Nur dort konnte er nach eigenen Worten "die Geschichte in Aktion erleben".

Niemand hat seine unzähligen Eskapaden gezählt, niemand ist auch auf die Idee gekommen, seine Arbeitsmethoden genauer zu analysieren oder zu hinterfragen. Er galt als Schöpfer einer besonderen Art der literarischen Reportage, über die Salman Rushdie einmal schrieb, sie sei eine Mixtur aus Reportage und Kunst, deren Stil den beschriebenen Fakten eine zweite Dimension verleihen. Das war für seine Fans Grund genug, jedes seiner Bücher zu einem Bestseller werden zu lassen und ihm schließlich den Titel "Reporter des Jahrhunderts" zu verleihen.

Um so größer war die Überraschung, als 2010 das Buch des Warschauer Journalisten Artur Domoslawski erschien, das nun auch auf Deutsch vorliegt: eine opulente Biographie, in der Domoslawski detailliert die Lebensstationen und die atemberaubende Karriere seines einstigen Freundes und Meisters nachzeichnet.

Schon 1962, er war gerade mal dreißig, übernahm Kapuscinski den Posten des ersten Korrespondenten der Polnischen Presseagentur in Afrika, sechs Jahre später durfte er für mehrere Jahre nach Lateinamerika. Gegen Ende seines Lebens gab es nur noch wenige Länder, die er nicht kannte. Er war Zeuge von siebenundzwanzig Revolutionen, zwölfmal kämpfte er an der Front, viermal wurde er zum Tode verurteilt. Zumindest wenn man seinen Selbstauskünften Glauben schenkt. Denn Domoslawski sieht vieles anders: Kaum einer der Mythen, die sich zu Lebzeiten um den großen Reporter rankten, hat für ihn Bestand und am wenigsten jene, die Kapuscinski selbst in die Welt gesetzt hat.

"Hat er seine eigene Legende geschaffen? Wie hat er das getan und warum?", fragt Domoslawski. Er nimmt sich viel Zeit, um diese Fragen zu beantworten. Er reist auf Kapuscinskis Spuren durch die ganze Welt, befragt dessen Freunde und Kollegen. Das Ergebnis seiner Recherchen würde seinem einstigen Mentor nicht gefallen. Denn was er anfangs nur als leisen Verdacht oder scherzhafte Vermutung in den Raum stellt, weitet sich zu einem ganzen Katalog von Einwänden und Anschuldigungen aus.

So wirft er Kapuscinski erstens vor, dem beschriebenen Geschehen oft gar nicht so nahe gewesen zu sein wie behauptet. Einige der Politiker, deren Bekanntschaft er sich rühmte, etwa Che Guevara oder Patrice Lumumba, habe er in Wirklichkeit gar nicht getroffen. Und die vielen Erschießungen, denen er nur knapp entkommen sein will, seien weitgehend ein Produkt seiner Phantasie gewesen. Domoslawski bezichtigt Kapuscinski zwar keiner Lüge, doch weist er ihm nach, die um ihn gewachsenen Mythen und Legenden bewusst geschürt zu haben. "Die mythenschöpfende Methode beruhte darauf", erklärt er, "etwas zu suggerieren, Überzeugungen in der Vorstellung der Zuhörer hervorzurufen. Kapuscinski ging nicht ins Detail, er sprach es nicht gänzlich aus, falls man ihn zur Rede gestellt hätte, hätte er den Rückzug antreten können."

Eindeutige Falschaussagen habe Kapuscinski hingegen bei seinen autobiographischen Auskünften gemacht, so Domoslawskis zweiter Vorwurf. Er habe zum Beispiel behauptet, sein Vater wäre 1940 beinahe in Katyn erschossen worden, dabei sei dieser nach Auskunft von Kapuscinskis Schwester niemals in sowjetischer Gefangenschaft gewesen. Überhaupt passten seine Bücher eher in die Kategorie Literatur als Reportage - ein verbüffender Einwand, wurde doch Kapuscinski nicht nur als ein Meister der Verbindung beider Genres gefeiert, sondern auch für seine Fähigkeit gelobt, konkreten Realitäten den Charakter überzeitlicher Modellsituationen zu verleihen.

Dass er diesen Effekt oft durch das Verfremden von Fakten erreichte, lag wohl für jeden auf der Hand, auch wenn dies in den Kritiken nur selten und in seinen eigenen Definitionen der literarischen Reportage nie zur Sprache kam. Er sagte nur Sätze wie: "Man verwendet darin gewisse Techniken der schönen Literatur, um die dargestellte Wirklichkeit reicher erscheinen zu lassen."

Diese Techniken findet sein Biograph problematisch. Das gilt auch für berühmte Texte wie "König der Könige", eine brillante Analyse der Zustände am Hofe des äthiopischen Kaisers Haile Selassie: Als das Buch in den späten Siebzigern erschien, erkannten die Kritiker deutliche Parallelen zu der Situation im kommunistischen Polen und bescheinigten Kapuscinski, eine grandiose "Parabel der Macht", so der deutsche Untertitel, geschrieben zu haben. An seinem freien Umgang mit den Fakten störte sich damals niemand. Für Domoslawski, Jahrgang 1964, gelten andere Regeln: Er will in einer Reportage ein genaues Abbild der realen Welt finden, denn jede "Berichtigung der Wirklichkeit", jedes "Überschreiten von Gattungsgrenzen" habe "einen hohen Preis, eine unbequeme zweite Seite - den Verlust der Glaubwürdigkeit".

Er kritisiert auch die politische Haltung Kapuscinskis, der sich in späteren Jahren gern als Gegner des Kommunismus inszenierte, aber lange Zeit dessen erklärter Anhänger gewesen war und zu einem Mitarbeiter des polnischen Geheimdienstes wurde - was kurz nach Kapuscinskis Tod 2007 an die Öffentlichkeit kam. Da diese Information also nicht mehr neu war, interessierte man sich in Polen bei Erscheinen von Domoslawskis Biographie für Nachrichten über Kapuscinskis Privatleben: über das problematische Verhältnis zu seiner Tochter und seine zahlreichen Affären.

Es war auch seine Frau, die Kinderärztin Alicja Kapuscinska, die mit allen Mitteln versuchte, das Erscheinen des Buches zu verhindern. Domoslawski scheint solche Reaktionen einkalkuliert zu haben, denn er wird nicht müde zu betonen, dass er keine Absicht gehabt habe, den Mythos Kapuscinski zu zerstören; er habe nur ein möglichst vielseitiges Porträt schreiben wollen. Sein Wohlwollen hätte man auch ohne diese Beteuerungen bemerkt. Denn er bemüht sich in der Tat darum, dessen Motive zu verstehen - so dass der Eindruck der Zerstörungswut gar nicht entsteht.

MARTA KIJOWSKA.

Artur Domoslawski: "Ryszard Kapuscinski - Leben und Wahrheit eines ,Jahrhundertreporters'".

Aus dem Polnischen von Antje Ritter-Jasinska und Benjamin Voelkel. Rotbuch Verlag, Berlin 2014. 688 S., geb., 29,95 [Euro].

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