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Gigantische 140 Milliarden Euro Umsatz jährlich die "Mafia AG" ist die größte Wirtschaftskraft Italiens. Und doch hält sich hartnäckig das Vorurteil, Camorra & Co. sei allein ein Problem des strukturschwachen Südens. Im Gegenteil: Nur im reichen Norden gibt es genügend zahlungskräftige Kunden für Drogengeschäfte; und nur dort, im ökonomischen Herzen des Landes, können Gelder im großen Stil "gewaschen" werden. Giovanni Tizian enthüllt erstmals detailliert, wie sich das Vordringen der Clans in die Boomregionen abspielt und wie heimisch die Bosse sich zwischen Mailand, Florenz und Venedig heute…mehr

Produktbeschreibung
Gigantische 140 Milliarden Euro Umsatz jährlich die "Mafia AG" ist die größte Wirtschaftskraft Italiens. Und doch hält sich hartnäckig das Vorurteil, Camorra & Co. sei allein ein Problem des strukturschwachen Südens. Im Gegenteil: Nur im reichen Norden gibt es genügend zahlungskräftige Kunden für Drogengeschäfte; und nur dort, im ökonomischen Herzen des Landes, können Gelder im großen Stil "gewaschen" werden.
Giovanni Tizian enthüllt erstmals detailliert, wie sich das Vordringen der Clans in die Boomregionen abspielt und wie heimisch die Bosse sich zwischen Mailand, Florenz und Venedig heute schon fühlen. Er deckt Strategien und Methoden auf, erläutert die lukrativsten Branchen und analysiert beispielhaft, wie die Paten agieren. Gesundheitswesen? Schutzgelderpressung? Hoch- und Tiefbau? So vielfältig der "Konzern" ist, so profitabel ist er. Und dabei stets bereit, über Leichen zu gehen.
Giovanni Tizian ist eine faszinierende Innensicht auf die italienische Mafia gelungen, eine packend erzählte Reportage, voller brisanter Fakten.
Autorenporträt
Giovanni Tizian, geboren 1983 in Kalabrien, zog mit seiner Familie im Alter von zwölf Jahren nach Norditalien, nachdem die Mafia 1988 die Möbelfabrik seines Großvaters niedergebrannt und ein Jahr später seinen Vater ermordet hatte. Er studierte Kriminologie an der Universität Bologna und arbeitet heute als Journalist für das Wochenmagazin L espresso sowie einige Onlineportale. Er ist außerdem Mitglied der Anti-Mafia-Organisation daSud.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Christiane Liermann zeigt leichte Anzeichen von Frustration: So viele kluge Köpfe, Theorien und und Methoden wurden schon darauf verwandt, die italienische Mafia zu erklären, und doch steht man am Ende immer wieder ratlos vor diesem Phänomen aus archaischer Gewalt und hocheffizientem Finanzgebaren. Der junge Journalist Giovanni Tizian legt ihrer Ansicht nach den Finger in die richtige Wunde, wenn er Cosa Nostra, Camorra und 'Ndrangheta als Folgen der politischen Dauerkrise in Italien erklärt. Natürlich wird man auch nach diesem Buch die Mafia und und ihr Unwesen nicht begreifen, aber der Rezensentin hat die Verve imponiert, mit der sich Tizian gegen "Gemeinheit, Brutalität und Opportunismus" auflehnt.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.01.2013

Die mordende Macht
Mittlerweile hat die Mafia sich auch in Norditalien ausgebreitet.
Der Journalist Giovanni Tizian schildert eine fatale Entwicklung
VON HENNING KLÜVER
Sie unterwandern Wirtschaftsstrukturen zum Beispiel im Baugewerbe und kontrollieren den Drogenhandel. Ihre Killer ermorden Aussteiger und lösen die Leichen in Salzsäure auf, um alle Spuren zu verwischen. Derweil kaufen Politiker bei ihnen im großen Stil Stimmen für Kommunal- und Regionalwahlen.
  Das sind keine aktuellen Streiflichter aus dem Alltag von Gruppen der organisierten Kriminalität zwischen Neapel und Palermo, sondern aus Norditalien. Längst haben die drei großen Mafiaorganisationen Camorra (Neapel), Cosa Nostra (Sizilien) und ’Ndrangheta (Kalabrien) den Norden des Landes als ein Gebiet entdeckt, in dem man nicht nur über die Banken Geldwäsche betreiben, sondern auch Geschäfte im großen Stil abwickeln kann. Und die deshalb – wenn auch hier und da modifiziert – mit mafiösen Techniken aus ihren Heimatregionen operieren. Wobei es vor allem die ’Ndrangheta ist, die sich stillschweigend zur größten und gefährlichsten Mafia-Organisation entwickelt hat, und inzwischen auch außerhalb Italiens aktiv ist.
  Die Mordanschläge auf eine Pizzeria in Duisburg haben vor einigen Jahren die Präsenz der kalabresischen Mafia auch in Deutschland deutlich gemacht. Tizian erinnert daran in einem Vorwort, das er eigens für die deutschsprachige Ausgabe seines Buches geschrieben hat.
  Ein junger Mann wie der heute dreißigjährige Giovanni Tizian hat die Macht der Mafia am eigenen Leib erfahren. Tizian stammt aus Kalabrien. Einer unterentwickelten (besser: falsch entwickelten) Region des Südens, in dessen wenig besiedelten Weiten die organisierte Kriminalität sich ungestört ausbreiten konnte und inzwischen auch die Städte beherrscht. Neulich ist der gesamte Stadtrat von Reggio Calabria wegen Beziehungen zur Mafia aufgelöst und die größte Stadt Kalabriens (190 000 Einwohner) unter kommissarische Leitung gestellt worden. Tizians Familie emigrierte bereits 1994 nach Norditalien, nach Modena, als der Junge zwölf Jahre alt war. Das war eine Flucht: Das kleine Möbelunternehmen, das der Großvater im Süden aufgebaut hatte, war in Flammen aufgegangen. Der Vater, ein Bankangestellter, wurde wenig später brutal ermordet. Die Ermittlungen verliefen wie so oft im Sande. Doch die Sprache der ’Ndrangheta brauchte keine juristische Bestätigung.
  Giovanni Tizian wuchs dann in Modena auf, machte Abitur und studierte Kriminologie an der Universität Bologna – und musste entdecken, dass die Clans seiner alten Heimatregion auch in der hochentwickelten Emilia-Romagna Fuß gefasst hatte. Ebenso in der benachbarten Lombardei, der reichsten Region Italiens mit der Finanzmetropole Mailand, wie auch in Ligurien oder im Veneto. Tizian begann, in Modena und Umgebung zu recherchieren, veröffentlichte Berichte und Reportagen in Lokalzeitungen, in Zeitschriften der Antimafia-Bewegung sowie im Internet.
  Seine lokalen Recherchen ergänzte er mit Materialien aus anderen Regionen des Nordens und fasste sie in einem Buch mit dem Titel „Gotica“ zusammen, das nun unter dem Titel „Mafia AG“ auf Deutsch erschien. Der italienische Titel spielt auf die lange gehaltene Verteidigungslinie der deutschen Truppen zwischen La Spezia quer durch die Emilia-Romagna nach Rimini und Pesaro im Zweiten Weltkrieg an. Als die sogenannte Gotenlinie zusammenbrach, war den Truppen der Alliierten der Weg zur Eroberung des Nordens frei.
  Heute, so die These Tizians, sind die Mafia-Organisationen dabei, den bislang mehr oder weniger „sauberen“ Norden mit seinen legalen Strukturen zu unterwandern. Die Gotenlinie zwischen einem mafiafreien Nord- und einem kriminellen Süditalien wird ausradiert. Denn die Clans können im Norden auf willfährige einheimische Partner zählen, die glauben, dass man mit Mafiosi ohne Schaden Geschäfte machen kann; oder sich von ihnen Geld leihen kann, weil die Banken in diesen Krisenzeiten immer weniger Kredite vergeben.
  Große Teile des Baugewerbes werden heute von Unternehmen beherrscht, die der kalabresischen Mafia zugerechnet werden. Wo die Clans sitzen, kontrollieren sie auch ihr Territorium: Restaurants und Diskotheken sind in ihren Händen. Korruption und wenn nötig Gewalt verschafft den Organisationen politische Rückendeckung. Und die betroffenen Unternehmer und Politiker schweigen.
  In seinem lokalen Umfeld hat sich Giovanni Tizian, der inzwischen auch für nationale Medien wie das Magazin L’Espresso schreibt, mit diesem Buch so weit vorgewagt, dass er von der kriminellen Szene bedroht wird. Seit dem Dezember 2011 steht er wie Roberto Saviano und andere mutige Autoren unter Personenschutz. Er lebt wechselnd an unbekannten Orten. In der Öffentlichkeit kann er nur in Begleitung von Leibwächtern auftreten (SZ vom 1. 9. 2012). Auf der Internetseite www.iomichiamogiovannitizian.org organisieren Freunde und Gleichgesinnte eine Art „zivile Leibwache“.
  Was macht sein Buch so anstößig für die kriminellen Organisationen? Der Autor nennt Namen und Ortschaften. Er erzählt Fälle, Geschichten davon, wie die Mafia Macht ausübt. Das nimmt manchmal romanhafte Züge an, was aber nur eine andere Form von Wahrheitsbeschreibung sein kann. Wegen seines Reichtums an Details ist das ein wichtiges Buch, denn es zeigt, wie die Mafia funktioniert, wie korrumpiert, betrogen, bedroht, Gewalt ausgeübt wird. Wie die Clans aus dem Süden „Zweigstellen“ im Norden errichten, sich dabei „modernisieren“ und mehr und mehr „unabhängig“ machen von den traditionellen Strukturen der Heimat.
  Aber dieser Reichtum erweist sich anderseits als eine Schwäche des Buches, denn es verliert sich in diesen, für Nichtitaliener oft verwirrenden Details und reiht Geschichten an Geschichten. Es fehlt eine ordnende Struktur, um den deutschen, irreführenden Titel „Mafia AG“ zu rechtfertigen. Der Autor bleibt uns durch seine Erzählform jede Art von Belegen schuldig, auch dort wo er sich offensichtlich auf andere italienische Veröffentlichungen der inzwischen breit gefächerten Bibliografie zum Thema stützt. Wegen der Fülle des Stoffes bleibt manches in Andeutungen stecken, und viele der zitierten Gerichtsprozesse sind noch nicht abgeschlossen. Vor allem setzt der Autor ein Grundwissen über die Mafia und ihre einzelnen Organisationen voraus. Dem, der es nicht hat, muss die Mafia manchmal wie eine große dunkle Wolke erscheinen, die sich auf volkstümliche Mythen stützen kann, was der deutsche Übersetzer durch die häufige Benutzung des Wortes „Paten“ (wenn Tizian schlicht von Bossen oder Führungspersönlichkeiten der ’Ndrangheta spricht) noch unterstreicht.
  „Mafia AG“ ist dennoch streckenweise ein sehr lesenswertes, weil persönliches Buch, wenn auch dieser literarische Charakter in der vielfach geglätteten deutschen Übersetzung nicht immer deutlich wird.
Giovanni Tizian: Mafia AG. Camorra, Cosa Nostra und ’Ndrangheta erobern Norditalien. Aus dem Italienischen von Alex Knaak. Rotbuch Verlag, Berlin 2012. 414 Seiten, 19,95 Euro.
Weil Giovanni Tizian über die
Mafia recherchiert, muss er nun
ihre Vergeltung fürchten
Die Clans aus dem Süden
gründeten Zweigstellen im Norden
und modernisierten sich
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.04.2013

Moralische Verelendung
Giovanni Tizian erläutert die Mafia-Techniken

Die Mafia bleibt eines der großen Rätsel Italiens. Oder ist sie vielleicht gar nichts typisch Italienisches, weil es "mafiöse Strukturen" in allen Gesellschaften auf der ganzen Welt gibt? Hier fängt die Erklärungsnot an. Um Aufklärung haben sich Wissenschaft, Polizei, Politik und Medien seit langem bemüht. Man hat die Mafia mit den Methoden der Unternehmenssoziologie beschrieben: der Pate als kapitalistischer Risk-Manager. Man hat den "cultural turn" an ihr ausprobiert, ist ihren Inszenierungen in Film und Literatur nachgegangen und hat die Narrative der Mafia mit ihren archaisch-exotischen Riten und Traditionen durchleuchtet. Man hat den "spatial turn" an ihr ausprobiert: Wie organisiert die Mafia ihre Macht in einem bestimmten Territorium mittels sichtbarer Gewalt und unsichtbarer Kommunikation?

An der Universität Turin wird "Geschichte der Mafia" gelehrt, und man lernt dort, dass sich die Mafia als "Staatsersatz" durchsetzen konnte, weil sie vorgibt, wie der moderne Staat selbst zu funktionieren, indem sie "Schutz" als Gegenleistung für "Gehorsam" bietet. Statistiken werden angefertigt, die zeigen, dass es seit Entstehung der Republik Italien unendlich mehr Tote durch die Mafia gegeben hat als durch faschistischen und linksextremistischen Terror zusammen und dass die finanziellen Gewinne der Mafia so gewaltig sind wie die Staatsverschuldung Griechenlands. Das alles registriert man, aber man versteht trotzdem nichts. Ungläubig vernimmt man eine Nachricht wie diese: Nach 25 Jahren Fahndung ist ein Mafiaboss gefasst worden, der von einem Kellerloch aus globale Miliardengeschäfte inklusive Mord und Totschlag dirigiert hat! Wie ist diesem Phantom beizukommen?

Der Publizist Giovanni Tizian, der mit seiner Familie vor der 'ndrangheta, der kalabresischen Mafia, die seinen Vater ermordet hatte, fliehen musste, versucht es mit einer Mischung aus Reportage und wütender Anklageschrift. Seine These lautet: Die kriminellen Organisationen aus den diversen Regionen Süditaliens, die unter dem Sammelnamen "Mafia" geführt werden, haben in den vergangenen Jahren Mittel- und Norditalien erobert. Sie wurden angelockt von der wirtschaftlichen Prosperität, haben mit ihren üblichen Techniken wie Bestechung, Drohung und Gewaltverbrechen die wohlhabende nördliche Hälfte der italienischen Halbinsel unterwandert und greifen weiter nach Nordeuropa aus. Der Autor beschreibt mit journalistischer Verve eine atemberaubende, verwirrende Fülle von Anschauungsbeispielen, die deutlich machen, dass die verschiedenen kriminellen Mafia-Organisationen in Italien und darüber hinaus riesige Imperien aufgebaut haben, die sich Schritt für Schritt die verschiedenen Zweige der bürgerlichen Geschäftswelt einverleiben, von der Bauwirtschaft über das Gesundheitswesen bis zum Glücksspiel. Stützelemente dieser verzweigten Konstruktionen können durchaus als Aktiengesellschaft getarnt sein, wie es der Titel der deutschen Ausgabe besagt, denn der "Modellmafioso des dritten Jahrtausends" ist "Unternehmer, Pate, Geschäftemacher" in einer Person.

Aber seine Machtposition verdankt sich nicht den sozialen Techniken und Tugenden des Marktes, sondern der Bereitschaft zum Einsatz brutalster Gewalt. Das ist das erschütternde Fazit der Zusammenschau der vielen Geschichten, die Tizian erzählt: Nährboden und zugleich Frucht dieses ewigen Wechselspiels von Gemeinheit, Brutalität, Opportunismus, Habsucht und Angst ist moralische Verelendung. Wenn das Böse so machtvoll auftritt, werden alle irgendwie mitschuldig. Illusionslos durchleuchtet der Autor in jedem neuen Fall, den er auflistet, die schreckliche Gesetzmäßigkeit, nach der kein Weg aus dem Teufelskreis von Machtgier, Bestechlichkeit, Einschüchterung und Unterwürfigkeit herauszuführen scheint. Gemäß dieser Mechanik wird derjenige zum Störenfried und Außenseiter, der sich nicht beugen will.

Hier schildert Tizian universale Verhaltensmuster. Das macht die Frage nach dem konkreten soziokulturellen Kontext, in dem sich solche Muster mal mehr, mal weniger erfolgreich durchsetzen, um so dringlicher. Seine Hypothese besagt, die rasante Ausbreitung der Mafien gen Norden sei ein Nebenprodukt des Zusammenbruchs der Parteien und des Verfalls der politischen Führung in Italien gegen Ende der 1980er Jahre. In dieses Vakuum sei die organisierte Kriminalität hineingestoßen. Das ist nur ein erster Erklärungsansatz, der aber richtigerweise den Blick auf das soziale Umfeld lenkt, in dem sich die Mafia breitmachen kann. Zu deren Techniken haben wir zuletzt viel Erhellendes erfahren; aber es ist auch notwendig, sich weiterhin mit der politischen Kultur, der Öffentlichkeit und Rechtsstruktur der Staaten und Gesellschaften zu beschäftigen, in denen sich die organisierte Kriminalität einrichtet oder nicht.

CHRISTIANE LIERMANN

Giovanni Tizian: Mafia AG. Camorra, Cosa Nostra und 'ndrangheta erobern Norditalien. Rotbuch Verlag, Berlin 2012. 414 S., 19,95 [Euro].

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