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'Moby-Dick' ist ein Buch, das durch seinen Wal legendär wurde - aber umgekehrt wird ebenfalls ein Schuh draus: Seit der Roman von Herman Melville 1851 veröffentlicht wurde, hat man Wale mit anderen Augen gesehen. Aus einem bereits legendären, mythischen Tier schuf Melville einen modernen Mythos. Philip Hoare, seit jeher fasziniert von Walen, versucht in 'Leviathan' seiner Besessenheit auf den Grund zu gehen. Warum haben Wale eine so starke Anziehungskraft auf den Menschen? Warum spielen sie in unserer Fantasie immer wieder eine Rolle, verschmelzen darin mit dunklen Vorstellungen von…mehr

Produktbeschreibung
'Moby-Dick' ist ein Buch, das durch seinen Wal legendär wurde - aber umgekehrt wird ebenfalls ein Schuh draus: Seit der Roman von Herman Melville 1851 veröffentlicht wurde, hat man Wale mit anderen Augen gesehen. Aus einem bereits legendären, mythischen Tier schuf Melville einen modernen Mythos. Philip Hoare, seit jeher fasziniert von Walen, versucht in 'Leviathan' seiner Besessenheit auf den Grund zu gehen. Warum haben Wale eine so starke Anziehungskraft auf den Menschen? Warum spielen sie in unserer Fantasie immer wieder eine Rolle, verschmelzen darin mit dunklen Vorstellungen von Seeschlangen und anderen vorsintflutlichen Riesenwesen? Ist der Wal ein Symbol paradiesischer Unschuld in Zeiten der Artenbedrohung und des Klimawandels? Oder eher ein uraltes Sinnbild für das Böse schlechthin, ein bizarrer Fisch, der Jona verschluckt hat?

Besuche im Londoner Natural History Museum während der Kindheit, die erste (und die zweite) 'Moby-Dick'-Lektüre, zahlreiche Whale-Watching-Touren, eine Fahrt von Nordengland nach Cape Cod und zur Mitte des Atlantiks: Der Autor unternimmt nicht nur eine persönliche und biografische Reise, sondern auch eine (kultur-)historische; er erzählt seine eigene Geschichte einer Leidenschaft und liefert zugleich erhellende Antworten auf die Frage, was das Faszinosum Wal ausmacht.
Autorenporträt
Philip Hoare wurde 1958 in Southampton, England, geboren, wo er auch heute noch lebt. Er ist freier Autor und Journalist. Für sein Buch >Leviathan, or, The Whale< erhielt er 2009 den renommierten Samuel Johnson Prize for Non-Fiction.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Nach der Lektüre hat Harald Eggebrecht nur einen Wunsch: Möge der Wal, so wie bei Melville, überleben. Davor hat er bei Philip Hoare über die Massenschlachtungen der Meeresriesen gelesen, über den intensiven Geruch unter Deck historischer Walfänger, kochenden Blubber und die Schwimmkünste der Wale, ist dem Autor nach Nantucket und ins London Natural History Museum gefolgt, hat Melville und Hawthorn in eindringliche Porträts geschaut, eine Sozialgeschichte über Mensch und Wal sowie einen spannenden Roman gelesen nach bester angelsächsischer non-fiction-Manier, gut recherchiert und mit unwiderstehlicher Sogwirkung. Der Clou: Eggebrecht fühlt sich geradezu ozeanisch.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.08.2013

Das große Schlachten
Der britische Journalist Philip Hoare folgt in seinem Buch „Leviathan oder Der Wal“ dem großen,
mythenerzeugenden Tier in die Tiefen der realen wie der symbolischen Meere
VON HARALD EGGEBRECHT
Nach diesem Buch des britischen Autors und Journalisten Philip Hoare, 1958 in Southhampton geboren, weiß man, dass der Wal ein Thema ist, das weit über jeden realen Blau-, Finn-, Buckel- oder sogar Pottwal hinausreicht in jene Dimensionen, wo aus einem Tier ein heiliges Monstrum wird. Sein Reich erstreckt sich nicht nur über die Ozeane dieses Planeten, der Wal, insbesondere seit Herman Melvilles „Moby Dick“ der Pottwal, taucht ein in Seelen- und Phantasiewelten, seine Symbolkraft reicht nicht nur in mythische Vergangenheiten, sondern sie schafft neue Mythen. Am Ende schwimmt der Autor tatsächlich Seit’ an Seit’ mit einem Wal, und die Berührung der beiden überträgt sich auf den Leser, der nach dieser erdumspannenden Expedition über 15 Kapitel sich geradezu ozeanisch fühlt, umschallt von den geheimnisvollen Klicklauten der Riesensäuger, umrauscht von der Selbstdarstellungslust springender Buckelwale und umspült von der Spielfreude der Delfine und Schwertwale.
  Was einen in dieses Buch unwiderstehlich hineinzieht, ist das nie versiegende Staunen von Hoare über den Leviathan. Größe, Vielfalt, Körperlichkeit, das Leistungsvermögen beim Springen, Tauchen oder Schnellschwimmen, das vielfältige Sozialverhalten, all das und noch viel mehr schildert Hoare. Er erzählt von den Unwahrscheinlichkeiten, die trotzdem Tatsachen sind: Dass Wale niemals trinken können, obwohl sie von Wasser, aber eben salzig, umgeben sind; dass sie uralt werden und ununterbrochen fressen können; dass Pottwale ihre Opfer mit Schallwellen erschrecken, wenn nicht gar töten können; dass sie sich menschenartig paaren, Bauch zu Bauch; und dass das Ambra, dieser extrem kostbare Parfümstoff letztlich, pardon, Walscheiße ist – die Kette des Staunens kennt kein Ende.
  Doch Hoare erzählt auch die Sozialgeschichte des Verhältnisses von Mensch und Wal, das Mitte des 19. Jahrhunderts eine erste hohe und zugleich mörderische Blüte erreicht, als Amerika und Europa vom Walöl erleuchtet wurden, das später dann vom Erdöl als Licht- und Geldbringer abgelöst wird, ohne dass damit schon die Ausrottung der Wunderwesen verhindert wäre. Also besucht Hoare New Bedford und Nantucket in New England, die amerikanischen Walfanghauptstädte und schildert ihre Glanzzeit, in der Polynesier, Indianer und aus der Sklaverei des Südens entflohene Schwarze die Helden der Harpune waren und mit ihren Familien Extra-Viertel bewohnten, in denen Weiße als fremdartig auffielen.
  Nebenbei berichtet Hoare von Frederick Douglass, der 1841 in Nantucket als Farbiger den ersten Vortrag gegen die Sklaverei hielt und später Abraham Lincolns Berater in Sklavenfragen wurde. Doch er hatte nach seiner Flucht aus der Sklaverei in Baltimore im Hafen von New Bedford als Arbeiter für die Walfänger begonnen. Hoare führt uns auch durchs Londoner Natural History Museum, wo in den Dreißigerjahren des vorigen Jahrhunderts ein täuschend echtes Blauwalmodell gebaut wurde, obwohl es doch kaum verlässliches Bildmaterial außer von gestrandeten Tieren gab. In den Museumskellern wandert er an einer Phalanx von Glasbehältern entlang, in denen, eingelegt „wie besonders makabre Gewürzgurken“, Walpartikel schwimmen. In einem großen Stahltank findet er den Gegner des Pottwals, den Riesenkalmar Archeteuthis dux, ein langes, vielarmiges Tiefseeungetüm, das Pottwale aber sogar lebendig herunterschlucken können.
  Hoares großartige Fahrt um und ins Herz des Walreichs geschieht, man ahnt es, vor dem monumentalen Hintergrund eines anderen Buches, dessen Unergründlichkeit den unglaublichen Tauchkünsten seines Helden entspricht: „Moby Dick“ von Herman Melville. Immer wieder lässt Hoare Ismael, den Icherzähler der Saga von der Jagd nach dem Weißen Wal, zu Wort kommen, macht ihn zum eigentlichen Führer seines profund recherchiertebn Buches, das sich gleichwohl in bester angelsächsischer Non-fiction-Tradition wie ein großformatig angelegter spannender Roman liest, auch dank Hans-Ulrich Möhrings flüssiger Übersetzung. Doch selbst die einzelnen Kapitel bieten nahezu in sich geschlossene Einheiten.
  Dabei gelingt es Hoare nicht nur, uns den Walen näherzubringen und den mythischen Zauber und das Geheimnis der Giganten noch zu verstärken trotz aller Aufklärung über ihr Leben und Wesen. Es glücken ihm auch eindringliche Porträts, etwa der befreundeten Schriftsteller Herman Melville und Nathaniel Hawthorne. Er schildert Melvilles wachsendes Unglück nach dem Misserfolg von „Moby Dick“, seine Vereinsamung, den frühen Tod seiner Söhne und die Tristesse seiner letzten Jahre in der New Yorker Zollbehörde ebenso wie die romantische, dann resignierende Verzweiflung Hawthornes über den Prozess der Verhässlichung der Welt im Zuge der industriellen Entwicklung. Die amerikanischen Urphilosophen Henry David Thoreau und Ralph Waldo Emerson dürfen in dieser Reihe ebenso wenig fehlen wie Edgar Allan Poes Roman „Arthur Gordon Pym“, der auf seiner sich verirrenden Expedition ins Eismeer gerät.
  Hoare steigt in die extremen Beengtheiten im Bauch eines Walfangschiffs, und man meint, die harte, ja, brutale, schwitzende, sich allzu nah kommende Männerwelt zu spüren mit ihren sexuellen Verdrängungen, Übergriffen und Aggressionen. Über allem und das ganze Schiff durchdringend stets der intensive Geruch nach Wal, zusammengesetzt aus dem einst vergossenen Blut der Riesen, dem kochenden Blubber und dem daraus gewonnenen Tran.
  Ohne je den Zeigefinger zu heben, eröffnet Hoare dann die Blicke auf die grauenvollen Massaker und Massenabschlachtungen von Millionen Walen im 20. Jahrhundert, an denen sich Norweger, Japaner, Russen und lange auch Briten beteiligten und es im Falle der Norweger und Japaner immer noch tun. In wenigen Jahrzehnten sind da mehr Wale getötet als in den anderthalb Jahrhunderten der amerikanischen Walfangblüte. Die Zahlen erschrecken, man meint die eklen Gerüche der schwimmenden Schlachthöfe moderner Walverarbeitungsschiffe zu riechen, ahnt die Auswirkungen dieser verrohenden Arbeit auf die Besatzungen. Doch Hoare berichtet betont kühl und vorwurfsfrei, was aber die Wirkung dieser schauerlichen Orgien an Brutalität um einer mehr als fragwürdigen Rentabilität willen nur steigert.
  Das besonders geschmeidige Walöl, dem auch extreme Kälte nichts anhaben kann, diente als Schmierstoff für die Artillerien, Panzer und sonstigen Waffen der Weltkriege. Und sogar heute im Zeitalter eines halbwegs wirksamen Walfangmoratoriums funktioniert etwa die Mechanik des Weltraumteleskops „Hubble“ dank Walöl. Philip Hoare hat und gibt wenig Hoffnung, dass der menschliche Vernichtungszug gegen die Wale wirklich endgültig gestoppt werden könnte. Immer noch töten Japaner und Norweger, die einen aus angeblichen Forschungszwecken, die anderen aus Traditionsgründen, die Meeresriesen. Immer noch wird Futter für Schoßhunde und Streichelkatzen aus dem Fleisch gemacht, das Menschen kaum mehr essen.
  Doch Hoare, der in den letzten Kapiteln von den Azoren und ihrem Walfang erzählt und endlich im Ozean mit den Meeressäugern schwimmen kann, hat doch noch einen Hauch von Zuversicht. Ismael überlebt als einziger Kapitän Ahabs Jagd auf Moby Dick, der am Ende die Pequod in den Abgrund des Meeres reißt: „Was aber die meisten Kommentatoren zu erwähnen vergessen, ist, dass es in Melvilles Buch noch einen Überlebenden gibt: den Wal.“
Philip Hoare: Leviathan oder Der Wal. Auf der Suche nach dem mythischen Tier der Tiefe. Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring. Mareverlag, Hamburg 2013. 522 Seiten, 26 Euro.
Im Naturkundemuseum in
London findet Hoare den Gegner
des Pottwals, den Riesenkalmar
Früher waren die Wale Ungeheuer, Sinnbilder der Übermacht einer grausamen Natur: Jetzt erscheinen sie als gejagte Opfer – ziehen die Verehrung der Menschen auf sich und erstrahlen in Schönheit.
FOTO: REUTERS
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2013

Wer kann sagen, wie sich die Welt einem Wal darbietet?

Der Brite Philip Hoare hat sich der Beantwortung dieser Frage mit Haut und Haar verschrieben. Sein Buch "Leviathan" ist eine Fundgrube für alle, die nicht von Moby-Dick loskommen.

Philip Hoare ist einer jener Autoren, die durch thematische Spannweite auffallen, die nicht immer das gleiche Buch noch einmal schreiben. Wenn er sich in ein Thema verbissen hat, lässt er nicht locker. Der Engländer des Jahrgangs 1958 hat über Oscar Wilde und die Pet Shop Boys geschrieben, Biographien von Noël Coward und Stephen Tennant vorgelegt. Und er hat die Geschichte des riesigen viktorianischen Militärhospitals in Netley nahe Southampton erzählt ("Spike Island"). In der englischen Presse läuft er obendrein mit dem Qualitätsaufkleber herum, W. G. Sebald sei ein großer Fan von ihm gewesen. Und das hat mit dem nun auf Deutsch vorliegenden Buch insofern zu tun, als dieses bei seinem Erscheinen vor fünf Jahren mit einem lobenden Zitat des deutsch-englischen Schriftstellers ausgeliefert wurde. Der war allerdings zum Zeitpunkt der Veröffentlichung von "Leviathan" schon sieben Jahre tot. (Mehr dazu unter http://sebald.wordpress.com.) Und prompt jubelte ein Kritiker, das Buch sei ein "Sebaldesker Triumph".

Worum geht es? Der in Southampton nah am Wasser geborene Hoare fand erst als Erwachsener den Weg in dieses Element; er lernte spät schwimmen, war lange Zeit voller Urängste und wurde in Träumen von Seemonstern verfolgt. Dann verfiel er Hermann Melvilles Überroman "Moby-Dick; or, The Whale", danach dem Wal als solchem. Dies geschah an einem für die Geschichte des Walfangs prominenten Ort, an der Spitze von Cape Cod, in Provincetown, Massachusetts. Als der Tourist Hoare beim Walbeobachten erlebt, wie ein 25 Meter langes Tier unter dem Boot hindurch schwimmt, beginnt das Buch: "Diese eine Bewegung untergräbt meinen Stand im Leben."

Fünf Jahre später ist aus dem faszinierten Laien ein Experte geworden, der sein Wissen weitergeben will. Das Ergebnis von allem, was er über Wale gelesen, gehört und gesehen hat, ist in dieses stattliche Werk eingegangen, allein der Anhang mit Fußnoten und Register umfasst sechzig Seiten. Zunächst ist "Leviathan" aber eine Reaktion auf Melvilles Romanungetüm. Dessen berühmten ersten Satz - "Nennt mich Ismael" - charakterisiert Hoare pathetisch als eine "donnernde Brandungswelle"; von diesem Befund ausgehend, lässt er sich durch die Faktenwelt des Romans treiben und erkundet an ihr entlang Spezifika der Gattung sowie die Geschichte des Walfangs, Fangtechniken, Aufstieg und Untergang der Walfängerei. Er folgt Ismael, und er folgt Melvilles Lebensweg bis zu dessen Grab in der Bronx.

Immer wieder glänzt Hoare mit literarischen Nachstellungen: Seine romanhaften Einschübe über das gedrängte, beklemmende, gefährliche Leben der Walfänger auf ihren winzigen Schiffen haben Format. Hoare gelingt, eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie es sich angefühlt haben muss, wenn man in einer Nussschale auf dem Ozean dem Auftauchen seines ersten Wals entgegensieht. In diesem Augenblick fielen immer wieder Männer in Ohnmacht.

Wie ein guter Walfänger lässt auch Hoare nichts verkommen. Er beutet Melvilles Buch komplett aus, auch wenn ihn die schier endlose Bandbreite der sprachlichen Register und rhetorischen Mittel, die jener einsetzt, nicht so sehr interessiert. Dagegen erwärmt er sich stark für Melvilles homoerotisch grundierte Freundschaft mit dem Schriftsteller Nathaniel Hawthorne, dem "Moby-Dick" gewidmet ist.

Hoare handelt nicht nur vom Pottwal, aber doch in überwiegendem Maße. Er hat kein Problem damit, sich dem Riesen als einem verwandten Säugetier zu nähern, dessen Gehirn mit mehr als neun Kilogramm Gewicht das größte aller Säugetierhirne ist, wenn es auch im Vergleich zur Körpergröße nicht ungewöhnlich groß ausfällt. Noch weithin rätselhaft ist das Sozialverhalten der Tiere, die in Gruppen durch die Weltmeere wandern und sich über weite Distanzen mit Klicklauten verständigen. Hoare referiert Forschungsergebnisse, die bereits von einer "Kultur" sprechen, welche die Wale entwickelt hätten, und in der die Mitgliedschaft in einem Clan mit der Nationalität bei Menschen verglichen wird. Dass die Menschheit früher auf dem Mond gelandet ist, als über eine Fotografie eines frei schwimmenden Wals zu verfügen - diese glückte erst 1975 -, nimmt der Autor als Beleg, es tümmle sich noch viel unbekanntes Getier in den Tiefen.

Problematisch bis ermüdend wird der von Hans-Ulrich Möhring auf gewohnt hohem Niveau übersetzte "Leviathan" immer dann, wenn der Autor seinem Ego zu viel Platz einräumt. Gewisse autobiographische Umstände mögen als Schreibanlass ja wichtig sein: in so einer Abhandlung haben sie keinen Platz. Vielleicht hat das Ausufernde weniger mit dem Gegenstand als damit zu tun, dass der wirklich am Text arbeitende Lektor im Vereinigten Königreich vom Aussterben bedroht ist? Zu häufig geht Philip Hoare der Gaul durch, wenn er entweder ins Ozeanisch-Lyrische hinausschießt oder ins Pseudophilosophische: "Und wie Wolken Landkarten in der Luft gestalten, so sind Wale Länder für sich, planetarische Gemeinschaften aus Seepocken und Seeläusen, unterwegs auf ihrer eigenen Kontinentaldrift."

Das schwächt den an sich günstigen Gesamteindruck, zumal Hoare immer mit witzigen Funden aufwartet, die die Allgegenwart des Themas illustrieren: So ist die amerikanische Kaffeehauskette nach dem Ersten Steuermann der "Pequod", Starbuck, benannt; und die Hintergrundmusik zum überteuerten Getränk kommt von Richard Melville Hall, einem Ururgroßneffen des Autors, in der Popwelt unter seinem Spitznamen Moby berühmt. Für jeden Polyhistor ist das Buch ein Traum, für Leser, die Struktur schätzen, eher weniger. Und noch nicht jedes essayistische Buch, das mit einmontierten, grobkörnigen Schwarzweißfotografien arbeitet, muss mit dem Aufkleber "W. G. Sebald" daherkommen: Dazu hätte es insbesondere einer stärkeren literarischen Durchformung, mithin Arbeit am Text bedurft.

Am Ende findet Philip Hoare zwar keine verbindlichen Antworten auf die Frage nach dem Wesen des Wals, aber es ist ihm Erlösung vergönnt. Vor den Azoren, im weltallblauen, vier Kilometer tiefen Atlantik, erlebt er aus nächster Nähe als Taucher eine Schule von Pottwalen, die sich den Besuch des Menschleins gefallen lässt. Das versöhnt den Autor, und seine Leser mit ihm.

HANNES HINTERMEIER

Philip Hoare: "Leviathan oder Der Wal". Auf der Suche nach dem mythischen Tier der Tiefe.

Aus dem Englischen von Hans-Ulrich Möhring. Mare Verlag, Hamburg 2013. 522 S., Abb., geb., 26,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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"Dieses Buch hätte Melville gefallen."
The Independent on Sunday