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Am Morgen nach dem großen Feuer hat die kleine Maeve ihren großen Auftritt: Aufgeregt schwirrt sie los und gibt in der Nachbarschaft zum besten, was sie über den Brand der Autowerkstatt aufgeschnappt hat. Das Mädchen genießt den kurzen Ruhm und - vielleicht zum ersten Mal - das Glück, eine Geschichte erzählen zu können. Sieben autobiographische Erzählungen bilden den Auftakt des neuen Buchs der großen irisch-amerikanischen Schriftstellerin Maeve Brennan: Mit zartem Strich und einer Portion Selbstironie skizziert Brennan ihre Kindheit und Jugend im Dublin der zwanziger und dreißiger Jahre. Dort…mehr

Produktbeschreibung
Am Morgen nach dem großen Feuer hat die kleine Maeve ihren großen Auftritt: Aufgeregt schwirrt sie los und gibt in der Nachbarschaft zum besten, was sie über den Brand der Autowerkstatt aufgeschnappt hat. Das Mädchen genießt den kurzen Ruhm und - vielleicht zum ersten Mal - das Glück, eine Geschichte erzählen zu können.
Sieben autobiographische Erzählungen bilden den Auftakt des neuen Buchs der großen irisch-amerikanischen Schriftstellerin Maeve Brennan: Mit zartem Strich und einer Portion Selbstironie skizziert Brennan ihre Kindheit und Jugend im Dublin der zwanziger und dreißiger Jahre.
Dort spielen auch die weiteren Erzählungen des Bandes, in denen die Autorin genüßlich ihre Mitmenschen aufs Korn nimmt: die unwillige Braut, die ihr Leben vergeudet, die machthungrige Toilettenfrau, die unversehens in ihre Schranken gewiesen wird, die Möchtegern-Künstler, die wider alle Vernunft an ihren Träumen festhalten. »Scharfäugig wie ein Spatz stürzt sich Maeve Brennan auf die Krumen des menschlichen Treibens« (John Updike). Sie hinterließ uns unvergeßliche Geschichten voller elegantem Witz und analytischer Schärfe.

Maeve Brennan gilt international als eine der aufregendsten literarischen Wiederentdeckungen der letzten Jahre. Ihre bei Steidl erschienenen Bücher Die Besucherin, Mr. und Mrs. Derdon. Geschichten einer Ehe und Der Teppich mit den großen pinkfarbenen Rosen wurden von Lesern und Presse begeistert aufgenommen. 1917 in Dublin geboren, siedelte sie 1934 mit ihrer Familie in die USA über. Im New Yorker veröffentlichte sie Kolumnen, Erzählungen, Essays und Erinnerungen. Maeve Brennan starb 1993 in New York.
Autorenporträt
Maeve Brennan, 1917 in Dublin geboren, trat 1949 in die Redaktion der Zeitschrift New Yorker ein. Bis 1973 veröffentlichte sie dort Kolumnen, Essays und Erzählungen. Sie starb 1993, mittellos, vereinsamt und vergessen, in New York.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.07.2009

Die Geister, die sie rief

Kassandra von Manhattan: In Maeve Brennans meisterhaften Erzählungen triumphiert der Stil vor allem in den archetypischen Momenten, wenn sich der Mensch mit Vorliebe vorgestanzten Emotionen in die Arme wirft.

Maeve Brennans Erzählungen gleichen Dürers "Großem Rasenstück". Sie blenden weder durch ihre Konstruktion noch durch ihr Sujet, sie kommen ohne Pointen und dramatische Wendepunkte aus, aber jede ist eine Parzelle des Lebens, der nichts weggenommen oder hinzugefügt werden kann. Fast alle spielen in Dublin, wo Brennan siebzehn Jahre lang wohnte, bevor ihr Vater als irischer Gesandter nach Washington zog und die Familie mitnahm. Später ging sie nach New York, wo sie zunächst für "Harper's Bazaar" über Mode schrieb und später für den "New Yorker" als Kolumnistin tätig war. Dort erschienen auch ihre dem Großstadtmilieu auf den ersten Blick so fremden Geschichten, die dennoch durch und durch mondän sind. Was sie schlicht wie eine Wiese und zugleich funkelnd wie den Broadway macht, ist die geistige Freiheit ihrer Autorin. Die meisten Erzählungen sind autobiographisch grundiert und aus der Perspektive eines klugen, kleinen Mädchens berichtet, das sich unter dem katholischen Schlaglicht von Gut und Böse die nicht ganz so einfach aussortierte Wirklichkeit zusammenreimt. Diesem Kinderblick verdanken die Geschichten die Frische ihres Urteils, ihre neugierige Insistenz und eine botanisierende Großzügigkeit, die alles aufgreift, das Hässliche wie das Schöne, solange es interessant ist.

Über das blauäugige Zentrum der Prosa wacht eine zweite, reifere Stimme wie ein transatlantischer Schutzengel, der die Angstgegner von einst entzaubert und ihre Antriebskräfte bloßlegt. Wichtigste Bezugsperson ist die für ihre Mildtätigkeit unter Landstreichern und Bettlern berühmte Mutter. Maeve Brennan langweilt uns nicht mit rührseligen Episoden, sondern erzählt gerade von absurden Szenen, in denen die zwanghafte Nächstenliebe dämonische Folgen nach sich zieht. "Neben ihren Kindern", konstatiert sie lakonisch, "waren die einzigen Menschen, bei denen sie etwas galt, die armen Männer und Frauen, die vor ihrer Tür bettelten, und diese Geltung ließ sich an der Art und Menge dessen ablesen, was sie ihnen gab." Dass Brennan selbst die Mutterliebe im Radius der Ich-Liebe ansiedelt, macht die Mutterfigur nicht weniger sympathisch. Wie bei allen großen Erzählern werden die Charaktere gerade durch ihre Widersprüche attraktiv. Und die zeigen sich immer dort, wo ihre Prinzipien an Grenzen stoßen. Nachdem die Ich-Erzählerin dem Pfarrer eine Lüge gebeichtet hat, berichtet sie zu Hause von den ihr auferlegten Ave Marias. "Mein armes Kind", seufzt die im Zweifel mehr pragmatische als fromme Mutter, "warum konntest du auch nicht den Mund halten?"

Wenn es doch so etwas wie Pointen bei Brennan gibt, dann sind es diese Momente einer Erziehung fürs Leben, die in keinem Lehrbuch stehen. Unter dem Nebel der guten Vorsätze erscheint die chaotische Textur der Tage wie durch eine Lupe vergrößert; und dort, wo Parolen des Anstands nur das schlechthin Böse vernebeln, exekutiert Brennan ihren Röntgenblick. Mit lapidarer Brillanz umreißt sie das Trachten einer giftigen Toilettenfrau, die Besucherinnen die Momente vor dem Spiegel zur Hölle zu machen versteht: "Die Kirche, das wusste sie, stand auf ihrer Seite, denn verbot und verdammte sie nicht alle Eitelkeit und die Sünden des Fleisches?" Ein Ende bereitet diesem "Plagegeist" eine neue Assistentin der Hoteldirektion: "Miss Williams, aus Belfast, hatte einen sparsamen kleinen Körper, einen straffen, unerschrockenen Bauch und eine sehr schmale Nase, die wie ein Sensenblatt geformt war." Sie ist begabt mit einem Ordnungssinn, dem es die "höchste Genugtuung bereitet" hätte, nachts "von Zimmer zu Zimmer zu gehen und die Gäste in ihren Betten geradezurücken wie Messer und Gabeln".

Brennans Scharfsinn hat viel von dieser sortierenden, dunkle Ecken lüftenden Qualität, er ist eine Sense, die gerade zur Notwehr gegen kirchliche Rabulistik bitter nötig gewesen sein mag. "Der Teufel in uns" handelt von einer Klosterschule, in der zwei Schülerinnen durch die grundlose Unterstellung ihrer Böswilligkeit demoralisiert und als "Krückstöcke des Teufels" gebrandmarkt werden. Brennan erzählt aus der Sicht eines der beiden Mädchen, das nicht begreifen kann, warum seine Selbstwahrnehmung sich so diametral von der ihrer Autoritäten unterscheidet. Im klaren Äther dieses kleistisch strengen Selbstverhörs steigt der Hass der Nonnen auf die begabtesten Mädchen wie ein Rauch zwischen den Zeilen auf.

Kaum je wird man bei Maeve Brennan auf ein Klischee stoßen. Ihr Stil triumphiert vor allem in den archetypischen Momenten, wenn sich der Mensch mit Vorliebe vorgestanzten Emotionen in die Arme wirft. Eine Hausangestellte namens Margaret empfängt am Hochzeitsmorgen ihren Bräutigam, den sie nicht liebt und mit dem sie das kleine Glück ökonomischer Sicherheit wählt: "Voller Furcht und Befremden starrte sie auf ihn herab." Die Chiffre für all das, was sie in diesem Augenblick aufgibt, ist ein Autobus, mit dem die Jugend ihrer Heimat sonntags ins Blaue aufbrach. Margarets Eltern haben ihr Versprechen nie eingelöst, sie auch einmal mitfahren zu lassen. Und diese Enttäuschung wird nun zur Grundlage dafür, auch in der Liebe nicht mit der Erfüllung der Träume zu rechnen. Jede zentrale Figur hat so ein Geheimnis. Bei der missgestalteten Mary ist es ein Klosterrosengarten, den das Publikum nur einmal im Jahr besuchen darf. Gerade weil Brennan uns Mary in all ihrer demonstrativen Grobheit schildert, wirft ihr Verlangen nach dem "flammenden Garten" alles so gründlich um, was wir über sie zu wissen meinen. An einem Regentag ist sie allein in diesem "warmen, ja sengenden Rot, das einem in die Nase stieg". Alle Rosen, heißt es, "standen getrennt voneinander, und in der schneidenden Luft wirkte jede so gebrechlich und doch zuversichtlich, dass Mary glaubte, keines ihrer Gesichter je vergessen zu können, solange sie lebe".

Mit ihrem Talent und ihrem Kassandrablick ist Maeve Brennan trotz der "New Yorker"-Plattform am Ende so allein geblieben wie Mary mit den Rosen. Bevor sie 1993 starb, soll sie von einer früh bemerkbaren Nervenkrankheit eingeholt worden sein. Sie wurde selbst obdachlos und hausierte lange in einer Abstellkammer der Redaktionstoilette, als hätte ihr schließlich die Kraft gefehlt, sich die Dämonen vom Leib zu halten, die ihre Geschichten so furchtlos herausforderten.

INGEBORG HARMS

Maeve Brennan: "Der Morgen nach dem großen Feuer". Erzählungen. Aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser. Steidl Verlag, Göttingen 2009. 160 S., geb., 16,- [Euro].

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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Kühn in der Sprache und leuchtend in ihrer "Erkenntnisschärfe". So beschreibt Bernadette Conrad die Erzählungen Maeve Brennans. Figuren und Geschichten aus dem Erzählkosmos der 1993 76-jährig verstorbenen Autorin gehen ihr merklich nah. Ein Grund dafür ist Brennans Kunst die "Nebenfiguren des Lebens" zu Protagonisten ihrer Geschichten zu machen. Für Conrad eine "verstörende" Perspektive. Besonders, wenn ihr die Autorin das "geheime innere Leben" ihrer Figuren eröffnet und ihm "Glanz und Würde" verleiht. Für den nunmehr dritten Band mit Erzählungen von Maeve Brennan ist Conrad dem Verlag sehr dankbar.

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