Marktplatzangebote
Ein Angebot für € 7,91 €
Produktdetails
  • Verlag: Kein & Aber
  • ISBN-13: 9783807710570
  • ISBN-10: 3807710574
  • Artikelnr.: 30837276
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2010

Gaunerballaden

Heavy-Metal-Schockrocker hätten an der Idee, Röntgenbilder kreisrund zu schneiden und darauf Schallplatten zu pressen, ihr grausiges Vergnügen. Die Produzenten des russischen Blatnjak allerdings verwendeten die Gerippefotos nicht wegen der Horrorästhetik, sondern aus Materialmangel. Blat-Lieder - Gaunerchansons - waren in der Sowjetunion seit den dreißiger Jahren verboten. Gassenhauer über Knastausbrüche, krumme Touren, halbseidene Liebschaften oder das Leben im GULag passten nicht in die saubere kommunistische Arbeiterkultur. Schellack und Vinyl standen für diese anarchische Untergrundmusik mit Einflüssen von Jazz, Tango, Foxtrott, Klezmer und russischer Folklore nicht zur Verfügung. Freies Unternehmertum war sowieso verboten. Deswegen wurde Blatnjak in Wohnzimmern aufgenommen und zusammen mit westlicher Popmusik in Hauseingängen gedealt. Produzenten und Schwarzhändler ließen sich von mehrjährigen Haftstrafen nicht abschrecken. In Russland liebte man die Verbrecherballaden - auch Stalin hatte eine Schwäche für das von ihm offiziell nicht tolerierte Liedgut. In seinem Buch hat Uli Hufen die oral history des Blatnjak zu Papier gebracht. Er spürte Zeitzeugen in Odessa, Sankt Petersburg und Moskau auf und stellt die Sänger Leonid Utjosow, Arkadij Sewernyi, Kostja Beljajew und Garik Osipow vor. Hufens sympathische Schilderung der Blat-Boheme weckt Neugier, die freilich unbefriedigt bleiben muss. Dem Buch liegt keine "Best of Blatnjak"-CD bei. Internetrecherchen nach Hörproben führen ohne Kenntnisse der russischen Sprache und der kyrillischen Schrift nicht weit. Die wenigen Fundstücke klingen: rauh, sentimental und wodkagegerbt. (Uli Hufen: "Das Regime und die Dandys". Russische Gaunerchansons von Lenin bis Putin. Rogner & Bernhard, Berlin 2010. 326 S., geb., 19,90 [Euro].)

fxe

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

"Das Vibrato ist unbeschreiblich". Volker Hagedorn hat sich von Uli Hufen ein völlig unbekanntes Russland um die Ohren hauen lassen - und ist begeistert. Es ist das Russlands des Blat, jener Gaunermusik, in der Nutten und ihre Zuhälter, Säufer, Diebe und Halunken besungen werden. Als König des Blats, der sich leider schon vor dreißig Jahre totgesoffen hat, stellt uns Hagedorn Arkadij Severny vor, dessen Chansontexte den Rezensenten sehr beeindruckt haben: "Sauf mit mir Flittchen, durchgeknutscht bist Du, zerpimpert." Höchst amüsiert folgt der Rezensent also dem Autor auf seiner Reise in dieses unbekannte Musikland, von dem er nicht wusste, dass man sich danach sehen kann.

© Perlentaucher Medien GmbH