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Wie schon in dem Roman »Eheleben«, der Sergio Pitol in Deutschland bekannt machte, geht es auch im »Mephistowalzer« vor allem um die Liebe und ihre Geheimnisse.Aufmerksam liest die ältere Frau im Nachtzug eine Erzählung ihres Mannes Guillermo: Während bei einem Klavierkonzert der »Mephistowalzer« von Franz Liszt gespielt wird, stellt sich im Publikum ein Mann die Lebensgeschichte eines geheimnisvollen Logengastes vor. Die Erzählung allerdings, urteilt die Frau am Ende nüchtern, ist eine ebensolche Enttäuschung wie ihre Ehe.In der frühen Erzählung »Amelia Otero« hingegen verliebt sich die…mehr

Produktbeschreibung
Wie schon in dem Roman »Eheleben«, der Sergio Pitol in Deutschland bekannt machte, geht es auch im »Mephistowalzer« vor allem um die Liebe und ihre Geheimnisse.Aufmerksam liest die ältere Frau im Nachtzug eine Erzählung ihres Mannes Guillermo: Während bei einem Klavierkonzert der »Mephistowalzer« von Franz Liszt gespielt wird, stellt sich im Publikum ein Mann die Lebensgeschichte eines geheimnisvollen Logengastes vor. Die Erzählung allerdings, urteilt die Frau am Ende nüchtern, ist eine ebensolche Enttäuschung wie ihre Ehe.In der frühen Erzählung »Amelia Otero« hingegen verliebt sich die schöne Amelia in einen Revolutionär und verlässt für ihn ihre wohlsituierte Familie - mit dramatischen Folgen.Die Geschichten spielen in Mexiko, Peking, Cordoba. Ihre Helden müssen sich entscheiden zwischen einer vorgegebenen Karriere oder dem Abenteuer, zwischen zwei Männern oder zwei Frauen.Sergio Pitols Kunst, Menschen in schicksalhaften Momenten zu zeigen, erreicht in diesen fesselnden Geschichten ihren Höhepunkt.
Autorenporträt
Sergio Pitol, 1933 in Puebla, Mexiko, geboren, studierte in Mexiko-Stadt Jura und Literaturwissenschaft und war als Literaturprofessor und Diplomat in zahlreichen Ländern tätig. Er hat Romane, Erzählungen und Essays geschrieben und gilt als einer der angesehensten Autoren Lateinamerikas. Seine Übersetzungen aus dem Russischen, Polnischen und Englischen haben das Werk von Nikolai Gogol, Anton Tschechow, Witold Gombrowicz, Henry James, Joseph Conrad und Jane Austen in Mexiko bekannt gemacht. Für seine Bücher erhielt er viele Preise, darunter den Premio Herralde de Novela, den begehrten Premio Juan Rulfo und 2005 den Premio Miguel de Cervantes. Pitol lebt heute in Xalapa, Veracruz.

Angelica Ammar, geb. 1972 in München, studierte Romanistik und Ethnologie in München und Madrid. Weitere Aufenthalte in Lissabon, Montevideo und Buenos Aires. Zahlreiche Übersetzungen aus dem Spanischen und Französischen. Seit 1997 lebt die Autorin in Paris.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 20.12.2005

Raben verspeisen
Lug, Trug und Verwandlung: Erzählungen von Sergio Pitol
Der Wüstenstorch ist nicht gerade ein possierlicher Geselle. Besonders die Spezies namens Ciconia Dentiforme, in deren Schnabel spitze, scharfe Zähne sitzen, macht mit ihren Feinden kurzen Prozess. Wenn aus den Eukalyptusbäumen von Buchara die Überreste zerstückelter Raben auf den Boden fallen, und wenn dieses „Vogelmassaker”, so Sergio Pitol, das ohrenbetäubende Angstkrächzen der Rabenschar begleitet, dann sind hier gerade die Wüstenstörche am Werk. „Das Krächzen der Raben”, sagt Juan Manuel, ohne je in Buchara gewesen zu sein, „hört sich manchmal an wie Kinderweinen; und manchmal wie der letzte Schrei eines Erhängten.” „Dann”, so heißt es bezeichnend für den Erzählstil Pitols, „schweiften wir von den Vögeln ab”.
Die Abschweifung ist das Formgesetz der fünf kurzen und doch bei aller Lust am Überschuss merkwürdig knappen und wüstenstorchartig scharfen Erzählungen des mexikanischen Dichterdiplomaten und Literaturprofessors Sergio Pitol, dem kürzlich der Cervantes-Preis verliehen wurde. Wem Pitol mit diesen zeitlosen, irgendwo zwischen Blixen, Borges und Hofmannsthal herumgeisternden Geschichten, erstmals begegnet, der möchte unbedingt auch seine Romane und Reisebeschreibungen lesen, die, Wagenbach sei Dank, zum Teil auch auf Deutsch greifbar sind. Sergio Pitol ist ein Meister des Halbdunkels, des Gerüchts und des Hörensagens, der seine Leser wie seine Figuren mit diebischer Freude im Ungewissen lässt. Wo erzählt wird, so legen Pitols Erzählungen nahe, kann es keine Gewissheiten geben. Kaum hat einer, jedenfalls bei Pitol, angefangen zu erzählen, so lügt er auch schon - und braucht dafür nicht mal einen Vorsatz.
Wie das Pitolsche Geflecht aus Erzählung und Illusion funktioniert, kann die Erzählung „Der dunkle Zwillingsbruder” verdeutlichen. Typisch für den Autor und seine an Borges und anderen Lateinamerikaner erinnernde Selbstreflexion des Erzählvorgangs, beginnt die Geschichte mit Hinweis auf Gelesenes, nämlich auf „Tonio Kröger” und die dort gegebene Bestimmung des Künstlertums. In Wirklichkeit, meint der Erzähler, sei die Beziehung zwischen Kunst und Leben komplizierter, weniger gegensätzlich als in „Tonio Kröger” behauptet. Um dann, wie es seine Art ist, abzuschweifen vom gestellten Thema und sich einen schreibenden Diplomaten vorzustellen, der in Prag an einem Abendessen in der portugiesischen Botschaft teilnimmt.
Die diplomatische Tätigkeit spielt überhaupt eine große Rolle in Pitols Erzählungen, sei es in der Wahl der Erzähl-Orte (Warschau, Peking, Samarkand etc.), sei es in der Häufigkeit, mit der er auf das Hauptgeschäft des Diplomaten, den Small Talk, zu sprechen kommt, diese meist ermüdende, dann aber plötzlich literarisch ergiebige Mitteilungsform. Beim besagten Abendessen langweilt die Botschafterin die Runde so lange mit einer weitschweifigen Erzählung von ihrer Jugend auf Madeira, bis sich die Gäste abwenden und als letztes, wehrloses Opfer ihr Tischnachbar, der Erzähler, übrig bleibt. In dessen Ohren und Gedanken freilich verwandelt sich der konventionelle Monolog der Botschafterin rückwirkend in ein Abenteuer.
Blitzangriff der Wüstenstörche
Aus ihren mehr oder minder belanglosen Episoden setzt er, halb träumend, halb gestaltend, seine eigene, viel mysteriösere Erzählung zusammen. Zu dieser Art von Einverleibung gehört, dass die Erzählung eine Passage erlebt, eine örtliche Übertragung von Funchal, Madeira, nach Veracruz, Mexico. „Mit der Zeit”, schreibt der Erzähler, „wird der Schriftsteller vergessen, daß diese Geschichte ihren Ursprung bei einem Diner in der portugiesischen Botschaft in Prag nahm.” Der Schriftsteller, setzt er hinzu, sei „jemand, der aus wirklichen Stimmen andere Stimmen heraushört.” Es gehört zum großen Reiz von Pitols Geschichten, dass (und wie) sie den Weg dieser Verwandlung selbst zum Gegenstand des Erzählens machen. Sonderbar bezaubert verlässt man den schwankenden Boden dieser Erzählungen, noch stark unter dem Eindruck der „Blitzangriffe der Wüstenstörche”, „die sich an den Raben gütlich taten.” CHRISTOPH BARTMANN
SERGIO PITOL: Mephistowalzer. Erzählungen. Aus dem mexikanischen Spanisch von Angelica Ammar. Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2005. 118 Seiten, 13,90 Euro.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Hingerissen ist Uwe Stolzmann von diesem Band mit Erzählungen des mexikanischen Autors Sergio Pitol, der sich darin wieder einmal als "Magier" erweise. Pitol sei ein Meister des literarischen "Spiegelkabinetts", indem er aus einer zunächst ganz konventionellen Szene, wie in der ersten Erzählung um eine Frau in einem Schlafwagenabteil, eine zwielichtige, "offene Landschaft" kreiert. Dabei gehe es dem Autor, in der "Handlung unter der Handlung" um das Schreiben an sich und um die "Geburt eines Kunstwerks", die er vorführe wie ein Zirkuszauberer, und die der Zuschauer, sprich Leser, dennoch nicht durchschaut, berichtet Stolzmann fasziniert. Diese Texte sind "kraftvolle Prosa über Prosa", lobt Stolzmann, der es lediglich bedauert, dass weder Entstehungszeit noch -umstände der Erzählungen in diesem Sammelband erwähnt werden.

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