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Hasenherziger Signore trifft selbstbewusste Signorina - charmante Parodie auf Geschlechterrollen
Maria Pedani ist jung, selbstbewusst und hat eine Mission: Mit Gymnastik will sie Italien retten - und am liebsten auch den Rest der Welt. Als ihr der schmalbrüstige Don Celzani sein Herz zu Füßen legt, zeigt sie sich wenig beeindruckt. Ein verklemmter ehemaliger Priesterseminarist ist in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen. Doch Don Celzani lässt nichts unversucht. Unter den staunenden Blicken der Turiner Nachbarn versucht er, sich als Mann neu zu erfinden. 1971 von Italo Calvino wiederentdeckt,…mehr

Produktbeschreibung
Hasenherziger Signore trifft selbstbewusste Signorina - charmante Parodie auf Geschlechterrollen

Maria Pedani ist jung, selbstbewusst und hat eine Mission: Mit Gymnastik will sie Italien retten - und am liebsten auch den Rest der Welt. Als ihr der schmalbrüstige Don Celzani sein Herz zu Füßen legt, zeigt sie sich wenig beeindruckt. Ein verklemmter ehemaliger Priesterseminarist ist in ihrem Lebensplan nicht vorgesehen. Doch Don Celzani lässt nichts unversucht. Unter den staunenden Blicken der Turiner Nachbarn versucht er, sich als Mann neu zu erfinden. 1971 von Italo Calvino wiederentdeckt, wurde Edmondo de Amicis' humorvolle Emanzipationsparodie zwei Jahre später mit Senta Berger in der Hauptrolle verfilmt. Nun liegt der Roman erstmals seit hundert Jahren in neuer deutscher Übersetzung vor.
Autorenporträt
Edmondo de Amicis (1846-1908) war einer der maßgeblichen italienischen Autoren seiner Zeit. Nach aktiver militärischer Laufbahn machte er sich als Journalist, später auch als sozialistisch eingestellter Kommentator aktueller politischer Ereignisse einen Namen. Seine größten Erfolge als Schriftsteller feierte er mit seinem Kinderbuchklassiker "Cuore".
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 18.07.2013

Sport ist auch keine Lösung

Wer zu viel denkt, schlafft sehr schnell ab: In "Liebe und Gymnastik" schickt Edmondo De Amicis Frauen und Männer in die Turnhalle.

Kann man sich E. T. A. Hoffmann auf dem Laufband vorstellen? Eher nicht. Und das erklärt sich nicht nur damit, dass dieses Gerät damals noch nicht erfunden war. Nein, die Leibesertüchtigung lag diesem Kauz einfach nicht. Doch hatte er Juristerei studiert - und musste als Assessor über Turnvater Jahn urteilen, dem Demagogie vorgeworfen wurde. Bei allen Vorbehalten, die Hoffmann gehegt haben dürfte, war er tolerant genug, kein hartes Urteil zu fällen und Jahn freizusprechen. Doch Sport war ein Politikum, von Jahn und seinen Anhängern stark mit einer nationalen Komponente aufgeladen, der Turnunterricht zwischenzeitlich verboten. Bis zu Ringelnatz' "Am Barren" - sinnigerweise mit "Alla donna tedesca" untertitelt -, bis zu seinem verhohnepipelnden "Deutsche Frau, dich ruft der Barrn", zum "Deutsches Mädchen - Grätsche! Grätsche!" sollten so viele Jahre nicht vergehen.

Die Turnerbewegung war indes kein deutsches Phänomen. Zahlreiche Länder huldigten ihr, Jahn wurde zum Star seiner Zeit. In Italien legte Edmondo De Amicis 1892 seinen schmalen, aber sehr feinen Roman "Liebe und Gymnastik" vor - und der hat es in sich. De Amicis (1846- 1908) liebäugelte zunächst und im Zuge der Einigung Italiens mit der nationalen Bewegung, später mit dem Sozialismus. Für beides kam ihm der Sport gerade recht, sollten doch auf diese Weise im zivilen Leben die Voraussetzungen für Leistungsfähigkeit in der Armee geschaffen werden. Mehr oder weniger ungefiltert finden sich diese Ansichten in seinem Kinderbuch "Cuore", seinem lange Zeit bekanntesten Werk. Ganz anders dagegen "Liebe und Gymnastik", in Italien in den siebziger Jahren von Italo Calvino wiederentdeckt und kurz darauf mit Senta Berger in der weiblichen Hauptrolle verfilmt.

Dieser am Boulevardtheater geschulte Roman besticht durch leise Komik, Ironie und Biss. Da wird darüber gemutmaßt, wie sehr unsportliche Menschen, schlaffe Geistesgrößen, "ihr zerebrales System zum Schaden der Muskulatur zu sehr beansprucht haben", da muss man sich schon in "theoretischer Gymnastik" auskennen, um überhaupt noch mitreden zu können. All dies ist auf intelligente Weise höchst vergnüglich dargelegt und kurzweilig zu lesen, sozusagen ein lockerer Lektüresprint.

Seinen eigentlichen Witz bezieht der Text jedoch durch den mitschwingenden Subtext. De Amicis hat auf den ebenso einfachen wie genialen Trick zurückgegriffen, eine "verkehrte Welt" darzustellen: Die Frau steht für körperliche und geistige Überlegenheit, während der Mann sich wünscht, ihr ein trautes Heim zu schaffen. Der verkrachte Seminarist Celzani ist denn auch ein Hänfling, wie er im Buche steht. Er verliebt sich in die gymnastikgestählte Turnlehrerin Pedani, lebt, obwohl bereits dreißig Jahre alt, seine Liebe in Backfischmanier errötend aus und träumt schon bald von ein, zwei, drei, vier, ganz vielen Wiegen - wobei es ihm wohl nach glücklichem Ende vorbehalten bleiben dürfte, sich in der Disziplin des Windelnwechselns Medaillen zu erwerben.

Wie hier auf der Metaebene Rollenmodelle durchleuchtet werden, wie hier vorgeführt wird, dass der Körper ein identitätskonstituierendes Merkmal ist, sucht seinesgleichen. Das Fischbeinkorsett wird bei Gymnastikübungen gelockert oder abgelegt, das andere, weniger greifbare, zwackt und zwickt noch immer. Sei es nun gesundes Essen, eine ausgewogene Lebensweise oder Fitness - in jeder Zeile schimmert durch den Text, dass "Körper" durchaus keine individuelle Kategorie ist, sondern ein gesellschaftlicher Faktor, der in den Dienst einer nationalen Sache, eines effizienten Berufslebens zu stellen ist, der entscheidet, welche gesellschaftliche Rolle jemand wie zu erfüllen hat, der aber unter keinen Umständen allein dem persönlichen Wohlbefinden zu dienen hat.

CHRISTIANE PÖHLMANN

Edmondo De Amicis: "Liebe und Gymnastik". Roman.

Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Mit einem Nachwort von Manfred Pfister. Manesse Verlag, München 2013. 256 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Maike Albath ist überrascht: So viel frivolen Humor wie in dem 1892 entstandenen Roman "Liebe und Gymnastik" hätte sie bei dem italienischen Autor Edmondo De Amicis gar nicht vermutet. Amüsiert liest sie dieses "ironische Sittengemälde", in dem sich ein seltsam verstockter, ödipal verstrickter und bewegungsfauler Herr namens Don Celzani in die Turnlehrerin Maria Pedani verliebt, ihr im gemeinsamen Turiner Mietshaus ständig Heiratsanträge macht und bald auch die gesamte kuriose Nachbarschaft miteinbezieht. Albath erfährt hier nicht nur viel Unterhaltsames über das städtische Bürgertum, sondern bewundert auch De Amicis' distanziert-spöttischen Blick auf die erzieherische Funktion der Leibesübungen der Turnpioniere.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 08.05.2014

Körper, Zunge und Nation
Wie Edmondo De Amicis Italien stärken wollte
Edmondo De Amicis ist einer jener Männer, denen man Humor und Frivolität gar nicht zugetraut hätte. Denn wenn es in der italienischen Literatur einen Klassiker der Erbauungsliteratur gibt, dann sein hochmoralisches, herzzerreißendes Kinderbuch „Cuore“ von 1886. Als großer Verfechter der nationalen Einheit wollte der spätere Sozialist landesweit auf den Nachwuchs einwirken und seine Leser zu tugendreichen, aufgeklärten Vertretern des jungen Landes erziehen. Die Mischung zündete: Sein Buch erreichte innerhalb weniger Monate vierzig Auflagen, wurde europaweit übersetzt, erschien in Deutschland 1889 unter dem Titel „Herz“. Noch im 20. Jahrhundert zählte es zur Ausstattung vieler italienischer Kinderzimmer – obwohl Umberto Eco mit De Amicis’ Ideal der Gehorsamkeit harsch abrechnete.
  Auch der sechs Jahre nach Cuore entstandene Roman „Liebe und Gymnastik“ kreist um den Gedanken der Erziehung. Allerdings liegen hier die Dinge etwas anders: Im Zentrum des ironischen Sittengemäldes steht die Turnlehrerin Maria Pedani, die der Ideologie der Formbarkeit vor allem auf körperlicher Ebene anhängt. Gymnastische Übungen vor offenem Fenster, Dehnen, Strecken, Recken und gezieltes Training von Rücken- Bauch- und Beinmuskulatur, so lautet ihr Credo. Es spricht für Edmondo De Amicis, dass er ausgerechnet einen gehemmten Stubenhocker für die bewegungslustige junge Frau mit dem göttlichen Körper entbrennen lässt. Der ungelenke Herr heißt Don Celzani und ist in ödipale Beziehungen mit seinem Onkel verstrickt, dem er als Wohnungsgenosse, Sekretär und Hausverwalter zur Seite steht.   Der Roman, angesiedelt in einem Turiner Mietshaus, das besagtem Onkel gehört, nimmt sportlich seinen Lauf: Maria Pedani turnt die Treppen hinauf und hinunter und avanciert zu einer in der gesamten Region gefragten Expertin für Leibesübungen, ohne sich der eigenen Reize bewusst zu werden, Don Celzani dackelt ihr Tag für Tag hinterher. Schließlich fasst er sich ein Herz und macht ihr einen Heiratsantrag, den er mehrfach erneuert, holt sich aber Abfuhr um Abfuhr, was seine Liebe umso heftiger anfacht. Sogar zum Sportunterricht meldet er sich an.
  Die Leidenschaft für Gymnastik erinnert heutige Leser unweigerlich an das ursprüngliche Ziel der Turnpioniere: die Jugend einer Nation durch militärisch anmutenden Drill für den Kriegseinsatz tauglich zu machen. Edmondo De Amicis, 1846 in Ligurien geboren, in Cuneo und später in Turin zur Schule gegangen, war selbst Veteran des dritten italienischen Unabhängigkeitskrieges, hatte seine schriftstellerische Karriere als Frontreporter und Verfasser amüsanter Prosastücke über das Soldatenleben begonnen. Die Armee des geeinten Italien verstand er als eine erzieherische Anstalt.
  Aber in „Liebe und Gymnastik“ sah er die Sache entspannter, und daraus erwächst die Qualität des Romans. Angeblich nur entstanden, um eine Steuerschuld zu begleichen, zeichnet er sich vor allem durch sein satirisches Potenzial und die spielerische Inszenierung der Liebesgeschichte aus. Das Erziehungsideal und der sportliche Eifer sind eher Gegenstand von mildem Spott: Zwar geben die Hausbewohner der jungen Lehrerin in ihrem Anliegen, auch die Mädchen durch Turnen zu selbstbewussten Frauen zu machen und Leibesübungen als klassenübergreifende Aktivität zu verstehen, durchaus recht – aber Gymnastik als Patentrezept gegen alle Kalamitäten? Ingenieur Ginoni aus dem ersten Stock ist skeptisch, zu viel Sport habe einen nachteiligen Effekt auf die Gehirnzellen, gibt er zu bedenken.
  Wie in einer französischen Komödie kreuzen sich die Wege der Hausbewohner im düsteren Treppenhaus: Hier passt der verzagte Don Celzani seine Sportskanone zu einer weiteren Liebeserklärung ab, dort steigt der spätpubertäre Sohn der Ginonis der Lehrerin nach oder klagen Mieter dem Onkel und Hausbesitzer ihr Leid, der allzu zerstreut mit ihren Anliegen umgeht. Seine Dynamik gewinnt der Roman zum einen aus dem komischen Gegensatz zwischen dem unterwürfigen Don Celzani, der schier verrückt wird vor unerwiderter Liebe, und der komplett indifferenten Maria Pedani, die gar nicht weiß, was sie auf Schritt und Tritt anrichtet. Mit viel Sinn für Komik dreht der Autor die Geschlechterrollen um, stellt seinem durchsetzungsschwachen Helden eine umso kampfeslustigere Sportlehrerin gegenüber. Zum anderen sorgen die vielen charakteristischen Nebenfiguren mit ihren wechselnden Bündnissen für den Schwung von „Liebe und Gymnastik“.
  Neben dem jovialen Ingenieur Ginoni wären da noch die altjüngferliche Maestra Zibelli, die Mitbewohnerin von Maria, der sportbesessene Kollege Fassi, konkurrenzlerisch und missgünstig, der testosterongesteuerte Ginoni junior, und schließlich der liebenswürdige Onkel, der wegen der schön anzuschauenden Mädchenkörper eine Schwäche für Turnveranstaltungen hat. Weil Don Celzani so anhaltend den Kopf verliert und seine Angebetete ihm sich nicht weniger anhaltend verweigert, wird schließlich die gesamte Hausgemeinschaft in Mitleidenschaft gezogen.
  So liefert der Roman einen amüsanten Querschnitt durch das städtische Bürgertum, karikiert jedweden missionarischen Eifer und nimmt Partei für einen gelassenen Umgang mit neuen Ideen. Aber das von Barbara Kleiner mit turnerischer Eleganz übersetzte Buch hatte eine weitere wichtige Funktion, die der deutsche Leser nur erahnen kann: De Amicis engagierte sich in allen seinen publizistischen und literarischen Aktivitäten für ein moderneres Italienisch, wollte überregional wirken und im Piemont ebenso gelesen werden wir in Neapel oder auf Sizilien. Darum brach mit dem rhetorischen Ideal der Schriftsprache, propagierte einen lebendigeren, volksnäheren Stil. Sein Ideal der Verständlichkeit war Ende des 19. Jahrhunderts ein durchaus revolutionärer Ansatz. Er brachte seinen Landsleuten also doch eine Art von Gymnastik nahe: Zungengymnastik.
MAIKE ALBATH
Edmondo De Amicis: Liebe und Gymnastik. Aus dem Italienischen von Barbara Kleiner. Manesse Verlag, Zürich 2013. 254 Seiten, 19,95 Euro.
  
  
Edmondo de Amicis, geboren 1846 in Imperia, gestorben 1908 in Bordighera, landete 1886 mit dem Jugendroman „Cuore“ („Herz“) einen Bestseller. 1892 erschien der hier vorgestellte Roman.
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"Ein an manchen Stellen erstaunlich moderner, wunderbar augenzwinkernder und blitzgescheiter Spaß. [...] Ein wunderbarer Roman." Lesart, 2/13