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Hollis Henry bekommt einen neuen Auftrag. Gemeinsam mit einem Junkie soll sie ein Underground-Label ausspionieren. Es geht um vielmehr als einzigartig geschnittene Hosen im Militarylook: Für eine Ausschreibung der amerikanischen Armee soll ein Konkurrent ausgeschaltet werden. Am besten ist es, niemandem zu trauen, vor allemnicht seinem eigenen Auftraggeber. Es gibt wohl kaum einen Autor in unserer globalisierten Welt, der Verschwörungstheorien so spannend erzählt wie William Gibson. Mit»Systemneustart« setzt er einen furiosen Schlusspunkt unter diebeiden Vorgängerromane »Mustererkennung« und »Quellcode«.…mehr

Produktbeschreibung
Hollis Henry bekommt einen neuen Auftrag. Gemeinsam mit einem Junkie soll sie ein Underground-Label ausspionieren.
Es geht um vielmehr als einzigartig geschnittene Hosen im Militarylook: Für eine Ausschreibung der amerikanischen Armee soll ein Konkurrent ausgeschaltet werden. Am besten ist es, niemandem zu trauen, vor allemnicht seinem eigenen Auftraggeber.
Es gibt wohl kaum einen Autor in unserer globalisierten Welt, der Verschwörungstheorien so spannend erzählt wie William Gibson. Mit»Systemneustart« setzt er einen furiosen Schlusspunkt unter diebeiden Vorgängerromane »Mustererkennung« und »Quellcode«.

Autorenporträt
William Gibson, geboren 1948 in South Carolina, wanderte mit 19 Jahren nach Kanada aus, um der Einziehung zum Vietnamkrieg zu entgehen. 1972 ließ er sich in Vancouver nieder, wo er noch heute mit seiner Familie lebt. Bekannt wurde er mit seinem 1984 erschienenen und vielfach preisgekrönten Roman Neuromancer, in dem er erstmals den Begriff 'Cyberspace' prägte. 2019 wurde ihm der Damon Knight Memorial Grand Master Award für sein Lebenswerk verliehen. Hannes Riffel lebt und arbeitet als freier Lektor und Übersetzer in Berlin. Er ist Mitbegründer der Otherland-Buchhandlung und Leiter des Golkonda Verlages. Für Übersetzungen von John Clute, Hal Duncan und Paolo Bacgalupi wurde er bereits dreimal mit dem Kurd Laßwitz Preis ausgezeichnet.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.05.2011

Der Name der Hose
Thriller, Ideenroman, Sciencefiction aus der Gegenwart: William Gibsons "Systemneustart"

Der Schriftsteller Uwe Johnson hat mal vorgeschlagen, man solle doch nach der Lektüre eines Romans oder einer Erzählung einfach anfangen zu zählen: Dinge, Personen, Orte, Worte. Bei William Gibson kommen dabei irrwitzige Inventarlisten zustande, mit deren Einzelstücken man eine große Wunderkammer füllen oder einen futuristischen Flohmarkt bestücken könnte. Es ist auch nicht falsch, den einen oder anderen Posten auf dieser Liste noch mal zu googeln, um sich seiner Existenz zu vergewissern, die nicht notwendig eine reale sein muss. Suchmaschinen kennen keinen Unterschied zwischen Fakten und Fiktionen. Gibson selbst hat das erlebt, als er einen "Adidasschuh GSG9", benannt nach der deutschen Spezialeinheit, erfinden wollte - um festzustellen, dass es den schon gab.

Am Ende des neuen Romans "Systemneustart" stehen, liegen und schweben also, wahllos und natürlich unvollständig: ein metallicblauer Vinylumschlag mit einem integrierten Reißverschluss; ein uralter Duschkopf mit einem Durchmesser von siebzig Zentimetern; ein Faraday-Brustbeutel, der elektromagnetische Wellen abhält; ein Kronleuchter aus Gläsern Tausender abgelegter Kassenbrillen; ein Herrenanzug in Yves-Klein-Blau und ein olivfarbener BH der israelischen Armee; Narwalzähne und ein Oberschenkelknochen aus Rattan; ein Bodeneffektfahrzeug russischer Herkunft, das Ekranoplan heißt, ein silberner Pinguin, der eine "urbane Überwachungsplattform" darstellt; und über allem schwebt ein Duft von Indigo.

Dieses Sammelsurium von Dingen repräsentiert ziemlich gut Gibsons Bild der Welt. Ihm entspricht die Lust an der Beschreibung von unübersichtlichen Situationen, die Suche nach unerwarteten Kombinationen, nach verborgenen deep codes, und man findet dieselbe Leidenschaft für Unordnung und fürs Detail auch bei der Schilderung einer Motorradwerkstatt in London oder eines bizarren Zimmers in einem Hotel. Es passt zu dieser Konstellation, dass sich auch schwer sagen lässt, was dieser Roman denn nun eigentlich ist: ein Thriller, in dem es um Waffen, Militärkleidung und Industriespionage geht; ein Ideenroman, der von geheimen Marken, Anti-Marketing und allgegenwärtiger Überwachung handelt; ein Gegenwartsroman, der einem in seiner Sicht auf die Datengesellschaft des 21. Jahrhunderts mitunter vorkommt wie ein heimliches Stück Sciencefiction?

Gibson, der Mann, der in seinem ersten Roman "Neuromancer" 1984 den Begriff "Cyberspace" in die Welt setzte und die "Cyberpunks" gleich dazu erfand, Gibson, ohne dessen frühe Romane die Filmtrilogie "The Matrix" nur schwer denkbar wäre, dieser William Gibson, inzwischen auch schon 63, schafft es, wie ein Sciencefiction-Autor zu wirken, obwohl er schon seit einiger Zeit gar keine klassische Sciencefiction mehr schreibt. Genauer gesagt, seit 9/11. Manche behaupten, das habe damit zu tun, dass mit dem Fall der Türme das reale Leben die Sciencefiction eingeholt habe. Diese Meinung muss man nicht teilen, weil es eher so scheint, als habe Gibson nur ganz cool darauf reagiert, dass die Intervalle zwischen fiktionalen Zukunftsobjekten und ihrer Realwerdung immer kürzer geworden sind.

Auf jeden Fall ist "Systemneustart" (im Original: "Zero History") der letzte Teil einer Trilogie, die 2003 mit "Mustererkennung" begann und 2007 mit "Quellcode" weiterging. Manche Charaktere tauchen wieder auf, der belgische Mikro-Marketing-Mogul Hubertus Bigend ist sogar in allen drei Büchern dabei. Der Roman spielt in London, mit kurzen Zwischenstationen in Paris und South Carolina. Und er umreißt ein Territorium, auf dem sich die Linien und Interessen unentwirrbar kreuzen. Zuerst betritt es die ehemalige Rocksängerin Hollis Henry, die seit "Quellcode" ein Buch geschrieben hat über "locative arts". Ihr folgt Milgrim, der Mann, dem Bigend den Aufenthalt in einer teuren Entzugsklinik finanzierte, der nun von ihm abhängig ist und zugleich dem Roman seine zentrale Perspektive eröffnet: Nachdem er zehn Jahre im Dämmerzustand verbracht hat, schaut er auf die Welt mit dem Blick eines "Astronauten, der aus einer verlorenen Raumkapsel stieg".

Hollis und Milgrim sollen für Bigend einen Designer finden, der Denim-Bekleidung entwirft, eine Geheimmarke namens "Gabriel Hounds", was eine Anspielung auf die Hunde Awnns aus der walisischen Mythologie ist und auf den Topos der "wilden Jagd". Aber es geht nicht allein um den Namen der Hose, es geht auch darum, an lukrative Aufträge für die US Army zu kommen. Das ist eine typische Gibson-Idee, die durch Bigends Kopf spukt. Weil "der Designercode männlicher Straßenbekleidung im 21. Jahrhundert" geprägt ist von den Codes amerikanischer Militärbekleidung aus der Mitte des 20. Jahrhunderts, sieht der Marketing-Mann, dass die Army von ihrem eigenen Design-Erbe überfordert ist - ein genialer Designer müsste also die "Semiotik amerikanischer Massenbekleidung" neu kombinieren können. Und insofern ist "Systemneustart" natürlich auch ein Roman über die Zeit und die Zeichen.

Im Laufe der Suche kommen Konkurrenten und obskure Beobachter ins Spiel, es gibt klassische Thrillerelemente wie eine Entführung und einen Gefangenenaustausch, minutiös geplante Operationen und hässliche Zufälle. Und wer dabei mit wem und zu welchem Zweck kooperiert, bleibt notorisch unscharf. Das allseitige Misstrauen und die Undurchsichtigkeit sind nur die Kehrseite eines Zustands, in dem im öffentlichen wie im virtuellen Raum des Internets nichts unbeobachtet und kein Handeln spurenlos bleibt. Weshalb, und da spricht wieder unverkennbar Gibson selbst, Überwachungskameras und andere Kontrollinstrumente "Symptom einer Autoimmunkrankheit" sind: Der Schutzmechanismus verkehrt sich ins Gegenteil.

In dieser Dialektik von Unübersichtlichkeit und Transparenz liegt eine der Stärken des Romans. Sein Plot ist ein Flirt mit dem Chaos, und darin gleicht er Bigend, über den es einmal heißt, er stelle Leute ein, "von denen er weiß, dass sie sich nicht an seine Anweisungen halten werden, damit sie ihn in neue Richtungen führen. Er macht sich das Chaos zunutze." Zugleich setzt diese Instabilität der Welten etwas frei: eine Sehnsucht, einen Wunsch zumindest, wie er sich in den Geheimmarken manifestiert: "sich der Industrialisierung des Ungewöhnlichen zu entziehen". Dieser Wunsch ist fragil, er tendiert zur Selbstaufhebung, und Gibson hat dafür an anderer Stelle ein schönes Bild gefunden, wenn er über das Prinzip von Hollis Henrys "locative arts" schreibt, es sei, "als könnte man seine Träume einfrieren und sie an bestimmten Orten zurücklassen. Und andere Leute können hingehen und sie sich anschauen."

In Gibsons Romanen geschieht seit "Mustererkennung" etwas Merkwürdiges und Bemerkenswertes. Die Zeiten verschwimmen, die Zukunft ist kein abgegrenzter, ferner Projektionsraum mehr wie in den früheren Büchern. Man sieht jetzt dabei zu, wie die Gegenwart zugleich in die Vergangenheit rutscht und sich in Zukunft verwandelt. Denn die Gegenwart, hat der Historiker Hans-Ulrich Wehler mal gesagt, sei strenggenommen nur so dünn wie eine Rasierklinge - alles andere sei Vergangenheit und Zukunft. Diese doppelte Verwandlung treibt den Roman an, sie bestimmt seinen eigentümlichen Aggregatzustand, und sie verleiht ihm seine Spannung und Faszination.

Es schadet gewiss nicht, wenn man die beiden Vorgängerbücher gelesen hat, weil sich eine zentrale Pointe, die Entdeckung des Gabriel-Hounds-Designers, dann besser würdigen lässt. Aber es geht auch so. Und wer mit "Systemneustart" einsteigt, der möchte die Vorgänger sowieso gleich anschließend lesen. An einem ziemlich auffälligen Detail muss man allerdings doch noch herummäkeln. Dass ein großer Namens- und Begriffserfinder wie Gibson das iPhone (und andere Apple-Produkte) derart oft vorkommen lässt, dass man schon fast an Product Placement denkt, nervt ein bisschen. Aber vielleicht muss man auch das als einen flüchtigen Ausdruck jener Bewegung begreifen, in der die Gegenwart vor unseren Augen ganz langsam in die Vergangenheit fällt.

PETER KÖRTE

William Gibson: "Systemneustart". Roman. Aus dem Englischen von Hannes und Sara Riffel. Tropen-Verlag, Stuttgart 2011, 490 Seiten, 24,95 Euro

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.07.2011

Dr. Mabuses Guerilla-Marketing
In seinem jüngsten Roman „Systemneustart“ verkuppelt William Gibson die Military-Mode mit der realen US-Armee
Der Schriftsteller William Gibson ist bei seinen Lesern dafür berühmt, Zeitgenossenschaft auf den Punkt zu bringen. Gelesen und verehrt wird er für die außerordentliche Fähigkeit, aus den schwirrenden Erscheinungen der Gegenwart allgemeine Konzepte und Bilder abzuleiten. Das ist seit seinem ersten Roman „Neuromancer“ so, der dem diffus aufziehenden digitalen Zeitalter 1984 die Leitidee vom „Cyberspace“ lieferte. Seit einigen Jahren aber funktioniert das deutlich anders als damals. Nicht Gibsons Sensorium hat sich im letzten Jahrzehnt geändert, sehr wohl aber seine Verfahrensweise.
Was durchaus mit diesem letzten Jahrzehnt zu tun haben könnte. „Systemneustart“, im amerikanischen Original von 2010 „Zero History“, ist Höhepunkt und Abschluss einer lose verbundenen Romantrilogie, die Gibson 2003 mit „Mustererkennung“ begonnen und 2007 mit „Quellcode“ fortgeführt hat. Die Erscheinungsdaten sind wichtig: Gibsons neue Werkphase setzt nach dem elften September ein, und nach dem Schauspiel des entfesselten Neuen Marktes. Überaus lässig antwortet seine Trilogie auf eine weltweit durchgesetzte, hysterisch beschleunigende Datengesellschaft, deren Innovationstempo jede fiktionale Weitertreibung sinnlos erscheinen lässt.
Gibson reagiert ganz simpel: Er spitzt seine Befunde nicht mehr in Zukunftsvisionen und Leitbegriffen zu, er verflacht sie eher. Klar, es gibt noch Romanhandlungen, doch scheinen sie jetzt noch unwichtiger als früher. In einer Art Freischwebstil schweifender Aufmerksamkeit werden stattdessen einfach Objekte, Räume und Szenerien des unmittelbaren Tagesgeschehens zueinander gestellt.
In „Systemneustart‘ kann ein Trenchcoat, den Roberto Cavalli für H&M geschneidert hat, ebenso schilderungswürdig erscheinen wie die Innendekoration eines Pariser Tee-Stores mit W-Lan-Hotspot. Von da ist es nicht weit zum Netz der Überwachungskameras in der Londoner City, und davon gelangt man dann etwa zu Überlegungen über „Terrorismus als Markenbildung“. Hat Gibson früher Sciencefiction geschrieben, so frönt er im neuen Jahrtausend nur noch der puren Gegenwart. Die aber schaut so zurück, wie sie von ihm betrachtet wird. Gibsons eigenartig springende, detailversessene Beobachtungsweise erzeugt irritierende Textflächen: Man liest von unserem scheinbar selbstverständlichen Alltag zu Anfang des 21. Jahrhunderts und merkt plötzlich, dass dieser leibhaftig eingetretene Sciencefiction ist.
Das geht Ex-Junkie Milgrim ähnlich, der nach vielen Jahren im Drogendämmer aus einem Sanatorium heraus auf die Romanbühne plumpst: „Weicher Ton, der nur darauf wartete, dass das neue Jahrhundert seinen verräterischen Abdruck auf ihm hinterließ.“ Milgrim ist zuständig für möglichst unwillkürliches Zeitempfinden, ihm gegenüber steht abgebrühter und thesenfester die Ex-Rocksängerin Hollis Henry. Beide gab es schon in „Quellcode“, hier jedoch werden sie zum ersten Mal vor den gleichen Karren gespannt. Wie meist bei Gibson (irgendetwas muss ja passieren) gibt es in locker nachgeahmter Thrillermanier einen Suchauftrag, dazu jede Menge Gegenaufträge, Seitenwechsel und Palastrevolutionen mit entspannt nebulös auf- und abtretendem Personal.
An allen Fäden zieht auch diesmal der Medien-Hai Hubertus Bigend, eine Art ewiger New Economy-Mabuse mit Hang zu Frühstücksfleisch und ordinären Anzugsfarben. Bigend modelliert durch seine Aufträge die Beobachtungsinteressen Gibsons nach – zum Abschluss der Trilogie geht es ihm um: „Guerillamarketingstrategien. Seltsame Umkehrungen der Käuferlogik. Die absichtliche Konstruktion von parallelen Mikroökonomien, wo Wissen wichtiger ist als Reichtum.“
Milgrim und Hollis sollen eine ominöse Designerin aufstöbern, deren Mode als Geheimmarke nicht in den Handel kommt und darum bei Sammlern weltweit begehrt ist. Bigend will – ein für William Gibson bezeichnend irrer Assoziationssprung – mittels dieser Geheimmarke Uniform-Aufträge des US-Militärs an Land ziehen. „Der Designcode männlicher Straßenkleidung des 21. Jahrhunderts wurde größtenteils vom Code der Militärkleidung der Mitte des vergangenen Jahrhunderts beherrscht“; aus diesem Grund stünden offizielle Uniformschneidereien in ungünstigem Wettbewerb mit ihrem eigenen Produkt. Auffrischung kann nur aus abgekoppelten Reservoirs kommen, die nicht an „die Semiotik amerikanischer Massenbekleidung“ angeschlossen sind.
Denkt man das weiter, so nähert man sich einer der Ideen, die Gibson reichlich in seinem Wimmelbild versteckt hat. Nicht umsonst besteht das Personal seiner drei Jetztzeit-Romane komplett aus seltsam kernlosen, globalisierten Flexibelkreaturen wie Milgrim und Hollis, die auf ein Wort von Hubertus Bigend hin jederzeit jeden noch so absurden Suchauftrag annehmen würden. Als Stammesangehörige der weltweiten Aufmerksamkeitsökonomie können sie offenkundig gar nicht anders, als immer nur dem nächsten Trend nachzujagen. Heimlicher Sehnsuchtsort ist daher die Abkopplung, das Off. Es gibt einen erschütternden Moment in „Systemneustart“, als Hollis Henry endlich die Geheimdesignerin findet: Die beiden einigen sich, den Namen der Designerin nicht zu nennen. Sie machen ihn gewissermaßen ungooglebar für die Ränkespiele der Romanchargen und die gesamte Welt.
Was aber bedeutet ein solches absichtliches Verstummen bei einem Schriftsteller wie Gibson, der doch die gesamte Trilogie über die Orte, Institutionen und Praktiken unserer Gesellschaft mit nichts als Gerede, mit Aberhunderten von Nennungen aufgerufen hat? Früher, zu Zeiten der „Neuromancer“-Bücher, kämpften bei ihm noch Außenseiter gegen eine menschenfeindliche High-Tech-Welt an. In seiner aktuellen Trilogie dagegen sind Helden wie Milgrim und Hollis freundlich-trendsurfende Macbook-Besitzer, und auch er selbst scheint – vordergründig unkritisch – vor allem befasst mit dem Durchsuchen und Bewerten unserer Zeit. Die Sciencefiction-Welt unserer Tage wird anscheinend nicht von Maschinen beherrscht, sondern von Meinungen und Meinungsmache. Die Zeitdiagnostik, die der Schriftsteller William Gibson von seinem Romandebüt an so überaus erfolgreich betrieben hat – in seiner klugen, lustigen, entspannten Bestandsaufnahme der Gegenwart hat sie uns alle erfasst.
FLORIAN KESSLER
WILLIAM GIBSON: Systemneustart. Aus dem Amerikanischen von Hannes und Sara Riffel. Tropen Verlag, Stuttgart 2011. 490 Seiten, 24,95 Euro.
Für eine geheimes Mode-Label Aufträge des US-Militärs an Land ziehen: Das ist die Geschäftsidee in „Systemneustart“. Fotos: picture press (links), picture alliance/dpa
William Gibson. Foto: wireimage
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Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Einen furiosen Abschluss der Blue-Ant-Trilogie erblickt Ulrich Gutmair in William Gibsons Roman "Systemneustart". Um feinsinnige Plots und glaubhafte Psychologie hat sich der Autor seines Wissens nie besonders geschert. Er schätzt Gibson vielmehr als Autor "avancierter Cyberpunkromane", als Nerd mit Trendscoutqualitäten, der die Warenwelt genauestens kennt und beobachtet. Im Zentrum der etwas wirren Story von "Systemneustart" sieht er den Chef der progressiven Agentur Blue Ant auf der Suche nach einem Underground-Designer, den er für einen Uniform-Auftrag der Army benötigt. Das liest sich offensichtlich höchst anregend. Gutmair jedenfalls hat das Werk sehr inspiriert, eigene Überlegungen über die um sich greifende "Ausrüstungsgeilheit", über Design, Konsumentenbewusstseins und Warenfetischismus anzustellen.

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