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Maria Janion, Literaturwissenschaftlerin und namhafte Romantikforscherin, ist eine der unumstrittenen intellektuellen Autoritäten in Polen. Sie hat sich stets in politische Debatten eingemischt und in den letzten Jahren ihre Prominenz dazu genutzt, die Frauenbewegung und die wiedererwachte Neue Linke zu unterstützen. Bereits in den frühen Achtzigern machte sie Autoren wie Foucault, Bataille, Susan Sontag, R.D. Laing in Polen bekannt. Ihre Schüler sind die Initiatoren der polnischen Gender-Forschung.Im Zentrum ihres Werkes steht der Begiff der krytyka fantasmatyczna, die Befragung von…mehr

Produktbeschreibung
Maria Janion, Literaturwissenschaftlerin und namhafte Romantikforscherin, ist eine der unumstrittenen intellektuellen Autoritäten in Polen. Sie hat sich stets in politische Debatten eingemischt und in den letzten Jahren ihre Prominenz dazu genutzt, die Frauenbewegung und die wiedererwachte Neue Linke zu unterstützen. Bereits in den frühen Achtzigern machte sie Autoren wie Foucault, Bataille, Susan Sontag, R.D. Laing in Polen bekannt. Ihre Schüler sind die Initiatoren der polnischen Gender-Forschung.Im Zentrum ihres Werkes steht der Begiff der krytyka fantasmatyczna, die Befragung von Literatur, Film und Kunst auf ihre imaginären Potenziale hin, auf bewusste und unbewusste kulturelle Vorstellungen, Selbst- und Fremdbilder, die in den ästhetischen Gebilden wirksam sind. Ein bedeutendes romantisches Phantasma ist der Vampir als Doppelgänger und Schatten, als "Symbolfigur für die Transgression zum Bösen". Maria Janions kritische Studien zu Bildern des Weiblichen oder zum "unheimlichen Slawentum" als dem Unterbewussten der europäischen Kultur provozieren nationalkonservative Kreise bis heute. Was es für die Polen bedeutet, dass ihr Land Schauplatz des Holocaust war, ist eines der großen Themen ihres Spätwerks. Mit ihrem Ruf "Nach Europa, ja! Aber nur zusammen mit unseren Toten" fordert sie, im Anschluss an Adam Mickiewicz' "Ahnenfeier" und Imre Kertész' Rede vom "Holocaust als Kultur", eine Kultur des Trauerns und Erinnerns.
Autorenporträt
Janion, MariaMaria Janion, geboren 1926, ist emeritierte Professorin am Institut für Literaturforschung der Polnischen Akademie der Wissenschaften in Warschau. Sie lehrte in Danzig und Warschau. 1979 wurde sie aus der polnischen Arbeiterpartei ausgeschlossen und engagierte sich als Universitätslehrerin im Untergrund. Ihr umfangreiches und vielfach ausgezeichnetes Werk wird seit einiger Zeit auch in Frankreich und im englischsprachigen Raum entdeckt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

"Größte Intellektuelle" Polens oder "Margaret Thatcher der polnischen Humanistik" sind nur einige der Lobpreisungen der Literaturkritikerin, Bürgerrechtlerin und Feministin Maria Janions, informiert Rezensentin Marta Kijowska mit großer Zustimmung und ist umso erfreuter, dass unter dem Titel "Die Polen und ihre Vampire" nun neun ihrer wichtigsten Studien auf Deutsch erschienen sind. Die Kritikerin liest hier nicht nur Interessantes über die Geschichte und Mentalität der Polen, sondern folgt auch fasziniert Janions Ausführungen über eine Literaturgeschichte, die auf ihre imaginären Inhalte hin befragt werden müsse. Insbesondere erforsche die Autorin die Romantik, die auch heute noch in Polen fortwirke, ihr Selbstverständnis bestimme und die sich mit der Theorie des Vampirismus verbinden lasse, berichtet die Rezensentin, die in diesem hervorragenden Band auch Persönliches über die unkonventionelle Freidenkerin Janion erfahren hat.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 30.07.2014

Wo die Romantik nie zu Ende gegangen ist
Besichtigung einer Geistesgeschichte: Mit Maria Janion findet man Zugang zu Polen und seinen Gespenstern

Wer es im Bereich der Wissenschaften zu Weltruhm (oder auch nur einiger Bekanntheit) bringen will, sollte Physiker sein wie Stephen Hawking; oder wenigstens Philosoph wie Slavoj Zizek. Philologen dagegen, auch in ihrem eigenen Sprachgebiet so bekannte wie Heinz Schlaffer oder Hans Mayer, dehnen ihr Renommee selten über die nationalen Grenzen aus. Und so ist auch die seit Jahrzehnten interessanteste polnische Literaturwissenschaftlerin - die ehemalige Kommunistin, spätere Bürgerrechtlerin, berühmte akademische Lehrerin, feministische Publizistin und politische Kommentatorin Maria Janion - diesseits von Oder und Neiße vollkommen unbekannt.

Das große Thema der 1926 geborenen Janion war, seit sie zu schreiben begann, die romantische Epoche. Man muss von einem Lebensthema sprechen. Zunächst deshalb, weil jene Literaturperiode und überhaupt das romantische Lebensgefühl, wie sie schrieb, "in Polen keineswegs wie in den meisten europäischen Ländern mit dem 19. Jahrhundert zu Ende gegangen" sind.

Aber vor allem deshalb, weil Maria Janion mit literaturwissenschaftlichen Einsichten in die Tiefenstrukturen polnischer Kultur, die sie ihrem akademischen Forschungsgegenstand verdankte, die politischen und gesellschaftlichen Umstürze ihrer Lebenszeit plausibel zu deuten verstand - vor allem also den Sieg der polnischen Zivilgesellschaft über den Kommunismus, an dem sie in den achtziger Jahren als Hochschullehrerin, Publizistin und als Bürgerin mitwirkte.

Damit hängt Janions Stil und das Genre der in diesem Auswahlband versammelten Stücke zusammen, die bei aller Gelehrsamkeit eher kulturkritisch-essayistische Interventionen in aktuelle Debatten sind, als dass sie akademischen Ritualen Genüge tun. Dass einem bei der Lektüre Hans Mayer und Heinz Schlaffer einfallen können, ist kein Zufall. Aber auch andere Parallelen drängen sich auf. Nicht nur, dass Janions literaturwissenschaftliches Werk von mikrohistorischen Verfahren und Fragestellungen beeinflusst scheint, sondern auch die enge Verbindung von wissenschaftlicher Tätigkeit und politischer Parteinahme erinnert an den großen italienischen Historiker Carlo Ginzburg.

Im Spektrum der europäischen Romantik war die besonders feine Ausziselierung des national-irredentistischen Motiv-Zusammenhangs die Spezialität polnischer Maler, Schriftsteller - und später sogar Stadtarchitekten. Denn auch das heutige Bild zum Beispiel der nationalen Stadtikone Krakau ist weitgehend eine Schöpfung der Romantik.

Janion charakterisiert die polnische Tradition nationalutopischer Aufstandsromantik nach dem griechischen Kriegslyriker Tyrtaios als "tyrtäisch". Der Lobpreis des nationalen Aufstands verband sich im neunzehnten Jahrhundert mit der messianisch-geschichtsphilosophischen Erzählung von Polen als dem "Christus der Nationen", der Europa von der Tyrannei erlöst. Janion weist dieses dichterische und mentalitätshistorische Dispostiv noch in den Ereignissen und Mentalitäten der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts nach. In der antikommunistischen nationalen Bewegung um Solidarnosc hat die polnische Nationalromantik "bis in die jüngste Vergangenheit ihre Wirkung entfaltet". Erst im zwanzigsten Jahrhundert hatte sie ihre weltgeschichtliche Stunde und erlebte den politischen Erfolg, der ihr zu ihrer Entstehungszeit noch versagt blieb.

Dass historiosophischer Messianismus, wie im Falle Polens, zu freundlicher politischer Normalität und einer geachteten Vertrauensstellung in der europäischen Gemeinschaft führt, ist eher untypisch für Staatswesen, die sich von politischen Theologien inspirieren lassen. Die Zähmung dieses romantischen Erbteils unseres östlichen Nachbarn stellt der klugen Weltoffenheit seiner Regierenden seit den späten achtziger Jahren ein ebenso bemerkenswertes Zeugnis aus wie der Integrationsfähigkeit der europäischen Gemeinschaft.

Mehr noch und andersherum betrachtet: Anachronistische Substrate nationaler Mentalitäten geben, wenn sie in der von Maria Janion beschriebenen Weise gezähmt worden sind, einem Staatswesen und einer nationalen Kultur Farbe, Vitalität und Ausstrahlung. Polen mag in Deutschland immer noch ziemlich unbekannt sein. Aber es ist ein faszinierendes Land mit einer merkwürdigen, in manchen Zügen auch seltsamen und exotischen Kultur. Diese Exotik, auch das ist ein Ergebnis der Forschungen Maria Janions, geht gleichfalls unmittelbar auf die polnische Romantik zurück, und zwar vor allem auf deren "nächtliche", unheimliche Züge, für die der im Titel dieses Auswahlbands namengebende Vampirismus steht. Das Unheimliche verdankt sich, wie wir seit Sigmund Freuds gleichnamigem Aufsatz wissen, der geheimen und halb unbewussten Fortwirkung vormoderner Einstellungen und Weltbilder in der Moderne.

In ihren Forschungen zu Adam Mickiewicz' Dramenzyklus "Totenfeier", zum romantischen Vampirismus und in ihrer berühmten Formel "Nach Europa - ja, aber nicht ohne unsere Toten" hat Maria Janion die Ambivalenz der polnischen Kultur gegenüber der Moderne gleichzeitig mit deren Entschlossenheit zur Modernisierung und zur Integration in die europäische Länder- und Kulturenfamilie dialektisch festgehalten.

Wer sich mit den interessanten und fruchtbaren Paradoxien der modernen polnischen Kultur befassen will, hat in diesem originell gestalteten Auswahlband aus der "Polnischen Bibliothek" (einem Gemeinschaftsunternehmen des Deutschen Polen-Instituts mit der Robert-Bosch-Stiftung und dem Suhrkamp-Verlag) einen guten Ausgangspunkt, zu dem kritisch höchstens anzumerken wäre, dass das feministisch-publizistische Werk Janions in ihm unterrepräsentiert ist.

STEPHAN WACKWITZ

Maria Janion: "Die Polen und ihre Vampire". Studien zur Kritik der Phantasmen.

Aus dem Polnischen von Bernhard Hartmann und Thomas Weiler. Suhrkamp Verlag, Berlin 2014. 475 S., geb., 48,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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»Janion betreibt ... Literaturwissenschaft als Ideengeschichte und enthüllt ihren Lesern damit ein Polenbild, das man in den üblichen Geschichtswerken so originell und konzise nicht geboten bekommt.« Katharina Teutsch DIE ZEIT 20140904