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Nadeschda Mandelstam (1899-1980), die ihren Mann, den Dichter Ossip Mandelstam, um viele Jahre überlebte, hat sich im Alter mit ihren Memoiren Das Jahrhundert der Wölfe und Generation ohne Tränen international einen Namen gemacht. Erst vor wenigen Jahren wurden in ihrem Nachlass Erinnerungen an Anna Achmatowa (1889-1966) entdeckt - ein bewegendes Dokument der Freundschaft in schwierigsten Zeiten. Achmatowa, die charismatische, unbeugsame Dichterin, bangt um ihren Sohn, der in den stalinistischen Gefängnissen inhaftiert ist, während die Freundin die Gedichte ihres 1938 im Lager umgekommenen…mehr

Produktbeschreibung
Nadeschda Mandelstam (1899-1980), die ihren Mann, den Dichter Ossip Mandelstam, um viele Jahre überlebte, hat sich im Alter mit ihren Memoiren Das Jahrhundert der Wölfe und Generation ohne Tränen international einen Namen gemacht. Erst vor wenigen Jahren wurden in ihrem Nachlass Erinnerungen an Anna Achmatowa (1889-1966) entdeckt - ein bewegendes Dokument der Freundschaft in schwierigsten Zeiten.
Achmatowa, die charismatische, unbeugsame Dichterin, bangt um ihren Sohn, der in den stalinistischen Gefängnissen inhaftiert ist, während die Freundin die Gedichte ihres 1938 im Lager umgekommenen Mannes rettet - indem sie jede Zeile seiner verbotenen Texte im Gedächtnis bewahrt.
Dieses reiche Buch ist Dichterporträt und Zeitzeugnis zugleich - ein vierzig Jahre währendes Gespräch über Angst und Niedertracht, über die Macht und Ohnmacht von Liebe, Eros und Literatur.
Autorenporträt
Mandelstam, Nadeschda
Nadeschda Mandelstam, 1899 geboren, begleitete ihren Mann Ossip Mandelstam 1934 nach Woronesch in die Verbannung. Sie arbeitet als Textilarbeiterin, später als Englischlehrerin. Die ersten beiden Bücher ihrer Memoiren, zuerst im Samisdat verbreitet, erschienen Anfang der 70er Jahre in Westeuropa. Ein drittes Buch blieb Fragment. Ihm sind die Erinnerungen an Achmatowa entnommen, die hier erstmals auf deutsch erscheinen. Nadeshda Mandelstam starb 1980 in Moskau.

Körner, Christiane
Christiane Körner lebt als Übersetzerin und Publizistin in Frankfurt am Main.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 31.08.2012

Wider die Gezeiten
Späte Entdeckung: Nadeschda Mandelstams verloren geglaubte "Erinnerungen an Anna Achmatowa"

Wir sind "bloß Späne, uns reißt der ungestüme, ja rasende Strom der Geschichte mit sich fort", schreibt Nadeschda Mandelstam in ihren Erinnerungen an Anna Achmatowa: "Willkür hat unser ganzes Leben geprägt." Vierzig Jahre lang war Nadeschda Mandelstam mit Anna Achmatowa, der schon zu Lebzeiten oft verherrlichten Ikone der russischen Lyrik des zwanzigsten Jahrhunderts, befreundet. Die beiden Frauen verband vieles: eine bedingungslose Liebe zur Dichtung und die Erfahrung von Krieg, Terror und persönlichem Verlust, der vielfach nächste Angehörige betraf. Der Lyriker Ossip Mandelstam, Ehemann Nadeschdas und enger Freund Annas, fiel den Verfolgungen 1938 ebenso zum Opfer wie zwei der drei Ehemänner Annas: der Dichter Nikolaj Gumiljow wurde 1921 erschossen, der Kunsthistoriker Nikolaj Punin starb 1953 im Lager. Damit nicht genug, wurde Achmatowas Sohn Lew Gumiljow für insgesamt 18 Jahre ins Lager geschickt - wohl auch, um die Dichterin zum Schweigen zu bringen. Mit der Folge, dass der Sohn der Mutter lebenslang Vorwürfe machte.

Nun sind die verschollen geglaubten Erinnerungen, die im Russischen den schlichten Titel "Über Achmatowa" tragen, nach mehr als vierzig Jahren ans Tageslicht gekommen. Mandelstam, die mit den autobiographischen Erinnerungsbüchern "Das Jahrhundert der Wölfe" und "Generation ohne Tränen" bekannt geworden ist, hatte nämlich alle Abschriften des Textes vernichtet - aus Wut über das Testament der Freundin, die den Nachlass nicht ihrem einzigen Sohn, sondern der in Mandelstams Augen kaltherzigen Stieftochter vermachte. Bei einer Freundin Mandelstams, Natalja Stempel, blieb jedoch ein Typoskript des Buches erhalten, das nun in der Übersetzung von Christiane Körner vorliegt. In dem an Schleifen reichen, nichtchronologischen Erzählstil Mandelstams erscheint die Dichterin Anna Achmatowa in vielen Momentaufnahmen, die in der Überblendung ein alltagsnahes Bild ergeben, das mit einer klassischen Biographie jedoch nicht viel gemein hat.

In den zwanziger Jahren fürchteten die von der Ideologie umstellten russischen Dichter tatsächlich, dass ihre Kunstform von den Weltläuften überholt sein könnte. "Wir hielten uns für besiegt, aber da wir glaubten, wir seien die letzten Hüter der Werte, blieben wir stehen, wo wir standen." Achmatowas "Pathos der Entsagung", so Nadeschda Mandelstam, schien den neuen Menschen, die die Freundinnen spöttisch "Einzeller" nannten, völlig fremd. Um die Kunst vor Hausdurchsuchungen und Spitzeln in Sicherheit zu bringen, lernte Nadeschda Mandelstam die Gedichte ihres Mannes auswendig.

Wie besonders die Intellektuellen war Achmatowa in der Sowjetunion ideologischen Moden ausgesetzt. Im Jahre 1943 galt sie plötzlich erstmals seit der Revolution als "gesellschaftlich nützliche" Schriftstellerin. Schnell drehte sich die Situation wieder. 1946 empörte sich Stalin über sie, weil - ohne seine Anordnung - ein ganzer Saal zu Ehren der Dichterin aufgestanden war. Nun verunglimpfte das ZK sie als "übergeschnappte feine Dame, die zwischen Boudoir und Betstube hin- und herpendelt". Sie unterlag wieder dem Publikationsverbot und hielt sich mit Übersetzungen über Wasser. Gegen Ende wurde Achmatowas Leben durch Auslandsreisen und Kontakte mit westlichen Emissären etwas erleichtert. Und sie suchte die Nähe von jungen Talenten - wie die von Joseph Brodsky, der über sie sagte: "Ganz abgesehen von dem, was sie schrieb, war allein die Tatsache, dass sie schrieb, an sich schon ein Wunder." Im Buch ist auch ein Foto des fassungslosen, jungen Brodsky am offenen Sarg Achmatowas zu sehen. Zur Beerdigung 1966 in Leningrad kamen Tausende.

Mandelstams ungeschönte Darstellung lässt auch die weniger schmeichelhaften Züge der Dichterin - Jähzorn, Eifersucht, Rechthaberei und Unbarmherzigkeit im Urteil - nicht aus. Ebenso wenig wie die offensichtliche Eifersucht der Achmatowa-Ehemänner auf ihr Talent. Weitere Gedanken zielen ab auf die "Schicksalsgemeinschaft" der Akmeisten-Dichter, zu der neben Achmatowa auch Ossip Mandelstam und Nikolaj Gumiljow gehörten, zu dem Programm, mit dem sich diese Gruppe vom Symbolismus abgrenzte, und zu den gewissermaßen oppositionellen Futuristen. Anders als der Freundeskreis um Mandelstam und Achmatowa, der sich von Angst und Scham nicht beherrschen lassen wollte, verzweifelte mancher an seinem Schicksal. Die Dichterin Marina Zwetajewa, von Achmatowa mehrfach als ihre "Doppelgängerin" bezeichnet, brachte sich 1941 um, da ihr Mann und ihre Tochter inhaftiert worden waren.

JUDITH LEISTER

Nadeschda Mandelstam: "Erinnerungen an Anna Achmatowa."

Aus dem Russischen von Christiane Körner. Suhrkamp Verlag, Berlin 2011. 206 S., geb., 18,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein mit Passion und berührender Authentizität geschriebenes Freundschaftsbuch, eine vorbehaltlose Hommage und eine "Poethik" in finsteren Zeiten bewundert Felix Philipp Ingold in Nadeschda Mandelstams "Erinnerungen an Anna Achmatowa". Der Text, den der Rezensent als "rasant" geschrieben und ungeheuer klug preist, ist spät im Leben der Autorin entstanden, konnte erst nach dem Fall des Eisernen Vorhangs veröffentlicht werden und liegt nun seit kurzem auf Deutsch vor, erfahren wir. Auch wenn Achmatowas problematischen Eigenschaften wie Eifersucht, der Hang zu Klatsch und vorschnellen Urteilen oder Arroganz von Mandelstam nicht ausgespart werden, bleibt dieses Buch doch ein Dokument ungetrübter Verehrung für diese "Ikone des inneren Widerstands", bemerkt Ingold. Furchtlos, authentisch, berührend und "provokant" sind Mandelstams Erinnerungen für Ingold und damit sowohl Dichter- wie Lebenskunstschule, aus der bis heute zu lernen ist.

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