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Daniel Kehlmann hat ihn wiederentdeckt, den bedeutendsten Mathematiker der Neuzeit: Karl Friedrich Gauß (1777 - 1855). Seine überragenden wissenschaftlichen Leistungen waren schon seinen Zeitgenossen bewusst. Da Gauß jedoch nur einen Bruchteil seiner Entdeckungen veröffentlichte, erschloss sich erst der Nachwelt die Tiefgründigkeit und Reichweite seines Werks. Hubert Mania schildert in dieser ersten umfassenden Biographie die Geschichte eines genialen Wissenschaftlers und zugleich eine ganze Epoche. Gauß war ein Mann, der in einer Welt des Aufbruchs völlig zurückgezogen lebte. Dabei hat er wie…mehr

Produktbeschreibung
Daniel Kehlmann hat ihn wiederentdeckt, den bedeutendsten Mathematiker der Neuzeit: Karl Friedrich Gauß (1777 - 1855). Seine überragenden wissenschaftlichen Leistungen waren schon seinen Zeitgenossen bewusst. Da Gauß jedoch nur einen Bruchteil seiner Entdeckungen veröffentlichte, erschloss sich erst der Nachwelt die Tiefgründigkeit und Reichweite seines Werks.
Hubert Mania schildert in dieser ersten umfassenden Biographie die Geschichte eines genialen Wissenschaftlers und zugleich eine ganze Epoche. Gauß war ein Mann, der in einer Welt des Aufbruchs völlig zurückgezogen lebte. Dabei hat er wie kaum ein anderer unsere Sicht der Welt revolutioniert. Als Erster formulierte er eine nichteuklidische Geometrie und schuf damit die unentbehrliche Grundlage zu Einsteins Entwicklung der allgemeinen Relativitätstheorie. Eine glänzend geschriebene Biographie des weltberühmten und doch so unbekannten Genies Karl Friedrich Gauß.
Autorenporträt
Hubert Mania, geb. 1954, lebt als freier Autor und Übersetzer in Braunschweig.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.03.2008

Der gerettete Archimedes
Hubert Manias Biographie über den Mathematiker Karl Friedrich Gauß schlägt den historischen Roman von Daniel Kehlmann
Nach dem überwältigenden Erfolg von Daniel Kehlmanns „Vermessung der Welt” setzt sich wohl jeder Autor, der eine Biographie von Karl Friedrich Gauß vorlegt, zunächst einmal dem Verdacht aus, ein wenig origineller Anschlusstäter zu sein. Nichts wäre in diesem Fall ungerechter. Hubert Mania hat sich das sprödere der beiden Objekte in Kehlmanns Buch gewählt, eben nicht den weltläufigen Forschungsreisenden Alexander von Humboldt, sondern den in seine Provinz gebannten Mathematiker: Was kann so ein Leben schon hergeben? Mathematiker leben in der Mathematik; und die versteht ein Nicht-Mathematiker in den seltensten Fällen, auf eine grundsätzliche Weise noch viel weniger als jede andere Wissenschaft.
Dieses doppelte Handicap – dass es so schwerfällt, Gauß’ wissenschaftliche Leistung begreifbar darzustellen, und dass der Mensch Gauß Größe oder auch nur Kontur so schmerzlich vermissen lässt – macht dem Buch von Hubert Mania natürlich zu schaffen. Fast alles vollbringt dieser Genius auf dem Weg der Ausdauer. In rund fünfzig mathematische und physikalische Formeln, Prozeduren und Begriffe, resümiert Mania, sei der Name Gauß eingegangen (und selbst als man eineinhalb Jahrhunderte nach seinem Tod sein präpariertes Hirn in den Tomografen steckt, wird das, was ihm dort widerfährt, in „Gauß” gemessen). Das sind, um Effekt zu machen, neunundvierzig zu viel. Nur ein einziges Mal gibt der Autor dem Leser die Chance, wirklich die Mathematik eines Problems nachzuvollziehen, bei der berühmten Summenformel; die fand Gauß im Alter von neun Jahren. Ansonsten weiß man nicht genau, ob man sich grämen soll, dass Mania uns so wenig zutraut, oder erleichtert sein, weil er es uns großmütig erlässt, uns zu blamieren.
Und doch muss man es ein gutes Buch nennen, ein weit besseres als das Kehlmanns. Dass Kehlmann eine belgische Botschaft in Madrid zu einer Zeit ansiedelt, als es noch keinen belgischen Staat gab, sieht man dem Romancier nach, und dass er sich Details sexueller Begegnungen ausmalt, von denen die Diskretion des 19. Jahrhunderts selbstredend schweigt, ist ihm zugestanden; dass er aber seinen zweiten Protagonisten Humboldt, der ein Hüne war, zu einem eher zierlichen Mann macht, erscheint schon weniger verzeihlich, das geht ans Mark der Figur, da streift die dichterische Freiheit an die entstellende Schlamperei.
Aber nicht nur im umsichtigen Gebrauch der Quellen übertrifft Mania Kehlmann, sondern auch in der Kraft der Imagination. Um sein fast leeres Zentrum, Gauß den Mann und Gauß den Mathematiker, lässt er Teile mit starkem erzählerischem Eigenleben entstehen. So ziemlich jeder Mensch, mit dem Gauß in Berührung kam, war, so scheint es, interessanter als er selbst. Das beginnt mit der Mutter, die, des Schreibens nicht kundig, unter ihren vielen Kindern dieses, nicht einmal ihren Erstgeborenen, abgöttisch liebt und später als steinalte, erblindete Frau, die sich weigert, ihren bäurischen Leinenkittel abzulegen und bei Tisch mitzuessen, im Haus ihres weltberühmten siebzigjährigen Sohnes lebt. Es setzt sich fort mit dem Volksschullehrer Büttner, der seine hundert stumpfen Zöglinge mit einer ledernen „Karwatsche” regiert und doch die Begabung dieses einen unter ihnen herausspürt. Karg sind die Quellen dieser Frühzeit. Aber Mania macht was daraus, er entnimmtdiesen kleinen Scherben die volle Rundung des zerschlagenen Gefäßes.
Frau statt Sextant
Nicht einmal eine kleine Zeichnung bringt diese bildnisfreudige Zeit von Johanna, Gauß’ erster Frau. Ihre schlanke Gestalt vertritt ihm eines Tages den Gesichtskreis seines Sextanten. Er erklärt sich ihr in einem Schreiben, in dem man unter der schwungvollen Konvention, welche sich so gern in Herz und Seele ergeht, eine kältliche Nüchternheit fühlt. Drei Kinder bringt sie ihm in kurzer Zeit zur Welt, obwohl sie schon beim ersten in Lebensgefahr schwebt und sich seither nie mehr recht erholt. Über die Angst scherzen sie und eine Freundin brieflich hinweg, man solle den Männern doch ja nicht den Gefallen tun, so früh zu sterben. „Ich glaube beynahe, daß ein Artickel im Code Napoleon es befiehlt, sich binnen einem Vierteljahre wieder zu verheyrathen (. . .) das sind Thatsachen, die nicht sehr zum Lobe der Männer sprechen.” Kurz darauf stirbt Johanna an der Geburt ihres dritten Kindes.
Gauß braucht knapp sechs Monate, bis er sich wieder verlobt, und zwar mit der Freundin der Verstorbenen. In seinem Antrag stellt er ihr lediglich ein „getheiltes Herz” in Aussicht und kriegt prompt einen Korb. Die Hochzeit kommt trotzdem zustande, wohl auf Druck der Eltern. Auch die Neue, Minna, hat kurz hintereinander drei Geburten zu bewältigen, wonach sie gesundheitlich gleichfalls fertig ist, wenn sie auch noch ein paar Jahre länger lebt. Alle diese Frauen sind mit dreißig erledigt; und wenn sie nicht gleich im Kindbett sterben, steht „Auszehrung” auf ihrem Totenschein.
Man kann kaum umhin, ihren Gatten einen vampirhaften Zug zu bescheinigen. Gut, die Pille gab es noch nicht. Aber musste darum wirklich jede Ehe auf die blinde Opferung hinauslaufen? Hätte Gauß, der kühle Rechner und sensible Konstrukteur selbsterfundener Instrumente, sich nicht etwas einfallen lassen können, um den Müttern seiner Kinder Schonung zu verschaffen? Offenbar bedeutet auch für Genies Zeitgenossenschaft ein unentrinnbares Schicksal.
Riesenhaft erhebt sich über allem, wie eine Figur aus einem Shakespeare’schen Königsdrama, die Gestalt des Braunschweiger Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand, Landesvater und beharrlicher Förderer von Gauß, übrigens auch Taufpate Alexander von Humboldts. Kehlmann hat diese Figur komplett verschenkt. Der Herzog saniert die durch die Verschwendung seines Vaters zerrütteten Staatsfinanzen, indem er seine Landeskinder als Soldaten nach Amerika verkauft; aber er holt von dem so hereingekommenen Geld die modernsten Pädagogen ins Land und führt höchstpersönlich in seinem Staat die Aufklärung durch. Als in Frankreich die Revolution losbricht, will ihn die neue republikanische Regierung als Heerführer gewinnen. Einen Tag später sucht ihn der Abgesandte des preußischen Königs auf und erinnert ihn an seine alten Treuepflichten. Ferdinand führt contre coeur die preußischen und österreichischen Truppen in den glücklosen Feldzug von 1792. Er setzt seinen Namen unter einen nicht von ihm stammenden Brief, der den Franzosen, sollte dem inhaftierten König Ludwig XVI. ein Haar gekrümmt werden, die totale Zerstörung der Stadt Paris androht, und facht so wider Willen die feindlichen Truppen zu dem heroischen Zorn an, der sie zum Sieg fortreißt.
Vierzehn Jahre kommandiert Ferdinand das preußische Heer gegen Napoleon Bonaparte. Am Vorabend der Schlacht von Jena und Auerstädt spricht der Schriftsteller Friedrich von Gentz den Herzog und schildert die Begegnung mit einem müden, mutlosen alten Mann, der mit ausgesuchter Höflichkeit für alles, was geschehen wird, im Voraus um Vergebung zu bitten scheint. Kurz vor der eigentlichen Schlacht erleidet er eine fürchterliche Schusswunde im Gesicht, die ihm das Augenlicht raubt und das Nasenbein zerschmettert. Mit letzter Kraft richtet er an den Kaiser die Bitte um Schonung: es habe ihn nur der preußische Heerführer, nicht der Herzog von Braunschweig bekämpft. Napoleon, in Erinnerung an die Geschehnisse von 1792 außer sich vor Wut, kündigt ihm die Kriegsgefangenschaft an. Der Herzog muss trotz seiner schweren Verletzung fliehen. Es wird in aller Eile für ihn ein mit Wachstaft ausgeschlagener Spezialkorb angefertigt. „So ward er, wie in einem Sarg, die große Treppe des . . . Schlosses hinabgetragen . . . ich folgte ihm wie einer Leiche. Unten hielt ein Unterwagen, in dessen vier Federn jener Korb gehängt ward. Der Schlossplatz war mit weinenden Menschen bedeckt. Dumpf rollte der Wagen durch die Hallen des Schlosses . . .” So berichtet es ein Augenzeuge. Ferdinand stirbt wenige Tage darauf im dänischen Exil.
Kühl abserviert
Dieses Buch zu würdigen, heißt seine Zitate zitieren. Hubert Mania hat das Glück gehabt, von einer Zeit zu handeln, als in Deutschland nicht nur den großen Autoren eine bedeutende Sprache zu Gebote stand. Er hat aber auch das Geschick besessen, seine Zeugnisse in einer Weise zu wählen und einzubauen, dass sie den Gang seiner Erzählung festlich erhöhen und verdüstern, und zwar ohne dass sein eigener Text dagegen unangenehm abfiele. Mania verfügt über einen Stil, dem man die beiden nicht leicht zu vereinbarenden Qualitäten des Gediegenen und des Eleganten zuerkennen muss. Er schmiegt sich seiner Epoche an, verfällt aber nicht in ihre Nachahmung.
Und was treibt Gauß während all dieser kriegerischen Vorgänge? Welche Frage! Er rechnet natürlich. Als die Franzosen in Braunschweig einrücken, steht plötzlich ein französischer Offizier in seiner Tür, im Auftrag einer Pariser Mathematikerin, die, unter männlichem Pseudonym, Gauß’ Hauptwerk übersetzt hat: Er soll Gauß inmitten der Wirren beschützen, damit ihrem Idol nicht das Schicksal des Archimedes widerfahre, der starb, als bei der Einnahme von Syrakus ein plündernder römischer Soldat seine Kreise störte. Wie Gauß, zuerst erstaunt, dass sein geschätzter Kollege in Wahrheit auf den Namen Sophie Germain hört, wie er seiner Wohltäterin dann seinen Dank ausdrückt und sie bald darauf, als sie, ermutigt, den Kontakt vertiefen möchte, kühl, um nicht zu sagen schnöde, abserviert – da steckt noch ein ganzer Roman drin. BURKHARD MÜLLER
HUBERT MANIA: Gauß. Eine Biographie. Rowohlt Verlag, Reinbek 2008. 368 Seiten, 19,90 Euro.
Carl Friedrich Gauß (1777 - 1855) auf der Terrasse des Göttinger Observatoriums Abb: AKG
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Mit hohem Lob bedenkt Burkhard Müller diese Biografie des Mathematikers Karl Friedrich Gauß, die Hubert Mania vorgelegt hat. Dabei scheint ihm Gauß als Gegenstand einer Biografie doppelt schwierig: Zum einen, weil er als Mensch nicht sonderlich spannend war, zum anderen, weil seine rund fünfzig genialen mathematischen und physikalischen Formeln für Nicht-Mathematiker nicht eben leicht zu verstehen sind. So bleibt die Mathematik bei Mania dann auch weitgehend außen vor. Gleichwohl hält Müller das Buch für hervorragend und zieht es Daniel Kehlmanns höchst erfolgreichem, ebenfalls von Gauß handelndem historischen Roman "Die Vermessung der Welt" vor. Denn Manias Arbeit sei sowohl in puncto Quellenarbeit als auch im Blick auf die "Kraft der Imagination" weit überlegen. Beeindruckt hat ihn, wie Mania rund um seine Hauptperson "erzählerisches Eigenleben" heraufbeschwört. Besonders schätzt er die Beschreibung der Mutter, des Volksschullehrers Büttner, der beiden Ehefrauen und vor allem des Braunschweiger Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand. Zudem lobt Müller die Wahl und Einfügung seiner Zeugnisse sowie den ebenso "gediegenen" wie "eleganten" Stil des Autors.

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