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Sommerlied in Moll.
Der alternde Musiklehrer Mauss will es noch einmal wissen und seinen Schülern nicht länger bloß Wissen vermitteln. Er schart die Jugendlichen um sich, eröffnet ihnen im Unterricht ungewohnte Freiheiten. Und es ist zuallererst diese Freiheit, die Johannes Engler stutzig macht. Noch ist der Schulgutachter darum bemüht, jung zu wirken, noch sammelt er Beobachtungen - da hat er sich bereits in eine gerade volljährige Schülerin verguckt. Ein Armutszeugnis, ahnt er. Denn für Clarissa Winterhof dreht sich die Welt vor allem um den Selbstmord ihrer Mitschülerin. Nach und nach…mehr

Produktbeschreibung
Sommerlied in Moll.
Der alternde Musiklehrer Mauss will es noch einmal wissen und seinen Schülern nicht länger bloß Wissen vermitteln. Er schart die Jugendlichen um sich, eröffnet ihnen im Unterricht ungewohnte Freiheiten. Und es ist zuallererst diese Freiheit, die Johannes Engler stutzig macht. Noch ist der Schulgutachter darum bemüht, jung zu wirken, noch sammelt er Beobachtungen - da hat er sich bereits in eine gerade volljährige Schülerin verguckt. Ein Armutszeugnis, ahnt er. Denn für Clarissa Winterhof dreht sich die Welt vor allem um den Selbstmord ihrer Mitschülerin. Nach und nach erschließt sie sich einen virtuellen Raum zum Trauern: Ihr Blog ist Abgesang und Ouvertüre, ein Ort, an dem die Lebenden und die Toten neu zusammenfinden. Auch Mauss und Engler begegnen sich darin wieder - und wie sich zeigt, als Helden einer ihnen kaum bekannten Geschichte.
Drei Generationen, die Jahre, Jahrzehnte gelebten Lebens trennen. Erst dreistimmig erklingt "Das Lied vom Tun und Lassen", ein Lied von Freundschaft, Verlust und Neubeginn - welthaltig und voll untergründiger Spannung.
"Böttchers Prosa ist hochunterhaltsam, ohne leichter Lesestoff zu sein. Immer wieder bleibt man an schönen Sätzen hängen, an zarten Pointen." DER TAGESSPIEGEL
"'Das Lied vom Tun und Lassen' erzählt in einer geschmeidigen Sprache von Neuanfängen, von neuen und alten Medien und von Musik ... ein glänzender Roman." KULTURSPIEGEL
"Ein überraschendes, vielschillerndes Bild der Gegenwart." DEUTSCHLANDRADIO KULTUR
"Wohlüberlegt und zugleich behutsam erzählt, lebensklug und voller schöner Beobachtungen und Momente, man liest es gern und mit Gewinn." FREITAG
"Jan Böttcher ist nicht nur Schriftsteller, sondern auch Musiker; deswegen gibt es auf seiner Homepage den Soundtrack zum Roman als kostenlose Zugabe. Aber schon das Buch selbst macht Freude genug." FRANKFURTER RUNDSCHAU
Die Lieder zum Roman auf www.janboettcher.com
Autorenporträt
Böttcher, Jan
Jan Böttcher, geboren 1973 in Lüneburg, lebt als Autor und Singer-Songwriter in Berlin. Nach vier Alben mit seiner Band «Herr Nilsson» veröffentlichte er zuletzt das Soloalbum «Vom anderen Ende des Flures». 2003 erschien sein literarisches Debüt «Lina oder: Das kalte Moor», 2006 der Roman «Geld oder Leben». Beim Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb gewann Jan Böttcher den Ernst-Willner-Preis; den bald folgenden Roman «Nachglühen» (2008) bezeichnete die Süddeutsche Zeitung als «ein stilles Meisterwerk». «Das Lied vom Tun und Lassen» ist sein neuester Roman.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.11.2011

Herr Nilsson, Frau Paulsen und das Wir
Nachdenkliche Depressionsballade für drei Stimmen: Jan Böttchers "Lied vom Tun und Lassen"

Das nennt man wohl Wertschöpfungskette. Jan Böttcher hat nicht nur einen Roman für drei Stimmen geschrieben, die durch Alter und Tonart fein voneinander abgesetzt und leitmotivisch virtuos miteinander verknüpft sind. Der mittlerweile mehr als Solist und Autor tätige Kopf von "Herr Nilsson" hat auch gleich Nägel mit Köpfen gemacht und das "Lied vom Tun und Lassen" (nebst sechs anderen Folkpop-Liedern seiner Roman-Bands "Frau Paulsen" und "Animal Museums") auf seiner Homepage veröffentlicht.

Über die Qualitäten des Singer-Songwriters Böttcher kann man streiten. Texte wie "Ein Hoch den Intervallen / Ein Hoch den Dissonanzen / Wer anders ist, soll tanzen, / die Arme in die Luft! / Es gibt nur eine Jugend / aus zu wenig und zu viel" verraten außer einer "Gier nach ewiger Jugend" viel melancholischen Weltschmerz und aufgekratzte Trotz-alledem-Fröhlichkeit. Im Konzert der deutschen Gegenwartsliteratur mag man die Stimme des Autor-Songwriters Böttcher aber nicht mehr missen. Sein "Lied vom Tun und Lassen" ist jedenfalls eine Bereicherung für den anspruchsvollen Musikunterricht.

Manuel Mauss hätte es jedenfalls gut und gerne durchgenommen. Der Altachtundsechziger ist ein Musiklehrer, wie ihn sich aufgeweckte Jugendliche nur wünschen können: fordernd und streng, aber auch unkonventionell, kreativ, verständnisvoll und trotz seines fortgeschrittenen Alters ausgesprochen internetaffin. Manuel quält seine Schüler nicht mit Tonleitern, Opern und deutschen Schlagern, sondern bastelt in der Musikstunde Handyklingeltöne, bringt ihnen in seinem privaten Tonstudio Bob Dylan nah und teilt mit ihnen selbstgebackenen Kuchen und Freud und Leid einer verregneten Radtour durch England. Die Eltern trauen dem Sonderling nicht über den Weg, im Kollegium gilt der Mann, der sich seit dem Tod seiner Frau oft im Werkraum verkriecht, als Trauerkloß und kauzige "Kellerassel", aber für seine begabteren Schüler ist Mauss ein väterlicher Freund und charismatischer Pädagoge wie aus dem Club der toten Dichter.

Clarissa Winterhof ist seine Lieblingsschülerin und sein Sorgenkind: Verstört durch den Selbstmord ihrer Freundin Meret, zog sich die einst so viel versprechende Schülerin in ein schwarz umflortes Schneckenhaus von Trauer, Zickentum und altkluger Resignation zurück. Aber auch im Leben von Mauss läuft einiges schief: Gemobbt von smarteren Kollegen, ausgebrannt und gebeutelt von Sinnkrisen und einem Fahrradunfall, leidet er unter seiner bloß dienenden, vermittelnden Funktion: "Wozu das gute Ohr, wenn man es immer nur andern lieh?" Mauss spricht mit seiner toten Frau, die ihm mit ihrer Hippieunbefangenheit Stab und Stütze war, mit dem Hund seines Nachbarn und den Schnecken im Garten; er entspannt sich beim Lautenbau und überhaupt beim Basteln und Klampfen, aber er wird erbarmungslos aus seinem Fluchtraum vertrieben. Selbst Clarissa entgleitet ihm mehr und mehr: "Wer Kinder um sich hat, muss wissen, dass man immer das ganze Paket kauft: Aus neugierigen, lustigen, musisch begabten, selbstironischen Schülern werden ohne Vorwarnung melancholische, romantisierende, zynische oder hysterische. Auch ich hatte mich manchmal zu sicher gefühlt."

Johannes Engler, der fünfunddreißigjährige Schulinspektor und Doktorand der Musikwissenschaft, hält Mauss für einen guten Lehrer, aber auch für den weltfremden "ersten Rentner der Computergeneration". Wer im Zeitalter von Videoüberwachung, Zeiterfassung, Reglementierung und Spezialisierung noch auf pädagogischen Eros oder gar seinen esoterischen "Seelenvogel" baut, muss ziemlich einsam und altmodisch sein. Johannes interessiert sich nicht für Unterrichtsproben, Evaluation oder gar die Selbstdarstellung der Molkerei, die Mauss' Schule sponsert: Überall nur "Schlagzeilen statt Artikel, Abklopfen statt Bohren, Inventur statt Inspektion". Sein Vater ist gerade gestorben, seine Frau hat ihn verlassen, und so schreibt er lieber traurige Songs als wissenschaftliche Gutachten und treibt sich außerdem lieber mit orientierungslosen Achtzehnjährigen als mit besserwisserischen Oberlehrern und ehrgeizigen Direktorinnen herum. Fast zwangsläufig verliebt er sich Hals über Kopf in Clarissa, die störrische, düstere Gothic-Prinzessin.

Die depressive Abiturientin kann mit dem lästigen Verehrer so wenig anfangen wie mit ihrem Vater, einem reichen Softwareunternehmer, oder den Mitschülern, die Merets Tod schon fast wieder vergessen haben. Auf einer Frankreich-Tournee mit den Animal Museums im Pferdewagen, deren Fährnisse und Glücksmomente sie in ihrem Tourblog dokumentiert, entfremdet sich Clarissa auch von ihren Band-Freunden. Erst zu Hause findet sie langsam wieder zurück ins Leben, zu jenem Aufgehobensein in der Gemeinschaft, von dem nicht nur sie stets träumte. Zum Lektüreplan ihres Mentors gehörten Studien wie "Die Unmöglichkeit, wir zu sagen, ohne zu trauern. Konstrukte kollektiven Erzählens". In den Liedern der Schüler klingt das Lied vom Tun und Lassen poetischer: "Heute nacht hab ich ein Netz / für die Menschen aufgespannt, / die mich lehrten oder lenkten, / die Lebendigen und Toten: / Sie begannen schöne Sätze / ineinander zu verknoten. Und mein Leben hing zusammen / wie am allerersten Tag. / Unser Leben hing zusammen / wie am allerersten Tag."

Böttcher hat schon in seinem letzten Roman "Nachglühen" gezeigt, wie man aus der Rückkehr in die Provinz und ein größeres Wir den Honig subtiler Melancholie saugen kann. Diesmal geht er noch weiter zurück in Kindheit und Schulzeit: "Das Lied vom Tun und Lassen" ist ein stiller, ernster, nachdenklicher Roman über Trauer, Verlust und den schmerzlichen Abschied von den "Coolnesscodes" der Jugend. Engagierte Musiklehrer und Freunde des intelligenten Deutschpop von Herr Nilsson und Frau Paulsen werden das Buch nicht ohne Gewinn aus der Hand legen. Für Laberdidi, den trinkfesten Hausmeister, für die eher grob gestrickten Fans von Lady Gaga oder auch Herbert Grönemeyer ist Böttchers schön verknoteter schulischer Depressionskanon aber vielleicht doch ein bisschen zu anstrengend sensibel und vor allem Clarissas Tournee-Tagebuch nur noch langweiliger Mädchenkram.

MARTIN HALTER

Jan Böttcher: "Das Lied vom Tun und Lassen". Roman.

Rowohlt Verlag, Hamburg 2011. 316 S., geb., 19,95 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Die Vieldeutigkeit ist der wahre Realismus, erkennt Helmut Böttiger beim Lesen von Jan Böttchers Roman "Das Lied vom Tun und lassen", der aus verschiedenen Perspektiven die Geschichte dreier Figuren aus einer mitteldeutschen Mittelstadt erzählt: eines 60-jährigen engagierten Lehrers und Althippies, seines 35-jährigen schnöseligen Kollegen und der 18-jährigen Schülerin Clarissa. Und eigentlich, erklärt Böttiger geht es dabei immer auch um eine weitere Schülerin, die sich wenige Monate zuvor das leben genommen hat. Naturgemäß haben die drei Personen mindestens drei unterschiedliche Blickwinkel auf die erzählten Geschehnisse. Der Rezensent ist beeindruckt von der Konstruktion dieses Romans, der ihm ein schillerndes Bild der deutschen Gegenwart lieferte. Und da es sich dabei um ein "leises" Buch handelt, ruft der Rezensent umso inständiger dazu auf, es nicht zu überhören.

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Ein überraschendes, vielfach schillerndes Bild der Gegenwart. Die Zeit