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Ein Feuerwerk an wunderbaren Alltäglichkeiten - erzählt in 33 kurzen Kapiteln
Zu Beginn jedes der dreiunddreißig kurzen Kapitel sagt der Ich-Erzähler uns höflich Guten Morgen und nennt die Uhrzeit, ehe er beschreibt, wie er den Tag beginnt, mit Kaffeekochen im Dunkeln, dem Streichholzanzünden vor dem Kamin und dem Biss in den Morgenapfel. Wenn er einen hat, sonst isst er eine Birne. Dann sitzt er vor dem Feuer und teilt uns mit, was ihm durch den Kopf geht. Z.B. dass gestern seine Socke ein Loch hatte und wie er Greta die Ente füttert und vor Winterkälte, den Füchsen und Kojoten schützt,…mehr

Produktbeschreibung
Ein Feuerwerk an wunderbaren Alltäglichkeiten - erzählt in 33 kurzen Kapiteln
Zu Beginn jedes der dreiunddreißig kurzen Kapitel sagt der Ich-Erzähler uns höflich Guten Morgen und nennt die Uhrzeit, ehe er beschreibt, wie er den Tag beginnt, mit Kaffeekochen im Dunkeln, dem Streichholzanzünden vor dem Kamin und dem Biss in den Morgenapfel. Wenn er einen hat, sonst isst er eine Birne. Dann sitzt er vor dem Feuer und teilt uns mit, was ihm durch den Kopf geht. Z.B. dass gestern seine Socke ein Loch hatte und wie er Greta die Ente füttert und vor Winterkälte, den Füchsen und Kojoten schützt, denn im Haus kann sie wegen der grünen Kleckse nicht bleiben. Er sagt uns, wie man eine Unterhose mit den Zehen aufhebt und dass er Emmett heißt und Lektor für medizinische Fachbücher ist - was wir allerdings nur erfahren, weil er geschnarcht hat. Aus kleinen Geschichten, Gedankensplittern, Erinnerungsblitzen entsteht das Bild einer wunderbaren Familie, zu der außer Greta noch Ehefrau Claire gehört (am Geldautomaten kamen sie sich näher), Tochter Phoebe (14, lebensklug) und Sohn Henry (8, praktisch veranlagt) sowie die Katze und Fidel die Ameise, gestorben, aber in der Einnerung lebendig, Den Leser erwartet eine Fülle kleiner Freuden, bis das letzte der dreiunddreißig Streichhölzchen abgebrannt ist.
Autorenporträt
Nicholson Baker, geb. 1957 in Rochester/New York, studierte u.a. an der Eastman School of Music und lebt heute mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in South Berwick, Maine. 1997 erhielt er den Madison Freedom of Information Award, im Jahr 2014 wurde ihm der Internationale Hermann-Hesse-Preis verliehen.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Tiefe Stürze

SCHRECK, LAß NACH! Peter Handke hat eine Liebesgeschichte geschrieben, in der die ganzen alten abgestandenen Handke-Phrasen noch einmal so ranzig-routiniert und buttersäuresüß aus dem Handgelenk aufs Papier geschlenkert werden, daß sie dort flach und schrumpelig liegenbleiben wie ein Käsesoufflé im Abendwind. Nein, Handkes "Don Juan (erzählt von ihm selbst)" ist nur von eingeschworenen Handke-Fans zu goutieren, jener immer seltener werdenden Spezies also, die sich durch nichts beirren läßt, schon gar nicht durch die Peinlichkeiten ihres Meisters.

Kam Handkes Desaster nicht unerwartet, so war die Rasanz, mit der es Nicholson Baker aus der Kurve trug, doch überraschend. Es mag am Gegenstand liegen. Bislang ist es George W. Bush meistens gelungen, seine Kritiker auf sein Niveau herabzuziehen. Ein Roman, so hilflos wie Amerikas Demokraten in der Wahlnacht. Thomas Brussig hingegen ist ehrenvoll gescheitert und um eine Erkenntnis reicher: Wer den großen Wenderoman meistern will, muß die Sonnenallee der Ostalgie verlassen. Brussig teilt das Schicksal aller Autoren, die ihr Publikum allzufest im Blick haben: Sie zielen hoch und werfen tief.

igl

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 19.03.2004

Der heilige Franziskus des Hausrats
Leser, haltet inne: Nicholson Bakers Roman „Eine Schachtel Streichhölzer” ist da
Es ist Winter, und der Tag hat noch lange nicht begonnen. In der Spüle eines alten Hauses in Maine steht eine Schüssel, in der am Abend zuvor ein Nudelauflauf zubereitet und serviert worden war. Der Teig war an einigen Stellen festgebacken, und als aufgeräumt wurde, wollte niemand mehr die Mühe des Spülens auf sich nehmen. Das heiße Wasser, das hineingefüllt worden war, ist über Nacht erkaltet, der Schaum des Spülmittels verschwunden. Ein Mann mittleren Alters, in einen blauen Bademantel gewickelt, taucht seine Hand in das reglos daliegende Wasser: „Es war wie ein Morgenbad im See im Ferienlager, nicht dass ich das jemals getan hätte.”
Über drei Seiten erstreckt sich diese Expedition ins Spülbecken. Ein Scheuerschwamm kommt darin vor, unterschieden nach rauer und weicher Seite, eine Flasche Geschirrspülmittel, deren Bedienung man erlernen muss, damit sie am Ende kein „unangenehmes Schülpgeräusch” macht, und man lernt die Widerstandsnester aus hartem, braunen Käse kennen. Aber dann, „ach, du schönes Leben, konnte ich mit meinem Schwamm über die gesamte Fläche der Schüssel in der Geschwindigkeit des wirbelnden Wassers kreisen, reibungslos, wie ein Velodromfahrer auf der Ehrenrunde”.
Dreiunddreißig Streichhölzer enthält das Heftchen, das der Erzähler in Nicholson Bakers jüngstem Roman besitzt („Eine Schachtel Streichhölzer”, aus dem Amerikanischen von Eike Schönfeld. Rowohlt 2004; 14,90 Euro), dreiunddreißig Mal steht er auf, früh, sehr früh, und dreiunddreißig Mal entzündet er, mit Hilfe einiger Prospekte, ein paar alter Briefumschläge und der Innenrolle des Haushaltspapiers, ein Feuer im Kamin. Vierundvierzig Jahre ist Emmett, der Erzähler, und er sieht das Alter kommen: Sein Haar lichtet sich, sein Sohn füllt die Badewanne schon von einem Ende zum anderen, und er freut sich bereits darüber, dass seine Frau alte Leute mag: „Denn das bedeutet, dass sie sich wahrscheinlich weniger vor mir ekelt, wenn ich alt werde.”
Die Zeit verrinnt, am Ende wird keine mehr da sein, und für eine Weile steht Emmett sehr früh auf: um das Leben ein wenig zu verlängern, um die tiefste Nacht und den frühesten Morgen zu erleben, die Zeit, in der die Welt beinahe stillsteht und das ferne Heulen der Züge sehr wehmütig klingt.
In diesen stillen Stunden sitzt Emmett am Feuer. Es ist dunkel, denn das elektrische Licht macht ihn müde und verscheucht den Geist. Emmett denkt über die Dinge nach, die ihn umgeben: die Socke mit dem Loch in der Ferse, die alte Aktentasche auf dem Dachboden, das Klo, dessen innere Schüssel er beim Pinkeln auch ohne Beleuchtung trifft. Er versucht, sich im Haus zu orientieren, stößt auf Tassen, Früchte, Wäsche.
Das Feuermachen ist eine Kunst. Und auch die Erinnerungen stellen sich ein, die Gedanken an die Schreibmaschine von Olivetti, ein forderndes, aber willkommenes Geschenk des Vaters, an das Geschick, an der Tanksäule keine krummen Summen zu produzieren, an die Kunst, ein Konto so zu führen, dass es immer im Minus ist und man immer den höchsten Zinssatz bezahlen muss.
Erweckt sein, schlafen gehn
Nicholson Baker sieht diese Dinge an, weckt diese Ereignisse aus dem Schlaf des Gedächtnisses – und stellt sie vor den Leser hin, der ihrer plötzlich mit einer unglaublichen Genauigkeit, mit einer großen Liebe zum Einzelnen, mit einem gleichsam erleuchteten Blick gewahr wird. Einen höchst aufgeklärten heiligen Franziskus des Hausrats könnte man diesen Schriftsteller nennen.
Nicholson Baker ist ein moderner, ein höchst belesener Schriftsteller. Er hat von Vladimir Nabokov gelernt, und Emmett, der Hausmann, hat mit Nabokovs weltverlorenem Professor Pnin zumindest eines gemein: die Fähigkeit, das flüchtige, oft triviale Detail so zu erhaschen, dass es plötzlich in fast überirdischem Glanz dasteht, zum Vergnügen des Autors wie des Lesers. Mit Don DeLillo, dem Autor der „Unterwelt” teilt er die Leidenschaft für die Schönheit und die Hermeneutik des Mülls, mit Bret Easton Ellis die enzyklopädische Kenntnis der Handelsmarken und ihrer absoluten Herrschaft über die Zivilisation.
So modern ist Nicholson Baker, dass er die Moderne an ihrer äußersten Grenze durchbricht. Jahrzehntelang hatte sie daran gearbeitet, das Misstrauen gegen alle Ansprüche auf Wahrheit und Konsequenz zu schüren. Nicholson Baker schaut noch einmal nach, genauer als all seine Kollegen, und was er fühlt, hört, riecht, schreibt er nieder, in einer zuweilen schon unglaublich subtilen, nuancierten Sprache. Darin mischt er das Verwegene mit dem Banalen, in Sätzen, die mit traumwandlerischer Sicherheit ein jedes Ding in einer Einzelheit treffen, die es kategorial von allen anderen Dingen unterscheidet: Und auf einmal werden die Objekte einfach, klar – und schön, weil aus ihnen allen das Behagen spricht, am Leben zu sein. Nicht von ungefähr trägt sich diese Geschichte zur Stunde des Erwachens zu.
Dies ist der sechste Roman von Nicholson Baker, und wie bei den anderen zuvor ist nicht ganz sicher, ob es sich bei diesem Buch, das seine autobiographischen Quellen nicht verhehlt, um eine erfundene Geschichte, einen Essay oder um einen gelehrten Beitrag zu den universalen Archiven des Alltags gehört. Aber die Unterschiede spielen am Ende keine Rolle: Dieses Buch ist eine Schule der Wahrnehmung, strenger, konzentrierter noch als die fünf vorherigen, es ist ein Lehrbuch der Bedächtigkeit in dreiunddreißig Kapiteln. Und es ist ein Handbuch der Heiterkeit. Am Ende, am dreiunddreißigsten Morgen, verbrennt das leere Heft Streichhölzer „mit einer großzügigen gelben Flamme”. Und anstatt dass der Erzähler nun, beglückt und beschwert durch neue und tiefe Erkenntnisse, dem Leben als neuer Mensch entgegen träte, tut er das einzig Richtige. Er schreibt seine letzte Notiz. Er hat seine Erweckung erlebt. Und geht wieder schlafen.
Aus Amerika kommt derzeit vor allem Aufgeregtes nach Europa, politische Pamphlete von (auf der einen Seite) Michael Moore oder (auf der anderen) Richard Perle, Romane der Krisen und Gewalt, die den Realismus gern auch mal ins leicht Hysterische kippen lassen. Nicholson Baker, der Anwalt des Unscheinbaren, der undramatisch vergehenden Zeit, steht zu den Bewegungsmeldern und Erregungszentren in unpolemischer Distanz. Er ist ein Extremist der Genauigkeit und zugleich die literarische Stimme einer alteuropäischen, aber durchaus auch amerikanischen Tugend: Gelassenheit.
THOMAS STEINFELD
Das Feuermachen ist eine Kunst – ebenso wie das Leben.
Foto: Peter Steiner / Corbis
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Thomas E. Schmidt führt den amerikanischen Autor Nicholas Baker als "nervtötenden Detaillist" ein, der auch schon mal einen ganzen Roman über den "Gang zur Gargage" schreiben kann. Kaum einer bringt die "erzählte Zeit so virtuos ins Stocken" wie dieser Autor, meint der Rezensent, der das zwar sehr anstrengend findet, aber irgendwie auch bewunderungswürdig. Auch in dem vorliegenden Roman passiert nicht viel, und der Protagonist, der 44-jährige Familienvater Emmett, fällt Schmidt mit seinen alltäglichen Verrichtungen und Gedanken "ein bisschen auf die Nerven", wie er zugibt. In 33 Kapiteln macht Emmett jeden Morgen mit einem Streichholz den Kamin an und gibt sich seinen Überlegungen und Reflexionen hin, fasst der Rezensent die handlungsarme Geschichte zusammen. Dabei sei die Hauptfigur ein richtiges "Würstchen", ein Durchschnittsmensch, der es den Lesern nicht "leicht macht, sich mit ihm literarisch anzufreunden". Doch mitten in den dahinplätschernden "schon 1000 mal gedachten" Gedanken Emmetts, fallen plötzlich "ungeheure Sätze", die aufrütteln und Emmett in einem neuen Licht erscheinen lassen, bemerkt der Rezensent erstaunt. Jetzt entdeckt er in der Hauptfigur plötzlich einen "Schamanen, der das Feuer hütet", und der Roman wird ihm zum "Trostbuch", das "metaphysische Feuerkraft" entfaltet, die den Leser aus der "Gefühlsreserve lockt". Und somit ist Schmidt dann doch sehr froh, dass er das Buch nicht "zu früh aus der Hand" gelegt , sondern bis zum Schluss durchgehalten hat.

© Perlentaucher Medien GmbH
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Eine Schachtel Streichhölzer leuchtet vor Schönheit. Tages-Anzeiger