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Korruption gedeiht, wo das Geheimnis regiert - und unter den Mächtigen Deutschlands gibt es viele Geheimnisträger.
In der Bekämpfung von Korruption ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland. Dubiose Geschäfte, oft auf Kosten des Steuerzahlers, sind zum Alltagsphänomen geworden, doch die Politiker tun immer noch so, als hätten sie damit nichts zu tun.Hans-Martin Tillack, bekannt durch unbequeme Recherchen über Fälle von Korruption, nennt in seinem neuen Buch Fakten, Zahlen, Namen, und er erzählt haarsträubende Geschichten, die leider wahr sind - Geschichten von schmiergeldhungrigen…mehr

Produktbeschreibung
Korruption gedeiht, wo das Geheimnis regiert - und unter den Mächtigen Deutschlands gibt es viele Geheimnisträger.

In der Bekämpfung von Korruption ist die Bundesrepublik ein Entwicklungsland. Dubiose Geschäfte, oft auf Kosten des Steuerzahlers, sind zum Alltagsphänomen geworden, doch die Politiker tun immer noch so, als hätten sie damit nichts zu tun.Hans-Martin Tillack, bekannt durch unbequeme Recherchen über Fälle von Korruption, nennt in seinem neuen Buch Fakten, Zahlen, Namen, und er erzählt haarsträubende Geschichten, die leider wahr sind - Geschichten von schmiergeldhungrigen Beamten, von eilfertig agierenden Lobbyisten, von verschwiegenen Verwaltern schwarzer Kassen in Parteien und Unternehmen. Das Problem ist: Deutsche Politiker haben es versäumt, gesetzliche Regelungen zu schaffen, die für mehr Transparenz sorgen. Vieles, was in anderen Staaten als Bestechung gilt, geschieht hierzulande ganz legal. Unter dem Deckmantel des Amtsgeheimnisses werden Firmen mit öffentlichen Geldern bedacht, und den Bürger hat das nichts anzugehen. Das ist die Logik deutscher Behörden.
Autorenporträt
Hans-Martin Tillack ist seit 1999 Korrespondent des "Stern" in Brüssel.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.08.2009

Wirtschaftsbuch
Bestechung und Betrug gehören zum Alltag
In deutschen Großstädten wie in der Provinz ist Korruption längst so verbreitet wie auf Sizilien – und die Politik schaut gezielt weg
Von Helmut Lölhöffel
Die dick aufgetragenen Buchtitel Korrupte Republik und Mafialand lassen einen an Rumänien oder Paraguay denken, aber nicht an Deutschland. Doch die Autoren, beide sind bekannte investigative Journalisten, haben tatsächlich die Bundesrepublik im Blick. Hans-Martin Tillack hält Korruption in Deutschland für ein Alltagsphänomen: „Nur die Politik tut immer noch so, als habe sie damit nichts zu tun.” Auch Jürgen Roth hat „hartnäckige Realitätsverweigerung” und eine „unheimliche Verharmlosung des Problems Mafia durch viel zu viele politische Entscheidungsträger” ausgemacht.
Korruption und Mafia haben sich hierzulande längst ausgebreitet. Korruption, so definiert die Weltbank, ist der Missbrauch anvertrauter Macht zum persönlichen Vorteil. Darunter falle „einiges, was in Deutschland üblich und erlaubt ist”, meint Tillack. In vielen Ländern seien die Regeln schärfer als bei uns. Doch „unsere Gesetze sind lax”, so schreibt er, „… weil es die Berliner Politik so will.”
Wer lernen möchte, was unter Korruption fällt, sollte sich ansehen, was offiziell nicht als Korruption gilt: Etwa wenn Rüstungskonzerne einen Ball für Bundeswehrgeneräle finanzieren, wenn die Telekom den deutschen Ministerialbeamten ein Buffet spendiert oder wenn die AOK mit 85 000 Euro aus Versichertenbeiträgen ein Sommerfest des Bundespräsidenten bezuschusst. All das wird nicht als Bestechungsversuch eingruppiert, sondern als Sponsoring. Fehlt nur, dass die öffentlichen Amtsträger auf ihren Hemdkragen oder an den Uniformjacken auch noch Werbelogos tragen.
Alles wollten unsere Politiker regulieren und durchleuchten, klagt Tillack, doch angesichts der Korruption fielen sie „in eine Dauerstarre”. Die Innenminister Otto Schily (SPD) und Wolfgang Schäuble (CDU) hätten zwar massiv in Grundrechte eingegriffen, um gegen Kriminelle und Extremisten vorzugehen. Aber über ein Einschreiten ihrerseits gegen Korruption sei selten etwas zu hören gewesen. Der deutschen Politik, bemängelt Tillack, fehle „die Kraft zu einer energischen Korruptionsbekämpfung”, obwohl der volkswirtschaftliche Schaden der Korruption in Deutschland auf 200 bis 300 Milliarden Euro geschätzt wird. So hat die Republik bis heute die Anti-Korruptions-Konvention der Vereinten Nationen nicht ratifiziert, zweifellos eine Peinlichkeit, und das Parlament hat nicht einmal den Straftatbestand der Abgeordnetenbestechung eingeführt, ein kaum begreifliches Versäumnis.
„Deutschland erfüllt die internationalen Vorgaben seit Jahren nicht und wird seiner Verantwortung als führende Wirtschaftsmacht nicht gerecht”, kritisiert auch Sylvia Schenk, Vorsitzende der deutschen Sektion von Transparency International.
„Korruption ist ein Vergehen der Oberschicht”, schreibt Tillack. „In kaum einem anderen Deliktfeld kommen die Täter so häufig aus den etablierten Kreisen unserer Gesellschaft wie hier.” 2006 hatte das Bundeskriminalamt in Deutschland 6895 Korruptionsfälle registriert, bei einer vermutlich hohen Dunkelziffer. Doch anstatt die Personalrotation von Beamten in korruptionsgefährdeten Behörden zu beschleunigen und Spezialreferate zur Prüfung heikler Vorgänge zu bilden, wurden Partnerschaften von Ministerien und Firmen gefördert. Gelegentlich durften Lobbyisten sogar an der Erarbeitung von Gesetzen mitwirken.
VW, Siemens und MAN sind in die Schlagzeilen geraten, und in weiten Teilen der Wirtschaft wird entschuldigend behauptet, in manchen Ländern wäre eben ohne Schmiergeld kein Auftrag zu holen. Jüngste Ermittlungen etwa gegen die Pharmafirma Ratiopharm und von ihr begünstigte Ärzte zeigen, wie weit das Handaufhalten um sich gegriffen hat. Tillack, der seine Recherchen präzise belegt, wünscht sich bei Staat und Unternehmen mehr Ehrlichkeit und stärkere Kontrolle. Denn: „Korruption ist eine Gefahr für das Land und unsere Demokratie.”
Ähnlich beurteilt Jürgen Roth die Wirkung mafioser Strukturen, von denen Deutschland längst durchdrungen sei. Die Mafia ist nach seiner Erkenntnis kein regional begrenztes Phänomen in der Ferne, sondern sie „droht sich zu einer bestimmenden politischen Kraft in Europa zu entwickeln”. Doch niemand wolle das wahrhaben, stattdessen werde behauptet, in Deutschland gebe es gar keine Mafia. Deutsche Firmenchefs, meint Roth, würde es wenig scheren, wenn billige Produktionskosten und gute Gewinne durch Kooperation mit korrupten Strukturen entstünden. Dies würde „so lange verdrängt, bis es zu einem bösen Erwachen kommt”.
Roth führt neben den italienischen Mafia-Gruppen die albanische und die türkische Mafia, die chinesischen Triaden und die verzweigte Russenmafia an. Es sei höchste Zeit, darauf einen realistischen Blick zu werfen. Denn Erpressung, Betrug, Raub, Bestechung, Bilanz- und Anlagebetrug, die Käuflichkeit von Politikern, Gewerkschaftsbossen und Bürokraten, Vetternwirtschaft und Ämterproporz – all diese Merkmale seien in deutschen Großstädten wie in der Provinz ebenso präsent wie auf Sizilien: Zwar sei es hier noch nicht so weit, dass „eine Art Gegenstaat” aufgebaut wurde, aber international agierenden Verbrechervereinigungen sei es schon gelungen, ökonomische Macht mit krimineller Energie zu verknüpfen und auf Politik, Medien, Verwaltung, Justiz und Wirtschaft Einfluss zu nehmen.
Aus Roths Buch ist viel über das Wirken von Mafia-Clans aller Schattierungen zu erfahren. Er gibt Beschuldigten sogar Raum zur Gegendarstellung, was das Buch authentisch macht. Notgedrungen bleibt der Autor – sei es aus Kenntnismangel oder aus Selbstschutz – häufig vage, und manchmal ist nicht unterscheidbar, ob Geschäfte schwarz oder legal sind. In einem Fall ist es einem Leipziger Gastronomen sogar gerichtlich gelungen, eine Passage schwärzen zu lassen.
Brisant liest sich die Darstellung von Schiebereien und anderen Machenschaften in den ostdeutschen Ländern einschließlich der Aktivitäten ehemaliger KGB- und Stasi-Leute mit ihren Seilschaften sowie Geschäfte der Treuhand. Roth rührt im Lausitzer und im Sachsen-Sumpf, bringt hier allerdings kaum Neuigkeiten.
Trotz mancher milieubedingter Unvollkommenheit – wie sollte es bei diesem Stoff denn auch anders sein – und polemischer Übertreibungen sind beide Bücher aufwühlend und öffnen die Augen. Die aus Korruption und Mafia lauernden Gefahren müssen in Deutschland erkannt und politisch endlich ernstgenommen werden.
Hans-Martin Tillack: Die korrupte Republik. Über die einträgliche Kungelei von Politik, Bürokratie und Wirtschaft. Hoffmann und Campe, Hamburg 2009, 287 Seiten, 19,95 Euro.
Jürgen Roth:
Mafialand Deutschland. Eichborn Verlag,
Frankfurt a. Main 2009, 320 Seiten, 19,95 Euro.
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