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Autor und Abenteurer, Diplomat und Salonlöwe, Soldat, Liebhaber der Frauen und Liebhaber der Künste: Stendhals Lebensgeschichte ist nicht minder abenteuerlich als seine Romane. Während seiner mondänen Jahre in Frankreich und Italien war der große Romancier der Weltliteratur mehr als Frauenheld denn als Schriftsteller bekannt. Johannes Willms erzählt in seiner Biografie das Schriftstellerleben eines literarischen Außenseiters, für den das Schreiben nur eine und nicht immer die wichtigste Beschäftigung war.

Produktbeschreibung
Autor und Abenteurer, Diplomat und Salonlöwe, Soldat, Liebhaber der Frauen und Liebhaber der Künste: Stendhals Lebensgeschichte ist nicht minder abenteuerlich als seine Romane. Während seiner mondänen Jahre in Frankreich und Italien war der große Romancier der Weltliteratur mehr als Frauenheld denn als Schriftsteller bekannt. Johannes Willms erzählt in seiner Biografie das Schriftstellerleben eines literarischen Außenseiters, für den das Schreiben nur eine und nicht immer die wichtigste Beschäftigung war.
Autorenporträt
Johannes Willms, 1948 geboren, ist Historiker und lebt als Kulturkorrespondent der Südduetschen Zeitung in Paris. Er hat zahlreiche Werke zur deutschen und französischen Geschichte vorgelegt, darunter die Biographien Napoleon (2005), Balzac (2007) und Napoleon III (2008).
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.05.2010

Kein Tier wie wir
Kleiner Mensch, großer Autor: Johannes Willms' Biographie über den Schriftsteller Stendhal

Zwei Jahre vor seinem Tod legt der Autor eine Wunschliste an. "Gott schließt den folgenden Vertrag mit mir: Artikel 1. Kein größerer Schmerz bis ins sehr hohe Alter; dann . . . Tod durch Schlaganfall, im Bett, im Schlaf, ohne seelisches und körperliches Leiden. Jedes Jahr nicht mehr als drei Tage Krankheit." Sein Penis soll "so hart und beweglich wie der Zeigefinger", aber "zwei Zoll länger" und "ad libitum" einsetzbar sein. Der Rest ist Magie: "Der Privilegierte, indem er einen Ring trägt und ihn reibt, wenn er eine Frau erblickt, wird diese dazu bringen, sich leidenschaftlich in ihn zu verlieben . . . Ist der Ring mit Speichel befeuchtet, wird die Angeblickte nur eine liebe und ergebene Freundin werden." Außerdem will "der Privilegierte" hundert Tage im Jahr eine Fremdsprache seiner Wahl sprechen, zwanzigmal die Form eines beliebigen Lebewesens annehmen, Hass mit seinem Zauberring in Sympathie verwandeln können . . . Es folgen noch zwanzig weitere detaillierte Klauseln.

Nichts von alledem hat sich erfüllt - bis auf den Schlaganfall: Am 22. März 1842 streckt er den Verfasser der Liste auf offener Straße nieder, fünf Stunden später stirbt Henri Beyle, genannt Stendhal, in einem Pariser Hotelbett, neunundfünfzig Jahre alt. Aber die Wünsche sind dennoch wahr geworden, nicht in dieser, sondern in einer anderen, aus Buchstaben gewobenen Welt, in der Literatur. Aus dem Mann mit dem Zauberring ist Fabrizio del Dongo geworden, der Held der "Kartause von Parma", dem die Frauen hinterherlaufen, als wäre er die Verkörperung des Eros, und das Sprachwunder hat sich in Julien Sorel materialisiert, dem jungen Provinzler aus "Rot und Schwarz", der aus seinem Dorf im Jura bis in die höchsten Kreise von Paris aufsteigt, weil er es versteht, die Schönen und Mächtigen mit seinem Talent zu bestricken.

Werther, neuester Stand

Es ist, als hätte Stendhal den ganzen Furor seines jungenhaften Herzens, seiner romantischen Verblendungen und sexuellen Allmachtsphantasien in diese - und andere, unveröffentlichte - Romane gesteckt, die er wie in einem Rausch (für die "Kartause" brauchte er nur fünfzig Tage) niederschrieb oder diktierte. Und in denen er, und das ist das Wunder des Stendhalschen Realismus, eben diese Knabenträume von Ruhm, Reichtum und der Gunst der Frauen zugleich nach allen Regeln der Kunst ad absurdum und zum Abgrund führte. Fabrizio del Dongo, der sich schon auf dem Schlachtfeld von Waterloo unsterblich blamiert hat, zieht sich nach dem Scheitern seiner weltlichen Ambitionen ins Kloster zurück. Julien Sorel, der seine frühere Geliebte erschießen wollte, weil sie seinen Karriereplänen im Weg stand, stirbt unter dem Schwert des Henkers. Goethe, der noch als Greis die Erstausgabe von "Rot und Schwarz" in den Händen hielt, hat sofort erkannt, dass hier der "Werther" auf den neuesten Stand gebracht worden war. "Sei ein Mann und folge mir nicht nach." Aber natürlich war auch der Erfinder von Julien und Fabrizio ein Mann, ein Individuum, dessen Existenz nicht in der seiner literarischen Figuren aufgeht. Von dieser Existenz erzählt Johannes Willms' Biographie.

Es ist die Geschichte eines Jungen aus einer Grenobler Anwaltsfamilie, der mit sechs Jahren seine über alles geliebte Mutter verliert. Anschließend kommt der kleine Henri unter die Knute ihrer vertrockneten Schwester und seines bigotten Vaters, die sich bemühen, aus dem Jungen ein hinreichend banales Exemplar der bürgerlichen Gesellschaft zu machen. Das misslingt, aber die Wunden, die die Kindheit in der Künstlerseele hinterlässt, sind tief. Bis zu seinem Tod hat Stendhal ein Junggesellenleben in gemieteten Zimmern und Hotelbetten geführt. Und beinahe ebenso lange hat er sich an Abbildern seiner vergötterten Mutter abgearbeitet, an zickigen, launischen, gefühlskalten, glücklich verheirateten oder sonst wie desinteressierten Damen, denen er hinterherreiste, zu Füßen fiel, feurige Billetts schrieb, Rosensträuße und Logenplätze schenkte, während er jene, die ihn wirklich liebten, am ausgestreckten Arm verhungern ließ.

"Die Mama und die Hure" - der Titel von Jean Eustaches Film von 1973 wäre ein gutes Motto für die Lebensbilanz des Mannes aus Grenoble gewesen. Denn mit jenen weiblichen Wesen, die er nicht auf Knien anbetete, sprang der Ästhet Stendhal wie ein Bierkutscher um. Um sich an eine entfernte Cousine heranmachen zu können, "fickte" er, wie sein Tagebuch nüchtern vermerkt, ihre Mutter, auf Reisen ließ er sich gern von Zimmermädchen die Flöte blasen, und in Marseille, wohin er 1805 mit seiner Freundin Mélanie Guilbert für einige Monate gezogen war, um eine Bank zu gründen (das Projekt scheiterte), trieb er es im Schein von Straßenfunzeln mit Zufallsbekanntschaften, voller "Scham und Ekel" über sich selbst und doch ohne Ausweg aus dem erotischen Dilemma.

Man fühlt sich an Flaubert und Maupassant erinnert, die ebenfalls von Anfällen wüster Libido geplagt wurden und auch nie (oder zu spät) die Einfahrt in den Hafen der Ehe fanden. Nur dass bei Stendhal das Hakenschlagen zwischen Sexus und Romantik keine Notlösung ist, sondern Methode. Schon als er 1799 als Schüler der Ecole Polytechnique zum ersten Mal nach Paris kommt, träumt er von einer Laufbahn als "Frauenverführer". Als daraus nichts wird, schließt er sich den siegreichen Fahnen Napoleons an, die bald über ganz Europa flattern; für den Zivilisten Henri, der die Schlachtfelder am liebsten vom Kutschenfenster aus betrachtet, fällt bei den vielen Eroberungen immer wieder ein Pöstchen ab. Aber auch der Ruhm und die Dienste der Kammerjungfern wurden langweilig, wenn die "douceur d'aimer" fehlte, die Süße der romantischen Liebe. In Mailand verliebt sich Stendhal in die Mätresse eines Regimentskameraden, in Braunschweig in ein deutsches Edelfräulein, nur im brennenden Moskau, das er noch vor der Grande Armée im Oktober 1812 verlässt, bleibt sein Gefühlsofen kalt. Als Napoleon schließlich stürzt, nutzt der Kriegskommissar Beyle die Gelegenheit, in das Land seiner Sehnsucht zu emigrieren, an den Schauplatz seiner künftigen Bücher und Affären, zu der einzigen Geliebten, der er bis zum Schluss die Treue gehalten hat: Italien.

Korrupt und romantisch

Johannes Willms betrachtet dieses Triebschicksal mit einer Mischung aus Faszination und Widerwillen. Dass sein Held kein Schönling ist, deutet er frühzeitig an; dennoch spürt man bis in die letzten Kapitel das Befremden des Biographen darüber, dass dieser Mensch, den sie "den wandelnden Turm" nannten, dieser Trumm mit seinem "gewaltigen Ranzen", den kurzen Beinen und der toupetbedeckten Glatze sein Leben der romantischen Liebe gewidmet hat. Manchmal ist Willms auch regelrecht empört, etwa wenn er schildern muss, wie der schlimme Henri eine seiner Angebeteten, die ihn verschmäht, öffentlich schlechtmacht - "kein schöner Zug unseres Helden" - oder nach Monaten der Impotenz in einem englischen Vorortpuff mit minderjährigen Hürchen zur alten Form zurückfindet.

Nein, der Mann, der der Welt die "Kartause", den Sorel-Roman und das Aphorismenbuch "Über die Liebe" geschenkt hat, ist kein Heiliger und kein Adonis, er ist fett, korrupt und beizeiten ordinär. An diesem Widerspruch verschluckt sich Johannes Willms' Biographie, weil sie ihn nicht zum Thema macht. Im Grunde vermag sich Willms selbst nicht zu erklären, wie ein derartiges selbstsüchtiges Scheusal - "Ich bin das einzige Tier meiner Rasse", schreibt Stendhal als französischer Konsul in Civitavecchia - all diese herrlichen Bücher schreiben konnte; und so behilft er sich, wenn die Rede aufs Schreiben kommt, mit pompösem Wortgeklingel: "das schöpferische Mirakel schlechthin" sei die Entstehung der "Kartause von Parma", das Resultat "eines einmalig langen und intensiven Kusses der Muse". Mit solchen Sätzen kapituliert der Biograph vor seinem Gegenstand, statt ihn durch Scharfsinn zu bezwingen. Denn anders als bei seinem vor drei Jahren erschienenen Balzac-Buch kann sich Willms diesmal nicht darauf berufen, dass schon der Porträtierte selbst Leben und Werk mit je verschiedenem Maß gemessen habe.

Stendhal hat seine Literatur gelebt, er war Julien, Fabrizio und Lucien Leuwen, und der Zauber einer Figur wie der Herzogin Sanseverina rührt in nicht geringem Maß eben daher, dass ihr Schöpfer die Liebesschliche, mit denen er sie ausstattet, selbst in zahllosen Amouren erlebt und erlitten hat. Und so fehlen diesem angenehm kompakten und bis auf gelegentliche Syntaxkleckse fehlerlosen Porträt gerade jene fünfzig Seiten, die es über die bloße Nachzeichnung von Lebensstationen hinausheben würden. Der Künstler selbst ist daran nicht ganz unschuldig: Ein Biograph stand nicht auf seiner Wunschliste.

ANDREAS KILB

Johannes Willms: "Stendhal". Hanser-Verlag, München 2010, 336 Seiten, 24,90 Euro

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Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 31.05.2010

Sachbücher des
Monats Juni
Empfohlen werden nach einer monatlich erstellten Rangliste Bücher der Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaften sowie angrenzender Gebiete.
1. ANTONY BEEVOR: D-Day. Die Schlacht um die Normandie. Übersetzt von Helmut Ettinger. C. Bertelsmann Verlag, 636 Seiten, 28 Euro.
2. LUDOLF HERBST: Hitlers Charisma. Die Erfindung eines deutschen Messias. S. Fischer Verlag, 330 Seiten, 22,95 Euro.
3. IAN DICKIE, MARTIN J. DOUGHERTY, PHYLLIS G. JESTICE, CHRISTER JÖRGENSEN, ROB S. RICE: Geschichte der Seekriege. Übersetzt von Henning Dedekind und Karin Schuler. Konrad Theiss Verlag, 256 Seiten, ca. 250 Abb., 34,90 Euro.
4.-5. OLIVIER ROY: Heilige Einfalt. Über die politischen Gefahren entwurzelter Religionen. Aus dem Französischen von Ursel Schäfer. Siedler Verlag, 335 Seiten, 22,95 Euro.
JOHANNES WILLMS: Stendhal. Biographie. Carl Hanser Verlag, 330 Seiten, 24,90 Euro.
6. MAIKE ALBATH: Der Geist von Turin. Pavese, Ginzburg, Einaudi und die Wiedergeburt Italiens 1943. Berenberg Verlag, 189 Seiten, 19 Euro.
7. JOSEF STIGLITZ: Im freien Fall. Vom Versagen der Märkte zur Neuordnung der Weltwirtschaft. Übersetzt von Thorsten Schmidt. Siedler Verlag, 448 Seiten, 24,95 Euro.
8. ELISABETH BADINTER: Der Infant von Parma, oder Die Ohnmacht der Erziehung. Übersetzt von Thomas Schultz. C. H. Beck Verlag, 144 Seiten, 17,95 Euro.
9.-10. KARL ERICH GRÖZINGER: Jüdisches Denken: Theologie – Philosophie – Mystik 3. Von der Religionskritik der Renaissance zur Orthodoxie und Reform im 19. Jahrhundert. Campus Verlag, 680 Seiten, 68 Euro.
CHRISTIAN MAREK, PETER FREITAG: Geschichte Kleinasiens in der Antike. Historische Bibliothek der Gerda Henkel Stiftung. C. H. Beck Verlag, 941 Seiten, 44 Euro.
Besondere Empfehlung des Monats Juni von Hilal Sezgin:
MARK TERKESSIDIS: Interkultur. Suhrkamp Verlag, 220 Seiten, 13 Euro.
Die Jury: Rainer Blasius, Eike Gebhardt, Fritz Göttler, Wolfgang Hagen, Daniel Haufler, Otto Kallscheuer, Matthias Kamann, Petra Kammann, Guido Kalberer, Elisabeth Kiderlen, Jörg-Dieter Kogel, Hans Martin Lohmann, Ludger Lütkehaus, Herfried Münkler, Wolfgang Ritschl, Florian Rötzer, Johannes Saltzwedel, Albert von Schirnding, Norbert Seitz, Eberhard Sens, Hilal Sezgin, Volker Ullrich, Andreas Wang, Uwe Justus Wenzel.
Redaktion: Andreas Wang (NDR Kultur)
Die nächste SZ/NDR/BuchJournal-
Liste der Sachbücher des Monats erscheint am 30. Juni.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.sz-content.de
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Jens Jessen wirkt auf der einen Seite enttäuscht von dieser Biografie Stendhals von Johannes Willms, lobt sie aber auf der anderen nachdrücklich. Was er in diesem Buch, vermisst ist ein tiefergehendes Interesse für das Werk des Schriftstellers, die inneren Kämpfe dagegen, die dieses Werk begründen, sieht er "meisterhaft" dargelegt. Denn Willms schildert anschaulich "Pleiten, Pech und Pannen", die sowohl Stendhals Karriere als auch sein Liebesleben ausmachen, lobt der Rezensent, wobei er Willms These, Stendhal habe sich immer in für ihn unerreichbare Frauen verliebt, weil er sein Unglück als produktive Kraft schätzte, sehr überzeugend findet. Wenn der Autor allerdings Stendhal auf Grundlage seiner Tagebucheinträge, aus denen diese Biografie reichlich schöpft, versucht, "der Lächerlichkeit und der Aufschneiderei zu überführen", findet Jessen das ganz verfehlt. Schonungslosigkeit und Selbstentlarvung praktiziert Stendhal darin nämlich selbst zur genüge, so der Rezensent, der darum die Lektüre der Tagebücher letztlich auch der Lektüre der vorliegenden Biografie den Vorzug gibt.

© Perlentaucher Medien GmbH