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Die Nordwestpassage, ein quasimythischer Seeweg vom Atlantik zum Pazifik entlang der arktischen Küsten Amerikas, bewohnt von verschwindenden Inuit-Kulturen und den Gespenstern bärtiger, besessener Männer, die einst auf der Suche nach diesem geografischen Gral an Hunger, Hybris und Skorbut zugrunde gingen.
Landschaften von grandioser Leere, sturmgefegte See, brachiales Eis - noch ist die Nordwestpassage ein Abenteuer, strapaziös und wundersam. Zumindest auf einem Segelboot. Im Sommer 2011 hat sich Kapitän Wolf Kloss mit seiner Santa Maria Australis dieser Herausforderung gestellt, und die
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Produktbeschreibung
Die Nordwestpassage, ein quasimythischer Seeweg vom Atlantik zum Pazifik entlang der arktischen Küsten Amerikas, bewohnt von verschwindenden Inuit-Kulturen und den Gespenstern bärtiger, besessener Männer, die einst auf der Suche nach diesem geografischen Gral an Hunger, Hybris und Skorbut zugrunde gingen.

Landschaften von grandioser Leere, sturmgefegte See, brachiales Eis - noch ist die Nordwestpassage ein Abenteuer, strapaziös und wundersam. Zumindest auf einem Segelboot. Im Sommer 2011 hat sich Kapitän Wolf Kloss mit seiner Santa Maria Australis dieser Herausforderung gestellt, und die Schriftstellerin Tina Uebel ist für drei Monate mitgesegelt. Wo endet die Welt, und wie weit kann man gehen, um an ihren Rändern zu kratzen, hat sie noch Ränder? Und was ist es, das einen dorthin treibt? Tina Uebel war strapaziert und verwundert, bewegt und belustigt. Und weiß davon zu erzählen, von den Stürmen, vom Eis, von der greifbar nahen heroischen Historie, von Amundsen, Franklin, Peary, Cook und den anderen, davon, wie es ist, bei Minus 30 Grad einen Schlitten zu ziehen oder 11 Beaufort zu segeln. Und letztendlich ist die zu erzählende Geschichte eine Geschichte von Liebe und Verlust, Tod und Hingabe, Sehnsucht und Freiheit - und der all dem inhärenten Komik.
Autorenporträt
Tina Uebel, geboren 1969 in Hamburg. Autorin, freie Journalistin, Literaturveranstalterin. Seit 1993 Verlegerin der Edition 406; seit 2000 "Machtmacherin" in der Literaturfusion "Macht" - Organisierte Literatur. Mitherausgeberin diverser Anthologien. Erste Romanveröffentlichung 2002.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur TAZ-Rezension

Gespannt ist Carla Baum Tina Uebel auf ihrer Durchsegelung der Nordwestpassage gefolgt. Sie liest Uebels Aufzeichnungen als ein Buch über das Reisen selbst, über Reisefreundschaften, Reisezeit, Reiseerleben, über die Veränderungen der Reiseziele und die damit verbundene Melancholie. Denn bei der Lektüre des Buchs wird für Baum einmal mehr schmerzlich klar, dass es in der heutigen Zeit so gut wie keinen Ort gibt, der noch nicht von irgendwem betreten und erkundet wurde. Sie attestiert der Autorin, ihre Reiseerfahrung in einfühlsamen und tiefgehenden Episoden zu schildern. Nur manchmal fehlt es den tagebuchartigen Beschreibungen der Crew, der Reiseetappen und Landgänge fehlt es in ihren Augen an dramaturgischer Gestaltung, so dass sich Wiederholungen einstellen.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 12.03.2013

Sehnsucht
nach Leere
Tina Uebel ist durch die Nordwestpassage
gesegelt. Das ist ein kalkulierbares Wagnis
geworden – sieht man ab von den Gefährten
VON STEFAN FISCHER
Die Besatzung der Santa Maria Australis hat die Westküste Grönlands noch nicht aus dem Blick verloren, der Eingang zur Nordwestpassage liegt nach wie vor etliche Seemeilen entfernt; drüben, auf der anderen Seite der Baffin Bay – die Reise hat also eigentlich noch gar nicht begonnen, da gibt es bereits Zwist an Bord: Tina Uebel versteht sich partout nicht mit Roald Amundsen. Sie hasst seine Attitüde, sein besserwisserisches Von-oben-herab. Die Hamburger Schriftstellerin selbst hadert mit ihrer – von ihr so empfundenen – Unzulänglichkeit, speziell in nautischen Belangen. „Kein Wunder, dass ich’s eher mit den hemmungslosen Sonderlingen und Scheiterern habe als mit Effektivlingen à la Amundsen.“ Der obendrein, und das wiegt für Tina Uebel noch schwerer, ein erbärmlicher Autor sei: Sein Bericht „Die Nordwestpassage. Meine Polarfahrt auf der Gjøa“ gehöre zum „Steinödesten, was je gedruckt wurde, es gibt Spiegeleirezepte, die sich mitreißender lesen als seine Schilderung eines beinahe fatalen Brandes an Bord“. Da ist ihr dann einer wie der Arzt Elisha Kent Kane noch lieber, Teilnehmer unter anderem an einer Suchexpedition für den in der kanadischen Arktis verschollenen britischen Konteradmiral John Franklin: ein Mann zwar, „an dem alles kränkelte außer dem Selbstbewusstsein“. Aber ein großer Geschichtenerzähler.
  Viele von ihnen sind mit an Bord der Santa Maria Australis: Polarforscher und Nordwestpassagen-Sucher der Vergangenheit. Ihre Geschichten, ihr Geist. Das Boot, auf dem bis zu dreizehn reale Passagiere unterwegs sind, „ist imaginär überfüllt“, so Tina Uebel. In ihrem eigenen Reisebericht „Nordwestpassage für dreizehn Arglose und einen Joghurt“ zitiert sie immer wieder diejenigen, die vor ihr in der Nordwestpassage unterwegs waren, sogar Amundsen. Weil sie bei ihnen etwas findet, was ihr selbst sehr nah ist: der Drang nach Freiheit, nach einer leeren Welt.
  Es gibt diese Orte bald nicht mehr, auch nicht in der Arktis. Dort bekommt man aber immerhin noch eine passable Ahnung von Nichtzivilisation. Die Frage aber ist, und sie quält die Autorin: „Wohin kann man noch gehen, wo noch kein Besucherzentrum steht?“ Tina Uebel ist nicht naiv, kennt die Antwort, bevor sie sie auf dieser dreimonatigen Segeltour leibhaftig erfährt. Selbst in der Arktis gibt es immer mehr Parke mit immer mehr Parkwächtern. Aus Trotz nimmt sie auf Herschel Island ein halbes Karibu-Geweih mit. „Eigentlich brauche ich nicht besonders dringend ein Geweih“, schreibt sie; aber sie ist genervt von einer Welt und einem Leben, die dominiert werden von Verboten und der Notwendigkeit von Genehmigungen. Davon, dass man ortsweise nicht einmal mehr in der Arktis kostenlos ein Zelt aufschlagen kann oder ein Geweih aufsammeln, „das nun wahrlich zu den nachwachsenden Rohstoffen zählt“.
  Vor allem aber geht ihr gegen den Strich, wenn andere sich präventiv und ungefragt ihrer Unversehrtheit annehmen: „Ich will eine solche Welt nicht. Eine stufenlose Welt mit barrierefreien Bergen und Helmpflicht bei jeglicher Tätigkeit.“ Das Segeln hat Tina Uebel von ihrem Vater gelernt, der nicht mehr lebt und an den sie sich immer wieder zärtlich erinnert. Vor allem hat sie sich von ihm diese Haltung abgeschaut: für sich selbst verantwortlich zu sein. Vorrangig deshalb ist sie auf einem Segelboot in der Nordwestpassage unterwegs: „Ich bestehe auf dem Recht, mich in die Scheiße reiten zu dürfen und, falls ich es für nötig befinde, auch darin umzukommen.“
  Was jedoch keinesfalls bedeutet, dass Tina Uebel eine Hasardeurin wäre. Es ist nicht der Kitzel der Gefahr, der sie ins polare Meer treibt; sie weiß Funktionskleidung und die Möglichkeit, bei der Steuerung eines Bootes auf GPS-Daten zurückgreifen zu können, sehr wohl zu schätzen. Auch an Heldenposen ist ihr nicht gelegen, das macht sie und ihren Bericht sympathisch.
  Es gibt am Ende des Buchs eine bemerkenswert erzählte Szene. Die Reise ist beinahe zu Ende, noch einmal gerät ihr glücklicher Ausgang in Gefahr. Die Santa Maria Australis schlingert in der Beringsee durch schwere See. Die sich steuerbords auf Deck befindlichen Tonnen lösen sich aus ihrer Verankerung, dazu der Schädel eines Karibus mit ausladendem Geweih, den Chef, wie die Autorin den Kapitän ehrfurchtsvoll nennt, als eine Art Galionsfigur an Bord gebracht hat. Es ist an Tina Uebel, die gerade Wache hat, diese Gegenstände wieder zu fixieren, ohne selbst über Bord zu gehen. Man muss davon ausgehen, dass dies durchaus heikle, bedrohliche Minuten waren. Die Autorin macht allerdings wenig Aufhebens von der realen Gefahr, den Halt und damit das Leben zu verlieren. Sondern sie lenkt den Blick um auf eine erdachte Bedrohung: Uebel erzählt von der Szene, als würde sie ein realer Hirsch attackieren, sie macht eine Torero-Nummer aus dem über Deck und auf sie zu polternden Schädel und kontert somit den Schrecken mit ihrem offenbar durch kaum etwas zu erschütternden Witz. Auch indem sie sich kleiner macht, als sie in diesem Moment ist, und ihren Einsatz zu einer Don-Quijoterie runterspielt.
  In anderen Momenten wiederum muss sie sich groß machen – nicht größer, als sie ist, aber sich auf Originalgröße bringen, gewissermaßen. Zwei Frauen sind an Bord, sonst nur Männer. Und Tina Uebel muss sich dagegen wehren, dass ihr Dinge aus der Hand genommen oder nicht zugemutet werden. „Natürlich geht fast alles auf dem Boot mit mehr Kraft schneller und besser, aber es geht auch mit weniger Kraft“, beharrt sie. Die Mittvierzigerin hat sich das Selbstbewusstsein erkämpft, sich nicht als im Weg stehend zu empfinden, sondern als von Nutzen zu sein. Und es stößt ihr unangenehm auf, damit allein auf weiter Flur zu sein. Warum so viele Frauen zu Hause seien, fragt sie sich, und so viele Männer unterwegs? Und gibt den Frauen selbst die Schuld, die sich damit begnügten, sich mit ihrer Befindlichkeit zu befassen. Warum sie sich so viel besser mit Männern verstehe, ist dann nur noch eine rhetorische Frage.
  Und sie verstehen sich tatsächlich: An Bord der 66 Fuß langen Santa Maria Australis herrscht häufig eine alberne Ausgelassenheit. „Ich reise immer schon hauptsächlich der Menschen wegen, auf einem Segelboot aber ist’s zweifelsohne ein Wagnis“, schreibt Tina Uebel zwar gleich eingangs ihres Reiseberichts. Zwischen inniger Freundschaft und abgründigem Hass sei in der Enge eines Bootes nämlich eigentlich kaum etwas möglich. Unter diesem Aspekt ist diese Nordwestpassage das reine Glück: Als Hassobjekt taugt ihr nur Roald Amundsen, aber keiner der realen Reisegefährten. Die man allesamt mit den Augen und Empfindungen der Autorin kennenlernt, ohne dass sie sich durch Tina Uebel entblößt sähen vor ihrem Lesepublikum. Die Schriftstellerin versteht es gut, ihre Mitreisenden zu charakterisieren und ihnen doch ihre Geheimnisse zu lassen und den größten Teil ihrer Privatsphäre. Sie denunziert nichts und niemanden – „weil nichts doof ist, wenn man es ernst meint“. Mit dieser Haltung kann sie auch Amundsen respektieren, ohne ihn deshalb gleich zu mögen.
  Und dadurch kann sie auch differenzieren. Zwischen einer Segelcrew und den Passagieren eines Kreuzfahrtschiffes zum Beispiel. Die zunehmend eisfreie Nordwestpassage wird in absehbarer Zukunft einen zumindest ansatzweisen Massentourismus in der Arktis erlauben, er wird die Landschaft und die Menschen verändern. Wobei sich Tina Uebel der eigenen Rolle bewusst ist – als ein Teil des Problems. Sie beharrt aber darauf, dass „unser Anspruch“, nämlich „eine Welt zu sehen, die noch irgendwo leer“ ist, „ein klein wenig integerer erhoben wird, indem wir Zeit, Mühe, Anstrengungen investieren.“ Außerdem sieht man von Deck eines Kreuzfahrtschiffes auf die gigantischen Eisberge hinab und nicht, wie von der Santa Maria Australis aus, zu ihnen hinauf. „Letzteres ist angemessen.“
  Der große Rest dieses außergewöhnlich reflektierten Reiseberichts ist die Auseinandersetzung mit dieser Landschaft und den Lebensbedingungen darin. „Aus allem spricht ein trotziges Trotzdem“, urteilt Tina Uebel über arktische Orte. Das gefällt ihr. Und doch kennt sie sich und ihre Grenzen: Sie könne sich in der Nordwestpassage „leichtherzig zugegen und zu Hause fühlen, dort leben zu können, ist mir oft schwer begreiflich“. Die Empfindung, dass jede Flechte „längst an Depression verendet“ ist, mag erhebend sein für den Reisenden, der Kargheit erträgt, selbst wenn ihr Ausmaß schockierend ist. Aber wenn sie zum Alltag wird, liegen die Dinge gleich ganz anders.
  Bei einer Durchsegelung der Nordwestpassage zumindest liegt ein großes „Freudepotential“ im Mangel – wenn die Dinge ihre Allverfügbarkeit verlieren. Daheim machten sie zehn Biere nicht so froh wie eines der streng rationierten an Bord, nur betrunken, versichert Tina Uebel. Und eine Geburtstagstorte zu backen, statt eine zu kaufen, obwohl man nicht backen und also einzig auf die Fertigkeiten als im weitesten Sinn ehemalige Designerin zurückgreifen kann – das bedeutet in der Arktis mehr als woanders, ebenso wie das tägliche Anrühren von Joghurt aus Milchpulver. Die Besiegelung lebenslanger Freundschaften.
Tina Uebel: Nordwestpassage für dreizehn Arglose und einen Joghurt. Verlag C. H. Beck, München 2013. 400 Seiten, 19,95 Euro.
Hirsch von Steuerbord:
Eine reale Notlage mutiert zur
selbstironischen Schnurre
Kreuzfahrer schauen auf
Eisberge hinab, Segler zu ihnen
hinauf. Nur das ist angemessen
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