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Der Begriff "Elite" wird neuerdings wieder ganz unbefangen gebraucht, vor allem im Zusammenhang mit den neuen Elitehochschulen. Doch lassen sich Eliten schaffen? Und ist dies in einer Demokratie überhaupt wünschenswert? Heike Schmoll nimmt in ihrem fulminanten Lob der Elite die ewigen Elite-Kritiker ebenso aufs Korn wie die Wissenschafts-Planer, die eine Elite am Reißbrett schaffen wollen. Mit Blick auf die Geschichte von Eliten und ihre Bildung zeigt sie, warum wir nicht auf Eliten verzichten können und wie diese beschaffen sein müssen.
In keinem der führenden Industrieländer sitzt die
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Produktbeschreibung
Der Begriff "Elite" wird neuerdings wieder ganz unbefangen gebraucht, vor allem im Zusammenhang mit den neuen Elitehochschulen. Doch lassen sich Eliten schaffen? Und ist dies in einer Demokratie überhaupt wünschenswert? Heike Schmoll nimmt in ihrem fulminanten Lob der Elite die ewigen Elite-Kritiker ebenso aufs Korn wie die Wissenschafts-Planer, die eine Elite am Reißbrett schaffen wollen. Mit Blick auf die Geschichte von Eliten und ihre Bildung zeigt sie, warum wir nicht auf Eliten verzichten können und wie diese beschaffen sein müssen.

In keinem der führenden Industrieländer sitzt die Abneigung gegen Eliten so tief wie in Deutschland. Für Franzosen gehört die gezielte Rekrutierung der Eliten in Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ganz selbstverständlich zu den staatspolitischen Pflichten der Republik. Denn Eliten sind für keine Staatsform so unentbehrlich wie für die Demokratie. Deshalb muß der Zugang zur Elite prinzipiell offen, die Auswahlmethode transparent sein. Sobald sich Eliten abschotten, ihre Vorrechte genießen und für sich behalten wollen, verfehlen sie ihren gesellschaftlichen Auftrag. Da weder Tradition und Herkunft noch Bildung oder Leistungsstärke allein für die Zugehörigkeit zur Elite bürgen, müssen Weitsicht, Verantwortungs- und Pflichtbewußtsein, aber auch der Mut zum Alleingang hinzukommen. Heike Schmoll zeigt, wie Eliteförderung und Persönlichkeitsbildung miteinander verbunden werden können, damit Deutschland die Eliten bekommt, die es braucht.
Autorenporträt
Heike Schmoll, Dr. h.c., geb. 1962, Germanistin und Theologin, schreibt als Redakteurin für die Frankfurter Allgemeine Zeitung und gehört zu den profiliertesten Kritikern der deutschen Bildungspolitik. Sie wurde mit dem Deutschen Sprachpreis (2005) ausgezeichnet.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 11.03.2008

Wie sollen die da oben sein?
WG, Salem oder Kulturprotestantismus: Julia Friedrichs durchschaut die Elite von morgen – Heike Schmoll erklärt, warum wir eine Elite brauchen. Beide misstrauen den Institutionen und preisen die freie, gebildete, verantwortungsbewusste Persönlichkeit Von Paul Nolte
Vielleicht hätten wir viele Probleme nicht, wenn mit Elite einfach eine besonders schmackhafte Gänseleber oder ein ungewöhnlich cremiger Joghurt gemeint wäre. Im Frankreich des 18. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff jedenfalls die herausgehobene Qualität von Produkten, bevor er auf die Qualität und herausgehobene Stellung von Menschen übertragen wurde. Das lag jedoch nicht daran, dass die europäischen Gesellschaften damals „elitärer” wurden. Im Gegenteil, in der Erosion ständischer Hierarchien suchte das aufgeklärte Bildungsbürgertum nach neuen Markierungen für Positionen an der Spitze der Sozialpyramide, die nun auf Leistung beruhen sollten – und auf deren Durchsetzung auf einem offenen „Markt”. Das sind freilich nicht die Assoziationen, die der Elitebegriff gegenwärtig bei den meisten hervorruft. Wir sehen nicht Leistung, von Verantwortung zu schweigen, sondern Arroganz, die Prätention hohler Formen, gepaart mit Exklusivität, die als Abschottung nach unten daherkommt. Nicht „die 68er” haben das Fundament des Vertrauens in Elite zerstört. Es ist paradoxerweise die neue Konjunktur des Elitären, des Strebens nach Leistung und „Exzellenz”, die vor dem Hintergrund sozialer Krisenerfahrungen zunehmend Verstörung erzeugt.
Darauf kann man unterschiedlich reagieren. Man kann, den Erwartungen eines breiten Publikums folgend, die selbsternannten neuen Eliten, ihre Rhetorik und ihre Rituale analysieren, durchschauen, solchermaßen der Lächerlichkeit preisgeben. Das tut, auf brillante Weise, Julia Friedrichs bei ihren Feldforschungen in der Welt der Internate und Privathochschulen, in die sie eindringt wie eine Ethnologin in ein unerforschtes Amazonasgebiet. Man kann, andererseits, der dominierenden öffentlichen Tonlage widersprechen und die Eliten verteidigen – nicht unbedingt die, die wir haben, aber gewissermaßen die, die wir haben könnten, und die wir, so argumentiert Heike Schmoll in ihrem „Lob der Elite”, gerade in einer demokratischen Gesellschaft dringend brauchen. Die Journalistin der FAZ ist seit vielen Jahren eine der profiliertesten Stimmen in der Diskussion um die deutsche Bildungspolitik, und vehemente Kritikerin ihrer Reformen. Im Gewande einer Steigerung von Leistung und Effizienz siegen meist doch nur, meint Schmoll, die Bürokraten, während die Bildungsinhalte auf der Strecke bleiben. Pardon, bei dem Wort „Bildungsinhalte” würde sie bereits schaudern; als packte man vorgefertigte Portionen in eine Frühstücksdose; auf der Strecke bleibt die Bildung als universale Selbstbildung der Persönlichkeit. Elite wären diejenigen, denen dieser Bildungsprozess so gelingt, dass sie daraus Führung und Verantwortung für andere entwickeln können.
„Eliten müssen vor allem über eine ausreichende historische Bildung verfügen.” Demgemäß führt Heike Schmoll die Leser in den sechs Kapiteln ihres schlanken, konzisen Büchleins durch die Etappen der abendländischen Elitegeschichte. Die wichtigsten Anker werden in der griechisch-römischen Antike eingeschlagen sowie in Humanismus und Reformation. Hier legt die Autorin jene Wurzeln des Elitären frei, das eher eine Haltung, eine Lebenseinstellung als eine eingekastelte soziale Position beschreibt: Tugend und umfassende humanitas, individuelle Mündigkeit und Leistungsethos. Bürgerliche Elitekultur und Protestantismus haben, so einer der Schlüsselsätze, historisch immer zusammengehört – und das gilt für Schmoll, so darf man ergänzen, auch weiterhin. Das ist deutscher Kulturprotestantismus at its best. Sorry, der Hass auf den Englischzwang der neuen global-universitären Elitebestrebungen zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. Heike Schmolls Vorstellung von guten Eliten ist zweifellos ein bisschen altmodisch, aber sie ist nicht affirmativ. Der historische Durchgang führt auf zwei Gegenmodelle. Zum einen geht es um Frankreich, auf die an den „Grandes Écoles” erzogenen Eliten der Grande Nation. Die Analyse ist nüchtern und präzise, aber gemeint ist doch wohl: So wollen wir es nicht haben. Das französische System reproduziert eine geschlossene Elite, die sich in den Codes von Ausbildungskohorten wiedererkennt. Sie privilegiert eine soziale Oberschicht. Und sie beruht auf Institutionen – nicht auf der Persönlichkeit. Zum anderen, und hier wird es deutlich polemischer, rechnet Schmoll mit den Hochschulreformen im Zeichen von „Bologna-Prozess” und „Exzellenz-Initiative” ab. Die Vorstellung, Eliten durch eine Standardisierung und Verschulung des Studiums zu gewinnen oder durch einen schwer durchschaubaren „Wettbewerb” um öffentliche Sonderzuweisungen, scheint ihr absurd. Elite, das könnten viel eher die „schrulligen Querköpfe” sein, „Künstler, Kulturschaffende, kreative Köpfe”. Das neumodische Elite-Etikett auf mancher privaten oder auch öffentlichen Bildungsinstitution fördert solche Charaktere aber gerade nicht.
Dieser Feststellung würde Julia Friedrichs von Herzen zustimmen, obwohl ihre Ansichten, ihr Zugang, ihre „Schreibe” in beinahe jeder Hinsicht diametral entgegengesetzt zu Heike Schmoll sind. Über deren klassische Bildungsbeflissenheit würde die junge, vor allem für den WDR arbeitende Journalistin die Nase rümpfen und feststellen, dass sie selber, mit ihrem nordrhein-westfälischen Normalabitur, diesen Ansprüchen kaum genügen kann. Und so ist ihr Erstaunen riesengroß, als sie sich – das ist das Thema des Buches – auf eine Entdeckungsreise durch die Welt der neuen Eliteproduktion in den privaten Bildungsinstitutionen der Bundesrepublik macht. Tradition und Talmi liegen hier nahe beieinander. Viel Geld und ein schnöseliges Verhältnis dazu gehören gleichfalls dazu.
Friedrichs beschreibt die Verhältnisse, nicht zuletzt aber das zur Schau gestellte Selbstverständnis 17-jähriger Internatsschüler oder 22-jähriger Studenten, die in Polohemd oder Clubjacke auf ihren ersten Job als Unternehmensberater warten, in dem sie dann die „Minderleister” der Gesellschaft in die Schranken weisen können. So geht es von der „European Business School” in Oestrich-Winkel zur bayerischen Elite-Akademie, von einer Potsdamer Luxus-Kita ins Salemer Internat und zum Abschluss nach Harvard.
Erdung in einer als bizarr und verschroben, als borniert und verantwortungslos beschriebenen Welt der „Elite” findet die Autorin in der Kreuzberger WG bei ihren vier – nun ja, nach konventionellen Maßstäben nicht ganz so erfolgreichen Mitbewohnern. Das Buch der erst 28-Jährigen trägt überraschend deutliche autobiographische Züge: „Ich bin also in der bundesrepublikanischen linken Mittelschicht aufgewachsen”. Es ist die Selbstspiegelung einer verunsicherten Generation in den Welten einer Oberschicht, für die Unsicherheit immer ein Fremdwort ist. Dabei ist „Gestatten: Elite” nicht nur glänzend recherchiert, es ist auch vorzüglich komponiert und brillant geschrieben; bei aller kalkulierten Flapsigkeit eine sprachliche Meisterleistung. Keine Frage, dass Julia Friedrichs sich mit diesem Buch in die Elite der deutschen Reportagejournalisten hineinkatapultiert hat: Sie kann jetzt Honorare und Arbeitsbedingungen fordern, statt sie akzeptieren zu müssen, kann ihre Diskursmacht geltend machen. Und das ganz ohne Salem, mit 68er-Eltern und stinknormaler Bildungskarriere!
So drängt sich der Eindruck auf, dass die Autorin während ihrer Expedition einem fatalen Missverständnis aufgesessen ist: Sie hat die Selbststilisierung eines bestimmten Milieus, in dem der Elitebegriff nicht zuletzt zu Marketingzwecken adaptiert worden ist, mit der Realität von Eliten und Elitebildung verwechselt. Selbst wenn man Oestrich-Winkel nur mit viel Ironie „Deutschlands heimliche Elite-Hauptstadt” nennt, ist das bei weitem zu viel der Ehre. Und wer käme im Ernst darauf, das zu denken? Eine Oberschicht, vor allem von Unternehmern, Managern, freien Berufen, betreibt ein Netzwerk, um ihren oft begabten, manchmal minder begabten Kindern Positionen sichern zu können, und zahlt dafür viel Geld. Man kann das Phänomen kritisieren; es ist in Deutschland geringer ausgeprägt als in vielen anderen Ländern.
Mit Elite hat das wenig zu tun. Das merkt man gerade dann, wenn Julia Friedrichs, sehr subtil und einfühlsam, über die wirklich hochbegabten, sozial verantwortlichen und zugleich stinknormalen jungen Leute schreibt, die in wahren Eliteinstitutionen wie dem bayerischen Maximilianeum stecken. So gesehen, hätte sie manche Popperschmiede besser links liegen lassen und sich statt dessen auf eine Sommerakademie der Studienstiftung oder zu den Preisträgern von „Jugend forscht” begeben.
Lob der Elite, Kritik der Elite: Schmoll und Friedrichs markieren sehr schön die beiden Pole, um die Deutschlands gegenwärtige Elitedebatte kreist. Dabei fallen auch die Gemeinsamkeiten ins Auge. Beide kritisieren die Vordergründigkeit, mit der der Elitenanspruch oft erhoben wird. Beide halten die freie Persönlichkeit hoch – bei Schmoll ist es der gebildete Kulturprotestant, bei Friedrichs die WG als Metapher der Lebensfreiheit – und sind kritisch gegenüber der Rolle von Institutionen. Elitebildung für Dreijährige, auf Karriere getrimmt? Beide überkommt das kalte Grausen. Gemeinsam ist beiden Büchern die Konzentration auf das Bildungssystem, dessen institutionelles Gerüst leicht kritisiert werden, auf das man aber offenbar nicht ganz so leicht verzichten kann, jedenfalls gerade dann nicht, wenn Elitestatus etwas mit Leistung statt mit bloßer Vererbung zu tun haben soll. Insofern schießen beide Autorinnen über ihr Ziel hinaus.
Ja, wir stecken mitten in einer Transformation des Bildungssystems, die zutiefst ambivalente Züge trägt. Aber man kann, Heike Schmoll, im Bachelorstudium auch Vorteile erkennen, wenn man erfährt, dass die Betreuung intensiver und der Studienerfolg größer ist. Und man kann, Julia Friedrichs, schalen Bildungsdünkel gerne kritisieren, aber doch schlecht das neue Interesse an Bildung, das vermehrte Engagement von Eltern, die für Bildungsinvestitionen auf Urlaub verzichten, weil sie eben keinen Goldesel haben wie die Standardeltern in ihrem Buch. Beide sind gut in der Diagnose; Julia Friedrichs’ Reisebericht ist, bei aller analytischen Unschärfe, sogar ein hervorragendes Reportage-Sachbuch. Aber beide sind auch schwach in der Therapie. Die Frage nach der politischen und gesellschaftlichen Gestaltung offener Eliten beantworten sie noch nicht.
Julia Friedrichs
Gestatten: Elite
Auf den Spuren der Mächtigen von morgen. Hoffmann & Campe, Hamburg 2008. 256 Seiten, 17,95 Euro.
Heike Schmoll
Lob der Elite
Warum wir sie brauchen. Verlag C. H. Beck, München 2008. 173 Seiten, 17,90 Euro.
Bald will der junge Schnösel die Versager zurechtweisen
Ist Oestrich-Winkel wirklich die heimliche Elite-Hauptstadt?
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Eine Dienstleistung der DIZ München GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2008

Die Debatte um die wenig vertrauenerweckenden Eliten von morgen zeigt, wie tief die Abneigung gegen Eliten in Deutschland noch immer sitzt. Für Franzosen gehört die gezielte Rekrutierung in Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft ganz selbstverständlich zu den staatspolitischen Pflichten der Republik. Denn Eliten sind für keine Staatsform so unentbehrlich wie für die Demokratie, auch wenn Elitesoziologen das Gegenteil glauben machen wollen. Heike Schmoll, Politikredakteurin dieser Zeitung, zeigt, dass der Zugang zur Elite prinzipiell offen, die Auswahlmethoden transparent sein müssen, und erläutert das anhand der Geschichte der Eliten von der Antike bis in die moderne Gesellschaft. Sie schildert, wie konfessionsspezifische Prägungen wie das reformatorisch-humanistische Bildungsideal zu einer anderen Elitevorstellung führen als das jesuitische Konkurrenzmodell, das etwa die Eliteausbildung an den Grandes Écoles in Frankreich prägt. (Heike Schmoll: Lob der Elite. Warum wir sie brauchen. C.H. Beck Verlag, München 2008. 173 S., 17,90 [Euro].)

F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Perlentaucher-Notiz zur FR-Rezension

Der eigentlichen Frage, nämlich der nach den Bedingungen einer demokratischen und daher lobenswerten Elite, geht Heike Schmoll in ihrer kulturkonservativen Abhandlung eher aus dem Weg, findet Ruth Führer. Sie stimmt zwar mit Schmoll überein, dass es in einer offenen Gesellschaft "mehrere prinzipiell gleichberechtigte Eliten ohne politischen Herrschaftsanspruch" geben sollte, wie die Autorin zitiert wird, aber warum setzt Schmoll ihr an sich gutes Argument dann nicht durch, fragt sich die Rezensentin. Stattdessen schiebt sie das Versagen einer pluralen Elitebildung und ihrer Akzeptanz einseitig der Bildungsmisere in die Schuhe und blendet die wirtschaftlichen Machtfaktoren, die durch "zirkuläre Selbstrekrutierung" entstehen, aus. Auf ihrem Gebiet der Bildungsforschung ist Schmoll dann aber wieder auf diskursiver Höhe: Sie sieht in der G8-Reform schädliches  Nützlichkeitsdenken am Werk und entlarvt die Exzellenzinitiative als universitäre Mogelpackung, so die Rezensentin.

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