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Diese Neuübersetzung von Tausendundeine Nacht macht erstmals die älteste arabische Fassung der berühmten orientalischen Erzählsammlung auch deutschen Lesern zugänglich. Die Übersetzerin Claudia Ott führt uns mit einer Frische und Ungezwungenheit durch das Labyrinth der kunstvoll verwobenen Erzählfäden, daß man meint, Schahrasad selbst zu hören. Nicht mehr ein europäischer Orientalismus spricht durch Tausendundeine Nacht zu uns, sondern endlich der Orient selbst.
Die nächtlichen Erzählungen von Schahrasad, mit denen sie ihren königlichen Gatten verzaubert und so ihre Tötung immer wieder
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Produktbeschreibung
Diese Neuübersetzung von Tausendundeine Nacht macht erstmals die älteste arabische Fassung der berühmten orientalischen Erzählsammlung auch deutschen Lesern zugänglich. Die Übersetzerin Claudia Ott führt uns mit einer Frische und Ungezwungenheit durch das Labyrinth der kunstvoll verwobenen Erzählfäden, daß man meint, Schahrasad selbst zu hören. Nicht mehr ein europäischer Orientalismus spricht durch Tausendundeine Nacht zu uns, sondern endlich der Orient selbst.

Die nächtlichen Erzählungen von Schahrasad, mit denen sie ihren königlichen Gatten verzaubert und so ihre Tötung immer wieder aufschiebt, entführen den Leser in die Welt der Basare und Karawansereien, der weisen Kalifen und verschlagenen Händler, der vornehmen Damen und klugen Ehefrauen, der mächtigen Zauberinnen, Dschinnen und bösen Dämonen. Sie berichten von erotischen Vergnügen und harten Schicksalsschlägen. Wie kein anderes Werk ist Tausendundeine Nacht Inbegriff eines romantischen, exotischen Orientbildes. Dieses Orientbild geht allerdings nicht unmittelbar auf Tausendundeine Nacht zurück, sondern wurde seit dem 18. Jahrhundert von Europäern in die verschiedenen Übersetzungen und Sammlungen hineingetragen. Zudem wurden die Erzählungen dem europäischen Geschmack angepaßt, indem die zuweilen derbe Ausdrucksweise und unverblümte Erotik des Originals durch einen biederen Märchenstil ersetzt wurden. Nachdem Muhsin Mahdi 1984 die weitaus älteste Handschrift aus dem 14./15. Jahrhundert ediert hat, ist es jedoch möglich, die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht in einer von allen Übermalungen, Ausschmückungen und Prüderien der letzten Jahrhunderte freien Form kennenzulernen.
Autorenporträt
Claudia Ott, geb. 1968, studierte Orientalistik in Jerusalem, Tübingen und Berlin sowie arabische Musik (Rohrflöte / nay) in Kairo. Seit 2000 ist sie Wissenschaftliche Assistentin am Seminar für orientalische Philologie an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sie ist außerdem für den Rundfunk als Autorin und Übersetzerin tätig. Claudia Ott ist Mitglied mehrerer internationaler Ensembles für orientalische Musik und betreut eigene Programme mit Musik und orientalischer Literatur. Seit 2007 ist sie Jury-Vorsitzende des Coburger Rückert-Preises.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2004

Tausendundeine Ohnmacht
Claudia Otts neue Übersetzung der Geschichten von Scheherezade wird Männer freuen
In seinem Lebensrückblick „Dichtung und Wahrheit” berichtet Goethe, von seiner Mutter habe er gelernt, „bekannte Märchen aufzufrischen, andere zu erfinden und zu erzählen, ja im Erzählen zu erfinden.” Goethes Mutter war Schahrasad, der großen Erzählerin in den 1001 Nächten, sehr ähnlich, vielleicht auch Antoine Galland (1646 bis 1715), der vor dreihundert Jahren, 1704, begann, diese Erzählungen ins Französische und damit erstmals in eine europäische Sprache zu übersetzen.
Zwischen 1704 und 1717 erschienen zwölf Bände der „Mille et une nuits”. Doch nicht alle Erzählungen, die man in Gallands „Übersetzung” lesen konnte, standen in dem arabischen Manuskript, das Galland benutzt hatte. Gerade die drei bekanntesten (und am häufigsten auch separat gedruckten) Berichte von Sindbad dem Seefahrer, Aladin und der Wunderlampe und Ali Baba und den vierzig Räubern gehören nicht zum Corpus der Erzählungen – Galland hat sie aus anderen Quellen übersetzt und dann in „Tausendundeine Nacht” eingefügt. Aus der französischen Version sind diese Märchen dann ins Arabische rückübersetzt und in die arabischen Sammlungen der 1001 Geschichten inkorporiert worden. Da sie nun in den ersten arabischen gedruckten Ausgaben stehen, die alle später als Gallands Übersetzung erschienen sind (Kalkutta 1814-1818, Breslau 1823-1824, Bulak 1835 und Kalkutta 1839-182), gehören auch jene Geschichten heute zu dieser faszinierenden Erzählungssammlung.
Antoine Galland – „Antiquar des Königs”, Diplomat, Orientreisender und von 1692 bis 1697 Mitarbeiter von Barthélémy d’Herbelots berühmter „Bibliothèque Orientale” – hatte 1701 von einem Freund aus Syrien eine dreibändige arabische Handschrift mit Erzählungen unter dem Titel „Tausendundeine Nacht” erhalten. Doch diese Bände enthielten gar nicht Geschichten aus 1001, sondern nur einige vierzig Geschichten aus 282 Nächten, aufgezeichnet nicht vor 1450.
Dies ist das älteste erhaltene Manuskript der Erzählungen aus Tausendundeine Nacht, die auf einer ursprünglich vorislamisch-iranischen Rahmenerzählung basieren, über welche arabische Autoren schon im 9. Jahrhundert berichtet haben. Im Lauf der Jahrhunderte ist diese Rahmenerzählung immer wieder durch Einzelerzählungen komplementiert worden. Die Forschung spricht von indischen, iranischen, irakischen und ägyptischen „Schichten”. Seit Gallands Übersetzung kann man auch von einer französischen Schicht sprechen, denn dieser „Übersetzer” war ja zugleich auch ein Erzähler von neuen Geschichten.
Muhsin Mahdi hat 1984 erstmals das von Galland benutzte Manuskript kommentierend ediert, diese Edition liegt Claudia Otts Übersetzung zu Grunde. Vergleicht man Otts Übersetzung mit der bekanntesten deutschen Übersetzung von Enno Littmann (1921-1928), spürt man frischen Wind. Man versteht nun, warum Jorge Luis Borges von Littmanns Übersetzung gesagt hat, in ihr gebe „es nichts außer der deutschen Rechtschaffenheit” (und manchmal auch etwas Prüderie). Claudia Ott übersetzt so, dass ihre männlichen Leser sich sicher sofort verlieben werden, wahrscheinlich in das Mädchen aus der 29. Nacht, von dem es heißt: „Es war ein Mädchen, fünf Spannen hoch gebaut, mit wohlgeformten, festen Brüsten, voller Schönheit und Anmut, Glanz und Vollkommenheit, von aufrechter und ebenmäßiger Figur. Ihre Stirn war so weiß wie der weiße Stirnfleck des Halbmonds, ihre Augen wollten es den Augen der Gazellen und Bergantilopen nachtun, sie hatte Augenbrauen, so schön und so rund wie die Mondsichel im Monat Schaaban, und Wangen wie roter Mohn. Ihr Mund war wie der Siegelring Suleimans, mit Lippen, rot wie Karneole, und Zähnen, wie Perlen aufgereiht in einer Fassung aus Korallen. Ihr Hals war wie ein schlankes persisches Weißbrot auf der Tafel eines Sultans, ihre Brust war frisch wie ein Springbrunnen, und ihr Busen ähnelte zwei prächtigen Granatäpfeln. Ihr Bauchnabel fasste zwei Unzen Behennussöl, und darunter saß etwas, das glich einem Kaninchen mit flauschig behaarten Ohren.” Wer solch ein Mädchen sieht, der wird völlig durcheinander, ihm kommt der Verstand abhanden und seine Gesichtsfarbe wandelt sich. Fast fällt er in Ohmacht.
Der Text von Claudia Ott liest sich so gut, dass man ihn gern laut lesen möchte. Es sei ihr darum verziehen, wenn in einigen Geschichten die Speisen als „lecker” bezeichnet werden. Besonderen Wert hat die Übersetzerin auf die etwa 250 Gedichte gelegt, deren zweigliedrige Verse fast alle auf demselben Reim enden. Auch die verschiedenen arabischen Versmaße der Gedichte hat Ott berücksichtigt (und im Nachwort erklärt). Dies zeichnet diese Übersetzung ebenso vor den älteren deutschen Übersetzungen aus (Johann Heinrich Voss, Joseph von Hammer-Purgstall, Maximilian Habicht, Gustav Weil, Max Henning, Enno Littmann).
Mit dieser deutschen Übersetzung ist Tausendundeine Nacht wieder neu zu entdecken. Das Buch war nämlich im 18. Jahrhundert nach der Bibel die beliebteste Lektüre in Europa. Montesquieus „Persische Briefe” (1721), Voltaires „Zadig” (1748) und Beckfords „Vathek” (1786) spiegeln diese Lektüre wieder. Der europäische Siegeszug dieser Erzählungen, die keinen Autor haben (weswegen man, streng genommen, auch von keinem Manuskript als einem „Original” sprechen kann), ist beispiellos nicht nur wegen der Schönheit der Geschichten; es hat seinen Grund auch darin, dass vor ihrem Erscheinen nur der Koran als großes arabisches Literaturdenkmal in Europa bekannt war. Und dieser wurde um 1700 als schändliches Lügenbuch, sein „Autor” Muhammad als fanatischer Betrüger angesehen.
Der Unterschied zwischen diesen beiden Texten könnte nicht größer sein – mit Tausendundeine Nacht entdeckte Europa nun den lieblichen, „seinen” Orient. Dieser hat wenig mit dem Islam als Religion zu tun. Zwar wird in den Geschichten oft der Koran zitiert, doch diese Zitate sind nicht mehr als Floskeln, schöne Redensarten und rhetorische Wendungen, keine Bekenntnisse zu Gott und seinem Gesandten Muhammad. Liest man zum Beispiel die langen Erzählungen von dem Buckligen, dem Freund des Kaisers von China (102. bis 171. Nacht), dann muss man meinen, in Tausendundeine Nacht herrsche zwischen den drei Offenbarungsreligionen eine Art Gleichberechtigung: Schahrasad lässt zuerst einen koptischen Christen erzählen, dann einen muslimischen Koch, ein jüdischer Arzt schließt sich an. Dass dieser Arzt ein Jude ist, merkt man seiner Geschichte jedoch nicht an, denn er lässt wiederum einen jungen Muslim aus Mosul eine Geschichte erzählen, in der der Gouverneur von Bagdad eine weitere Geschichte erzählt. Wer der jeweilige Erzähler der sich immer mehr ineinander verschachtelnden Geschichten ist, scheint gleichgültig, denn für den Kaiser von China müssen diese Berichte allein aufregend und spannend sein; sonst verlieren die Erzähler ihren Kopf: nicht nur Schahrasad erzählt um ihr Leben.
Kein einziges Märchen findet sich in diesem Buch, alle Erzählungen sind Lebensgeschichten, mal dramatisch, mal komisch, mal erotisch – immer jedoch von höchster Poetizität. Claudia Otts Übersetzung ist, zum Lesen wie zum Hören, ein wunderschönes Buch. Man muss Schahrasads jüngerer Schwester Dinarasad zustimmen, die all die Nächte, in denen sich der Sultan mit Schahrasad vergnügt, unter deren Bett ausharrt und dann in jeder Nacht, 282 Mal, versichert: wie köstlich und aufregend sind diese Geschichten.
FRIEDRICH NIEWÖHNER
Tausendundeine Nacht. Nach der ältesten arabischen Handschrift in der Ausgabe von Muhsin Mahdi erstmals ins Deutsche übertragen von Claudia Ott. C. H. Beck, München 2004. 687 S., 29,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
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Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 20.03.2004

Ali Baba wohnt hier nicht
Voll Wunder und Rätsel: "Tausendundeine Nacht", neu übersetzt

Lassen Sie sich keinen Bären aufbinden! Zwar können Sie sich keinen größeren Gefallen tun, als dieses Buch zu kaufen, es zu lesen, es vorzulesen oder sich vorlesen zu lassen. Doch lassen Sie sich nicht einreden, es handele sich um die einzige echte, definitive und letztgültige Ausgabe von "Tausendundeiner Nacht". Geben Sie Ihre alte Ausgabe nicht fort, besonders dann nicht, wenn Sie ein glücklicher Besitzern der in den zwanziger Jahren im Insel Verlag herausgekommenen, später häufig nachgedruckten Variante in der Übersetzung von Enno Littmann sind. Sie werden diese Ausgabe nämlich wieder lesen wollen, Sie werden das, was Sie jetzt wie neu entdecken, in der alten Edition weiterlesen wollen, Sie brauchen dann Nachschub. Die jetzt erschienene Übersetzung bricht nämlich schon nach der 282. Nacht ab!

Die Verwirrung ist groß. Wieso haben die Erzählungen von Tausendundeiner Nacht nur 282 Nächte? Warum ist hier, wenn wir dem Verlag und der Übersetzerin glauben, die älteste arabische Fassung zum ersten Mal zugänglich? Wo sind die Geschichten von Sindbad, wo "Aladdin und die Wunderlampe", wo "Ali Baba und die vierzig Räuber"? Warum sollen wir eine "Tausendundeine Nacht"-Fassung lesen, in der die berühmtesten Geschichten fehlen? Wahrlich, es ist eine merkwürdige Geschichte mit den Geschichten von Tausendundeiner Nacht, eine Geschichte, die selber der Aufnahme in diese Geschichtensammlung in höchstem Maße würdig wäre. Und weder wissen wir, wo diese Geschichte beginnt, noch ahnen wir, wann und wie sie endet. Mit der jetzt vorgelegten Ausgabe endet sie sicherlich nicht, sondern beginnt erst einmal wieder neu.

Doch der Reihe nach. Die frühesten schriftlichen Erwähnungen des Werks, das ursprünglich aus Indien stammt und dann ins mittelpersische Pahlavi übertragen wurde, finden sich - noch unter dem persischen Titel "Tausend Märchen" - bei arabischen Schriftstellern des zehnten Jahrhunderts. "Tausend" ist hier nicht wörtlich zu nehmen, sondern heißt nichts anderes als "unzählbar viele". Das längste zusammenhängende, unter dem Titel "Tausendundeine Nacht" bekannte und bis heute erhaltene Textstück, die sogenannte Galland-Handschrift, entstand wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts und enthält die besagten 282 Nächte.

Auf der 1984 publizierten kritischen Edition dieser Galland-Handschrift beruht die neue deutsche Fassung. Diese ist somit die erste und einzige deutsche Übertragung auf einer gesicherten Textgrundlage. Dies bedeutet jedoch nicht, daß diese, und nur diese Ausgabe "Tausendundeine Nacht" ist. Auch kann man nicht, wie es auf dem Buchumschlag geschieht, ohne Augenzwinkern behaupten, diese Übersetzung mache "erstmals die älteste arabische Fassung in deutscher Sprache zugänglich". Was wir in der neuen Übersetzung lesen, ist weitgehend derselbe Text, aus dem auch alle seriösen früheren Übersetzungen geschöpft haben, seit der französische Orientalist Antoine Galland ihn vor genau dreihundert Jahren (in einer allerdings sehr freien Übertragung) bekannt gemacht hat. Nach ihm ist die "Galland-Handschrift" benannt. Zwar bietet die kritische Edition eine bessere Textgrundlage und des öfteren auch eine andere Reihenfolge der Geschichten als andere Ausgaben. Der unbefangene, nicht spezialisierte Leser liest gleichwohl zunächst über weite Strecken wörtlich dasselbe, was er aus früheren Übertragungen kennt - nur eben viel weniger. Denn es war Gallands Ehrgeiz, aus den 282 Nächten der Handschrift wortwörtlich tausendundeine Nacht zu machen. Dies geschah, indem er aus allen ihm zur Verfügung stehenden Quellen, inklusive einem leibhaftigen syrischen Geschichtenerzähler, das Gesamtwerk kompilierte und so die in der mittelalterlichen Handschrift fehlenden Erzählungen wie "Aladdin und die Wunderlampe", "Sindbad der Seefahrer" und "Ali Baba und die vierzig Räuber" hinzufügte. Diese praktisch neu erfundene Fassung hat ihrerseits in die arabische Welt zurückgewirkt, wo seit dem neunzehnten Jahrhundert nun ebenfalls "Tausendundeine Nacht"-Ausgaben nach dem Vorbild Gallands aus verschiedenen Quellen kompiliert wurden. Bis 1984 die kritische Edition der Ur-Handschrift erschien, bestand daher ein einzigartiges, anarchisch schönes Quellenchaos, mit Rückübersetzungen aus dem Französischen ins Arabische, mit gefälschten Handschriften, auf zweifelhaften Quellen beruhenden Drucken und immer neu hinzugekommenen oder ausgesparten Textstücken.

Freilich waren "Tausendundeine Nacht" schon im Mittelalter ein durch und durch hybrides, sich jeder Festlegung entziehendes Werk, und daher wäre es töricht, dasjenige, was Galland daraus gemacht hat, gegen ein vermeintlich authentisches arabisches Werk auszuspielen. Gallands Schöpfung ist vielmehr als eigenständiges Meisterwerk zu würdigen. Lichtenberg, Wieland, Lessing, Herder haben davon geschwärmt, um nur die ersten und berühmtesten deutschen Leser zu nennen, und der Einfluß auf Goethe ist, glaubt man einer Studie von Katharina Mommsen, schier unermeßlich.

Der Begriff des Märchens, mit dem die Sammlung verbunden wurde, war dabei zunächst keineswegs "mit dem biedermeierlichen Bildungs- und Familienideal verknüpft", das die Übersetzerin in ihrem Nachwort mit abenteuerlicher Leichtfertigkeit ins "achtzehnte Jahrhundert" vordatiert. Aber diese kleine Unseriosität verzeiht man Claudia Ott gern, zumal sie nicht auf ihrem Mist, sondern dem einer modischen Arabistik gewachsen ist, die hinter jedem westlichen Blick auf den Orient einen klischeehaften Orientalismus wittert, ohne zu merken, daß das Klischee vom Klischee mittlerweile weitaus häßlichere Blüten treibt als das Klischee selber. Tatsächlich hat die Übersetzerin eine hervorragende Arbeit geleistet, in Präzision und Nähe zum Original mit keiner anderen Übersetzung zu vergleichen, dabei zeitgenössisch und stilsicher im Ton. Auch wenn wir die späteren, aus weiteren Quellen kompilierten Fassungen nicht missen möchten: Diese Ausgabe eröffnet einen ganz neuen, frischen Blick auf eines der großen Werke der Weltliteratur - ein Verdienst mindestens so sehr der Übertragung wie der verbesserten, kritischen Textgrundlage. Wie entschlackt, ja geradezu befreit diese Fassung im Vergleich mit den besten bisherigen wirkt, merkt man schon an den formelhaften Überleitungen, mit denen Schahrasad ihre Erzählungen jeden Morgen unterbricht - und die in vielen Ausgaben stark verkürzt oder ganz unterschlagen werden. Bei Ott heißt es nüchtern wie in der Handschrift: "Da erreichte das Morgengrauen Schahrasad, und sie hörte auf zu erzählen", während Littmann in einer Reimprosa, die sich im Original gar nicht findet, übersetzt: "Da bemerkte Schehrezad, daß der Morgen begann, und sie hielt in der verstatteten Rede an."

Ott hat sich dem dialektal eingefärbten, stilistisch einfachen und klaren Duktus des Originals anvertraut und auf Ausschmückungen und die bei anderen Bearbeitern beliebten Eingriffe aller Art verzichtet. Bemerkenswerterweise erscheint erst dadurch das Original als Meisterwerk eigenen Rechts, das auch ohne die später hinzugefügten Geschichten und sprachlichen Manierismen auskommt. Lediglich bei den zahlreichen eingestreuten Gedichten, die für den Handlungsverlauf oft keine Bedeutung haben und mehr aus sich heraus glänzen wollen, ist die Übersetzung von Littmann manchmal im Vorteil. Er denkt stärker aus der deutschen Poetik heraus, als Ott dies tut, die wiederum näher am Original ist, teilweise bis in das Metrum hinein - was oft überraschend gut gelingt. Littmann: "Ich hielt euch für einen festen Panzer, um abzuwehren / Der Feinde Pfeile von mir; doch ihr wart die Spitzen von ihnen / Ich pflegte auf euch zu hoffen einstmals in allen Gefahren, / Wenn meine rechte Hand auch der Linken sich mußte bedienen." Ott: "Ich setzte als feste Burg euch gegen die Feinde ein / Doch nun seid ihr selbst der Feinde Pfeile geworden. / So, wie eine linke Hand die rechte zu Hilfe ruft / So rief ich euch ständig an in all meinen Sorgen."

Doch liegt für uns heutige, anders als für manche mittelalterliche Leser das eigentliche Vergnügen ohnedies nicht in den Gedichten, sondern in der hemmungslosen, noch den zeitgeistigsten Filmemachern als Vorbild dienenden Pulp-fiction, in der alles möglich und die Metamorphose alltäglich ist, in der die Phantasie, der Sex, die Gewalt zügellos sind und alles doch nie nur roh wirkt, sondern durch Sprache und Symbolik auch tief, raffiniert und oft von wunderbarem Humor. Wenn sich dann eine Geschichte in die andere schachtelt, will man in der Tat nicht mehr aufhören zu lesen und versteht nur zu genau, warum Galland immer wieder neue Quellen zu weiteren Geschichten zusammengesucht hat.

"Tausendundeine Nacht". Aus dem Arabischen übersetzt von Claudia Ott. Verlag C. H. Beck, München 2004. 687 S., geb., 29,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

"Frischer Wind" bläst Friedrich Niewöhner beim Lesen von Claudia Otts neuer Übersetzung der Geschichten von Tausendundeiner Nacht ins Gesicht. Die Autorin, die sich nun erstmals nach Enno Littmann den Geschichten von Scheherazade widmet, zeichne sich durch besonderes Sprachgefühl aus. Sie übersetze die Märchen so, dass sich die "männlichen Leser sofort verlieben" werden, erzähle von wunderschönen Mädchen und geheimnisvollen Orten. Und vergesse dabei nicht, bei der Übersetzung der 250 Gedichte die unterschiedlichen arabischen Versmaße zu berücksichtigen. Deshalb liest sich der Text so gut, dass man ihn eigentlich lieber "laut" sprechen möchte, schwärmt der Rezensent. Einfach märchenhaft.

© Perlentaucher Medien GmbH
"Mal dramatisch, mal komisch, mal erotisch - immer jedoch von höchster Poetizität. Claudia Otts Übersetzung ist, zum Lesen wie zum Hören, ein wunderschönes Buch." Friedrich Niewöhner, Süddeutsche Zeitung, 22. März 2004

"Sinnlich, exotisch, ohne die Ausschmückungen und Prüderien der letzten Jahrhunderte." SWR-Büchertalk, 12. März 2004

"Während frühere Übersetzer aus Scheherazades Geschichten oft artige Kindermärchen machten, bewahrt Ott viel vom Charakter der arabischen Vorlage." DER SPIEGEL, 26. Januar 2004

"Tatsächlich hat die Übersetzerin eine hervorragende Arbeit geleistet, in Präzision und Nähe zum Original mit keiner anderen Übersetzung zu vergleichen, dabei zeitgenössisch und stilsicher im Ton." Stefan Weidner, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. März 2004

"Claudia Ott übersetzt mit großer Präzision und in kürzestmöglicher Distanz zur ältesten arabischen Fassung. Sie erklärt auch anschaulich die verschiedenen arabischen Versmaße und Reimschemata." Erich Wiedemann, Spiegel Special, 28. September 2004

"Ihre Sprache ist klarer, übrigens auch erotisch expliziter." Otto Kallscheuer, Die Zeit, 9. Dezember 2004

"Die Orientalistin Claudia Ott hat ein gutes Stück ihres Lebens geopfert, daß sich der deutsche Leser an den Büchern des Paradieses erfreue. Möge Allah ihr Kummer und Pein von der Seele nehmen, möge der böse Blick der Neider an ihrem Schutzpanzer zerschmelzen - Allah segne sie für ihre Großtat und belohne sie mit einer herrlich quellenden Morgenwolke, deren Schatten sie streifen möge." Feridun Zaimoglu, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 8. Februar 2004…mehr