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Friedrich Boettcher, alias Fredy Neptune, der australische Seemann aus einer deutschen Immigrantenfamilie, wird während des Ersten Weltkriegs Zeuge der türkischen Greueltaten gegen die Armenier. Als er sieht, wie eine Gruppe von Frauen bei lebendigem Leib verbrannt wird, ist das der Schock seines Lebens. Er merkt, daß er von nun an keine Empfindungen mehr wahrnimmt, allerdings fortan zu immensen Kraftleistungen im Stande ist. Fredy versucht, nach Australien zurückzukehren, doch seine deutsche Herkunft wird ihm zur Last gelegt, womit kaum mehr ein Ort existiert, wohin er heimkehren könnte. Und…mehr

Produktbeschreibung
Friedrich Boettcher, alias Fredy Neptune, der australische Seemann aus einer deutschen Immigrantenfamilie, wird während des Ersten Weltkriegs Zeuge der türkischen Greueltaten gegen die Armenier. Als er sieht, wie eine Gruppe von Frauen bei lebendigem Leib verbrannt wird, ist das der Schock seines Lebens. Er merkt, daß er von nun an keine Empfindungen mehr wahrnimmt, allerdings fortan zu immensen Kraftleistungen im Stande ist. Fredy versucht, nach Australien zurückzukehren, doch seine deutsche Herkunft wird ihm zur Last gelegt, womit kaum mehr ein Ort existiert, wohin er heimkehren könnte. Und so wird Fredy ins kalte Wasser der Geschichte geworfen und kämpft darum, den Kopf oben zu behalten. Die Umstände führen ihn nach Amerika, wo er sich als Hobo durchschlägt und in Hollywood kleine Filmrollen übernimmt, und nach Deutschland. Er verkehrt in den verschiedensten Kreisen, ist gleichwohl mit Pennern wie mit der Elite zu sehen, wird als deutscher Held bejubelt, um dann wieder in Vergessenheit zu geraten. Als Zeuge des Entsetzens der beiden Weltkriege im 20.Jahrhundert, versucht Fredy (erfolglos) sich zurückzuziehen, um ein möglichst einfaches Leben zu führen. Doch erst am Ende ist es ihm vergönnt, sein menschliches Empfindungsvermögen zurückzugewinnen.
Autorenporträt
Leslie Allan ("Les") Murray, geboren 1938 in New South Wales/Australien, studierte in Sydney moderne Sprachen. Er ist Preisträger zahlreicher renommierter Literaturpreise, unter anderen des Grace Leven Prize for Poetry, des T.S.Eliot Prize und der Queen's Gold Medal for Poetry. 1995 gewann er den PetrarcaPreis. Seine Werke wurden bereits in ein halbes Dutzend Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 26.11.2004

Alte Meister

DIE MENSCHEN bereiten einander auf Erden die Hölle: Darauf reagiert der eine mit Gefühlstaubheit, der andere flieht in die Einsamkeit, der dritte verliert den Glauben an die Sprache. Dieter Forte mag zwar, anders als Alice Munro und Les Murray, nicht für den Nobelpreis gehandelt werden, doch hat er uns, genau wie diese, eines der wichtigsten Bücher des Jahres beschert. Wie er im Roman "Auf der anderen Seite der Welt" anhand vielfältiger Schicksale zeigt, wohnte der Wirtschaftswunderstimmung der frühen Fünfziger ein Zweifel inne, der später keimte. In seinem zeitlosen Roman über die Zeit, über den Sinn der Sinnlosigkeit und gegen die Verdrängung wird Forte zum Chronisten einer Geisterwelt, die uns alle angeht.

Das Terrain der Kanadierin Alice Munro ist die Zweisamkeit, wo sich Talfahrten zwischen "Himmel und Hölle" erleben lassen. In ihren Erzählungen wirft sie Schlaglichter auf Liebeszustände - und beleuchtet dabei alle Rätsel, die dieses Gefühl aufgibt und verheißt. Der australische Dichter Les Murray betreibt in seinem Hauptwerk Welterforschung mit allen Sinnen: Mit der Odyssee seines Helden "Fredy Neptune" durch die Katastrophen des 20. Jahrhunderts schafft er einen neuen Mythos.

fvl

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 07.07.2009

Flimmernder Wombat
Das Berliner Poesiefestival endet mit Les Murrays „Fredy Neptune”
Schon traditionell endete auch das diesjährige Poesiefestival der Berliner Literaturwerkstatt nach neun Tagen mit der szenischen Inszenierung eines Langpoems: Diesmal war es Les Murrays Versroman „Fredy Neptune”. Zuvor fand ein Gespräch zwischen Thomas Eichhorn, dem Übersetzer des Werks, und dem Berliner Lyriker Nico Bleutge statt. Bleutge fasste kurz die Handlung des 10 000 Verse umfassenden Epos zusammen, erzählte von Fredys Initialerlebnis, jenem Moment, in dem er sieht, wie eine Gruppe armenischer Frauen, mit Kerosin übergossen und angezündet, gleich „schwarzen Dochten” einen qualvollen Flammentod stirbt. Dieses Erlebnis wird zum Motor der Geschichte: Der Schock des Augenblicks führt bei Fredy zu einem Totalverlust der körperlichen Empfindungsfähigkeit. Sein Versuch, diese zurückzugewinnen, erfolgt als Odyssee durch die erste Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, vorbei an zentralen geschichtlichen Orten und Ereignissen.
Mit der Odyssee, berichtete Thomas Eichhorn, wollte Murray sein Werk dabei nie verglichen wissen. Eher schien es ihm als eine Art Arbeiterpoem. Und tatsächlich lässt sich Fredy, dem zwar übermenschliche Kräfte zuwachsen, nicht aber besondere geistige Gaben, kaum mit dem listenreichen Griechen vergleichen. Er wirkt eher wie ein ziemlich schlichter Superman. Eichhorn berichtete von den Fallstricken der Übersetzung eines Versromans, dessen Hauptfigur und Erzähler deutscher Abstammung ist und der in sein australisches Englisch immer wieder grammatische Konstruktionen einfließen lässt, die seiner zweiten Muttersprache entstammen. Diese Inkonsistenzen wiederzugeben ist gerade für den Übersetzer ins Deutsche keine leichte Aufgabe – abgesehen von der Schwierigkeit, all die Anspielungen, Bildkonstruktionen und Slangausdrücke, dieser „Wombat von einem Buch”, so ein australischer Kritiker, zumindest halbwegs in die Zielsprache hinüberzuretten.
Schwarze Punkte, dunkler Sinn
Nico Bleutge bemerkte, dies sei auch die Herausforderung einer szenischen Darbietung: Wie es nämlich gelinge, die sprachlichen Bilder von „Fredy Neptune” in Bilder der Bühne zu verwandeln. Bald darauf bekam der Zuschauer die Antwort zu sehen: Regisseur Leopold von Verschuer hatte eine solche Umsetzung gar nicht erst versucht. Zwar lungerten seine vier Darsteller zwei Stunden lang um einen Tisch herum, als wäre es ein heißer Tag im Outback und viel zu warm, um sich groß zu bewegen, ansonsten aber vertraute, wie man so schön sagt, Verschuer ganz auf den Text: Warum er diesen aber gerade auf vier und nicht auf zwei oder auf zwanzig Sprecher aufgeteilt hatte, wurde nicht klar.
Ebenso unklar blieb der Sinn der fast kontinuierlich auf den Bühnenhintergrund projizierten Videoinstallation: Ein Flimmern schwarzer Punkte und Schraffuren auf hellem Grund, ähnlich dem Beginn alter Filmrollen. Ein nervöses, nervtötendes Gewusel und Geflacker, das in keinerlei Beziehung zum Text und im Kontrast zur Statik des Bühnengeschehens stand. Überdies wurden in der gerafften Bühnenversion die Schwächen dieses so viel gelobten Epos deutlich: das atemlose Abspulen immer neuer Ereignisse, der Mangel an Reflexion und längeren beschreibenden Passagen.
Wenn man also schon auf den Text vertraut, was muss man ihn dann noch auf die Bühne bringen? Warum überhaupt sollte man Langpoeme szenisch bearbeiten? Dass es sie so selten gibt, deutet das nicht darauf hin, dass man es hier mit einer äußerst schwierigen und eigenwilligen Form zu tun hat? So sollte man sie vielleicht lieber in Ruhe lassen. Da in den letzten Jahren unter anderem Derek Walcotts „Omeros” und T.S. Eliots „Waste Land” verschauspielert wurden, besteht immerhin Hoffnung, das der Literaturwerkstatt in dieser Hinsicht der Stoff ausgehen wird.TOBIAS LEHMKUHL
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Ein Stück Weltliteratur hat Jürgen Brocan entdeckt und eine Stilgattung, die hierzulande beinahe ausgestorben ist: den Versroman. In angelsächsischen Ländern sei das anders, weiß Brocan und beruft sich auf Derek Walcott, Edward Dorn, W.S. Merwin und Robinson Jeffers. Dieser Liste ist nun ein fünfter Name hinzuzufügen, der des Australiers Les Murray, der mit "Fredy Neptune" ein "wort- und bildgewaltiges" Werk, so Brocan, einen Epochenroman in Versform entworfen hat. Der Übersetzer Thomas Eichborn habe diese Herausforderung hervorragend gemeistert, lobt der Kritiker, der Murrays Figur Fredy Neptune alias Friedrich Boettcher, Sohn deutschstämmiger Australier, als entfernten Verwandten von Wezels "Belphegor" oder der Filmfigur "Forrest Gump" empfindet. Denn Murrays Protagonist gerate stets zwischen alle Fronten, erlebe zwei Weltkriege und den Genozid an den Armeniern, den Rassismus der Nationalsozialisten, der Japaner und der eigenen Regierung, kurzum: er sei ein pikaresker Held, der durch ein wahnsinnig gewordenes Jahrhundert reise. Zutiefst pessimistisch und nobelpreisverdächtig, schließt Jürgen Brocan emphatisch.

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