Marktplatzangebote
20 Angebote ab € 2,00 €
  • Gebundenes Buch

Paul Broks schildert in seinem Buch ganz gewöhnliche Menschen, die außergewöhnliche Probleme haben. Etwas stimmt nicht mit ihrem Gehirn - oder mit ihrem Bewußtsein. Oder mit beidem. Aber sein Buch ist keine Freakshow. Seine Patienten sind Menschen wie du und ich, und die meisten von ihnen sind sehr sympathisch. Es ist auch keine populäre Einführung in die modernen Neurowissenschaften, obwohl uns der renommierte Londoner Neuropsychologe mit deren Erkenntnissen ganz beiläufig vertraut macht. Ich denke, also bin ich tot ist viel mehr eine Meditation über den Zusammenhang zwischen Körper und Seele…mehr

Produktbeschreibung
Paul Broks schildert in seinem Buch ganz gewöhnliche Menschen, die außergewöhnliche Probleme haben. Etwas stimmt nicht mit ihrem Gehirn - oder mit ihrem Bewußtsein. Oder mit beidem. Aber sein Buch ist keine Freakshow. Seine Patienten sind Menschen wie du und ich, und die meisten von ihnen sind sehr sympathisch. Es ist auch keine populäre Einführung in die modernen Neurowissenschaften, obwohl uns der renommierte Londoner Neuropsychologe mit deren Erkenntnissen ganz beiläufig vertraut macht. Ich denke, also bin ich tot ist viel mehr eine Meditation über den Zusammenhang zwischen Körper und Seele und über die unergründlichen Geheimnisse der Identität. Ein Stück Wissenschaft, ein Stück Philosophie, ein Stück Literatur - eine faszinierende Erkundung jener rätselhaften blaßgrauen Substanz, die wir Gehirn nennen und aus der das flüchtige Gut unseres individuellen Bewußtseins hervorgeht. Jeanie glaubt, daß sie tot ist, aber sie ist sich nicht sicher. Sie ist eigentlich ganz normal, aber wenn man sie darum bittet, Tiere mit vier Beinen aufzuzählen, dann gerät sie in Verlegenheit. Aus irgendeinem Grund fallen ihr nur dreibeinige Tiere ein. Naomi ist 19 und möchte unbedingt nach Australien. Aber sie muß erst diesen Eingriff hinter sich bringen, der sie endlich von ihren immer heftigeren epileptischen Anfällen befreien soll. Leider sind die Neurologen nicht sicher, welchen Teil von ihrem Gehirn sie entfernen sollen. Wenn sie einen Fehler machen, wird Naomis Gedächtnis für immer 19 Jahre alt bleiben. Michaels Kopf schlug auf einen Stein, als er vom Baum fiel. Er wollte nur einen Drachen losmachen, der sich verfangen hatte. Der Chirurg dachte, er würde den Löffel abgeben. Aber Michael hat überlebt - mit einem anderen Löffel.
Autorenporträt
Paul Broks ist klinischer Neuropsychologe. Er lehrt und praktiziert in Plymouth und Birmingham. Ich denke, also bin ich tot ist sein erstes Buch.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 02.06.2004

Weiter geht's im Wahnsinn
Paul Broks erzählt ganz normale Neurologen-Schauergeschichten

Kennen Sie das Schauerbeispiel Cotard-Syndrom? Die Betroffenen verlieren auf nicht recht geklärte Art das Gefühl für sich, für ihre Identität, dafür, daß ihre Handlungen und Gedanken ihre eigenen sind. Sie denken und sprechen, dennoch halten sie sich für tot, bisweilen verlangen sie sogar, begraben zu werden: Ich denke und bin trotzdem tot. Der englische Neuropsychologe Paul Broks erzählt in seinem neuen Buch nach eigenen Worten "Neuroschauergeschichten": Er berichtet von krankheits- oder unfallbedingten Schädigungen des Gehirns und davon, was sie aus einer Person machen. Sein Spektrum reicht von Ellie, die sich von einem Fahrradunfall soweit erholt hat, daß ihre Defizite nur noch bei der Führerscheinprüfung auffallen, über Stuart, dem seit einem Autounfall alles gleichgültig ist, bis zu Robert, der sich eine Gitarre kauft, Frau und Kinder verläßt und auf Nimmerwiedersehen verschwindet. Jahre später bricht er zusammen, ein Tumor wird aus seinem Gehirn entfernt, und nach der Operation fragt er zuerst nach Frau und Kindern, die längst fortgezogen sind.

Diese Geschichten zeigen deutlich, daß das beständige kontinuierliche Ich, wie es der Gesunde kennt, nicht im Körper wohnt wie der Geist in der Flasche. Es ist das Ergebnis eines komplexen Prozesses, der ausgesprochen flexibel, aber nicht unverwüstlich ist. Der Weltbildgenerator im Kopf hört nicht auf, die vorhandenen Informationen zu einigermaßen stimmigen Geschichten zusammenzusetzen, auch wenn wegen eines Schlaganfalls oder eines Tumors plötzlich zwanzig Jahre der eigenen Lebensgeschichte fehlen. Auch wenn wir eines Tages à la Kafka aufwachten und uns in ein Insekt verwandelt fänden, würden wir wohl einfach aufstehen und mit dem neuen Leben weitermachen, meint Broks.

Das eigentliche Drama der neuronalen Funktionsstörung wird so dem Betroffenen oft weniger bewußt als seinen Angehörigen. Es sind eben auch die Auswirkungen auf die Beziehungen zu Eltern, Kindern oder Partnern, die sie so bedrückend machen. Broks ist, wie er immer wieder betont, mehr Kliniker als Forscher. Als solcher berichtet er viel von traurigen Schicksalen, aber wenig von Möglichkeiten, zu heilen oder zu lindern. Zuviel Optimismus hält er für schädlich, der bedrückende Alltag tritt in seinem Buch an die Stelle großer Ideen, wie sie die Neurobücher von Oliver Sacks bis Antonio Damasio durchziehen. Ehrfurcht vor den Verheißungen der Neurowissenschaften liegt ihm fern: "Das haben Sie schnell drauf." Broks macht aus seinen beruflichen Sinnkrisen und Albträumen keinen Hehl, warnt vor zuviel Vertrauen in die Neurochirurgie - "die äußerste Form des Eindringens". Sein Buch erweitert die Sammlung der "Neurologengeschichten" um ein ausgesprochen lesenswertes, ein ausgesprochen düsteres Exemplar.

MANUELA LENZEN

Paul Broks: "Ich denke, also bin ich tot". Reisen in die Welt des Wahnsinns. Aus dem Englischen von Barbara Rojahn-Deyk. C. H. Beck Verlag, München 2004. 234 S., geb., 19,90 [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
…mehr

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 22.03.2004

Ich ist eine Motte
Richard Broks wunderbares Buch über das Land der Seele
Lange ist kein so hinreißendes Buchs des Genres „Neuroliteratur” mehr zu uns gekommen. Leider ist der deutsche Titel irreführend. Im Englischen lautet er „Into the Silent Land”. Allerdings ist das Gedicht „Remember” von Christina Rossetti, dem er entlehnt ist, bei uns so gut wie unbekannt. Es handelt sich auch nicht um „Reisen in die Welt des Wahnsinns”, wie man Reisen in die Welt des Kannibalismus antritt, sondern um travels in neuropsychology, Erkenntnisreisen ins Reich der Neuropsychologie.
Bei „Into the Silent Land” klingt die Aufforderung an, der Leser möge mitkommen bei dem Versuch, so weit in Gehirnschädigungen oder Funktionsstörungen einzudringen, bis er versteht: Hier passiert etwas, das nicht nur Lädierte, sondern uns alle befallen kann. Seine eigenen Träume, die realen und fiktiven Geschichten, die der Autor erzählt – das alles zeigt, dass das große Problem, mit dem er sich beschäftigt – es gibt empirisch kein Ich, kein Selbst, keinen Geist und kein Bewusstsein, und es gibt das, und zwar in einem anderen Sinn von Empirie, alles doch – , in den kleinen Problemen der Menschen im Umgang miteinander immer schon enthalten ist.
Das Denkmodell des Determinismus hat ausgedient. Hirnforscher beginnen heute zu durchschauen, dass ihre mechanistischen Konstrukte Reifikationen waren und sie auf Metaphern, auf hermeneutische Modelle angewiesen sind, um überhaupt empirische Forschungsanordnungen hinzukriegen. Wir können bis in die Gene „gelesen” werden, wir sind alles mögliche, eine „Geschichtenerzählmaschine”, aber keine Einheit, es gibt kein „Cockpit der Seele”. „Das Gefühl unserer Erfahrung bleibt für immer etwas Privates und deshalb dem Zugriff der wissenschaftlichen Analyse entzogen. Die Privatheit ist eine wesentliche Komponente des Bewusstseins.”
Alles halb so wild!
Broks’ „literarische Aufbereitung” seines Sujets ist also kein Beiwerk, sondern Ausdruck der Gleitzone zwischen Normalität und Nichtnormalität. Der Autor weiß, dass das angenehme Gruseln des Lesers damit zu tun hat, dass er Gespenstern, Monstern begegnet. Die „strange cases” von Robert Louis Stevenson haben Pate gestanden. Er selbst spricht von „Neurogotik”, von modernen Schauerromanen, die die alten historischen abgelöst haben. Es trägt mit zum Glanz von Broks’ Geschichten bei, dass er seine literarischen Zeugen im Text vorkommen lässt – u. a. Platon, Kafka, Beckett, immer wieder Caroll und Shakespeare, denn bei „The Silent Land” denkt natürlich jeder Engländer an eine andere berühmte Bezeichnung des Totenreichs, Hamlets „Undiscovered Country”.
Am Ende des Buchs hat Broks eine kleine Extrastudie angehängt, in der er sich mit der neurowissenschaftlichen Literatur auseinander setzt und deutlich macht, wo er sich ansiedelt. Er rechnet sich zu den kognitiven Neuropsychologen, deren Hauptinteresse nicht der Struktur des Gehirns, sondern des Bewusstseins gilt. Oliver Sacks, den wunderbaren Pionier des Genres, muss er sich ein bisschen vom Leibe halten, „sein Einfluss war schon groß genug”. Eigentlich müsste er keine Angst vor dem großen Schatten haben. Bei Sacks sind es eher seine therapeutischen Ideen in ihrem methodologisch genialischem Wirrwarr, die den Leser bezaubern. Broks’ für uns ungewohnt szientifischer Appeal, dass er nicht positivistisch und dennoch empirisch vorgeht, dass er nicht mysteriengläubig ist, dennoch mit mysteriösen Stoffen umgeht, denen er nichts von ihrer Mysteriosität nimmt, das ist schlicht „englisch” großartig, wenn „großartig” nicht schon wieder eine unenglische Übertreibung wäre. Damit setzt er sich nicht nur in einem modernen Streit mit der Behauptung zwischen die Stühle, dies sei die einzige Position, die man ehrlicherweise einnehmen könne, sondern er reiht sich auch in den langen Prozess der europäischen Erkenntnistheoretiker ein und berichtigt beide, die Dualisten und die Unitarier.
Der „Irrtum des Descartes”, sein Dualismus zwischen Körper und Geist, den der Neurologe Antonio Damasio ausgemacht zu haben meinte, ist für ihn „unwiderstehlich”. Der Dualismus bietet zwar so wenig Antworten wie der Unitarismus, aber wir müssen von ihm als regulative Idee ausgehen, wie dies alle Religionen, alle Philosophien tun. Der falsche neuropsychologische Unitarismus wäre es, in der puren Körperwelt für alles Seelische eine Entsprechung zu finden. Ein genauso falscher „Beweis” für die Existenz der unabhängigen Seele wäre es, sie aus Erfahrungen des extrakorporalen Ichs zu belegen: so geistert immer mal wieder ein Horrorbericht durch die Gazetten, wie ein Ich sich selbst, den betäubten Patienten, während der Operation von oben beobachtet habe. Die Wahrheit liegt dazwischen, ohne Körper gäbe es die Seele nicht, aber es gibt auch keine Seele ohne Körper.
Es ist der große Reiz des Buchs, dass es ständig in die non liquet-Zone vorstößt und behauptet, da seien wir eigentlich zu Hause. „Unser Zuhause” – auch dies sehr englisch aufgeladene Wort fällt öfter – , ist ein Ort der Verletzlichkeit und der Absurdität: die Tatsachen der Kosmologie und der Neuropsychologie sind „unvorstellbar seltsam”, und doch ist ein Teil des Universums ebenso wie das Gehirn unser Zuhause. Freud sagt, das Unbewusste sei das Dunkel, es habe in die Helligkeit des Bewusstseins gehoben zu werden. Broks sagt, das Bewusstsein sei das Dunkel, aber in welche Helligkeit soll ich es heben? Non liquet. Das Tertium ist, dass beide zwischen Dunkelheit und Helligkeit balancieren müssen.
Broks hat nicht nur ein wunderbares Buch geschrieben, er beruhigt seine Leser auch wunderbar: Ihr dämonisiert die Forschung, die hat aber ihre Grenzen, ihr dämonisiert auch die Hirnpatienten, alles halb so wild! Kein Mensch kommt ohne Inkonsequenzen aus – Descartes zum Beispiel glaubte, dass Tiere Maschinen seien. „Da ist es interessant, dass der große Mann selbst einen Hund besaß, Mister Scratch, den er sehr liebte.” Das Ethos Broks’ liegt in seinem unautoritären Holding für die Patienten, für die Leser, für die Forscher. Wie man die Neurophysiologie einschätzt, ist genauso ein gesellschaftliches, um nicht zu sagen ein politisches Problem wie die Haltung gegenüber der Kernphysik, der Genforschung und hat von daher einige Brisanz. Broks entschärft diese Brisanz, ohne sie zu verharmlosen. Die begrifflichen Mittel, um eines Tages „den menschlichen Geist von den Gehirnaktivitäten” her zu erklären, wird es nie geben. Wie beruhigend. Wie wunderbar. Wir sind Geheimnis, auch oder gerade ohne Metaphysik.
Der etwas schrille, reportagehafte Anfang fällt im Vergleich zum Rest etwas ab, das liegt nicht an der im übrigen sehr einfühlsamen Übersetzung, sondern ist das Problem des Anfangens, das viele Autoren haben. Aber sollten wir uns darüber aufregen, wo wir doch vom Autor gelernt haben, vieles für absurd zu halten, ohne uns deshalb schon aufzuregen? „Jeden Tag, wenn ich in den Spiegel sehe, erwarte ich, mehr oder weniger dasselbe zu sehen. Ich wäre überrascht, sähe ich eines Tages Nelson Mandela oder eine Frau oder eine riesige Motte. Ich wäre ganz schön durcheinander. Wahrscheinlich würde ich den Tag freinehmen.” Na ja, wenn’s weiter nichts ist, das lässt sich doch machen.
CAROLINE NEUBAUR
PAUL BROKS, Ich denke, also bin ich tot. Reisen in die Welt des Wahnsinns. C. H. Beck, München 2004. 234 Seiten, 19,90 Euro.
SZdigital: Alle Rechte vorbehalten - Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung exklusiv über www.diz-muenchen.de
…mehr

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Einfach "hinreißend" findet Caroline Neubaur Paul Broks' Buch, mit dem er sich aufmacht, das Reich der Neuropsychologie zu durchschreiten. Der Leser werde aufgefordert, zu sehen, dass der menschliche Geist sich nicht in das "Denkmodell des Determinismus" pressen lässt, und obwohl Broks nicht "mysteriengläubig" sei, gehe er doch auf beeindruckende Art und Weise mit Mysteriösem um. Broks habe nicht nur das Talent, ein "wunderbares" Buch zu schreiben, sondern auch, seine Leser "wunderbar" zu beruhigen. Er nehme der Neurophysiologie die Brisanz, indem er den menschlichen Geist nicht einfach mit den Gehirnaktivitäten gleichsetze. Der Mensch bleibe Geheimnis, "auch oder gerade ohne" Metaphysik. Und so jubelt die Rezensentin noch einmal: "Wie beruhigend. Wie wunderbar."

© Perlentaucher Medien GmbH