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Produktdetails
  • Verlag: Sebra
  • Seitenzahl: 385
  • Deutsch
  • Abmessung: 25mm x 156mm x 233mm
  • Gewicht: 725g
  • ISBN-13: 9783980595377
  • ISBN-10: 3980595374
  • Artikelnr.: 12303312
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 19.12.2003

Mit der Lupe gefunden
Frank Semper stellt die Rechte der Indios in Kolumbien vor

Kolumbien gilt als das lateinamerikanische Land, welches in den letzten Jahren wohl am entschlossensten nach Wegen gesucht hat, um angemessene rechtliche Bedingungen für die amerikanische "Urbevölkerung", die Indios beziehungsweise Indigenen, zu schaffen und umzusetzen. Gleichzeitig jedoch ist diese Gruppe in besonderem Maße von den bewaffneten internen Konflikten des Landes betroffen. In seiner im eigenen Verlag publizierten Frankfurter rechtswissenschaftlichen Dissertation stellt Frank Semper detailliert und kritisch das sogenannte Indigenenrecht in Kolumbien im Spannungsfeld von rechtlichen Normen und politischen Konstellationen vor. Er fragt nach Lebenschancen der indianischen Bevölkerung unter den Bedingungen des modernen Verfassungsstaates. Hierzulande ist das akademische Interesse an rechtlichen Entwicklungen in den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas noch äußerst gering. Nur verschwindend wenige Stellen an Universitäten und Forschungsstellen sind dem großen Themenfeld explizit gewidmet. Deutschsprachige Publikationen in diesem Bereich muß man mit der Lupe suchen. Schon deshalb darf Sempers Buch Aufmerksamkeit beanspruchen.

Nach recht schematischen Darlegungen zum ethnographischen und historischen Kontext analysiert der Autor sehr ausführlich, aber leider allzu kleinteilig die Regelungen zur Indigenen-Frage in der kolumbianischen Verfassung von 1991. Er vermerkt positiv, daß die Verfassung gleichsam eine substantielle "Indigenenverfassung" enthält, die "gleichberechtigt neben den vier grundlegenden Ordnungen aus Wirtschafts-, Umwelt-, Sozial- und Kulturverfassung steht". Insbesondere das zentrale Prinzip des Einheitsstaates biete jedoch keinen absoluten Schutz für den Fortbestand der indigenen Völker. Ein weiteres Hauptkapitel des Buches thematisiert die Indigenenfrage in Kolumbien als Menschenrechtsfrage. Semper beklagt in diesem Zusammenhang das Versagen der Staatsgewalt, den gegenüber den Indigenen garantierten Schutz der Menschenrechte auch effektiv zu gewährleisten. Hier sieht der Autor nur wenig Licht am Horizont. Denn die für einen solchen Schutz etwa notwendige Entmilitarisierung weiter Teile des Landes werde der Staat kaum durchsetzen können. Dem Einsatz von UN-Blauhelmen stünden zahllose völkerrechtliche und politische Barrieren entgegen.

Semper hat in den vergangenen Jahren durch einige kompetente Reisebücher unter anderem zu Kolumbien und der Amazonas-Region von sich reden gemacht. Auch die vorliegende Studie enthält im Mittelteil einen sehr persönlichen Reiseessay, in welchem der Autor über seine Begegnungen mit kolumbianischen Indianern berichtet. Überhaupt ist das Werk durch die außerordentlich große Empathie mit der Untersuchungsgruppe geprägt. Das muß selbst für eine rechtswissenschaftliche Untersuchung nicht grundsätzlich von Nachteil sein. Doch atmet die Arbeit zu intensiv jene engagierte, aber tendenziell ahistorische Romantik, die noch stark der Dichotomie von Tradition und Moderne verhaftet bleibt. So entsteht das allzu simple Bild einer traditionellen Gesellschaft von "Ureinwohnern", die vor der zerstörerischen Moderne geschützt werden muß.

Daß etwa Gewohnheitsrechte ebenso wie indigene Identitäten zumindest partiell durchaus rezente Schöpfungen sein können, kommt dem Autor nicht in den Sinn. Dabei haben inzwischen zahlreiche Studien herausgearbeitet, daß sich die amerikanische "Urbevölkerung" erst gegen Ende des zwanzigsten Jahrhunderts unter dem Einfluß spezifischer, wirkungsmächtiger Geschichtsbilder als Indios, das heißt als wie auch immer geartete Einheit, zu sehen begann.

ANDREAS ECKERT

Frank Semper: "Die Rechte der indigenen Völker in Kolumbien". Sebra-Verlag, Hamburg 2003. 384 S., Abb., br., 55,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension

Andreas Eckert findet Sempers Buch durchaus interessant und schon deshalb verdienstvoll, weil in Deutschland das akademische Interesse an außerwestlichen Rechtsvorgängen unterentwickelt sei, doch seine Beurteilung fällt insgesamt zwiespältig aus. Positiv werden Sempers kenntnisreiche - wenn auch etwas "kleinteilige" - Darstellung der Indigenenrechte in Kolumbien im Zusammenhang mit der prekären politischen Lage des Landes vermerkt - der Autor zeichne hier ein trotz der recht fortschrittlichen Verfassung eher pessimistisches Bild. Dagegen fällt Sempers "engagierte, aber tendenziell ahistorische Romantik" beim Rezensenten negativ ins Gewicht - schließlich könne man nicht mehr so tun, als gebe es ein sauberes Gegenüber von Tradition und Moderne, wobei die eine als Opfer und die andere als Zerstörerin auftritt. Die Idee einer übergreifenden "indigenen Identität" - und damit die Grundlage der juristisch verankerten Rechte - sei schließlich, gibt Eckert zu bedenken, selber "zumindest partiell" eine Idee der jüngeren Vergangenheit.

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