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Das Deutsche ist eine der bedeutendsten Kultursprachen der Welt, und wie alle Sprachen verändert es sich ständig. Dieser Wandel äußert sich beispielsweise in einer Vereinfachung des grammatischen Systems und einer gewaltigen Ausweitung des Wortschatzes; der "Erste Bericht zur Lage der deutschen Sprache" (2013) war diesen Entwicklungen gewidmet. Der Wandel zeigt sich aber auch in einer zunehmenden Differenzierung in einzelne Spielarten, je nachdem, wer wann und wo mit wem mithilfe welchen Mediums über welches Thema kommuniziert. Die heutige deutsche Sprache in ihrer Gesamtheit ist daher ein…mehr

Produktbeschreibung
Das Deutsche ist eine der bedeutendsten Kultursprachen der Welt, und wie alle Sprachen verändert es sich ständig. Dieser Wandel äußert sich beispielsweise in einer Vereinfachung des grammatischen Systems und einer gewaltigen Ausweitung des Wortschatzes; der "Erste Bericht zur Lage der deutschen Sprache" (2013) war diesen Entwicklungen gewidmet. Der Wandel zeigt sich aber auch in einer zunehmenden Differenzierung in einzelne Spielarten, je nachdem, wer wann und wo mit wem mithilfe welchen Mediums über welches Thema kommuniziert. Die heutige deutsche Sprache in ihrer Gesamtheit ist daher ein überaus komplexes Bündel sich vielfach überschneidender Varietäten, von denen einer, der "Standardsprache" (oder "Hochsprache"), eine besondere Bedeutung zukommt: sie ist das Ergebnis von Angleichungen und expliziten Normierungen; es ist die Sprachform, die eine übergreifende Verständigung sicherstellen soll und die daher in der Schule gelehrt wird.

Der "Zweite Bericht zur Lage der deutschen Sprache" ist dieser Vielfalt und der dahinter stehenden Einheit gewidmet. Der einleitende Beitrag gibt einen systematischen Überblick über die Vielfalt des heutigen Deutsch (Wolfgang Klein), der zweite zeichnet die Bemühungen um einen einheitlichen Standard nach (Peter Eisenberg). Die weiteren Beiträge sind verschiedenen Spielarten des Deutschen gewidmet, die häufig in der öffentlichen Diskussion stehen: Dialekten und Regionalsprachen (Jürgen Erich Schmidt), der Sprache von Jugendlichen (Nils Bahlo und Wolfgang Klein), der Sprache von Migranten (Norbert Dittmar und Yazgül S ims ek), der internetbasierten Kommunikation (Angelika Storrer) und der gesprochenen Alltagssprache (Ludwig M. Eichinger). Alle Beiträge stützen sich auf reiches empirisches Material, das teils eigens für diesen Bericht erhoben und ausgewertet wurde.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 01.12.2017

Gendern bringt noch keine Gleichheit
In ihrem zweiten Bericht zur Lage der deutschen Sprache listet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung immer noch gehörige Defizite auf
Hinter dem „Bericht zur Lage der deutschen Sprache“, dessen zweiten Band die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung nun vorlegt, waltet ein altes Versäumnis. Als die Reform der Rechtschreibung in den frühen Neunzigern auf den Weg gebracht wurde, mit aktiver Unterstützung der Kultusminister, hatte die größte und mächtigste aller Akademien in diesem Land kaum wahrgenommen, dass sie mit diesem Gegenstand irgendetwas zu tun haben könnte. Dann wehrten sich einige Sprachwissenschaftler und Lehrer gegen den staatlichen Eingriff in eine bislang im wesentlichen gewachsene Orthografie, ein Sturm der Entrüstung brach los, kurzzeitig schien es, als gerate die Reform ins Wanken – und erst allmählich begriff diese Institution, dass sie ihrem Namen und ihrem öffentlichen Auftrag doch irgendwie gerecht werden sollte.
Sie beteiligte sich an der weitgehend erfolglosen „Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung“ und legte „Kompromissvorschläge“ für die Neuregelung der Orthografie vor, die, auch wenn sie keine offizielle Berücksichtigung fanden, vielleicht eingingen in den allgemeinen Widerstand gegen die Reform – und so dazu beitrugen, dass von der Reform im Lauf der Jahre nicht mehr viel übrig blieb, von einigen besonders störenden Errungenschaften wie dem „ss“ einmal abgesehen. Die „Berichte zur Lage der deutschen Sprache“, deren erster Band im Jahr 2013 erschien, sind eine Reaktion auf diese allenfalls bedingt erfolgreichen Aktionen: ein Versuch, angesichts einer politisch sanktionierten Willkür wenigstens die wissenschaftlichen Grundlagen zu wahren – und damit einen begründeten Anspruch, von den Institutionen der Sprachpolitik, also allen voran den Kultusministern, gehört zu werden.
Sieben Beiträge enthält das Buch, das weit mehr einem akademischen Sammelband ähnelt als einer Bestandsaufnahme des aktuellen Sprachgebrauchs – darunter Aufsätze über Dialekte, über die Sprache der Jugend und das Deutsch der Migranten. Nur einer dieser Aufsätze aber besitzt einen sprachpolitischen Charakter, im Negativen, indem er also aufzeigt, welchen Bereichen des Deutschen eine Sprachpolitik sich zuzuwenden hätte, wollte sie überhaupt eine sein: Nachweislich, so Peter Eisenberg, emeritierter Professor für Deutsche Sprache und Mitglied der Akademie, nähmen die Kenntnisse in Rechtschreibung unter den Abiturienten seit Jahren ab. Die Neuregelung habe dem geschriebenen Standard „nicht nur durch ihre Inhalte schweren Schaden zugefügt, sondern auch dadurch, dass die allgemeine Verunsicherung zur Vermeidung von Rechtschreibunterricht in den Schulen und zur Geringschätzung von Rechtschreibung beigetragen hat“.
Dieser Satz ist nicht nur eine Feststellung, die jeder bestätigen kann, der die Texte dieser vielen und oft gar nicht mehr so jungen Leute zu lesen bekommt, sondern auch ein Vorwurf. Aber an wen ist er adressiert? An das Institut für Deutsche Sprache, an die Wörterbuchverlage, an die Konferenz der Kultusminister? Und was folgt aus diesem Satz, vor allem für die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, in deren Auftrag er ja niedergeschrieben wurde?
Peter Eisenberg kennt weitere problematische Bereiche im Umgang mit der deutschen Sprache, bei denen sich die Frage nach den Konsequenzen stellt: So habe sich die Zahl der Anglizismen in der geschriebenen Sprache während des vergangenen Jahrhunderts um das Zehnfache vermehrt – was gewiss an sich kein Grund zum Kopfzerbrechen wäre, wenn mit der Vermehrung nicht ein zunehmend ideologischer Gebrauch der Sprache einherginge. Ähnliches gilt für die Ansprüche auf eine „politisch korrekte“ Sprache, die sich immer häufiger in der Sprache selber niederschlagen und doch, für jeden erkennbar, nur eine „Ersatzfunktion zur Bewältigung nicht erreichbarer gesellschaftlicher Veränderungen“ erfüllen.
Dies gilt insbesondere für das „Gendern“, also die um sich greifende Praxis, noch jedem „Straftäter“ eine „Straftäterin“ an die Seite zu stellen. Peter Eisenberg erkennt darin, völlig zu Recht, „sprachpolizeiliche Aktivitäten“, die eben nicht Gleichheit herstellen, sondern allenfalls behauptete Ungleichheiten umkehren und dabei vergrößern. Das sind heikle, weil mit massiven, politisch auftretenden Interessen verbundene Themen, denen man mit einem Bericht zur „Lage“ kaum gerecht werden kann. Oder wäre die Akademie bereit, diese „Lage“ schlicht hinzunehmen, so dass dem „Bericht“ eine ebensolche „Ersatzfunktion zur Bewältigung nicht erreichbarer Veränderungen“ zukäme, wie sie Peter Eisenberg im Verlangen nach einer „politisch korrekten Sprache“ mutmaßt?
THOMAS STEINFELD
Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung / Union der deutschen Akademien der Wissenschaften (Hrsg.): Vielfalt und Einheit der deutschen Sprache. Zweiter Bericht zur Lage der deutschen Sprache. Stauffenberg Verlag, Tübingen 2017. 332 Seiten, 29,95 Euro.
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