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Mit Niegeschichte liefert Dietmar Dath eine Einführung in sein liebstes Thema: Science Fiction. Seine kenntnisreiche Theoriegeschichte und persönliche Genre-Erkundung ist eine Einladung an alle, spekulative Literatur als hochrelevant für unsere Zukunft zu begreifen - gerade weil sie von dem erzählt, was so nie stattfinden wird. Egal ob als Serie auf Netflix, im Radio oder als Comic oder Buch: Science Fiction erlebt in den letzten Jahren eine Wiederbelebung, geradezu einen Boom. Steckt dahinter Eskapismus angesichts der Schieflagen in unserer Gegenwart oder handelt es sich um den Hunger nach…mehr

Produktbeschreibung
Mit Niegeschichte liefert Dietmar Dath eine Einführung in sein liebstes Thema: Science Fiction. Seine kenntnisreiche Theoriegeschichte und persönliche Genre-Erkundung ist eine Einladung an alle, spekulative Literatur als hochrelevant für unsere Zukunft zu begreifen - gerade weil sie von dem erzählt, was so nie stattfinden wird. Egal ob als Serie auf Netflix, im Radio oder als Comic oder Buch: Science Fiction erlebt in den letzten Jahren eine Wiederbelebung, geradezu einen Boom. Steckt dahinter Eskapismus angesichts der Schieflagen in unserer Gegenwart oder handelt es sich um den Hunger nach Möglichkeiten, die Welt anders zu denken? Für Dietmar Dath ist Science Fiction Teil seiner Biografie und weit mehr als Sternenzerstörer und Perry-Rhodan-Hefte. Sie ist auch Form und Methode, eine Art der Wissensproduktion. Die Geschichte des Genres erzählt er als eine Eroberungsgeschichte, die einen Bogen schlägt von Mary Shelley, Jules Verne und H. G. Wells hin zu gegenwärtigem Schaffen auch außerhalb Europas und Nordamerikas, wie etwa das von Benjanun Sriduangkaew. Dafür liest er Klassiker genauso wie weniger bekannte Texte, erschließt unbekannte Räume und neue Thesen und überrascht mit Anekdoten und Analysen gleichermaßen. Die Zukunft denken zu lernen, setzt voraus, die Geschichte der Zukunftsvisionen zu verstehen.

»Es gibt unter Menschen immer und überall Dinge, nach denen im Normalfall nicht gefragt wird, weil das alle wissen oder zu wissen glauben, aber auf Nachfrage gar nicht sonderlich genau erklären können - in der Bundesrepublik Deutschland der Gegenwart, in der ich schreibe, wären das zum Beispiel ein 'Handy' ('everyday new technology') oder ein 'Verfassungsfeind' ('deeply embedded social ideology').« - Dietmar Dath
Autorenporträt
Dietmar Dath, 1970 in Rheinfelden geboren, ist Autor, Journalist und Übersetzer. Spätestens seit seinem 2008 für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman Die Abschaffung der Arten ist er einem großen Publikum bekannt. 
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.10.2019

[kein Titel]

DIETMAR DATH, Redakteur im Feuilleton dieser Zeitung, hat ein Buch darüber geschrieben, dass Science-Fiction nicht nur eine Literaturgattung, eine Sorte Film, eine Sparte der Popmusik, ein Zweig des Comic-Stammbaums, eine Mode oder ein Spielzeugproduktmuster ist, sondern vor allem eine für die Neuzeit bezeichnende Kultur- und Wissenserscheinung, mit deren Hilfe Menschen ihr ästhetisches Empfinden und ihren Verstand verändern können. Der Autor bietet Erzählendes aus persönlicher Begeisterung und Abneigung, aber auch strenge Analysen sowohl vieler klassischer Texte seit Mary Shelleys "Frankenstein" wie zahlreicher stilbestimmender Filme und anderer Kunstwerke; außerdem Empfehlungen der Werke weniger bekannter Größen des Genres, etwa der Autorin Benjanun Sriduangkaew oder des Filmschöpfers Shane Carruth. (Dietmar Dath: "Niegeschichte". Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine. Matthes & Seitz Verlag, Berlin 2019. 942 S., geb., 38,- [Euro]) F.A.Z.

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 26.11.2019

Fortschritte der Zukunft
Geschichte und Theorie des Genres in einem großen Wurf:
Dietmar Dath präsentiert Science-Fiction als Kunst- und Denkmaschine
VON STEFAN WILLER
Ein Kind, das oft allein ist und sich vor vielem fürchtet, beginnt, Geschichten zu erfinden. Sie handeln vom Schlimmen, das geschehen könnte. Das Kind stellt fest, dass die eintretende Realität im Vergleich mit den eigenen Fantasien harmlos bleibt, und leitet daraus eine Regel ab: Stelle dir Schreckliches vor, dann wird es nicht geschehen. Diese autobiografische Anekdote steht am Anfang von Dietmar Daths großem Buch über Science-Fiction. Der Titel, „Niegeschichte“, erhält so den Beiklang der Zukunftsverhinderung: Geschichten erzählen, damit das in ihnen Dargestellte nie geschehen wird.
Soll damit gesagt sein, dass Fantasie wie ein Abwehrzauber wirkt und Science-Fiction ein Mittel der Prävention ist? Nichts könnte dem Autor fernerliegen, der in einem späteren Kapitel aktuelle Zukunftssorgen mit der Bemerkung quittiert, „dass wir heute mickrig denken, nachhaltig, grün“. Umso bemerkenswerter ist es, dass er seine Studie mit der Erinnerung an die Kinderangst beginnen lässt. Aus dieser Angst – so lautet Daths Ideengeschichte in großen Zügen wie im individuellen Zuschnitt – muss sich der Mensch herausarbeiten, um ins Offene denken zu können. In der intellektuellen Biografie des Autors steht dafür die Begegnung mit dem „Raumschiff Enterprise“ und den Romanen der Perry-Rhodan-Serie, an denen der Heranwachsende lernt, mental im Weltall zu kreuzen und sich mit gänzlich anderen Lebensformen zu identifizieren.
Das Denken hilft gegen die Angst, und beim Denken hilft die Imagination, wenn sie hinreichend präzise ist. Deshalb spricht Dath von Science-Fiction als einer „Denkmaschine“. Maschine heißt hier alles, was menschliches Handeln unterstützt, auch das Probehandeln im kognitiv-intellektuellen Bereich. Die Spezifik der SF-Maschine liegt für Dath darin, bestimmte Verbindungen zwischen Fiktion und Wissen herzustellen – unter besonderer Berücksichtigung des Wissens. Dieses steht zwar unter Fiktionsvorbehalt („als ob wir wüssten“), ist aber keineswegs als bloß konstruiert wegzuerklären, wie der an Marx und Lukács geschulte Verfasser seinen Lieblingsfeinden Foucault, Derrida und Feyerabend bei passender wie unpassender Gelegenheit nachruft. Stattdessen sympathisiert er mit den Besserwissern der Literaturgeschichte wie Edgar Allan Poe oder Arno Schmidt und schreibt in seinem historischen Grundlagenkapitel über die „Proto-SF“ von Jules Verne und H. G. Wells einen hinreißenden Exkurs über „literarisch-szientifische Angeberei“.
Auch Dietmar Dath ist zweifellos ein Angeber. Er gibt an, was er weiß, sagt, woher er es weiß, und erklärt, warum er es für wichtig hält. Sein Vielwissen ist also nicht von großsprecherischer, sondern von didaktischer Art. Wer „Niegeschichte“ liest, muss sich belehren lassen (wollen), nicht bloß über die Geschichte, auch zunächst einmal über gewisse erkenntnistheoretische Voraussetzungen dessen, was im Buch „funktoriale Literaturanalyse“ heißt. Den zentralen Ausdruck „Funktor“ bezieht Dath aus der algebraischen Kategorientheorie. Dort steht er für ein weitreichendes Konzept der Wandelbarkeit, das im Kontext von „Niegeschichte“ zugleich als romantisches Erbteil der Science-Fiction erkennbar wird. Daraus resultiert der hybride, aus Mathematik, Ästhetik und hegelianischer Geschichtsphilosophie zusammengesetzte Begriff des „Aufhebungsfunktors“, der bezeichnen soll, was geschieht, wenn die üblichen Erwartungen an den Lauf der Welt in die Erfahrungserwartungen der Science-Fiction transformiert werden. Hinzu kommt die negative Induktion, kurz „Neginduktion“, die logische Ableitung fiktiver Ereignisketten aus einer vorab postulierten Gesetzmäßigkeit.
Man muss diese Terminologie nicht mögen, braucht sie aber zur Lektüre des Buchs, mindestens bis zu jenem Punkt im vorletzten Kapitel, an dem – Vorsicht, Spoiler! – angedeutet wird, „Niegeschichte“ sei selbst ein Science-Fiction-Roman, der auf der Annahme basiere, es gebe die fiktive Technik der funktorialen Literaturanalyse. Die Fiktionalisierung des eigenen Verfahrens erfolgt natürlich nur zum Schein. Sie erledigt jedenfalls nicht die Dringlichkeit des methodischen Vorgehens über zehn Großkapitel hinweg, von denen jedes nahezu hundert Seiten umfasst. Daths Anspruch ist tatsächlich, die eigene Problemstellung nach und nach lückenlos zu erschließen. Auch wenn das Buch mit einer hervorragenden Gliederung, mit einem Namens- und Sachregister aufwartet und damit die Möglichkeit der Querlektüre suggeriert, beansprucht es doch, von vorne bis hinten durchgelesen zu werden.
Der historische Durchgang beginnt mit der „Vorgeschichte“ im 19. Jahrhundert. Es folgen die Etablierung des Genres in der britischen und amerikanischen Pulp-Literatur der 1920er- und 30er-Jahre, das Golden Age mit der Trias Robert A. Heinlein, Isaac Asimov und Arthur C. Clarke, dann die experimentellen Neuansätze der 1960er und 70er, schließlich Trends wie der Cyberpunk der 1980er und die globale „neue Vielstimmigkeit“ der Gegenwart. Vieles, sehr vieles ist über Autoren, Zeitschriften und Verlage, über Szenen, Gruppierungen und Allianzen zu erfahren. Doch was Dath an dieser Historie eigentlich interessiert, sind nicht die Schulbildungen, Moden oder Trends. Es geht ihm um etwas sowohl Fundamentaleres als auch Ausgreifenderes: um den Fortschritt der Science-Fiction.
Dass Dietmar Dath als Marxist ein emphatisches Verständnis von Fortschritt hat, konnte man aus seinen journalistischen Arbeiten und aus seinen staunenswert klugen Büchern, darunter zahlreichen Science-Fiction-Romane, bereits wissen. (In einer Nebenbemerkung weist er einmal ausdrücklich darauf hin, wie hochproduktiv viele SF-Autoren sind.)
Gerade deshalb ist das Genre für ihn keine Veranstaltung fröhlicher Zukunftsoptimisten, sondern der Schauplatz stets aufs Neue zu führender Kämpfe zwischen Fortschritt und Reaktion. Und auch wenn er bereit ist, die Bedeutung eines tendenziell chauvinistischen Autors wie Robert A. Heinlein anzuerkennen, liegen seine Sympathien deutlich auf der anderen Seite, insbesondere bei der New Wave der 1960er-Jahre, als sich das Genre für emanzipatorische Anliegen und zuvor nicht gehörte Stimmen öffnete, weibliche und afroamerikanische. Die „Niegeschichte“ ist direkt an die Sozialgeschichte angeschlossen. Science-Fiction spielt nicht einfach in der Zukunft, sondern bearbeitet sie unmittelbar, indem sie der Gesellschaft, in der sie entsteht, ihre Möglichkeiten vorführt.
Das Buch lässt aber keinen Zweifel daran, dass der soziale Fortschritt in der Kunst nur mit den Mitteln der Kunst dargestellt werden kann – und dass die Genreliteratur über diese Mittel verfügt. Dath sieht sie auf der Höhe der modernen Ästhetik; wiederholt zieht er Parallelen zu den Avantgarden um 1900 oder zur Experimentalliteratur des mittleren 20. Jahrhunderts. Und er bekennt sich zum Heroismus des einzelnen Künstlers, der einzelnen Künstlerin, exemplarischen Sozialfiguren der Science-Fiction, nicht ganz unähnlich dem einsamen „Starman“ im All.
Daths Heldin ist die 2011 gestorbene Joanna Russ. Als akademisch geschulte Feministin war sie eine exemplarische Vertreterin der New Wave, vor allem aber laut Dath, der ihr ein ganzes Kapitel widmet, schlicht „die Beste“. Den 1961 geborenen Greg Egan – auch er erhält ein eigenes Kapitel – nennt er einen „genialen Schöpfer“. Science-Fiction ist nicht nur eine Denk-, sondern auch eine „Kunstmaschine“. Das so entschieden hervorzuheben, ist wohl das größte Verdienst dieses Buchs.
Dietmar Dath:
Niegeschichte. Science Fiction als Kunst- und Denkmaschine.
Verlag Matthes & Seitz, Berlin 2019.
942 Seiten, 38 Euro.
DIZdigital: Alle Rechte vorbehalten – Süddeutsche Zeitung GmbH, München
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.sz-content.de
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»Ob man SF liebt oder nicht, der Aufwand, den das Studium von "Niegeschichte" verlangt, ist ein lohnender. Es macht klar, wie nötig es ist, über das Bestehende hinaus zu denken, um das Mögliche in Betracht zu ziehen.« Ken Merten Unsere Zeit 20200214