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2013 erschien im Nischen Verlag die deutsche Ausgabe von Krisztina Tóths Roman PIXEL, die es neben fulminanten Kritiken im deutschsprachigen Feuilleton auch auf Platz 1 der ORF-Bestenliste geschafft hat.Nun bringt der Nischen Verlag den neuen Roman AQUARIUM heraus.Eigentlich ist das geschilderte Leben von Großmutter, Mutter und Tochter ein tristes, geprägt von drückender Armut und Hoffnungslosigkeit. (Der zeitliche Rahmen spannt sich von den Jahren nach dem Krieg bis in die 70-er Jahre in Ungarn.) - Und doch gelingt es Krisztina Tóth, auch in den dunklen Szenarien eine gewisse Komik aufblitzen…mehr

Produktbeschreibung
2013 erschien im Nischen Verlag die deutsche Ausgabe von Krisztina Tóths Roman PIXEL, die es neben fulminanten Kritiken im deutschsprachigen Feuilleton auch auf Platz 1 der ORF-Bestenliste geschafft hat.Nun bringt der Nischen Verlag den neuen Roman AQUARIUM heraus.Eigentlich ist das geschilderte Leben von Großmutter, Mutter und Tochter ein tristes, geprägt von drückender Armut und Hoffnungslosigkeit. (Der zeitliche Rahmen spannt sich von den Jahren nach dem Krieg bis in die 70-er Jahre in Ungarn.) - Und doch gelingt es Krisztina Tóth, auch in den dunklen Szenarien eine gewisse Komik aufblitzen zu lassen und die sogenannten "kleinen Leute" mit ihren Überlebenskämpfen in rührender Liebenswürdigkeit zu schildern:Da ist die absolut schräge Großmutter mit ihren wechselnden Liebhabern in ihrer Souterrain-Wohnung mit dem Aquarium, in dem nur die fittesten Fische überleben, die flatterhafte Mutter, die bei allen Entbehrungen doch immer wieder liebevolle Ziehmutter, da bevölkern geistig behinderte Verwandte, Krankenpfleger, Akrobaten und viele andere "schräge Vögel" das Leben der kleinen Vera. Es sind skurril-liebenswerte Verlierer, die wie in einem Aquarium in ihrer gesellschaftlichen Schicht gefangen sind.Obwohl Krisztina Tóths Blick auf ihre Figuren schonungslos sezierend ist, mag man ihre "Helden", nimmt man Anteil an ihrem Schicksal. Ein Buch, das berührt und das einen nicht mehr loslässt.
Autorenporträt
Krisztina Tóth, 1967 in Budapest geboren, gehört zu den renommiertesten ungarischen Lyrikerinnen der Gegenwart. Sie erhielt zahlreiche nationale und internationale Preise, zuletzt etwa den Salvatore Quasimodo-Preis 2008.
Rezensionen

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 06.11.2015

Und die Fische schwimmen hin und her
Ganz nah, völlig unausweichlich: Krisztina Tóth verwandelt eine Budapester Vorstadt in das „Aquarium“
Ein Aquarium beschert diesem furiosen, grotesken, bisweilen an die Schmerzgrenze gehenden Buch die eindrucksvollsten Bilder. So ein Aquarium, schönstes Symbol beschaulicher Bürgerlichkeit, funktioniert ja wie ein Guckkasten: Man setzt sich davor, und die Fische schwimmen hin und her, ungeschützt, ohne Fluchtmöglichkeit, und je schlechter die Anlage gepflegt ist, desto höher die Wahrscheinlichkeit, dass die Tierlein einander kannibalisieren und schnell sterben.
  Ein Aquarium hat auch die Klari-Oma, es steht in ihrer völlig versifften Souterrain-Wohnung, und sie hat es, wie sich später erweisen wird, vom Mann ihrer Tochter Edit übernommen, der über dem Erwerb und Bau eines Aquariums, seines Lebenstraums, regelrecht verreckt ist. Er hatte so einen eleganten Glaskasten bei einem wohlhabenden Arzt gesehen und sofort auch einen gewollt – als Symbol eines besseren Lebens, das er niemals leben würde, während der Arzt ganz selbstverständlich ein Aquarium besaß. Der hatte zwar abhauen wollen aus Ungarn, aber vorher noch in ein Glasgefäß mit Fischen investiert, um seine Pläne damit zu camouflieren, dass er jedermann sagte, er wolle bleiben und in der Freizeit Fische züchten.
  Das Aquarium gibt dem Roman von Krisztina Tóth seinen Titel, und die Klari-Oma liebt es sehr. Nur: Sie hat kein Geld für die Pflege, und letztlich sind ihr die Fische auch piepegal. Es stinkt faulig aus dem Glaskasten, wie es in der ganzen Wohnung stinkt. Und weil das Glas brüchig ist, wird es mit Schuhpasta ausgebessert. Aber auch das hilft nichts, das Wasser läuft aus, die Fische sterben, und was sagt die Klari-Oma? „Ich scheiße drauf“, sagt sie.
  Die lakonische Sprache, der tiefschwarze Humor, die irren, aber gewöhnlichen Gestalten, die den Roman von Krisztina Tóth bevölkern (bekannt wurde sie mit Gedichten und kurzen Erzählungen), sind wie ein Sog. Tóth, im Nach-Wende-Ungarn aufgewachsen, erzählt die Geschichte von Oma, Mutter, Tochter und Urenkelin samt Gatten und Familienanhang vom Nachkriegs-Ungarn bis in die späte Kadar-Zeit. Da geht es, ja, auch, entfernt um die Allmacht der KP und um die Jüdische Gemeinde, um Staatsbetriebe und den Gulasch-Kommunismus, um Privilegien und sozialistische Arbeit, aber eigentlich ist der politische Hintergrund, auf dem dieses schräge Werk spielt, der Autorin gleichgültig – so gleichgültig etwa, wie der Klari-Oma die Fauna und Flora in ihrem Wohnzimmer.
  Tóth schaut vielmehr mit einer literarischen Lupe auf das Leben dieser völlig verarmten, auf engstem Raum lebenden, aber irgendwie auch überlebenden Unterschicht-Familie. Das ist bisweilen so detailverliebt, dass man sich dabei erwischt, wie man die eine oder andere Seite im Alltags-Auf-und-Ab des Clans überschlägt, nur um dann schmunzelnd oder staunend wieder dort zu landen, wo die dicke Edu, Edits behinderte Schwester, schwanger ist, ohne dass sie es weiß, oder die Artisten in der Küche einziehen, um aus der Ein-Zimmer-Wohnung, in der sich das Geschehen überwiegend abspielt, noch ein bisschen Extra-Miete herauszuschinden.
  Der Leser ist immer hautnah dabei: Wenn Ziehtochter Vera, dünn und scheinbar dümmlich, aus Geldmangel im Winter als Patientin im Krankenhaus untergebracht wird, oder wenn die Klari-Oma die Vera im Kindergarten abholt, was immer irre peinlich ist, weil die Klari-Oma so irre peinlich ist, dass sich der Leser mit- und fremdschämt.
  Tóth weitet praktisch nie den Blick, sie bleibt in der Nahaufnahme, weil sie ihre Figuren liebt und bei aller Pein nie der völligen Lächerlichkeit preisgibt: nicht die Oma, die ihr Leben mit täglich aufs Neue erfundenen biografischen Details aufpeppt. Nicht die immer auf der Suche nach geldwerten Vorteilen befindliche Edit, die sehen muss, wie sie ihren saufenden Mann und die dicke Schwester Edu durchbringt. Nicht die ewig hungrige, einsame Vera, die einen groben Klotz heiratet, weil der in Privatwirtschaft macht und mit einem Kiosk endlich richtig Geld verdienen will.
  Die Tragikomödie, präzise übersetzt von Göyrgy Buda, schweift hin und her zwischen Hüten in der Größe von Hühnereiern und freilaufenden Gänsen, Teigtaschen und Toten, Kram und Krempel, den andere wegwerfen würden, der aber in Not und Armut zum Schatz wird. Veras größter Schatz etwa ist eine Puppe, die sich die Familie eigentlich nicht leisten kann, für die aber alles, was geht, zusammengelegt und verkauft wird. Nur, damit die Nachbarskinder die Puppe dann kaputt machen. Worauf ein Puppendoktor sie repariert, aber weil es in der sozialistischen Mangelwirtschaft eben nicht jede Menge unterschiedlicher Puppenbeine gibt, kriegt die Dame andere angeschraubt. Auch egal.
  Zu viel verraten? Ach was, die 330 Seiten aus der Budapester Vorstadt sind eine unerschöpfliche Quelle von Anekdoten und Dramoletten, Krisztina Tóth, so scheint es, geht der Stoff nicht aus, sie erzählt einfach weiter und weiter. Darüber denkt Vera nach, als sie schon erwachsen und auf dem Absprung ist: Ob es wirklich immer weitergeht? „Niemals hatte sie vorher gedacht, dass das, was sie hinter sich gelassen hatte, diese ärmliche Kulisse, nicht ewig während würde; starben in ihrer Umgebung manchmal Menschen, so schienen ihr die Zieheltern doch unantastbar und zeitlos zu sein. Sie würden, in der stickigen braunen Luft der ewigen Gegenwart gebeizt, fortgesetzt die selben Sätze wiederholen.“
CATHRIN KAHLWEIT
Krisztina Tóth: Aquarium. Roman. Aus dem Ungarischen von György Buda. Nischenverlag, Wien 2015. 280 Seiten, 23 Euro. 
Krisztina Tóth
Foto: Nischen verlag
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Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Eine soghafte Wirkung hat der Roman auf Cathrin Kahlweit entfaltet, laut der Rezensentin biete er eine "unerschöpfliche Quelle von Anekdoten und Dramoletten" aus einer Unterschicht-Familie der Budapester Vorstadt. Die politischen Hintergründe des Nachkriegs-Ungarns interessieren die Autorin dabei gar nicht, so Kahlweit, sie lege ihre "literarische Lupe" vielmehr auf den Alltag in der ärmlichen Einzimmerwohnung und erzähle mit großer Liebe zum Detail von den kleinen Dramen und Freuden. Besonders angetan haben es Kahlweit dabei "die lakonische Sprache, der tiefschwarze Humor, die irren, aber gewöhnlichen Gestalten", die Tóths Roman in ihren Augen bevölkern. Ein Lob hat die Kritikerin auch für die präzise Übersetzung durch György Buda übrig.

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