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Krisztina Tóth, eine anregende und angesehene Vertreterin der modernen ungarischen Literatur, schildert in einzelnen Kapiteln jeweils die eigene Geschichte von Körperteilen (wie Herz, Bauch, Mund, Zunge, usw.) und dann verbindet sie diese wie Pixel, also Bildelemente in überraschenden Kombinationen miteinander.Menschen und Schicksale, brillant skizziert, treffen wie zufällig aufeinander. Durch das abwechselnde Annähern und Entfernen, Verkleinern und Vergrößern entsteht auch ein komplexes und fesselndes System der sich zuweilen vereinigenden Paare.

Produktbeschreibung
Krisztina Tóth, eine anregende und angesehene Vertreterin der modernen ungarischen Literatur, schildert in einzelnen Kapiteln jeweils die eigene Geschichte von Körperteilen (wie Herz, Bauch, Mund, Zunge, usw.) und dann verbindet sie diese wie Pixel, also Bildelemente in überraschenden Kombinationen miteinander.Menschen und Schicksale, brillant skizziert, treffen wie zufällig aufeinander. Durch das abwechselnde Annähern und Entfernen, Verkleinern und Vergrößern entsteht auch ein komplexes und fesselndes System der sich zuweilen vereinigenden Paare.
Autorenporträt
Krisztina Tóth, geb. 1967, publiziert seit 1989, zuerst Gedichte und seit 2006 auch Prosabände. Sie war Bildhauerin, lehrt Kreatives Schreiben und übersetzt französische Poesie ins Ungarische. Ihr erstes deutschsprachiges Buch Strichcode (2012. Berlin Verlag) wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt.
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur Süddeutsche Zeitung-Rezension

Als unerträglich realistisch bezeichnet Cathrin Kahlweit die Autorin und meint das vorbehaltlos positiv. In diesen Erzählungen manifestiert sich ihr Realismus laut Kahlweit in abrupten Stimmungs- und Haltungs- und Richtungswechseln, von Nähe zu Distanz, von einer Figur zur nächsten. So ist es wohl, das Leben, meint Kahlweit, und nimmt die von Krisztina Tóth dokumentierten Momentaufnahmen des Bösen, Lieben, Langweiligen, Banalen, "vom Leben und seinen dummen Zufällen" in all ihrer brutalen Einfachheit und Genauigkeit und wortkargen Darstellung, wie sie sind. Dass die Autorin sie stellvertretend erzählt für alle Menschen, deren Fantasie sie ihnen gleichfalls berschert, findet Kahlweit bewunderns-, dankenswert.

© Perlentaucher Medien GmbH

Süddeutsche Zeitung - Rezension
Süddeutsche Zeitung | Besprechung von 27.02.2014

Alles anders,
alles falsch
Hand, Fuß, Kopf: Krisztina Tóths
grandioser Erzählband „Pixel“
Krisztina Tóth ist eine merkwürdige Erzählerin: Sie nimmt den Leser an die Hand, führt ihn ein Stück, erzählt ihm eine Geschichte; doch so einfühlsam und zart, wie sie begonnen hat, so abrupt ändert sie plötzlich Stimmung und Haltung, unterbricht ihre Erzählung, ändert die Richtung, und der Leser erschrickt. Denn diese Autorin weiß offenbar selbst nicht immer, wie es weitergeht. Sie geht ein Stück des Weges mit ihren Figuren und sieht ihnen ins Herz, dann wieder tritt sie zurück, als beobachte sie die Menschen, die ihre Novellen bevölkern, aus der Distanz, mit einem Fernglas – und als wäre sie selbst überrascht über deren Volten und Wendungen. Bisweilen spielt sie aber auch Schicksal, demonstriert ihre Allmacht, wenn sie ein Ende erzählt, aber ach nein, dann doch ein anderes erfindet, und auch das in einem Vexierspiegel dreht und wendet, weil ihr ein drittes Ende noch besser gefällt.
  „Ich frage mich in Gedanken“, schreibt sie etwa in der „Geschichte des Bauches“, „ob die Protagonistin mit dem kurzen, brünetten Haar noch anderswo auftaucht. Das Inventar an möglichen Wirklichkeiten ist so reich und die wahr werdenden Geschichten spielen sich entweder vor unserem Auge ab oder sie bleiben samt ihren Personen einfach verborgen. Diese Frau soll also sicherheitshalber einen Namen bekommen. Nennen wir sie vielleicht: Nora.“ Sicherheitshalber, vielleicht? Ist dieses anrührende Buch eine Art Episodenroman, weil dem Leser hier und da dieselben Personen wiederbegegnen?Oder eben doch nur ein Ausschnitt aus dem Leben, in dem das halt so ist: Man sieht Menschen, man erkennt sie wieder, man verliert sie?
  Pixel heißt der grandiose, schmale Band der ungarischen Schriftstellerin, die für ihren Erstling „Strichcode“ vor ein paar Jahren den Sándor-Márai-Preis bekommen hat. Die 46-Jährige war Bildhauerin, bevor sie zu schreiben begann; ihren raffiniert konstruierten Werken merkt man das an. Seit 1989 publiziert sie, erst Gedichte, später entschied sie sich für Prosa. Nun hat sie einen Erzählband vorlegt, in dem sie den Körper durchdekliniert, en passant seine Bestandteile fokussiert, als müsse sie die Augen zusammenkneifen, sich den Menschen in ihrem Alltag, ihren kleinen Sorgen und großen Nöten nähern, auf ihre Hand schauen, ihren Mund, auf Haar und Scheide, Fußsohlen oder Gesäß, um sich zu vergewissern, dass das Menschen sind, die unter ihrem Vergrößerungsglas liegen, und keine Insekten.
  Da ist die Lehrerin, die einst ein Kind hatte; sie war schwanger von irgendeinem Studenten, ihre Eltern haben ihr das nie verziehen. Und dann auch noch das: „Mongoloide Idiotie“, sagt ihre Mutter kalt. Hörst du, es hat das Down-Syndrom.“ Sie gibt das Baby weg, will vergessen, doch das Kind taucht immer wieder auf in der Erinnerung. Nun sitzt sie, viele Jahre später, in der Küche, backt Kekse, hockt wartend vor dem Backrohr. Die Szene – nicht mehr als eine Momentaufnahme: „Ihr Mann beobachtete sie, wie sie da vornübergebeugt vor sich hinglotzte und fand sie schrecklich. Hätte sie jedenfalls ein einziges Kind geboren, aber nein, nicht mal das.“ Von dem Kind, das sie hatte, das sie betrauert, weiß er nichts. Sie spricht nicht. Er spricht nicht. „Eigentlich könnten wir auch noch ein Kind haben, oder?“ fragt er. Sie sagt Nein, entschieden, was weiß er schon. „Neben ihrem Kopf tickte trocken, wie eine Zeitbombe, die mechanische Zeitschaltuhr.“
  Eine solche Erzählerin ist Krisztina Tóth, deren Texte György Buda kongenial übersetzt. Brutal in ihrer Einfachheit, wortkarg in ihrer Genauigkeit, lakonisch in ihrer Darstellung. Dann wieder ungeheuer komisch. Eine Frau sitzt in der U-Bahn und beobachtet eine andere Frau. Diese ist offenbar blind. Sie hat ihr Sehvermögen bei einem Unfall verloren. Oder doch durch eine Augenkrankheit?
  Nein, ein unheilbarer Tumor. Aber warum trägt sie eine Uhr? Sicher eine Angewohnheit aus einem anderen Leben. Warum hat sie solche Nägel? Sie geht sicher zur Maniküre, um schick zu sein. Man muss sich ja nicht vernachlässigen, nur weil man blind ist, oder? Sie hat einen weißen Blindenstock, aber sie schämt sich seiner. Würden wir uns nicht eines solchen Stocks schämen und alles tun, um so normal wie möglich zu wirken? Würden wir nicht auch möglichst schicke Schuhe tragen, um als attraktive Blinde nicht Mitleid, sondern eine gewisse Bewunderung zu erregen?
  Alles anders. Alles falsch. Alles Einbildung. Na und? Menschen machen das: Sie phantasieren Geschichten über andere Menschen zusammen. Aber sie schreiben sie nicht auf, Krisztina Tóth tut das, quasi stellvertretend für andere. Sie erzählt von kleiner Einsamkeit und langer, zäher Liebe, vom banalen Bösen und großer Langeweile. Vom Leben und seinen dummen Zufällen. Und weil das meist weniger schön ist als in romantischen Romanen, bietet sie eben mehrere Varianten an. Tröstliche und unversöhnliche. Nicht, weil sie zynisch wäre, sondern weil diese Autorin unerträglich realistisch ist: Das Schicksal, heißt es einmal, hatte ihrer Protagonistin mehrere Geschichten angeboten. „Und die Wirklichkeit zeigte auf die allerschlimmste.“
CATHRIN KAHLWEIT
Krisztina Tóth: Pixel. Aus dem Ungarischen von György Buda. Nischen Verlag, Wien 2013. 170 S., 19,80 Euro.
„Diese Frau soll sicherheitshalber
einen Namen bekommen.
Nennen wir sie vielleicht: Nora.“
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